über das Versprechen, Straßenausbaubeiträge bis 1990 komplett zurückzuzahlen –, darüber sei hier heute nicht gesprochen.
Also haben Sie offensichtlich überhaupt gar kein Interesse, Spekulationen von und mit Agrarflächen zu verhindern.
Ihr macht sie ja nie, das ist das Problem einer Opposition. Aber wir können das auch schon selbst ganz gut. Deswegen haben wir unter anderem die Große Anfrage an das Ministerium gerichtet, wie es denn überhaupt aussieht, wie groß die Flächen sind, wie es mit den Verkäufen von Flächen aussieht, damit wir überhaupt erst mal eine Zahlenbasis bekommen. Die Zahlenbasis ist sehr umfänglich, deswegen möchte ich hier heute gar nicht über Zahlen reden. Die Große Anfrage und die Antwort kann sich jede und jeder auch im Netz anschauen. Wer es wissen möchte: Es ist die Drucksache 6/7613.
Wenn ich heute nicht über Zahlen rede, so rede ich doch über Konsequenzen aus dieser Beantwortung der Anfrage, weil doch ziemlich deutlich geworden ist, dass Thüringen neben vor allem ostdeutschen Bundesländern durchaus mittlerweile ein Problem bekommt, was den Ausverkauf der Landwirtschaftsflächen angeht, und dass es ein komplexes Thema ist, bei dem Bundes- und Landeszuständigkeiten sowie zum Teil auch kommunale Zuständigkeiten ineinandergreifen, die sehr fein ziseliert werden müssen, um überhaupt eine Lösung zu finden. Das dürfte hier allen klar sein, also eine einfache Lösung gibt es nicht.
Wir als Linke sind uns zumindest mit den Grünen einig – bei der SPD werden wir es heute sehen –, dass wir in den neuen Koalitionsverhandlungen auch darüber reden, wie wir hier in Thüringen ein eigenes Agrarstrukturgesetz auf den Weg bekommen. Wir als Linke haben jetzt Eckpunkte für ein solches Gesetz formuliert, dazu würde ich jetzt ein paar Sachen sagen, denn eins ist völlig klar: Ohne unsere Landwirtschaft hätten wir nichts auf dem Teller, das sollte uns bewusst sein, und Bashing von Landwirtschaft hilft uns erst recht nicht weiter.
Deshalb ist es unser Anliegen, unseren Landwirtinnen und Landwirten ein gutes Auskommen zu sichern. An erster Stelle steht da natürlich auch der Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage ist hier ziemlich eindeutig: Die Kaufpreise für Acker- und Grünland haben sich im Schnitt seit 2009, sprich in den letzten zehn Jahren, verdoppelt, die Pachtpreise sind um 50 Prozent gestiegen. Der Anteil landwirtschaftsfremder Investoren unter den Käufern wächst und wächst und wächst. Das bedeutet, dass wir Gefahr laufen, dass die heimischen Landwirtschaftsbetriebe verdrängt werden. Dass das überhaupt nicht aus der Luft gegriffen ist, können Sie sich vorstellen. Im Jahr 2007 hatten wir rund 3.800 Landwirtschaftsbetriebe in Thüringen, seitdem haben wir 200 Betriebe verloren. Das ist natürlich auch den steigenden Preisen für den Kauf und die Pacht von Böden geschuldet. Derzeit kostet der Hektar Agrarland knapp 11.000 Euro. Für Gründerinnen und Gründer ist es extrem schwer, sich so selbstständig zu machen. Ich meine, es muss allen hier im Raum klar sein, dass wir das nicht hinnehmen können und da einfach auch ordnungspolitisch eingreifen müssen.
Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern oder nach Niedersachsen zeigt doch, wohin die Reise auch in Thüringen gehen könnte, wenn wir nicht eingreifen. In Mecklenburg liegen die Preise für Agrarland bei rund 22.000 Euro, in Niedersachsen schon bei rund 33.000 Euro, ganz zu schweigen von Bayern. Im Durchschnitt ist dort pro Hektar mit 60.000 Euro zu rechnen. Wir können und müssen eine solche Entwicklung für Thüringen verhindern, und das hat sich Die Linke natürlich auf die Fahnen geschrieben. Tun wir das nicht, werden wir in zehn oder 20 Jahren nicht mehr von „unserer Landwirtschaft“ sprechen können, weil dann neue Großgrundbesitzer – wir sagen auch gern neudeutsch: Investoren – auf Thüringer Böden Monokulturen anbauen, für Bio-Sprit, Futtermittel und dergleichen.
Ich sage das auch ganz bewusst an die Adresse derjenigen, die immer noch glauben, dass unsere Agrargenossenschaften gegen den Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen gefeit sind, weil sie im Zweifel das Land selbst erwerben könnten. Ich glaube, wir müssen uns eins sehr klarmachen: Auch wirtschaftlich gesunde Genossenschaften können auf Dauer nicht mit finanzstarken Akteuren und Anlegern konkurrieren.
