Manuel Heide
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bewundere gerade den Kollegen, wie er es doch schafft, 2 Seiten hier als 2 Schlusssätze zu verkaufen und diese dann so schnell vorzulesen, dass ihn niemand mehr versteht. Aber ich habe ihn sowieso inhaltlich kaum verstanden. Eigentlich habe ich nämlich eine Antwort auf die vielen Fakten erwartet, die der Kollege Strieder hier genannt hat. Aber es war lediglich eine Mischung einer Beschimpfung Rudi Kujaths, einer Presseschau der „Neue Züricher Zeitung“ und einer Kritik am Märkischen Viertel zu hören.
Ich kann als Reinickendorfer Abgeordneter sagen, dass ich das Märkische Viertel sehr gut kenne. Der größte Mangel, den wir bis heute haben, Herr Senator Strieder, ist, dass der U-Bahnanschluss am Wilhelmsruher Damm endet.
Wenn wir diese Strecke noch um eine Station verlängern könnten, dann wäre für dieses Viertel viel getan.
Man muss auch feststellen, dass wir über viele Jahre einiges getan haben, um den Mittelstand aus diesem Bereich zu treiben, um diese Leute zum Auszug zu bewegen. Schließlich wurden im Umland 100 000 Wohnungen geschaffen, vor allem Einfamilienhäuser, wo junge Familien nach draußen gezogen sind. Wer im Märkischen Viertel Fehlbelegungsabgabe und Ausgleichsabgabe zusätzlich zur Miete zahlte, der hat sich natürlich überlegt, ob es nicht sinnvoller ist, das zu machen, was in vielen westdeutschen Gemeinden über Jahrzehnte passiert ist, nämlich ins „Grüne“, ins Stadtumland zu ziehen. Das sind die vielen Menschen, die der Stadt verloren gegangen sind. Das führte dann dazu, dass das Familieneinkommen mit Sicherheit niedriger geworden ist, weil die Nachziehenden einkommensschwächer waren. Das ist eben der Nachteil der Belegungsbindung, Herr Over, dass die Struktur nicht mehr ausgewogen ist, dass der Mittelstand fehlt, aber eine Vielzahl von Sozialhilfeempfängern nachzieht. Das ist für ein solches Viertel sicherlich nicht förderlich.
Nein, Herr Over, das ist nicht das Problem einer hohen Grundmiete, denn wir haben jetzt dort, wo die Fehlbelegungsabgabe und auch die Ausgleichszahlung abgeschafft worden sind, eine Entwicklung, dass wieder der Mittelstand in die zum Teil sehr schönen Wohnungen zieht, die sehr gut geschnitten sind. Im letzten Jahr ist es im Märkischen Viertel erreicht worden, dass das Familieneinkommen ungefähr um 1 000 DM pro Familie wieder gestiegen ist. Das ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ich habe mich neulich mit Kennern des Märkischen Viertels unterhalten, die dort auch für die Wohnungsbaugesellschaften die entsprechende Verantwortung tragen. Sie sagen, momentan keine Probleme mit Leerstand zu haben, sie hätten eine Fluktuation von 10 %. Davon sei ein Drittel Todesfälle oder Altersheim – was natürlich von einer Wohnungsbaugesellschaft nicht zu beeinflussen ist –, ein Drittel ziehe innerhalb des Bestandes um, weil die Wohnung zu groß oder zu klein sei – das ist eine positive Zahl, die sich mit dem Wohnbereich identifiziert –, und lediglich ein Drittel ziehe völlig aus dem Viertel weg und müsse durch andere Wohnungsnehmer substituiert werden.
Der positive Aspekt dieser Entwicklung ist hier völlig unter den Tisch gefallen, nämlich dass wir in Berlin keine Wohnungsnot mehr haben. Es ist also nicht mehr wie früher bei der Platte – meine Cousins haben mir das berichtet –, dass man 8 Jahre warten musste und dann froh war eine „Komfortwohnung“ zu bekommen. Eigentlich wollte man gar nicht in die Platte, aber auch nicht in den Altbau, der nicht saniert war, so dass nichts anderes übrig blieb, als in diese Plattenbausiedlungen zu ziehen. Das waren auch die einzigen Wohnungen, wo man ein richtiges Bad und eine vernünftige Zentralheizung hatte und wo man auch nicht durch den Fußboden durchgebrochen ist.
