Volker Hoff
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Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, dann fällt es um.“ Diesen bemerkenswert richtigen Satz hat mir ein kleiner Junge im vergangenen Jahr in einer Schule zugerufen, als er an einem Aufsatzwettbewerb zum Thema Europa teilgenommen hat. Dieser Satz stimmt. Europa bedarf der ständigen
Fortentwicklung, und den nächsten Schritt haben wir nun vor uns:
Am 23.Mai wird der Bundesrat über die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon entscheiden, und ich möchte Ihnen schon heute ankündigen, dass die Hessische Landesregierung, wie bereits im ersten Durchgang, auch dieses Mal dem Vertrag von Lissabon ihre Zustimmung geben wird.
Der Vertrag von Lissabon ist ein Meilenstein auf dem Weg der europäischen Einigung, und deshalb stimmen wir ihm aus voller Überzeugung zu. Wir unterstützen damit den erfolgreichen europapolitischen Kurs der Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Steinmeier, die gemeinsam innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft die Grundlage für diesen zukunftsweisenden Reformvertrag und dessen Verabschiedung gelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ratifizierung des EU-Reformvertrags und sein rasches Inkrafttreten noch vor den Europawahlen am 7. Juni 2009 sind im europäischen, im deutschen und letztlich ganz besonders auch im hessischen Interesse. 13 Mitgliedstaaten haben den EU-Reformvertrag inzwischen ratifiziert: Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Litauen und Lettland, Malta und Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und Ungarn.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Anzahl zeigt, dass ein klares Signal ausgesendet wird, das leider weder im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin noch in der LINKEN-Parteizentrale in Frankfurt am Main gehört wurde. Es stieß dort stattdessen auf taube Ohren.
Dies ist verheerend, denn wer wie die LINKE im Deutschen Bundestag und im Hessischen Landtag den EU-Reformvertrag ablehnt, schadet Europa und missachtet gleichzeitig deutsche und auch hessische Interessen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr gespannt, mit welchen nationalistischen Tönen die LINKE den Europawahlkampf bestreiten wird, denn einen kleinen Vorgeschmack bekommen wir bereits mit der Diskussion dieser Tage.
Der Vertrag von Lissabon passt die Strukturen, die einst für sechs Mitgliedstaaten geschaffen worden sind,den Realitäten einer EU mit 27 Mitgliedstaaten und 500 Millionen Einwohnern an. Dies ist gerade im Zeichen der Globalisierung notwendig.Der neue Vertrag wird die EU voranbringen und ihre Rolle als globalen Spieler ausbauen. Wir brauchen die institutionellen Reformen, die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat, die Verkleinerung der Kommission, die Erweiterung der Mitentscheidung des Parlaments, einen Präsidenten des Europäischen Rats und einen „Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ – kurz: den europäischen Außenminister.Wir brauchen mehr Gemeinsamkeit in einer nachhaltigen Klima-, Energie- und Umweltpolitik. Wir müssen schließlich enger in der Außen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik zusammenarbeiten. Hierfür legt der Vertrag von Lissabon wichtige Grundlagen.
Mit diesem Vertrag sind zahlreiche Verbesserungen verbunden: Er zielt auf mehr Subsidiarität und Transparenz, und er sorgt für weniger Zentralismus und Bürokratie in der Europäischen Union.Die Grundrechtecharta wird für
rechtsverbindlich erklärt. Die EU wird bürgernäher: Die nationalen Parlamente – und dazu zählt auch der Bundesrat – werden eingebunden, und die Bürger können sich unmittelbar über einen Bürgerentscheid einbringen. Schließlich wird erstmals die Möglichkeit eröffnet, Kompetenzen von der europäischen Ebene auf die der Mitgliedstaaten zurückzuverlagern.Das hat gerade die Hessische Landesregierung immer wieder in der Diskussion gefordert. Wir sind froh, dass dies mit dem Vertrag von Lissabon erreicht wird.