Im Gegenteil: Auch die großen Genossenschaften brauchen den staatlichen Schutz, weil sie sonst die ersten sein werden, die aufgekauft werden. Auch das kann man heute bereits in Mecklenburg-Vorpommern beobachten.
Wir brauchen also einen gesetzlichen Rahmen, der unseren ortsansässigen Landwirtinnen und Landwirten den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen langfristig sichert. Es ist heute schon gesagt worden: Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 sind die Länder für das landwirtschaftliche Bodenrecht zuständig. Thüringen kann und sollte daher eigene gesetzliche Regelungen zum Schutz der heimischen Landwirtschaft treffen. Dafür sind aus unserer Sicht vier Dinge nötig – und da ja die Zeit heute hier knapp ist, werde ich es auch kurz und knapp machen –:
Erstens, ein vorrangiges Kauf- und Pachtrecht: Das sollte für Landwirtinnen und Landwirte gelten, die benachbarte Flächen kaufen oder pachten möchten. Natürlich würden wir damit den Eigentumsschutz nach Artikel 14 des Grundgesetzes berühren. Ausschlaggebend ist aber, ob durch eine solche Beschränkung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt würde. Nach der Einschätzung von Juristen wäre dies der Fall.
Zweitens, die Deckelung von Pachtpreisen: Zu hohe Pachtpreise können den wirtschaftlichen Erfolg landwirtschaftlicher Betriebe gefährden. Deshalb sollten wir die gesetzliche Möglichkeit schaffen, Pachtverträge, die von den durchschnittlichen Preisen des lokalen Bodenmarkts stark abweichen, zu deckeln. Das würde immerhin das Pachtpreisniveau transparenter machen und den Anstieg dämpfen.
Drittens, die Bevorratung landwirtschaftlichen Bodens durch die öffentliche Hand: Gegenwärtig müssen vom Land angekaufte Flächen unmittelbar an vorkaufsberechtigte Landwirtinnen und Landwirte weiterverkauft werden. Zeigt keine heimische Landwirtin oder kein Landwirt Interesse an einem Kauf, muss das Land die Flächen auch an landwirtschaftsfremde Investoren weiterveräußern. Das ist kein optimaler Zustand. Deshalb sollten wir der Thüringer Landgesellschaft die Möglichkeit der Bevorratung landwirtschaftlicher Flächen einräumen. Damit könnte das Land die Flächen über einen längeren Zeitraum halten, in dem kaufwillige heimische Landwirtinnen und Landwirte gesucht werden oder das Land an diese verpachtet wird.
teilskäufen: Mit dem anteiligen Kauf von Landwirtschaftsbetrieben, den sogenannten Share Deals, greifen landwirtschaftsfremde Investoren auf landwirtschaftliche Flächen zu und unterlaufen damit die geltenden Gesetze zur Genehmigung von Grundstücksverkäufen. Das Land hat bislang keine gesetzliche Handhabe, dies zu verhindern. In der Folge entsteht Großgrundbesitz, dessen Bewirtschaftung immer weniger durch die ortsansässige ländliche Bevölkerung geschieht. Das kann man in Niedersachsen und auch wiederum in Mecklenburg‑Vorpommern beobachten. Dadurch entfernt sich die Landwirtschaft von den dörflichen Strukturen. Diese Entwicklung führt zum Verlust von Arbeitsplätzen, regionaler Wertschöpfung und natürlich auch regionalem Steueraufkommen und gefährdet damit die ländliche Entwicklung insgesamt. Um diese Entwicklung für Thüringen auszuschließen, sollten wir daher eine Genehmigungspflicht für Anteilskäufe einführen.
Natürlich müssen begleitend zu diesen Schritten auch Bundesgesetze novelliert werden, so zum Beispiel das Grunderwerbsteuergesetz, um die doppelte Besteuerung bei Kauf und Weiterverkauf landwirtschaftlicher Flächen durch die öffentliche Hand zu beenden. Deshalb setzt sich die Landesregierung im Bundesrat und bei der Agrarministerkonferenz für die Veränderung dieses und weiterer Gesetze ein.
