Protocol of the Session on March 15, 2024

Darum möchte ich an der Stelle hier im Hohen Haus abschließend werben: Bitte lassen Sie uns in dieser Legislaturperiode doch wenigstens bei diesem Punkt zu einer Einigung kommen! Wir sind da auch gesprächsbereit. Lassen Sie uns da nach der Anhörung zu einer schnellen Lösung hier im Haus kommen, damit draußen die Ehrenamtlichen im Freistaat echt eine Lösung haben. Dann brauchen wir uns nicht die Köpfe einschlagen und irgendwelche Sachen hier behaupten, die nicht korrekt sind,

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Die sind korrekt!)

und versuchen, uns hier gegenseitig vorzuführen – was bei Ihnen krachend gescheitert ist, Frau Müller, wie ich gerade nachgewiesen habe –, sondern dass wir für die Menschen draußen, wie gesagt, echte Probleme lösen.

Ich möchte noch einmal danken, wie gesagt, für die gute Teilnahme an den Verfassungsausschüssen. Wir haben bis zu einem bestimmten Punkt wirklich gut und produktiv zusammengearbeitet. Bis zu dem Punkt, wo die Linken gemerkt haben, okay, beim Thema MP-Wahlen, das ist nicht so ganz unsere Sache, Konnexität auch nicht. Dann kam das Veto in der Koalition und ab dann ging es nicht mehr voran. Das ist sehr, sehr schade, aber diese Arbeitsverweigerung müssen Sie sich anheften – und Frau Müller, Sie ganz explizit. Von daher war dieser Auftritt hier von Ihnen einfach nur ein Griff ins Klo. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Beier, DIE LINKE: Damit kennen Sie sich aus!)

Also, sehr geehrter Herr Abgeordneter, erst einmal hoffe ich, dass wir uns hier im Landtag niemals die Köpfe einschlagen. Und zweitens darf ich doch sehr um Mäßigung in der Sprache bitten.

(Abg. Zippel)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Dittes, Sie haben sich dazu gemeldet, oder? Ich gehe in der Reihenfolge fort. Das Wort hat für Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Wahl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuhörende und Schülerinnen und Schüler! Ich möchte mich bei der Frau Präsidentin gern bedanken, sie hat jetzt gerade noch mal deutlich gemacht, wir befinden uns in einer Verfassungsdiskussion. Ich glaube, Frau Müller hat sehr sachlich vorgetragen, wie der Stand ist.

(Beifall DIE LINKE)

Da jetzt eine solche Schärfe in die Debatte reinzubringen, finde ich der Verfassungsdebatte unwürdig.

Es wurde schon gesagt, der Verfassungsausschuss hat in den vergangenen Jahren ganze Arbeit geleistet. Wir haben zahlreiche Expertinnen und Experten zu den verschiedenen Thematiken angehört, etwa zu den Staatszielen Nachhaltigkeit, Antirassismus, Ehrenamt, Inklusion, Altersdiskriminierung, Kinderrechte, gleichwertige Lebensverhältnisse. Wir hatten Anhörungen zu den wichtigen Fragen der direkten Demokratie, nämlich dem Finanztabu, Absenkung von Quoren, damit mehr Menschen teilhaben können, dem fakultativen Referendum, dem Einwohnerinnenantrag und Anhörungen zu den Themen „Europabezug“, der Regelung der MP-Wahl und der elektronischen Verkündung von Gesetzen.

Viele Personen haben hier mit uns mit großem Engagement ihre Expertise geteilt. In den Anhörungen war deutlich zu spüren, dass die Menschen um die Bedeutung einer Verfassungsänderung wissen und die Verfassung mit großem Respekt behandeln. Und dass sie eben gerade vor diesem Hintergrund an uns als Abgeordnete die Erwartung haben, dass wir die gesammelte Expertise nutzen, die Thüringer Landesverfassung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich ebenfalls dem Bündnis Verfassungsreform ganz eindrücklich danken, das sich auch mit großem Engagement an den Anhörungen beteiligt hat. Ich muss sagen, ich empfinde es fast schon ein bisschen als Hohn, Herr Zippel, wenn Sie sagen, ja, wir danken denen ganz herzlich, aber ich muss ihnen leider jetzt schon mitteilen, dass es nicht zu einer Verfassungsänderung kommen wird,

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

weil wir alles von der MP-Wahl abhängig machen. Es klang so ein bisschen durch. Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir sagen, diese Anhörungen, die waren viel Zeit, die haben sehr, sehr gute Anregungen gebracht. Wir machen was daraus und führen die Verfassungsänderungen rund, wo es auch eine Einigkeit gibt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen, die sich beteiligt haben, haben ein Anrecht darauf zu erfahren, warum es seit längerer Zeit nun schon nicht vorangeht. Für mehr Transparenz haben wir uns als rot-rot-grüne Fraktionen deshalb dazu entschieden, einen selten genutzten Paragraphen der Geschäftsordnung zu nehmen, damit wir hier im Plenum darüber debattieren können. Übrigens müssten wir das nicht, wenn die Öffentlichkeit der Ausschüsse im Thüringer Landtag endlich Standard wäre.

