Marianne Wonnay
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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die heutige familienpolitische Debatte mit einem Zitat beginnen.
Die gleichzeitige Berufstätigkeit beider Partner ist das heute mehrheitlich gewünschte Lebensentwurfsmodell.
Heute sind mehr als zwei Drittel aller Mütter mit Kindern und mehr als die Hälfte aller Mütter mit Kleinkindern berufstätig. Die meisten jungen Menschen wollen nicht vor die Alternative Beruf oder Familie gestellt werden. Gefragt ist heute die möglichst reibungslose Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Meine Damen und Herren, eigentlich hätte jetzt rauschender Beifall vonseiten der CDU kommen müssen. Er kommt leider nicht. Genau hier liegt das familienpolitische Problem der CDU.
Denn obwohl diese beiden Zitate aus dem familienpolitischen Leitantrag der Bundes-CDU stammen, entspricht die Familienpolitik der Landesregierung leider in keiner Weise diesem Leitbild.
Im Gegenteil, die Familienpolitik der Landesregierung ist konzeptionslos und nicht mehr zeitgemäß. Daran ändert auch der Kabinettsbeschluss zum Landeserziehungsgeld nichts. Er ist ein halbherziger Schritt, zu dem die Landesregierung erst getrieben werden musste.
Nachdem die Landesregierung noch vor Wochen beim Landeserziehungsgeld heillos zerstritten war,
hat nun das beharrliche Nachbohren der SPD dazu geführt, dass sich zumindest in kleinen Schritten etwas bewegt hat.
Wir begrüßen diese kleinen Schritte. An entscheidenden Stellen, meine Damen und Herren, fehlt Ihnen jedoch der Mut zu einer zeitgemäßen Familienpolitik.
Die SPD hat die heutige Debatte beantragt, weil wir der unzeitgemäßen und konzeptionslosen Familienpolitik der Landesregierung konkrete Alternativen entgegensetzen wollen. Wir wollen die Familien in Baden-Württemberg unterstützen und fördern. Wir wollen bereits im nächsten Jahr und nicht erst im Jahr 2003 die Einkommensgrenzen beim Landeserziehungsgeld anheben.
Davon profitieren Familien mit 14 000 Kindern hier in unserem Land. Diese Familien gehen nach Ihrem Konzept
leer aus. Wir geben Ihnen beim Nachtragshaushalt die Gelegenheit, dies zu korrigieren.
Wir wollen mehr Wahlmöglichkeiten für Eltern. Wir wollen eine verlässliche Halbtagsschule mit festen Unterrichtszeiten am Vormittag ohne ein Schulgeld durch die Hintertür. Wir wollen mehr Ganztagsschulen, und wir wollen verbesserte Kinderbetreuungsangebote für Familien.
Es reicht nicht aus, nur die Einkommensgrenzen beim Landeserziehungsgeld anzuheben. Wir wollen für Eltern mehr Wahlfreiheit beim Bezug des Landeserziehungsgelds und bessere Kombinationsmöglichkeiten mit Teilzeitbeschäftigung. Dies ermöglicht insgesamt eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit wird die Eigenkompetenz, werden die Selbsthilfemöglichkeiten der Familien ganz entscheidend gestärkt.
Für viele Familien in Baden-Württemberg ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf jedoch noch in weiter Ferne. Die Landesregierung unterstützt Familien nicht in ihrem Wunsch, Familie und Beruf zu vereinbaren, sondern legt den Familien immer noch Steine in den Weg.
Die ideologische Verbohrtheit geht sogar so weit, dass die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage die Expertenmeinung im Landesfamilienbericht zur Kleinkindbetreuung falsch und unvollständig zitiert.
Es ist eben nicht so, dass die Experten sagen, dass der Familienerziehung in den ersten drei Lebensjahren die ausschließliche Priorität vor außerfamilialen Betreuungsmaßnahmen einzuräumen ist. Wir in Baden-Württemberg weisen im Kleinkindbereich eine unterdurchschnittliche Angebotsstruktur aus. Das Gleiche gilt für Ganztagsplätze mit Mittagessen. Während im Bundesgebiet West – Sie wissen, in Ost sieht es noch wesentlich besser aus – diese Angebote immerhin 16,9 % ausmachen, liegen wir in Baden-Württemberg bei schwachen 3 %. Das muss sich ändern.
Immer noch gibt es in Baden-Württemberg keine garantierten Unterrichtszeiten am Vormittag. Die vom Kultusministerium angekündigte so genannte verlässliche Grundschule entbehrt jeder Verlässlichkeit. Statt einer verlässlichen Halbtagsschule bekommen die Familien in Baden-Württemberg ein Schulgeld durch die Hintertür.