Unsere Eckpunkte für den Schutz der heimischen Landwirtschaft habe ich skizziert. Wir werden in den nächsten Monaten zum einen unseren Koalitionspartnern für die neue Koalition ein solches Gesetz vorschlagen und als Erstes mit in den parlamentarischen Lauf bringen
und zum Zweiten natürlich mit allen Akteuren, vom Bauernverband bis zur AbL und, und, und, natürlich zur Diskussion einladen, um das Beste für die Thüringer Landwirtschaft herauszuholen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Parlamentspräsidentin, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste, die Informationen der Großen Anfrage sind durchaus interessant und aufschlussreich, nicht nur weil die Kollegen der Koalitionsfraktionen beim § 33 Abs. 2 des Thüringer Waldgesetzes einen behördlichen Genehmigungsvorbehalt mit einem Vorkaufsrecht gleichsetzen, sondern auch, da sie die exorbitanten Steigerungen des Bodenpreisindex beim Ackerland und dem individuellen Wohnungsbau sowie die immer tiefer werdende Kluft zwischen Stadt und Land aufzeigen. Doch das wussten die Koalitionsfraktionen im Grunde schon zuvor und schon lange genug. Die Landesregierung hätte demgemäß auch schon längst gegensteuern können. Herausgekommen ist dabei jedoch sehr wenig.
Dem Bereich des sogenannten Land Grabbing – oder auf Deutsch: der Landnahme – widmet sich diese Große Anfrage nur mäßig. So titelte am 17. Januar dieses Jahres die „Thüringer Allgemeine“, dass die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen noch vor der Landtagswahl im Oktober 2019 ein Gesetz erlassen will, um Bodenspekulanten und Finanzinvestoren den Ankauf von Landwirtschaftsbetrieben zu erschweren, was die Kollegen der Koalitionsfraktionen noch mit einem medienwirksamen Auftritt hier vor dem Landtag unterstrichen. Als wir dann hier im Mai mit der Drucksache 6/6503 unseren Antrag „Thüringer Land- und Forstwirtschaft schützen – Landnahme stoppen, Bodenspekulation Einhalt gebieten“ darlegten, hieß es dann vonseiten der Grünen, dass sie zwar an einem entsprechenden Gesetz arbeiten würden, aber selbst nicht wissen, ob sie es in dieser Legislaturperiode noch schaffen würden. Das hinderte die Linken im August nicht daran, die Genehmigungspflicht für Verkäufe von Agrarbetrieben medial zu fordern.
Was bei den großen Gesetzesplänen der uneinigen regierungstragenden Koalitionsfraktionen herauskam, war dann nur diese Große Anfrage, mehr nicht. Dabei versuchte die Landesregierung im Januar das Problem noch kleinzureden, während sie jetzt in der Antwort auf die Frage 9. c) schrieb, dass sie das Eindringen von Investoren in den landwirtschaftlichen Bodenmarkt mit großer Sorge sieht. Hier zeigt die rot-rot-grüne Landesregierung sich ähnlich uneinig, wie in der Antwort auf die Frage 9. d), wo sie sich zwar für eine Gebühren- und Anzeigepflicht für Share Deals ausspricht, diese jedoch im Falle von Immobiliengeschäften in Gera selbst getätigt hat.
Ich glaube, da sind wir uns alle hier einig, das hat die Debatte auch gezeigt. Nur der Weg dahin ist nicht ganz einfach, das muss man sagen. Bis jetzt hat es nur ein Bundesland geschafft, ein Agrarstrukturgesetz zu haben. Das ist Baden-Württemberg, nach meiner Meinung. Sachsen-Anhalt hat es probiert, Niedersachsen hat es probiert. Es scheitert schon manchmal auch an den einen oder anderen Stellen, deshalb ist es nicht schlimm, wenn wir uns Zeit lassen und ein gutes Gesetz dabei rauskommt. Aber es ist eindeutig, dass die SPD auch für ein Agrarstrukturgesetz ist. Das ist gar keine Frage.
Wir müssen dann hinterfragen, wie es umgesetzt werden soll. Wir haben jetzt beim Wald die Landgesellschaft schon eingesetzt. Wir würden anregen und vielleicht prüfen lassen, dass wir das Land gar nicht weiter verkaufen wollen, sondern bei der Landgesellschaft lassen und das Land nur verpachten,
überhaupt nicht weiter verkaufen, sondern in unserer Hand lassen. Es muss geprüft werden. Das ist nur eine Bitte, um zu sehen, ob das überhaupt möglich ist. Alles andere ist sowieso schwierig genug.
Wir müssen auch beachten, dass es nicht ganz einfach ist: Die Genossenschaften und die AgrarGmbHs suchen ja händeringend Nachfolger und vielmals sind die leider in der Familie oder auch außerhalb nicht zu finden und dann möchten sie verkaufen. Auch das müssen wir tolerieren und müssen einen Weg lassen, damit das möglich ist. Das ist ein ganz schwieriger Grad, ich weiß, das ist nicht einfach. Aber wir können auch nicht so ein Gesetz machen, dass das nicht mehr geht.
Dann würden manche ihr Lebenswerk als vernichtet sehen. Also wir müssen da Lösungen finden, die nicht ganz einfach sind, aber wo es die nächste rotrot-grüne Regierung sicherlich schaffen wird, das umzusetzen.