Sicherlich gibt es auch im Vertrag von Lissabon Punkte,die uns fehlen – wie beispielsweise der Gottesbezug –, die wir kritisch sehen – so Kompetenzausweitungen wie beim Katastrophenschutz, um ein aktuelles Beispiel zu nennen –, oder Punkte, die wir uns deutlicher gewünscht hätten – z. B. ein Subsidiaritätsverständnis, das noch besser gemäß deutschen Vorstellungen hätte formuliert werden können. Diese kritischen Anmerkungen dürfen aber den Blick auf das große Ganze nicht verstellen.
Meine Damen und Herren, der Reformvertrag von Lissabon wertet die nationalen Parlamente erheblich auf, und er stärkt die Regionen Europas. Am Ende bedeutet dies auch, dass die europapolitische Verantwortung des Landes Hessen deutlich zunehmen wird.
Mit der Subsidiaritätsrüge können Bundestag und Bundesrat, um nur ein Beispiel heranzuziehen, binnen acht Wochen nach Übermittlung eines Entwurfs eines europäischen Rechtsetzungsakts gegenüber Rat, Europäischem Parlament und Kommission darlegen, weshalb dieser Entwurf nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.
Durch die Subsidiaritätsklage – ein noch schärferes Instrument – können wir Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Subsidiarität erheben.
Der Ausschuss der Regionen bekommt ein Klagerecht zum Europäischen Gerichtshof bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip und bei der Verletzung eigener Rechte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jede Initiative zur Nutzung der sogenannten Brückenklausel – die Brückenklausel ist die Entscheidung des Europäischen Rates zum Wechsel von der Einstimmigkeit hin zur Mehrheitsentscheidung – muss den nationalen Parlamenten übermittelt werden, und diese haben dann sechs Monate Zeit, diese Initiative gegebenenfalls zurückzuweisen.
Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird gestärkt, und gleichzeitig wird klargestellt, dass alle der Europäischen Union nicht übertragenen Zuständigkeiten auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten verbleiben.
Schließlich werden die nationale Identität der Mitgliedstaaten und deren politische und verfassungsrechtliche Struktur einschließlich der regionalen und der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich herausgehoben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,unter all diesen Aspekten ist der Vertrag von Lissabon ein voller Erfolg. Wir sind froh, dass wir in Europa so weit gekommen sind.
Die Europäische Union beeinflusst unser nationales Recht in erheblichem Maß. Das ist von uns auch so gewollt. Schließlich haben wir ihr dazu in den Verträgen die Zuständigkeiten übertragen. Allerdings geben die Ver
träge der Europäischen Union keinen Freibrief. Sie muss sich an ihre Zuständigkeiten halten und darf diese nicht überschreiten oder sich ohne ausdrückliche Übertragung weitere Zuständigkeiten aneignen. Dies ist ein ständiges Spannungsfeld im Verhältnis beispielsweise des Landes Hessen zu Brüssel.Wir wissen, dass es seit Längerem – in letzter Zeit leider verstärkt – eine bedenkliche Entwicklung, eine schrittweise Verlagerung von Kompetenzen und Zuständigkeiten auf die Ebene der Europäischen Union gibt. Dies hat innerstaatlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die einzelnen Länder und hat damit auch unmittelbare Auswirkungen auf uns in Hessen.
Lassen Sie mich dies an einigen konkreten Politikfeldern für das Land Hessen und damit auch für diesen Landtag deutlich machen. In der Bildungspolitik beispielsweise, einer Kernkompetenz der deutschen Länder,wirkt bezeichnenderweise der Bildungsministerrat auf einen stärkeren europäischen Einfluss im Kultussektor, insbesondere bei der Lehrerausbildung, hin.
Um ein zweites Beispiel ganz konkret zu benennen: Das Europäische Parlament drängt darauf, als verbindliche Vorgabe für alle Schulen in der Europäischen Union drei Wochenstunden Sportunterricht anzubieten.
Natürlich wird der Präsident des Landessportbundes dem zustimmen. Es ist nichts gegen die drei Wochenstunden Sportunterricht zu sagen. Aber es ist das Einfallstor dafür, dass am Ende von Brüssel aus die gesamte Bildungspolitik in der Europäischen Union vorgegeben wird. Das lehnen wir ab. Dagegen werden wir auch vorgehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Kulturpolitik hat die Kommission eine Europäische Kulturagenda vorgelegt, die im Wege der sogenannten offenen Koordinierung – das ist ein gefährliches Instrument – zentrale europäische Leitlinien, verbunden mit einem hohen Verwaltungsaufwand, vorsieht.