(Präsidentin Pommer)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein weiter Verfassungsvorschlag von Rot-Rot-Grün, den die CDU aber leider von Anfang an vehement abgelehnt hat.

Im Verfassungsausschuss wurde fraktionsübergreifend konstruktiv diskutiert, zahlreiche Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen angehört und bei einem halben Dutzend Vorhaben eine breite Verständigung unter uns Demokratinnen und Demokraten erreicht. Wichtig: Eine Verständigung und nicht nur das, sondern sogar fertig abgestimmte Formulierungen, getragen von vier Fraktionen, die gemeinsam eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit im Landtag bilden.

Ob bei der Stärkung des Ehrenamts, beim Prinzip der Nachhaltigkeit oder gar der Sicherung der Finanzausstattung unserer Städte und Gemeinden – hierüber sind wir uns inhaltlich mit Linke, CDU und SPD einig geworden. Was fehlt also noch? Nicht weniger als der formale Abschluss und damit der politische Wille im Wahljahr, die Verfassungsänderungen hier im Landtag auch zu beschließen und damit unserer Verantwortung als Abgeordnete nachzukommen. Aber da scheint es leider ein paar CDU-Abgeordnete zu geben, die meinen, mit rot-rot-grün ändere man nicht die Verfassung. Das ist die einzige Erklärung dafür, dass die CDU 2021 die Vereinbarung aufkündigte, als der Änderungsantrag schon geeint war.

(Beifall DIE LINKE)

Ich muss Ihnen sagen, seit gestern haben sich meine Zweifel massiv verstärkt, inwieweit Sie als CDU-Fraktion überhaupt bereit sind, noch etwas Anderes als Wahlkampf, Anti-Rot-Rot-Grün-Politik oder Blockade-Politik zu machen. Denn wenn nicht einmal mehr die notwendigen Stimmen in der CDU-Fraktion zusammenkommen, um die Arbeitsfähigkeit des Landesverfassungsgerichts sicherzustellen, eines der drei wichtigsten Verfassungsorgane unseres Rechtsstaats, des Freistaats Thüringen, dann haben wir echt ein Problem.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Verfassungsänderung, die gelingt – davon bin ich überzeugt – könnte dagegen zeigen, dass nach fünf Jahren harter Arbeit im Verfassungsausschuss dieser Landtag seine Verantwortung ernst nimmt und zum Wohle des Landes Änderungen auf den Weg bringt.

Ich möchte daran erinnern: Der erodierende Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, demografische Veränderungen, die Klimakrise oder die Digitalisierung sind alles Herausforderungen, bei denen Nichtstun oder Zaudern für verantwortungsvolle Politikerinnen keine Option sein können. Unsere ehemalige Landtagspräsidentin Birgit Diezel hat dies in ihrem Geleitwort zum gängigen Verfassungskommentar gut auf den Punkt gebracht. Die Verfassung von 1993 hat für uns die Bedeutung einer Magna Charta. Gleichwohl ist mit dieser staatlichen Grundordnung die verfassungsrechtliche Entwicklung Thüringens nicht an ihrem Endpunkt angelangt. Nach 30 Jahren wäre es an der Zeit, die Verfassung wenigstens in ein paar Punkten anzupassen. Nun ist aber leider das Lieblingsargument der CDU, man ändere nicht ständig die Verfassung. Aber niemand verlangt das hier ständig. Eine Verfassung ist nicht unveränderbar, sondern muss mit der Zeit gehen. Und eine Abstimmung über die Verfassung in dieser Legislaturperiode wäre absolut angemessen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zweite Lieblingsargument der CDU, aber auch der FDP ist, dass Staatsziele es nicht wert seien, sondern man richtige, harte Verfassungsänderungen vornehmen müsse. Das haben wir von Herrn Zippel gerade wieder sehr deutlich gehört. Was Sie dabei aber übersehen: Nicht nur Verfassungen ändern sich, sondern auch die Rechtsprechung ändert sich. Gerade das Leiturteil zum Bundesklimaschutzgesetz im Jahr