Die Angleichung der Familieneinkommen in Ost und West hat natürlich viel dazu beigetragen, dass es zu einer adäquaten Verteilung und der Möglichkeit von Eigentumsbildung gekommen ist. Heute besteht in Marzahn und Reinickendorf durchschnittlich das gleiche Familieneinkommen von 3 100 DM, Hellersdorf und Steglitz haben beide 3 200 DM. Das weist auf eine tatsächliche Angleichung der sozialen Verhältnisse hin. Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass nach der Anschaffung eines Autos, nach Reisen und nach dem Kauf neuer Kleidung sich langsam die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass nicht die Anschaffung des 4. Videorecorders angesagt ist, sondern dass das Geld, das in Miete und Wohnen angelegt wird, entsprechend der Lebensqualität investiert werden sollte. Wohin ziehen die Menschen, die Plattensiedlungen verlassen, in erster Linie? Ich habe mir darüber Zahlen aus dem Berliner Norden besorgt: 20 % ziehen in ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung. Das ist genau der positive Aspekt, den ich gerade beschrieben haben. Die Leute haben das Geld und den Willen, sich etwas Eigenes zu schaffen und zu leisten. 12 % geben familiäre Gründe an, warum sie dann ausziehen. Da kann man als Senator wenig dagegen tun, es sei denn, man intensiviert die Ehe- und Familienberatungen, weil es zumeist um Scheidungen geht. Aber das
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wird wohl niemand im Ernst vorschlagen wollen. Dann haben wir 12 % der Wegziehenden, die ein anderes Beschäftigungsverhältnis angeben, also einen Wechsel zu einem besseren Job. Auch dabei habe ich viel Verständnis dafür, dass man näher an seiner Arbeitsstätte wohnen möchte.
12 % geben als Grund an, dass ihnen die Wohnung zu klein sei. An dieser Stelle kann die Wohnungsgesellschaft einwirken. Deshalb sollten Sie den Kollegen Kujath nicht nur mit einigen flapsigen Bemerkungen zitieren, sondern auch auf sein Programm hinweisen, das es den Leuten mit variablen Grundrissen ermöglicht, innerhalb der Wohnanlage zu bleiben. Es gibt auch noch andere Modelle, die zum Beispiel davon ausgehen, nicht jede Wohnung voll zu sanieren, sondern auch auf den Bedarf zu achten, wenn zwei Dreiraumwohnungen zusammengelegt werden. Dann habe ich 140 bis 150 qm zu einem Preis von 1200 DM warm. Da gibt es sehr viele junge Familien, auch Lehrer oder Beamte, die sagen: Ich möchte eine Bibliothek haben, ich möchte ein Musikzimmer haben, ich möchte sechs Zimmer haben oder mache aus den sechs nur vier, aber habe einen hervorragenden großen Wohnraum. Was spricht denn dagegen? Ich habe 6,5 % die sagen, die schlechte Ausstattung ist ein Grund, wegzuziehen. 5 % nennen dann noch bauliche Mängel und 5 % ein besseres Image. Das sind die Zahlen, wo man ansetzen kann, aber ich glaube, dass diese Zahlen noch verhältnismäßig gering sind.
Herr Strieder, Sie haben vorhin gesagt: Sicherheit ist für die Leute insbesondere in den Ost-Plattenbausiedlungen kein Thema. Das mag sicher objektiv richtig sein, trotzdem sieht es subjektiv ein bisschen anders aus. Auch dort einige Mieterbefragungen: Ungefähr 18 % der Leute geben an, dass sie nachts Angst haben oder sich nicht sicher fühlen würden. 32 % fühlen sich sehr unsicher. Da gibt es also 50 % die sagen, da sollte man etwas tun, da sollte man zu einer Verbesserung kommen. Das sind die Zahlen für Ostberliner Plattenbaugebiete. Es ist also nicht so, dass das im Westen sehr viel schlechter ist und deshalb dort aufgerüstet wird, wie Sie sagen. Es ist eben ein Phänomen, das allgemein ist.
Wenn man sich jetzt anschaut, wie zufrieden oder nicht zufrieden Mieter mit Plattenbauten sind, sagen 53 % der Leute, sie sind mit ihrer Wohnung zufrieden. 40 % sagen teils, teils, und 8 % sind unzufrieden, wobei sich diese Werte merkwürdigerweise nicht darin substantiell unterscheiden, ob der Wohnraum saniert oder unsaniert ist. Auch bei den 20 % darin vollsanierten Wohnungen haben die Leute auf eine Frage: Wollen Sie innerhalb von zwei Jahren eine neue Wohnung suchen? mit Ja geantwortet und bei 25 % der teilsanierten. D. h., dass die Auszugsbereitschaft nicht so sehr von dem Ausstattungsgrad abhängt, wenn Preis und Preis-Leistungsverhältnis stimmen.
Wir müssen uns anschauen, wer wegzieht oder wegziehen will. Dann stellt man fest, dass es vor allem junge Leute sind: 38 % sind die 18- bis 39-Jährigen, von den 40- bis 59-Jährigen sind es nur noch 23 %, die weg wollen. D. h., je jünger die Leute sind, desto größer ist die Fluktuationsrate, und auch hier sagen 47 %, sie möchten deshalb weg, weil ihnen die Wohnung zu klein ist. Deshalb noch einmal mein Appell an die Wohnungsbaugesellschaft nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, große preiswerte Wohnungen zu schaffen. Ich weiss, dort, wo es zu diesen Zusammenlegungen gekommen ist, ist heute bereits die Nachfrage um ein Drittel höher als das Angebot. Insofern sollte man sich auch überlegen, ob man überall eine Vollsanierung durchführen muss oder ob es in Teilbereichen die Möglichkeiten der Teilsanierung gibt, da dann die Wohnungen entsprechend billiger sind.
