Aydin Gürlevik
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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde gar nicht mehr zur Schule kommen, sagte ein Schüler bei meinem Workshop zum Thema Mobbing in der Schule. Wenn jemand an diesen Punkt angelangt ist, dann ist es eigentlich schon fast zu spät, deshalb dürfen wir es erst gar nicht dazu kommen lassen, dass die Schule vermieden wird, indem wir hier ansetzen und Mobbingopfern frühzeitig helfen.
Schülerinnen und Schüler werden beleidigt, ausgelacht und ignoriert, sie werden fertiggemacht, ausgegrenzt und bleiben auf der Strecke. Es werden Gerüchte und Lügen über die Opfer verbreitet, und das alles passiert nicht nur einmal, sondern anhaltend. Wer könnte denn in solch einer Situation gern zur Schule gehen, gute Leistungen erbringen oder gut schlafen? Niemand! Je länger ein Kind gemobbt wird, umso schwieriger wird es, und umso schwieriger wird es sein zu helfen, weil das Selbstbewusstsein bereits zerstört sein kann, die Leistungen darunter gelitten
haben können oder das Opfer vielleicht gar nicht mehr in der Schule erscheint.
Eine langfristige Erfassung von Zahlen, wie viele und wo genau Mobbingfälle stattgefunden haben, existiert zwar noch nicht, es ist aber richtig, dass die Bildungsbehörde auf unsere SPD-Initiative vor über einem Jahr reagiert und mit der Dokumentation angefangen hat. Opferzahlen brauchen wir, um die Dimension besser einordnen zu können, sie stellen aber nicht die Lösung dar. Mir geht es dabei vielmehr um die Art und um die Anzahl von Unterstützungs- und Hilfsangeboten und darum, dass feindseliges Verhalten als Auslöser von Mobbing mit Präventionsstrategien bekämpft wird, Mobbing frühzeitig erkannt und den Opfern geholfen wird, weil es ja gerade überall und unbemerkt stattfinden kann, sodass es jede und jeden treffen kann. Ein gemobbtes Kind ist ein gemobbtes Kind zu viel, und deshalb dürfen wir kein einziges Kind allein lassen.
Deshalb müssen wir Handlungsstrategien entwickeln und dabei insbesondere die Eltern einbinden, denn sie sind es, die es schnell spüren, wenn es dem eigenen Kind nicht gut geht, wenn das Kind zum Beispiel immer häufiger zur Schule begleitet werden möchte, wenn das Kind plötzlich nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen möchte, wenn die Leistungen des Kindes nachlassen oder es sich immer mehr zurückzieht, anfängt zu stottern oder Albträume und physische Beschwerden hat. Wenn es Anzeichen für derartige Verhaltensweisen gibt, dann sollte man nicht länger warten, sondern sofort handeln und das Gespräch suchen.
Ich habe mich mit Bremer Schülerinnen und Schülern getroffen, um die Betroffenen gemeinsam zu unterstützen, damit sie aus ihrer Angst und Isolation herauskommen. Kurzvorträge wurden gehalten, eine Wandzeitung erarbeitet und Rollenspiele dargestellt. Wir haben uns gemeinsam auf die Suche begeben und gefragt: Was ist Mobbing, wie entsteht Mobbing, und worin bestehen die Ursachen? Wer ist an Mobbing beteiligt, wessen Interessen sind berührt, welche Lösungen sind denkbar und welche Dimensionen, Bedeutungen und Konsequenzen ergeben sich durch das Mobbing auf der einen Seite und durch die Lösung auf der anderen Seite? Zum Schluss haben sich die Schülerinnen und Schüler positioniert und eine Entscheidung getroffen, wo stehe ich, wo stehen wir. Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist, dass diese Schülerinnen und Schüler, die heute in der Bürgerschaft auch unsere Gäste sind, Mobbing einstimmig geschlossen die rote Karte zeigen.
Es ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie eine friedliche Kultur des Miteinanders und insbesondere des Füreinanders gegen Mobbing mit demokratischen Prinzipien in der Schule und über die Schule hinaus entstehen kann und der soziale Umgang geregelt wird.
Mittlerweile spielt natürlich bei Mobbing auch der Einsatz von Medien eine große Rolle, denn Mobbing mit Medieneinsatz ist viel schneller, weitreichender, anonymer und damit einfacher, wenn zum Beispiel Bilder, Videos, Pinnwandeinträge bei Facebook oder WhatsApp einmal eben verbreitet werden. Das nennt man dann zwar Cybermobbing, an dieser Stelle möchte ich aber besonders betonen, dass Cybermobbing nichts anderes ist als Mobbing,
das aber über andere Kanäle läuft. Daher kann Cybermobbing auch nur über das Erlernen von Reflexion, Rücksicht und Respekt, also das Erwerben von sozialen, emotionalen und kommunikativen Kompetenzen bekämpft werden.
In den letzten drei Jahren wurden zwar circa 160 Veranstaltungen mit 3 000 Personen durchgeführt, Kooperationen und Projekte mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Beratungsstellen der Polizei Bremen und der Landesmedienanstalt existieren auch bereits. Eine Sensibilität für das Thema Mobbing, Zuständigkeiten sowie Kenntnisse über Entstehungs-, Präventions- und Interventionsmöglichkeiten und systematische Handlungsanweisungen und Notfallpläne sind in den Schulen im Übrigen auch vorhanden. Das ist zwar ein gutes Zeichen, das reicht uns aber noch nicht, denn alle Schulen müssen mitmachen.
Außerdem brauchen wir unbedingt auch die Einbindung von außerschulischen Bildungseinrichtungen: Kinder- und Jugendeinrichtungen, Arbeitskreise der Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere auch die Unterstützung der Sportvereine und Kultureinrichtungen, denn sie sind diejenigen Organisationen, in denen die meisten Kinder und Jugendlichen Mitglieder sind.