In der Verkehrspolitik gibt es ein Grünbuch „Hin zu einer neuen Kultur der Mobilität in der Stadt“ – so heißt dieses Grünbuch –, nach dem deutliche Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung vorgenommen werden sollen, insbesondere durch die verbindliche Einführung einer CityMaut.
In der Justizpolitik sehen wir mit erheblicher Sorge die zahlreichen Kommissionsvorhaben mit dem Ziel einer Strafrechtsharmonisierung. Bereits heute sind Teile des Umweltstrafrechts durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes vergemeinschaftet. Die Kommission drängt auf weitere strafrechtliche Sanktionen, beispielsweise bei illegaler Beschäftigung oder im Urheberrecht.
Die Innenpolitik. Hier entwickelt die Europäische Kommission fortwährend Aktivitäten in der europäischen Einwanderungspolitik, um die mitgliedstaatlichen Kompetenzen aufzuweichen.
Der Kommissionsapparat wird nicht müde, immer neue Spielfelder zu entdecken.So beansprucht die Kommission nun neuerdings eine Kompetenz für eine europäische Integrationspolitik und hat dazu bereits eine eigene Integrationsagenda vorgelegt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, letztes Beispiel, um zu zeigen, wie auf Tagesereignisse reagiert wird. Seit den furchtbaren Waldbränden in Griechenland interessiert sich die Kommission massiv für das Thema Katastrophenschutz und fordert hier eigene Einsatzkräfte auf europäischer Ebene samt entsprechender Ausstattung, die bei solchen Katastrophen eingesetzt wird.
Die Hessische Landesregierung wendet sich vehement dagegen, dass die europäische Ebene immer weitere Annexkompetenzen konstruiert und damit die Zuständigkeiten aus den Verträgen unterläuft, um am Ende die Kompetenzen und Handlungsspielräume auch dieses Hauses auszuhöhlen.
Herr Kollege Al-Wazir, es gilt der Satz: Nicht jedes Problem in Europa ist ein Problem für Europa.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auch hier diesem Paradigmenwechsel stellen und ihn zur Kenntnis nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europapolitik ist heutzutage Innenpolitik. Europapolitik ist kein Luxusthema für das Ende der Tagesordnung einer Plenarwoche, und es ist aus meiner Sicht auch kein Objekt lyrischer Europaliebesschwüre. Es geht bei Europapolitik um knallharte Sach- und Interessenpolitik,der wir uns stellen müssen und wo wir unsere Interessen formulieren müssen.
Ich habe versucht, an den Einzelbeispielen aus den Bereichen Innen, Kultur, Kultus und Justiz deutlich zu machen, dass jedes Ressort und jeder Fachausschuss von europäischen Vorhaben betroffen ist und mit jedem Tag stärker betroffen sein wird. Wir müssen erkennen, dass die europäische Ebene neben der regionalen und der nationalen Ebene eine entscheidende Bühne darstellt. Wir müssen das schon berüchtigte „Gras wachsen hören“ leisten, und wir müssen unsere hessischen Interessen nachdrücklich wahrnehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, zu welchen Erfolgen ein gesprächsbereites Auftreten in Brüssel führt. Wir haben bei wichtigen Infrastrukturvorhaben – ich nenne nur die Beispiele A 44 und den Frankfurter Flughafen – im Dialog mit der Kommission wichtige Konsense erzielt. Selbst den Erlass von Richtlinien konnten wir im Zusammenspiel mit anderen Regionen, mit dem Europäischen Parlament und mit der Wirtschaft verhindern. Ich nenne als Beispiele nur die Vorschriften zum Clearing und Settlement, die Richtlinie zu den Bodenverkehrsdiensten oder die Bodenschutzrichtlinie, die wir zumindest vorläufig abwenden konnten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine mutige, eine auf die Brüsseler Institutionen ausgerichtete und in Brüssel verfolgte Europapolitik zeigt Wirkung. Dies ist übrigens auch auf dem Jahresempfang in der vergangenen Woche deutlich geworden. Der Kollege Walter war dort, als neben dem Präsidenten des Europäischen Parlaments immerhin vier Kommissare anwesend waren, die dieser Veranstaltung aufmerksam gefolgt sind.
