Rosa Grünstein

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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bereits in der ersten Lesung habe ich für die SPD-Fraktion den Gesetzentwurf zur Erprobung elektronischer Bürgerdienste als längst fälligen, wichtigen Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Meine Fraktion wird sich diesem Gesetz selbstverständlich nicht verschließen und wird dem Entwurf zustimmen.
Allerdings erwarte ich von Herrn Innenminister Schäuble eine klarstellende Äußerung zu der Formulierung am Ende von § 1 Abs. 1 des Entwurfs. Danach werden die jeweils zuständigen Minister unter anderem dazu ermächtigt, eine abweichende Regelung hinsichtlich „der Zahl der vorzulegenden Unterlagen“ zu treffen. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu, dass beim Erlass der Rechtsverordnung auch überprüft werden soll, ob geforderte Unterlagen für das konkrete Verwaltungsverfahren wirklich unverzichtbar sind, sei dies nun im Schulwesen, im Baurecht oder bei umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren. Das kann aber meinem rechtsstaatlichen Verständnis nach sicherlich nicht bedeuten, dass nun per Rechtsverordnung die Pflicht zur Vorlage von für den materiell-rechtlichen Prüfungsumfang erforderlichen Unterlagen abgeschafft werden kann. Es kann hier vielmehr nur um die Abschaffung von Doppelinformationen gehen bzw. von Informationen, die aufgrund veränderter Sach- oder Rechtslage nicht mehr erforderlich sind. Ich bitte Sie, Herr Innenminister, hierzu eine klare Aussage zu machen.
Da wir gerade beim Rechtsstaatsverständnis sind, will ich noch kurz über die Beratung im Innenausschuss informieren. Wenn der Herr Minister dabei anwesend gewesen wäre, wäre es mir heute nicht so wichtig gewesen, dass seine Aussage protokolliert wird. Die Abgeordneten von CDU und FDP/DVP brachten im Rahmen der Beratungen über den Gesetzentwurf zur Erprobung elektronischer Bürgerdienste einen gemeinsamen Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf ein, der die Zuständigkeit und Organisation – man mag es kaum glauben – der Landesforstverwaltung
neu regeln sollte. Erstens handelt es sich bei einem solchen Änderungsantrag, der keinerlei inhaltlichen Bezug zum Beratungsgegenstand hat, um ein selbstständiges Gesetzesvorhaben, das einer Ersten und Zweiten Beratung bedarf, und zweitens bedarf dieser Antrag einer Beratung im Ausschuss für ländlichen Raum und Landwirtschaft und nicht im Innenausschuss.
Entsprechendes gilt für die ebenfalls im Rahmen eines unselbstständigen Änderungsantrags eingebrachten Änderungen des Meldegesetzes, die keinerlei inhaltliche Anknüpfung zum vorliegenden Gesetzentwurf haben und worüber dem Landtag nicht – wie nach der Verfassung und der Geschäftsordnung vorgesehen – das Ergebnis einer Anhörung der betroffenen Gemeinden vorgelegt wurde. Diese Vorgehensweise ist höchst erstaunlich und lässt eigentlich nur einen Schluss zu, nämlich dass hier geschlampt wurde und längst überfällige Regelungen nicht rechtzeitig auf den dafür erforderlichen parlamentarischen Weg gebracht wurden und jetzt nach Art des Kuckucks in ein fremdes Nest gelegt werden sollten. Dies darf aber nicht auf Kosten eines rechtsstaatlichen parlamentarischen Verfahrens gehen. Deshalb haben wir den Änderungsantrag zurückgewiesen und auf den rechtmäßigen Weg aufmerksam gemacht. Daraufhin zogen die Antragsteller ihren Kuckucksantrag kleinlaut wieder zurück.
Zurück zum eigentlichen Inhalt des Gesetzentwurfs. Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Notwendigkeit des elektronischen Verwaltungsservice sagen.
Die Einrichtung dieser neuen Kommunikationswege zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung kann – das liegt auf der Hand – allen Beteiligten viel Zeit und Wege ersparen. Auf diese Weise könnten sie sich das Rathaus ins Wohnzimmer holen: Die Behörde kommt zum Bürger und nicht umgekehrt.
Um diese Entwicklung effektiv voranzutreiben, müssen Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen und die notwendigen rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen schaffen. Denn eines ist gewiss: Diese Entwicklung wird sich schnell bezahlt machen, und zwar für alle Beteiligten, wenn sie in der richtigen Art und Weise praktiziert wird.
Die Bundesregierung hat ihrerseits Pilotprojekte zur Erprobung der neuen Techniken im Verwaltungsablauf gestartet. Das Bundesinnenministerium und das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen arbeiten dabei gemeinsam an möglichen Vereinfachungen. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert mit 60 Millionen DM ein dreijähriges Projekt in Bremen, Nürnberg und Esslingen zur Erprobung der Onlinetechnik in Verwaltungsverfahren.