Ich bin gespannt, was die Landesregierung hier den Eltern an zusätzlichen Belastungen zumuten will. Sie haben bereits bei der Schülerbeförderung
Herr Kollege – den Familien monatliche Mehrbelastungen von 30 DM zugemutet und diese Mehrbelastungen nachdrücklich als zumutbar bezeichnet. Immerhin macht dies pro Kind im Jahr 360 DM aus. Wie scheinheilig ist
vor diesem Hintergrund doch die CDU-Kritik an der Ökosteuer. Hier beklagt die CDU Belastungen für Familien, aber sie verschweigt die beschlossenen Entlastungen für Familien.
Ich sage es Ihnen gleich, Herr Kollege. Die durchschnittliche Belastung einer Familie mit zwei Kindern durch die zweite Stufe der Ökosteuer beträgt monatlich 4,70 DM.
Rechnet man die Entlastung durch die Steuerreform und das Kindergeld dagegen, ergibt sich ein Plus von 90 DM im Monat.
Das ist die CDU-Familienarithmetik: 30 DM monatliche Mehrbelastung für Familien durch die CDU bei der Schülerbeförderung ist den Familien zuzumuten, Mehrausgaben von 4,70 DM pro Monat, die durch die Politik der SPD-geführten Bundesregierung für Familien mit einem Plus von 90 DM mehr als ausgeglichen werden, bedeuten nach Ihrer Auffassung aber angeblich unzumutbare Belastungen für Familien.
Die CDU kann alles, außer Rechnen.
Meine Damen und Herren, es ist Zeit für eine bessere Familienpolitik im Land, für eine Politik, die nicht wegen einer fadenscheinigen Wahlkampftaktik alle familienpolitische Verantwortung nach Berlin schiebt. Es ist Zeit für rasche Verbesserungen beim Landeserziehungsgeld. Es ist Zeit für eine verlässliche Halbtagsschule mit festen Unterrichtszeiten am Vormittag ohne ein Schulgeld durch die Hintertür. Es ist Zeit für mehr Ganztagsschulen. Es ist Zeit für verbesserte Kinderbetreuungsangebote für Familien. Es ist Zeit dafür, dass die Landes-CDU ihre rückschrittliche Familienpolitik korrigiert. Der Landes-CDU stünde in der Familienpolitik mehr Merkel und weniger Teufel gut zu Gesicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion freut sich über jede Verbesserung für Kinder und Familien. Deshalb werden wir, falls Sie unseren sehr viel weiter gehenden Anträgen nicht zustimmen, Ihren Teilschritten die Zustimmung erteilen.
Frau Blank, Herr Dr. Noll, Herr Minister, zum Bundeserziehungsgeld will ich doch noch ein Wort sagen. 14 Jahre lang haben Sie nichts gemacht.
Sie haben 1,5 Billionen DM Schulden hinterlassen, und dann die ersten Teilschritte der anderen zu kritisieren, das ist schlichtweg unanständig.
Allein in diesem Jahr beträgt die Nettoentlastung für Familien 5,5 Milliarden DM. Das sind keine Peanuts.
Herr Kollege Haas, offensichtlich können Sie nicht nur nicht rechnen, sondern auch nicht zuhören.
Ich habe das vorhin ausdrücklich dargelegt.
Jetzt noch ein Wort zu der Legende, dass in Baden-Württemberg alles immer Spitze sei, und dann der Querverweis auf die anderen Bundesländer.
Ich will Ihnen das einmal an einer einzigen Zahl darlegen. Herr Kollege Schmid, hören Sie zu. Sie werden dabei etwas lernen.
Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Kinderbetreuung betragen in Baden-Württemberg 66 DM, in Bayern 71 DM und in Nordrhein-Westfalen 94 DM.
So viel einfach einmal zu diesem Teil der Legende.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die heutige Debatte hat eines wieder einmal sehr deutlich gemacht: dass Familienpolitik à la Merkel die bessere Alternative zur Familienpolitik à la Teufel ist, dass wir aber im Interesse un
serer Kinder und im Interesse unserer Familien ganz dringend eine Familienpolitik hier im Land ohne Teufel und Co. brauchen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte schon so eine Vorahnung, Frau Kollegin Blank, dass wir heute eine Neuauflage des Märchens „Die Familie und ihre gute Fee Landesregierung“
mit der Rolle der rot-grünen Bundesregierung als böse Fee erleben würden.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, schreckt die Landesregierung natürlich auch nicht vor tendenzieller Darstellung zurück. Ich möchte Ihnen das gern belegen.
Da kritisieren Sie anhand einer Tabelle des Bundes der Steuerzahler, die in der Gesamtwirkung eine klare Entlastung für Familien belegt,
die Konsequenzen der ersten Stufe der Ökosteuer
als sozial unausgewogen. Das sagt dieselbe Landesregierung, die andererseits in der Antwort auf unsere parlamentarische Initiative zu den notwendigen Konsequenzen aus dem Familienbericht 1998 Belastungen von Familien bagatellisiert.
