Walter Momper

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Last Statements

Danke schön, Frau Dr. Tesch! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederici das Wort. – Bitte schön!
Die Stadtentwicklungssenatorin hat das Wort. – Bitte schön, Frau Junge-Reyer!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Montag haben wir das Fest der Freiheit mit vielen internationalen Gästen in dieser Stadt gefeiert. Wir haben uns an den 9. November 1989 erinnert, der ein Tag des Glücks in der deutschen Geschichte ist. Es war auch ein Fest des Friedens, denn die Revolution in der DDR war eine absolut friedliche Revolution. Freiheit und Einheit sind friedlich erlangt worden. Wann hat man das schon einmal bei Einigungsbewegungen, aber auch bei Revolutionen erlebt?
Ich empfinde Dankbarkeit und Hochachtung vor den Männern und Frauen in der DDR, die für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht auf die Straße gegangen sind und denen wir letzten Endes die Öffnung der Mauer zu verdanken haben. Wir bewundern die Kraft dieser Menschen, die Angst zu überwinden, wenn man etwa an den 9. Oktober in Leipzig denkt. Das war eine hervorragende Leistung.
Ich empfinde auch Dankbarkeit und Hochachtung für das tapfere polnische Volk, für die damalige ungarische Führung und auch für Michail Gorbatschow. Ungarn hat die Grenzen nach Westen für die DDR-Bürger geöffnet; Gorbatschow hat den Weg der Selbstbestimmung für die Völker des Ostens eröffnet; und das polnische Volk hat zehn Jahre lang dafür kämpfen müssen, das sowjetische Joch abzuwerfen und damit den Weg für Europa freizumachen und ein leuchtendes Vorbild auf diesem Weg zu sein.
Der 9. November 1989 war ein europäisches Ereignis, ein Signal für ganz Osteuropa, auch ein Kulminationspunkt.
Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Teilung Berlins, Deutschlands und Europas letztendlich eine Folge
des Zweiten Weltkrieges war – der von Deutschland ausging –, auch eine Folge des Holocausts, des Mordes an sechs Millionen europäischen Juden durch die Deutschen. In diesem Zusammenhang wollen wir uns auch an den 9. November 1938 erinnern, an die Reichspogromnacht mit den Gewaltexzessen gegen die deutschen Juden und ihre Gotteshäuser. Diese Tatsachen sind und bleiben eine Mahnung für uns alle, dass Fremdenhass und Intoleranz immer und überall bekämpft werden müssen, wo sie auftauchen.
Vom 9. November 1989 bis zum 3. Oktober 1990 verging weniger als ein Jahr. Es waren zehn Monate bis zur deutschen Einheit in Frieden und Freiheit in Grenzen, die von unseren Nachbarn akzeptiert wurden. Das ist in Deutschland in der Vergangenheit nicht so gewesen. Das war ein rasanter Prozess – nicht etwa, weil die Politiker das so betrieben hätten, sondern weil die Menschen in der DDR das so wollten. Sie wollten endlich sicher sein vor der SED-Herrschaft. Sie wollten sicher sein vor der StasiWillkür, und sie wollten verständlicherweise die D-Mark als Währung haben. Dadurch ist dieser Prozess mit einer solchen Beschleunigung abgelaufen.
Auch weil das so war, fehlt mir heute jedes Verständnis dafür, wenn es so etwas wie DDR-Nostalgie gibt.
Das ist eine Nostalgie, die die Schrecken der Diktatur verharmlost und die Opfer der Diktatur, besonders die Opfer der Mauer vergisst. Unsere Gedenkstätten müssen dem entgegenwirken; das ist hier schon gesagt worden.
Natürlich ist der Prozess der Einheit in den letzten zwanzig Jahren nicht reibungslos verlaufen. Natürlich hat es Enttäuschungen gegeben. Natürlich müssen wir am ökonomischen Aufbau, an der kulturellen und mentalen Annäherung noch weiterarbeiten, denn das ist noch nicht perfekt. Trotzdem ist es eine gigantische Leistung, die besonders von den Menschen in den neuen Bundesländern erbracht worden ist. Wir müssen weiter am Wiederaufbau arbeiten. Wir müssen einander zuhören, um uns noch besser zu verstehen.
Und wir müssen die Probleme der neuen Armut und der Veränderungen in unserer Stadt aufgreifen. Unsere Stadt ist großartig vorangekommen. Die Stadt ist kreativ und lebendig. Das Interesse des Auslands ist gigantisch. Man sieht das an den Besuchen und auch an der Beteiligung. Trotzdem müssen wir die neuen Probleme angehen.
Eine Lehre der Bürgerbewegung ist: Freiheit muss immer wieder neu erkämpft werden. Es gibt neue Gefährdungen der Freiheit. Mich hat – ich weiß nicht, wie Ihnen das ergangen ist – der Prozess in Dresden gestern erschreckt. Der gewalttätige Rechtsradikalismus hebt sein Haupt. Ihm müssen wir die Stirn bieten, übrigens genauso wie dem
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit
gewalttätigen Linksradikalismus, und zwar gemeinsam. Das ist die Aufgabe für uns alle. Dazu sind alle demokratischen Parteien aufgerufen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld!
Danke schön! – Frau Senatorin Lompscher, bitte!
Ja!