Ich kann daher Herrn Innenminister Schäuble nur auffordern: Erproben Sie die Möglichkeit der elektronischen Bürgerdienste im Lande. Erproben Sie sie aber zügig, und unterstützen Sie die Kommunen und Landkreise bei dieser Entwicklung mit allen erforderlichen Mitteln. Die Zeit läuft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, über den wir heute hier zu befinden haben, ist längst überfällig. Die Bundesregierung hat den Aufbruch in die Informationsgesellschaft eingeläutet
doch, am 31. Mai – und die Änderung der Signaturverordnung beschlossen.
Da in diesem hohen Hause immer gerne nach anderen Bundesländern geschielt wird, will ich das jetzt auch tun und nach Niedersachsen schauen, denn dort wird die digitale Signatur bereits flächendeckend genutzt. In Baden-Württemberg soll wieder einmal nur erprobt werden, was woanders längst gängige Praxis ist.
Der vorgelegte Entwurf scheint auch in einigen Punkten nicht genau durchdacht worden zu sein. Dieser Gesetzentwurf zielt auf die Erprobung neuer Kommunikationsformen zwischen Bürger und Verwaltung. Das sollte unserer Meinung nach aber erst der zweite Schritt sein. Weitaus sinnvoller scheint es doch, zunächst die Kommunikation zwischen den Behörden als Erprobungsfeld zu nehmen. Das hätte zwei Vorteile, die bei genauerem Hinsehen auf der Hand liegen.
Erstens findet zwischen den Verwaltungen ein wesentlich häufigerer Schriftwechsel statt. Als Beispiel nenne ich die Gemeinde Walldorf, die weit über 1 000 Kassenanweisungen pro Woche hat. Es wäre eine erhebliche Arbeitsersparung, wenn nicht für jede Anweisung ein extra Beleg an die Rechnung geheftet werden müsste, der dann auch noch von zwei Personen persönlich unterzeichnet werden muss.
Zweitens wird der Bürger nicht in eine Testphase einbezogen, in der auch die beteiligten Verwaltungsangestellten und Beamten ihre mangelnden Kenntnisse in vielen Fällen nicht verbergen könnten. Da bliebe es nicht aus, dass die Bürgerinnen und Bürger schon zu Beginn verärgert wären und sich dann dem neuen Medium nur sehr zögernd näherten.
Im Moment ist das Angebot der praktischen Nutzung für die Bürgerinnen und Bürger noch sehr begrenzt, und noch ist nicht erkennbar, wann, ob überhaupt und wie sich das Angebot ausweiten wird. Wünschenswert wäre es, wenn sich zum Beispiel die Banken diesem System anschließen würden und damit die PIN- und TAN-Nummern wegfallen könnten. Das wäre dann eine positive und bürgerfreundliche Erweiterung der elektronischen Dienste. Da aber offenbar auch weiterhin diversen Anträgen Unterlagen in Schriftform beigelegt werden müssen – so heißt es zumindest in der Einzelbegründung zu Absatz 1 –, erscheint mir die Begründung zu § 2, dem wirtschaftlichen Nutzen, als haltlos.
Was mit diesem Gesetz erreicht werden könnte und was außerordentlich vernünftig und sinnvoll wäre, ist, verstärkt auf die Verwaltungen hinzuwirken, sich diesem neuen Medium zu öffnen. Die Kosten können hierbei sicherlich vernachlässigt werden, da man sich zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ohnehin zu diesem Medium bekennen muss und längerfristig deutliche Kosteneinsparungen diese Investitionen mit Sicherheit rechtfertigen werden.
Ein Knackpunkt wird sein, dass in vielen Verwaltungen erst die Organisation an dieses Medium angepasst werden muss. Gegenüber der Schriftform erwartet der Bürger bei E-Mail eine deutlich schnellere Antwort. Um die Unsicherheit Einzelner zu nehmen, wäre auch ein automatischer Nachweis darüber, dass eine E-Mail angekommen ist, sicherlich wünschenswert. Im allgemeinen Teil der Begründung zu § 1 heißt es:
Der automatische Nachweis, dass ein inhaltlich bestimmter Datensatz dem Empfänger in lesbarer Form auch tatsächlich zugegangen ist, dürfte erst mittelfristig zu realisieren sein.
Da besteht, denke ich, Handlungsbedarf für eine Beschleunigung des Verfahrens.
Dass immer wieder von künftig eventuell unterschiedlichen Verschlüsselungsverfahren die Rede ist, lässt offen, ob und, wenn ja, wie diese aufeinander abgestimmt werden oder ob der Bürger ständig Anpassungen vornehmen muss. Erst wenn es möglich ist, die multifunktionale Chipkarte, nennen wir sie „BaWü-Logi-Card“,
mit einem einheitlichen Grundprinzip bei jeder Karte, flächendeckend anzubieten, werden die Bürgerinnen und Bürger bereit sein, sich diese praxisfreundliche Erneuerung etwas kosten zu lassen.
Hiermit habe ich auf einige noch nicht ausgereifte Punkte in diesem Gesetzentwurf aufmerksam gemacht, will abschließend für die SPD-Fraktion aber betonen, dass wir diesen längst überfälligen ersten Schritt begrüßen, auf schnellstmögliche Umsetzung drängen, aber auch dazu auffordern, die angesprochenen Schwachstellen mit dem nötigen Nachdruck in angemessener Zeit anzugehen und auch zu beseitigen.
Vielen Dank.