Die neuen Möglichkeiten zur Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips sind für diese Interessenswahrnehmung ein herausragendes Instrument. Aber auch an dieser Stelle gilt:Wo Licht ist,da ist auch Schatten.Schon beim zweiten
Blick stellt man nämlich fest, dass es in den Mitgliedstaaten, ja schon in unseren eigenen Partnerregionen, beispielsweise in der Aquitaine oder in der Emilia-Romagna, durchaus höchst unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was Subsidiarität bedeutet und wie mit Subsidiarität umgegangen werden muss.
Deshalb wird die Hessische Landesregierung darauf drängen, dass gerade die deutschen Länder und der Deutsche Bundesrat zu Wächtern des Subsidiaritätsprinzips in Europa werden. Dies wird Thema in den kommenden Monaten sein, das mit vielfältigen Aktivitäten zu untermauern sein wird.Wir werden als Landesregierung für das Bundesratsverfahren Vorschläge machen, um die internen Abläufe und insbesondere die Ausschussorganisation im Bundesrat, was die Diskussion und Bearbeitung europapolitischer Themen angeht, zu optimieren. Schon im dritten Quartal 2008 werden wir als Landesregierung in unserer Landesvertretung in Berlin einen Kongress zum Thema Subsidiarität durchführen, um die Bedeutung für die deutsche und die hessische Politik deutlich zu machen.
Im vierten Quartal 2008 werden wir – ebenfalls in der Landesvertretung in Berlin – zum zweiten Mal eine große Veranstaltung zum Thema „Hessen und der Europäische Gerichtshof im Dialog“ durchführen mit dem Ziel,die guten Kontakte Hessens, die wir zu den Institutionen des Europäische Gerichtshofs aufbauen konnten, zu intensivieren.
Meine Damen und Herren,wir werden noch intensiver als bisher den Kontakt zu den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und zu den dortige Ausschüssen suchen. Denn mit der Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens steigt die Bedeutung des Europäischen Parlaments enorm an. Auch mit diesem Umstand sollten wir uns vertraut machen.
Nach Inkrafttreten des EU-Reformvertrags werden wir uns dafür einsetzen, dass wir im Bundestag und im Bundesrat einen Testlauf für eine Subsidiaritätsrüge und die Subsidiaritätsklage machen. Eine geeignete Mitteilung der Kommission wird derzeit schon von uns herausgefiltert, um sehr zeitnah entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.Auch im Ausschuss der Regionen werden wir das Thema massiv verfolgen und die Möglichkeit einer Klage eruieren.
Hessen wird die Arbeit in und mit interregionalen Organisationen weiter vertiefen. Sie wissen, dass wir der VRE, der Vereinigung der Regionen Europas, wieder beigetreten sind, dass wir einen hochrangigen Mitarbeiter dorthin abgeordnet haben.Wir engagieren uns in der REGLEG – das ist eine Organisation von Regionen mit Gesetzgebungskompetenz –, und wir werden auch dort in enger Zusammenarbeit auf entsprechende Subsidiaritätsprüfungen dringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was für das Bild nach außen gilt, gilt selbstverständlich auch für das Bild nach innen. So werden wir als Landesregierung neue interne Strukturen aufbauen, um schnell, effektiv und vor allem ressortübergreifend europäische Rechtsakte auf ihre Zulässigkeit hin abzuklopfen. Wir müssen es endlich schaffen, ein internationales Netzwerk zu knüpfen, das sicherstellt, dass wir die Quoren, die für entsprechende Subsidiaritätsverfahren vorgesehen sind, relativ schnell erreichen können. Wie so oft, gilt auch hier: Wir können
