Martina Michels
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Aktuellen Stunde und auch mit der Großen Anfrage zum Thema „Perspektiven einer sozialen Wohnungswirt
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schaft“ verfolgt die PDS-Fraktion das Ziel, die gegenwärtige Debatte um die Privatisierung von städtischen Wohnungsgesellschaften auf eine sachliche Ausgangsbasis zurückzuführen.
Die bisherige Diskussion dazu läuft aus unserer Sicht lediglich unter dem Stichwort „Vermögensaktivierung“, das heißt vordergründig unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten. Die wohnungspolitische Dimension dieser Fragestellung kommt unseres Erachtens dabei viel zu kurz.
Mit der gegenwärtigen Debatte um die Pläne des Senats zur Veräußerung weiterer städtischer Wohnungsgesellschaften steht unserer Auffassung nach Berlin an einem Wendepunkt der gesamten weiteren wohnungspolitischen Strategie. Es steht grundsätzlich die Frage im Raum, wie der Senat zukünftig eine sozial orientierte Wohnungspolitik in Berlin gestalten wird. Der Anspruch Berlins als Mieterstadt, der – so denke ich – seit Jahrzehnten ein anerkanntes Ziel der Wohnungspolitik war, steht auf dem Prüfstand. Das müsste eigentlich die SPD angesichts ihres eigenen Omens als bisherige Mieterpartei geradezu auf die Barrikaden bringen. Wohnungspolitik als Fiskalpolitik anzusehen, betrachten wir als kurzfristig, kurzsichtig und längerfristig sogar als den teureren Weg. Wir wollen somit gewissermaßen die gegenwärtige Debatte, die durch die Diskussion in der Öffentlichkeit bereits geführt wird, vom Kopf auf die Füße stellen.
Sie zur Disposition zu stellen, heißt für uns, diese Steuerungsmechanismen leichtfertig aus der Hand zu geben. Seien wir ehrlich: Erst sind Sie mit dem proklamierten vorrangigen Verkauf an die Mieter gescheitert, die In-sich-Geschäfte haben nicht den erwarteten Effekt gebracht. Nun vergreifen Sie sich an den Wohnungsbaugesellschaften insgesamt.
Dazu sagen wir als PDS entschieden: Nein!
Der Senat war durch unsere Große Anfrage zumindest genötigt, sich erstmals umfassend der Frage zuzuwenden, wie Wohnungspolitik langfristig in der Stadt garantiert werden kann und welche Schlüsselrolle dabei die städtischen Gesellschaften spielen. Wie schwer Ihnen, Herr Senator Strieder und dem Senat, diese Antwort gefallen ist, zeigt die bereits dankenswerterweise vorab schriftlich veröffentlichte Antwort. Durch diese Antwort des Senats wurde eine Reihe von Widersprüchen deutlich, die im weiteren Verlauf der Debatte zu beleuchten sind.
Ich möchte vorab auf zwei Widersprüche konkret eingehen, in der Hoffnung, Herr Strieder, dass Sie möglichst in Ihrer Antwort darauf eingehen. Zum einen geht aus Ihrer Antwort hervor, das derzeit ein Bestand von rund 370 000 Wohnungen bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften vorhanden ist. Sie erklären, Herr Strieder, in der Beantwortung, dass es – völlig unstrittig für uns – „notwendig ist, einen auf Dauer verfügbaren Bestand von 300 000 Wohnungen zu erhalten“. Nach Ihren eigenen bereits öffentlich gemachten Plänen ist aber beabsichtigt, etwa 130 000 Wohnungen zu veräußern. Davon befinden sich 70 000 Wohnungen im Bestand der GSW, 30 000 im Bestand der GEWOBAG und weitere 30 000 aus wirtschaftlichen Gründen in den Beständen der Wohnungsbaugesellschaften. Nach Adam Riese – wir können rechnen – bliebe damit ein Restbestand von 240 000 Wohnungen übrig. Dies ist der erste offenkundig gewordene Widerspruch. Sie bleiben, lieber Herr Strieder, werter Senat, damit sogar noch hinter Ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung zurück. Das war ein Punkt.
Zum anderen würden damit – wir haben das nachgerechnet – etwa 13 % des gesamten Wohnungsbestandes bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften bleiben, wenn man Ihrer Rechnung folgt. Dies ist etwa so hoch – da haben Sie Recht – wie in München oder Köln. Vergleiche hinken aber bekanntlich. Auch Ihnen ist bekannt, Herr Strieder, dass die Arbeitslosenquote und die Sozialhilfedichte in Berlin dramatisch höher als in den genannten Städten ist. Damit ist auch der Bedarf an solchen Wohnungen für einkommensschwache Haushalte höher.
Zum zweiten komme ich zu der von uns nachgefragten Angebotssituation preiswerter Wohnungen. Sie setzen als preiswerten Wohnraum eine Netto-Kaltmiete von 9 DM pro Quadratmeter an. Ihnen ist sicherlich auch bekannt, Herr Strieder, dass die durchschnittliche Miete im sozialen Wohnungsbau bei 8,01 DM pro Quadratmeter liegt. Auch der Mietspiegel weist im Mittelwert für eine 60 Quadratmeter große Wohnung in guter Wohnlage etwa 8 DM aus. Ist das eine Mogelpackung oder schon bewusste Irreführung? Denn laut Ihren eigenen Angaben waren – ein paar Seiten weiter – 1996 rund 750 000 Haushalte im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt. Würden Sie also die realen 8 DM zu Grunde legen, müssten Sie in Ihrer Antwort zur Großen Anfrage ein Defizit von preiswertem Wohnraum von ca. 50 000 Wohnungen feststellen. Um das zu umgehen und ein angeblich ausreichendes Angebot definieren zu können, setzen Sie willkürlich die 9 DM fest. – So weit zu den konkreten Aspekten der Großen Anfrage. Auf weitere Widersprüche und Probleme werden wir sicherlich noch nach Ihrer Beantwortung näher eingehen.
Um die wohnungspolitische Dimension noch einmal deutlich zu machen: Warum sind für uns die Wohnungsbaugesellschaften für eine sozial orientierte Wohnungspolitik unverzichtbar? – Sie sind es deshalb, weil zu den wichtigen Steuerungspotentialen der Wohnungsbaugesellschaften unter anderem erstens die Mietpreisbeeinflussung gehört. Wohnungsbaugesellschaften schöpfen in der Regel die Mieterhöhungsspielräume nicht so schnell oder nicht in vollem Umfang wie private Vermieter aus. Dieses ist durch politische Vorgaben des Staates beeinflussbar.
Zweitens – die Belegungsbindung: Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bringen im Auftrag der Bezirksämter in großer Zahl einkommensschwache, Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Personen unter. Ihnen ist bekannt, dass es mehr als 80 Vereinbarungen der Wohnungsbaugesellschaften mit Sozialämtern, Vereinen und anderen Vertretungen gibt. Zum Beispiel ist im Bestand der GSW fast ein Viertel des Gesamtbestands des geschützten Marktsegments vorhanden.
Drittens: Ein weiteres wesentliches Steuerungspotential ist die Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaften in sozialen Problemquartieren. Herr Strieder, Sie haben doch anerkanntermaßen – bis jetzt von uns auch geachtet – als Hobby erklärt, sich der Problemquartiere anzunehmen. Da bleibt die Frage: Wie wollen Sie das Quartiermanagement bzw. die Lösung der sozialen Probleme in den Problemquartieren ohne die Wohnungsbaugesellschaften weiter vorantreiben?
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