2021 hat eindrücklich gezeigt, dass Staatsziele eine bedeutende Wirkung entfalten können. Beim Staatsziel „gleichwertige Lebensverhältnisse“, das die Konservativen eingebracht haben, könnte sich das in Thüringen mit seinen vielen ländlichen Räumen zum Beispiel zu einem bedeutenden Leitbild entwickeln. Ganz ehrlich, wir alle haben uns zu Beginn dieser Legislatur eine umfassende Verfassungsreform gewünscht. Wir alle haben hart dafür gearbeitet. Aber wenn man sich nicht auf ein großes Paket einigen kann, dann ist ein kleines immer noch tausendmal besser, als einfach auf stur zu schalten. Was Herr Zippel gerade wieder deutlich vorgetragen hat, dass die CDU-Fraktion jegliche Verfassungsänderung an die Frage der MP-Wahl koppelt, das finde ich für eine Verfassung unwürdig, weil es Deals aufmacht, weil es Verfassungsänderungen miteinander verdealt, wo doch jede Verfassungsänderung für sich allein wichtig sein sollte, wo wir einen Konsens erlangen sollten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade bei der Frage des Ehrenamts haben wir zum Beispiel diesen Konsens. Wir sind uns alle einig, dass das Ehrenamt für viele Bürgerinnen und Bürger ein toller Fortschritt wäre. Und Sie sagen: Das darf nur kommen, wenn die MP-Wahl auch geklärt wird. Diese Logik erschließt sich mir absolut gar nicht. Ich finde dieses Hin- und Hergedeale zwischen verschiedenen Paragraphen für eine Verfassung absolut unwürdig. Davon sollten wir uns endlich freimachen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher bitte ich Sie noch einmal eindringlich: Lassen Sie uns gemeinsam wenigstens ein paar Verfassungsänderungen auf den Weg bringen, die unumstritten sind. Hier reden wir übrigens nicht mal nur – in Anführungszeichen – über Staatsziele, sondern im Europaantrag der FDP mit dem rot-rot-grünen Änderungsantrag sind ganz klare staatsorganisationsrechtliche Regelungen enthalten, etwa das Verhältnis zwischen Landesregierung und Landtag bei europäischen Vorlagen oder auch das Thema „Konnexität“, also die Regelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen. Wenn wir jetzt nicht die Chance nutzen, wäre das fatal. Ich bin mir sicher, dass gerade beim Europabezug oder dem Staatsziel „Nachhaltigkeit“ Menschen in 20 Jahren sagen werden: Damals hat der Thüringer Landtag wirklich vorausschauend gehandelt.

Ich möchte gern zum Abschluss diese gefundene Einigung einmal zitieren, weil ich sie für absolut gelungen halte, um im Nachhaltigkeitsdiskurs aus Thüringen heraus Signalwirkung zu entfalten: „Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist Grundlage allen staatlichen Handelns. Das Land und seine Gebietskörperschaften haben die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und ein menschenwürdiges Leben für alle heutigen und künftigen Generationen zu ermöglichen.“ Das könnten wir jetzt auf den Weg bringen, damit würde dieser Thüringer Landtag Verantwortung zeigen, dass er für eine gute Zukunft aller Menschen wichtige Änderungen auf den Weg bringt. In diesem Sinne noch einmal: Unsere Verfassung kann und muss auf den aktuellen Stand gebracht werden. Nötiger denn je sind jetzt klare und zeitgemäße Rahmenbedingungen für Staat und Gesellschaft. Thüringen braucht ein starkes Fundament für eine lebenswerte Zukunft. Lassen Sie uns dies endlich nutzen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Möller das Wort.

(Abg. Wahl)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, ich musste schon ein bisschen schmunzeln beim Vortrag von Frau Wahl, als sie sagte, dass das, was im Verfassungsausschuss gemacht wird, harte Arbeit ist. Wenn die Sitzungen im letzten Jahr zum Großteil ausgefallen sind oder bestenfalls eine halbe Stunde gingen, weil man sich eigentlich nur darüber einig war, dass man sich nicht einig war, dann muss ich sagen, dann spricht diese Aussage dafür, dass Ihnen die fehlende Arbeitsperspektive, die Sicht arbeitender Menschen schlicht und ergreifend fehlt, was wirklich harte Arbeit ist.

(Beifall AfD)

Anders kann ich das nicht deuten.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was Sie für harte Arbeit halten, sieht man ja an Ihrer Beteiligung!)

Dass Sie jetzt dazu noch was sagen mussten, Frau Henfling, das war mir natürlich auch klar. Sie sind auch Expertin für harte Arbeit.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: In welchem Ausschuss arbeitet die AfD überhaupt?)

Ich will jetzt nicht sagen, dass der Verfassungsausschuss insgesamt eine Farce ist, dafür sind die Themen zu ernst und die Verfassung insgesamt ist auch zu ernst. Trotzdem ist es ein Trauerspiel, was da stattfindet. Ich bin allerdings der Überzeugung, dass die Diskussionsprozesse im Verfassungsausschuss weitgehend abgestorben sind, und ich würde mal sagen, dieser Todesfall ist vor ungefähr 1,5 Jahren eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt ist eigentlich jedem klar, dass es da nicht wirklich zu einer Einigung kommen kann. Ich stelle mal die Frage: Ist das denn wirklich so schlimm? Also, natürlich, Frau Müller hat vorgetragen, da gibt es diverse Vorfeldorganisationen des rot-rot-grünen Lagers, die darum bitten, diese Verfassungsreform jetzt anzustoßen, also AWO, SPD-nah, BUND, Grünen-nah, Paritätische und DGB im Grunde Vorfeldorganisationen der Linkspartei.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Feuerwehr, klar, logisch!)