Claudia Martin
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Lobbyismus beenden – –
Entschuldigung. Ich fange noch einmal an. Ich mache es aber noch einmal so wie eben.
„Lobbyismus beenden“, so sollte man eigentlich den heutigen Punkt nennen, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kol legen und Kolleginnen.
Treffender lässt sich die Situation im Ländle wohl kaum be schreiben. Denn in Baden-Württemberg ist der Rettungsdienst fest in der Hand einer etablierten Hilfsorganisation: dem Deut schen Roten Kreuz. Auf den ersten Moment klingt das doch gar nicht so verkehrt. Warum ist es dann aber einzigartig in Deutschland? Es gibt einen guten Grund, warum andere Bun desländer die Trägerschaft des Rettungswesens nicht dem Dienstleister – hier im Ländle verzerrend „Leistungsträger“ genannt – überlassen.
In Baden-Württemberg liegen über 85 % der Trägerschaft beim Deutschen Roten Kreuz. Über 85 %! Ich denke, ich muss niemandem von Ihnen hier erklären, dass das eine Monopol stellung ist.
Wie will die Regierung jemals wirkliche Fehlentwicklung feststellen, wenn alles durch den sogenannten Leistungsträ ger auf der einen Seite und die Kostenträger wie der AOK auf der anderen Seite selbst gesteuert wird?
Wie wollen wir eine sinnvolle Kostenstruktur erreichen, wenn wir keinen direkten Einblick erhalten und dieser sogar Land tagsabgeordneten von den örtlichen Rettungsdienstbereichs ausschüssen verweigert wird? Warum gibt es diese Sonder stellung in Baden-Württemberg?
Wenn man einmal genauer hinschaut, erkennt man schnell die Machenschaften im Hintergrund.
Das Deutsche Rote Kreuz hat sich seine Strukturen in der Po litik längst aufgebaut.
Darum verwundert es auch nicht, dass die Lobbyisten des Deutschen Roten Kreuzes erst vor wenigen Tagen zu Besuch im Landtag bei der SPD und der CDU waren.
Auch wenn ich Herrn Klenk als Vizepräsident sehr zu schät zen weiß und mir seine wertschätzende und humorvolle Art gefällt,
muss man trotzdem sein Handeln in der Vergangenheit infra ge stellen. Ein Hundertprozentjob beim Roten Kreuz und das Vollzeitmandat im Parlament
stellen für mich nicht nur im zeitlichen Hinblick einen Inter essenkonflikt dar,
zumal er nicht der einzige CDUler ist: Guido Wolf war Kreis chef beim DRK.
Auch andere CDUler, SPDler und FDPler blicken auf eine Karriere beim Deutschen Roten Kreuz zurück.
Gleiches gilt für Herrn Hillebrand, der lange Zeit im Sozial ministerium als Staatssekretär und zugleich beim DRK Reut lingen als Kreisvorsitzender tätig war.
Nicht umsonst hat die „Stuttgarter Zeitung“ vor fast genau ei nem Jahr getitelt: „CDU-Dominanz in DRK-Führung“.
Das DRK kontrolliert sich selbst, und genau das dürfen wir nicht dulden.
Wer von Ihnen noch nicht verstanden hat, worum es hier in Baden-Württemberg wirklich geht, dem sollte eines klar sein: Im Katastrophenfall hat das Land keinen direkten Zugriff auf Rettungsmaßnahmen. Viele der Kreisleitstellen werden vom örtlichen Roten Kreuz betrieben. Selbst die örtlichen Feuer wehren haben nur vereinzelt Zugriff auf Leitstellenstrukturen.
Wie kann das sein, dass wir eine so wichtige Aufgabe aus der öffentlichen Hand geben?
Liebe Kollegen, wir brauchen auch keine 37 Leitstellen. Es reichen deutlich weniger Leitstellen. Die eingesparten Kos
ten kann man dann wiederum in sinnvollere Ausrüstung und mehr Personal zur Rettung investieren.
In anderen Ländern gibt es mittlerweile Erste-Hilfe-Drohnen, die einem fliegenden Medizinkoffer gleichen und sogar mit einem Defibrillator ausgestattet sind. Per Lifestream gibt der Notarzt Anweisungen. So könnten allein in Deutschland über 100 000 Tote pro Jahr verhindert werden.
Aber was machen wir in Baden-Württemberg? Anstatt in die Zukunft zu denken, verharren wir in der Vergangenheit und sind in diesem Bereich das rückschrittlichste Land überhaupt.
In Aachen gibt es z. B. den sogenannten Telenotarzt in der Eu regio.
Es kann und es darf nicht sein, dass wir aufgrund von Vetter leswirtschaft weiterhin das Leben der Bürger in Baden-Würt temberg fahrlässig aufs Spiel setzen.
Darum unterstützen auch wir die Forderung der Notärzte schaft: Die Trägerschaft des Rettungswesens gehört dringend in öffentliche Hand.