diesen Kampf nicht allein gewinnen, sondern wir brauchen Partner in Europa.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Subsidiaritätskontrolle ist aber auch eine Aufgabe für den Hessischen Landtag. Ich möchte dem Hessischen Landtag an dieser Stelle ausdrücklich anbieten, dass wir in diesen Fragen intensiv zusammenarbeiten. Ich denke hier zum einen an das schnelle Zuverfügungstellen von Dokumenten, zum anderen aber auch daran – und hier erlauben Sie mir vielleicht ein Wort als Abgeordneter –, dass wir in diesem Hause mehr Europadebatten führen. Der Europaausschuss muss ein neues Selbstverständnis entwickeln. Wir werden schon in der kommenden Woche im Europaausschuss darüber sprechen, wie wir die Vereinbarung über die Unterrichtung in europäischen Angelegenheiten gegenüber dem Parlament so verbessern können,dass alle Seiten die Informationen haben,die sie brauchen.Ziel der Landesregierung bleibt an dieser Stelle, dass wir gesetzliche Vorgaben vermeiden. Ich glaube nicht, dass wir hier notwendigerweise Gesetze verabschieden müssen. Von unserer Seite besteht die Bereitschaft, hier zu freiwilligen Vereinbarungen zu kommen und den Abgeordneten ein möglichst umfangreiches Informationsrecht einzuräumen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen ist ein weltoffenes Land, ein Land, in dem beispielsweise die Europäische Zentralbank in Frankfurt und die ESA und ESOC in Darmstadt ihren Sitz haben.Wir sind internationale Verkehrsdrehscheibe mit dem Frankfurter Flughafen, wir haben einen der größten Bahnhöfe auf dem europäischen Kontinent, und wir beheimaten Hunderttausende von Menschen aus Europa und aller Welt. Ein solch international geprägtes, modernes Land kann und darf nicht gegen den EU-Reformvertrag und damit gegen die Zukunft Europas stimmen.Wem Europa als Schicksalsgemeinschaft Freiheit und Demokratie,Frieden und Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Solidarität sichert, wem diese Werte wichtig sind, der muss diesem EU-Reformvertrag beitreten und ihn unterstützen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Europäische Gemeinschaft und die Europäische Union sind das größte und erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte dieses Kontinents.
Einen so langen Frieden, eine so lange Periode ohne Spannungen hat es in Europa nie zuvor gegeben. Die europäische Einigung ist und bleibt Grundlage für Frieden und Freiheit in Europa.
Um das zu symbolisieren, nehmen Sie nur einmal den Ort unserer Landesvertretung in Berlin.Wenn Sie 90 Jahre zurückgehen: Der Potsdamer Platz war der verkehrsreichste Platz der Welt, die erste Ampel wurde dort aufgebaut. 20 Jahre später das wohl düsterste Kapitel: Unser Grundstück war Bestandteil der Reichskanzlei von Hitler. Weitere 20 Jahre später war das Grundstück, wo heute unsere Landesvertretung steht, auf der Ostberliner Seite der Mauer Bestandteil des Todesstreifens.Wiederum 20 Jahre später ist dieses Grundstück ein Teil des politischen Zentrums Deutschlands in Berlin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese eruptiven Veränderungen haben wir – das ist meine feste Überzeugung – für die nächsten Jahrzehnte sicherlich ausge
schlossen. Wir werden für eine sehr, sehr lange Zeit an diesem Grundstück keine tief greifenden Veränderungen mehr erleben. Das ist nicht Ergebnis der deutschen Politik, sondern Ergebnis europäischer Friedenspolitik, und dies ist untrennbar mit den europäischen Institutionen, mit dem europäischen Einigungswerk verbunden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den Vertrag von Lissabon unterschreiben und damit die Europäische Union fortentwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anziehungskraft, die die Europäische Union auf die Staaten dieser Welt ausübt, vom westlichen Balkan bis hin nach Georgien, spricht Bände. Es ist kurzsichtig, es ist engstirnig und absurd, wenn man aus populistischen Gründen den Vertrag von Lissabon und damit die Fortentwicklung der Europäischen Union infrage stellen will.
Aus all diesen Gründen wird die Hessische Landesregierung der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon, dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und dem Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates am 23. Mai 2008 im Deutschen Bundesrat zustimmen. Ich füge ausdrücklich an:Wir tun das gern, wir tun das aus voller Überzeugung, und wir tun das in dem Wissen, dass die deutliche Mehrheit dieses Hauses hinter uns steht.– Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.