Damals stellten Sie nämlich fest, dass zusätzliche Belastungen durch Ihre Kürzungen bei der Schülerbeförderung im Rahmen von 30 DM und mehr pro Monat und Kind den Familien zumutbar seien. Diesen Widerspruch müssen Sie erst einmal erklären.
Dass Sie in Sachen Schülerbeförderung lernresistent sind, haben Sie bei den Haushaltsberatungen leider einmal mehr unter Beweis gestellt.
Bleiben wir doch einmal beim Beispiel Ökosteuer. Sie kritisieren den jetzigen Ansatz mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer um zwölf Pfennig
und der gleichzeitigen Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt als sozial unausgewogen.
Als sich allein in den Jahren 1989 bis 1994 in der Ära Kohl die Erhöhung der Mineralölsteuer auf 50 Pfennig summiert hat
und gleichzeitig – Herr Kollege Haasis – die Sozialversicherungsbeiträge um 1,4 % Prozentpunkte gestiegen sind,
da war von Ihnen keine Silbe zu hören.
Das nenne ich ein familienpolitisches Armutszeugnis.
Die Regierung Kohl hat zu Recht vom Bundesverfassungsgericht in Sachen Familienlastenausgleich die rote Karte erhalten. 15 Jahre lang haben Sie Familien verfassungswidrig besteuert. Wo waren Sie denn in dieser Zeit?
Wer sich über Jahre in der familienpolitischen Sackgasse befindet, sollte sich jetzt nicht als Lokomotive aufspielen.
Da knüpfen Sie, muss ich sagen, in bester Manier an Claudia Nolte an, die Familienarmut aber wirklich mit Taschenspielertricks wegdefinieren wollte.
Auf unsere konkrete Frage, welches Konzept die Landesregierung zum Abbau von Familienarmut hat, hat die Landesregierung wortwörtlich geantwortet – –
Eben von diesem Familienbericht spreche ich.
Hören Sie gut zu, Herr Kollege Seimetz. Sie können nur lernen.
Die Landesregierung hat damals ausgeführt:
Für Familien mit Kindern ist... das Risiko eines niedrigen Einkommens bei einer Quote von 10,6 % geringer als für den Durchschnitt aller Privathaushalte.
Sie haben dabei verschwiegen, dass diese 10,6 % nicht alle Familien, sondern nur Ehepaare mit Kindern betreffen. Die rund 290 000 Alleinerziehenden im Land, bei denen die Armutsquote bei 30 % liegt, haben Sie schlichtweg unter den Tisch fallen lassen genauso wie die Tatsache, dass bei Ehepaaren ohne Kinder die Armutsquote mit 5,1 % nicht einmal halb so hoch ist. Im Übrigen nutzt es den betroffenen Familien natürlich herzlich wenig, wenn sie erfahren, dass es Gruppen mit einem noch höheren Armutsrisiko gibt.
Wir waren uns in der Enquetekommission „Kinder in Baden-Württemberg“ einmal einig über die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs. Von Ihnen kamen dazu so gut wie keine Initiativen.
Das war immer nur dann der Fall, wenn der Herr Ministerpräsident gesehen hat, dass die SPD das Kindergeld über den Bundesrat erhöhen wird. Dann hat er sich schnellstmöglich auf den fahrenden Zug begeben.
Das war aber das Einzige. Die jetzige Bundesregierung – –
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Das kann ich mir schon vorstellen, dass Sie das alles nicht so gerne hören.
Die jetzige Bundesregierung hat mit der mehrfachen Erhöhung des Kindergelds, mit der Einführung des Betreuungsfreibetrags und mit den Steuerentlastungen genau das erreicht, was wir in diesem Hause damals einvernehmlich wollten. Als Familienpolitikerin wünsche ich mir weitere Schritte. Aber das ist dank Ihrer Hinterlassenschaften und der großen Defizite, die Sie in der Ära Kohl in der Familienpolitik hinterlassen haben,
angesichts einer hohen Staatsverschuldung und angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit, Frau Kollegin Blank – –
Ich komme in meinem letzten Satz zu den Handlungsmöglichkeiten des Landes.
Ich bin dabei, Herr Präsident.
Sie sind stolz auf die Verbesserungen in der Kinderbetreuung. Da stimme ich Ihnen zu. Wir haben aber nach wie vor riesige Defizite in der Kleinkindbetreuung und in der Schulkindbetreuung.
Solange Sie nicht einem Kindertagesstättengesetz, das auch diesen Bereich regelt, zustimmen...
... – ich führe nur diesen Satz zu Ende; dann bin ich am Schluss, Herr Präsident –...
... und solange Sie weiter die Einführung der verlässlichen Halbtagsschule verzögern und die Eltern weiterhin mit Gebühren belasten, sind Sie auch im Handlungsbereich des Landes nicht glaubwürdig.