Wir haben dann das Thema Marzahn, diese Wohnungsbaugesellschaft haben Sie sich auch angeschaut. Da muss man es sicher sehr selektiv und differenziert betrachten. Wenn Sie sich den Leerstand in Marzahn anschauen, dann haben wir in den Gebieten mit fünf bis sieben Geschossen einen völlig normalen Leerstand. Wir haben auf der anderen Seite erhebliche Schwierigkeiten, in den Hochhäusern mit 18 bis 25 geschossen zu vermieten. Das ist in der Tat ein Problem, und das hängt nicht nur
vom Sanierungszustand ab. Hier müsste bei der Sanierung relativ viel Geld aufgewandt werden wegen Brüstungen und ähnlichem. Zudem habe ich wegen statischer Probleme nicht die Möglichkeit, an die Grundrisse heranzugehen. Das ist in der Tat sehr schwierig.
Wir haben hier mit dem Modell des Concierge-Hauses einige Dinge getan, wo ich der Meinung bin, dass die innovativ sind, das es gute Ideen sind. Hier muss man an den Senat appellieren, nach Möglichkeiten zu suchen, das im Wege von Modellvorhaben zu fördern.
Was allerdings in Marzahn auch ein Negativ-Punkt ist, wenn Sie sich mit Mietern und Mietervertretern unterhalten, ist das Thema der Einkaufsmöglichkeiten. Marzahn ist der einzige Ostberliner Plattenbezirk, der kein Zentrum hat, der keine große Einkaufsmöglichkeit hat. Insofern kann ich dazu nur sagen, dass das Bezirksamt, das dort bislang regiert hat, einige Dinge verschlafen hat und in der alten Kaufhallenromantik verhaftet gewesen ist. Wir sollten da vielleicht nachbessern und sehen, dass wir dort zu einem vernünftigen urbanem Zentrum und einem Einkaufszentrum kommen.
Jawohl! – Wir sollten daher sehen, wie wir die Attraktivität steigern können. Herr Strieder, ich habe nur einen Appell: Sehen Sie zu, dass wir die Fehlbelegungsabgabe ganz weg bekommen. Es kann nicht sein, dass die Wohnungsbaugesellschaften dafür bestraft werden, dass sie in die Erdgeschosse Gewerbe nehmen. Ich kann Ihnen den Fall einer Wohnungsbaugesellschaft sagen, die Servicecenter für ihre Hauswarte in leer stehende Wohnungen haben wollte, die sich einen Bußgeldbescheid eingehandelt haben. Was machen sie? Sie stellen einen Container davor. Das sieht weder schön aus, noch dient es den Wohnungen. Ich hatte auch das Problem Schuldnerberatung: Die Schuldnerberatung sollte mit in die Wohnung hinein. Das wurde unter Hinweis auf Zweckentfremdung verhindert. Ich finde, dass dies ein Anachronismus in einer Zeit ist, in der wir einen Leerstand von 100 000 Wohnungen haben, wo wir bemüht sind, in den Plattenbauten Attraktivität und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Ganze mit einer solchen Bürokratie zu verfolgen, gibt es nur in den Berliner Bezirksämtern. Mit diesem Appell möchte ich es hier bewenden lassen. Den Rest werden wir sicher im Ausschuss debattieren.
Frau Hämmerling! Meine Damen und Herren! Wir könnten natürlich auch den Antrag stellen, dass morgen die Sonne scheint und wir wieder 25 Grad haben. Das alles sind Dinge, die wir uns wünschen, aber ich habe Schwierigkeiten, sie als Parlamentsantrag hier einzubringen. Dies umso mehr, als ich unserem Senator glaube, wenn er sagt, dass ein Verkauf nicht ansteht, dass das entsprechende Planungsrecht dafür nicht gilt und nicht geschaffen worden ist. Dann kann ich nicht einen solchen Antrag stellen. Dann kann ich gleich den Antrag stellen, dass wir den Senat auffordern, den Grundwald oder den Düppeler Stadtforst und ähnliches nicht zu verkaufen. Hier gibt es ein ordentliches Verfahren, bei dem wir zu einem Ergebnis kommen werden. Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass es wünschenswert ist, dass der Park in Gänze erhalten wird. So ist auch das entsprechende Baurecht. Wir werden sehen, was passiert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden wir den Antrag ablehnen, wie wir es schon im Ausschuss getan haben. – Danke! interjection: [Beifall bei der CDU]