Wir müssen somit die Schule als Sozialraum verstehen, der sich eben nicht mehr nur auf das Schulgrundstück begrenzt, sondern die vielfältigen Lebenswelten und Interessen der Jugendlichen einbezieht. Dazu brauchen wir im Großen wie im Kleinen funktionierende Netzwerke und Bündnisse, die alle gemeinsam das Nachdenken fördern. In diese Richtung wollen wir gehen, denn das ist der richtige Ansatz gegen Mobbing und Gewalt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eine männliche Lehrkraft ist uns wirklich wertvoll und wichtig, sagte vor Kurzem eine Grundschulleiterin in einem Beitrag von „buten un binnen“. Das sagen auch Gewerkschaften, das Landesinstitut für Schule, viele in der Wissenschaft, viele Lehrende und viele Eltern. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns auch dafür ein, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Möglichkeit erhalten soll, sowohl von einer Lehrerin als auch von einem Lehrer unterrichtet werden zu können.
Ich habe bisher niemanden gefunden, der anderer Meinung ist,denn mittlerweile haben wir so wenige männliche Lehrkräfte an unseren Grundschulen, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
dass, wenn die Bürgerschaft eine Grundschule wäre, im gesamten Plenarsaal fast kaum Männer sitzen würden.
Stellen Sie sich das Verhältnis hier einmal vor, acht Männer und 75 Frauen!
Einigen würde das bestimmt gefallen, aber wir von der SPD kämpfen für Männer und Frauen gleichermaßen. Wir alle freuen uns doch auch über die bunte Zusammensetzung hier im Plenarsaal, meine Damen und Herren!
Unsere Gesellschaft ist vielfältig. In Bremen leben Menschen mit und ohne Behinderung, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, weibliche wie männliche, ältere wie jüngere, sie alle sind Bremer. Eine staatliche Institution muss dieses Bild unserer gesamten Gesellschaft bestmöglich widerspiegeln.
Das gilt für das Parlament genauso wie für die Grundschule. Deshalb halten wir nichts von homogenen staatlichen Institutionen in einer heterogenen Gesellschaft.
Wir stehen hier ja schließlich nicht für Einzelinteressen, sondern für gleichberechtigte Allgemeininteressen, den sozialen Ausgleich und für Solidarität und Toleranz. Die Gesellschaft in ihrer Gänze kennenlernen, Diversity anerkennen und Vielfalt und Potenziale nutzen durch das Anbieten alternativer Erfahrungsmöglichkeiten, um das Miteinander zu stärken, Gemeinschaftsgeist zu entwickeln und die Entwicklungen der Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern, das ist mir wichtig. Integration, Inklusion und die Weiterentwicklung der Schulkultur sind die Bereicherung, um die es uns hier geht.
Dafür sollte man zuallererst Vielfalt so früh wie möglich als Normalität erfahren. Meine Nichte zum Beispiel besucht gerade die vierte Klasse, und nicht nur sie, auch viele weitere Grundschülerinnen und
Grundschüler deutschlandweit wurde bisher nicht von einem einzigen Lehrer unterrichtet. Allein in Bremen haben wir zurzeit 16 Grundschulen mit nicht einer einzigen männlichen Lehrkraft. Erfahren diese Schülerinnen und Schüler wirklich, dass es normal ist, dass Männer als Grundschullehrer arbeiten? Nein, sie erfahren es nicht!
Das ist auch einer der wichtigsten Gründe, warum sich nur wenige Männer für das Grundschulstudium entscheiden, denn eine Bildungsentscheidung ist eine Lebensentscheidung, und gerade Lebensentscheidungen sind nicht nur eine rationale Berechnung zwischen Kosten auf der einen Seite und Nutzen auf der anderen Seite, so als wäre das Gehalt das einzige Entscheidungsmotiv. Bei einer Lebensentscheidung spielen die persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse im Leben eine mindestens genauso große Rolle. Das sagen auch die Biografieforscher. Denjenigen, denen die Erfahrung fehlt, fehlt auch die Pluralität der Optionen.
Wer in seiner Kindheit also nicht erlebt hat, dass es ganz normal ist, dass auch Männer als Grundschullehrer arbeiten, würde es später als Mann schwerer haben, sich für das Grundschulstudium zu entscheiden.
Man könnte auch sagen, so ganz nach dem Motto, was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht!
Deshalb müssen wir die bisherigen Anstrengungen, die wir der Antwort des Senats auf die Große Anfrage entnehmen können, fortsetzen und weitere zeitgemäße Rahmenbedingungen schaffen, um den Anteil männlicher Lehrkräfte in den Grundschulen zu erhöhen.
Allen Abiturientinnen und Abiturienten muss erst einmal das Grundschulstudium vorgestellt werden. Projekte und Imagekampagnen müssen weiterhin unterstützt werden. Dieser Punkt liegt uns ganz besonders am Herzen: Es muss neu geprüft werden, ob und vor allem wie erworbene pädagogische oder soziale Kompetenzen im Zulassungsverfahren der Universität berücksichtigt werden können, zum Beispiel durch eine Bonierung auf die Abiturnote.
Lassen Sie uns die Schule gemeinsam weiterentwickeln und hier ein Zeichen setzen! Wir wollen mehr Männer in den Grundschulen sehen, genauso wie wir auch mehr Frauen in den Chefetagen sehen wollen.
Unterstützen auch Sie, meine Damen und Herren, diese Initiative für mehr Vielfalt in unseren basislegenden Grundschulen und für mehr gute Vorbilder für unsere nachkommenden Generationen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!