Meine Damen und Herren, für den Gesetzentwurf wurde gemäß § 13 Abs. 3 Satz 4 Beamtenrechtsrahmengesetz ein Bund-Länder-Abstimmungsverfahren durchgeführt. Dabei wurden Bedenken geäußert gegen die Anerkennung der Abschlüsse von Seiteneinsteigern, die nach dem Entwurf bedarfsabhängig einer ersten Staatsprüfung gleichgestellt werden können. Es ist allerdings das vorrangige Ziel des Landes, gleichgestellte Seiteneinsteiger, die für den Schuldienst in Thüringen im Vorbereitungsdienst ausgebildet werden, im staatlichen Schuldienst Thüringens auch zu halten. Die Frage der Anerkennung dieser Seiteneinsteigerabschlüsse außerhalb Thüringens ist deshalb für uns eine nachrangige.
Meine Damen und Herren, das Ihnen zur Beratung vorliegende Gesetz bündelt erstmals wichtige zentrale Reformvorhaben der gegenwärtigen Bildungs- und Hochschulpolitik. Der Gesetzentwurf wird den Ansprüchen einer qualitativen Weiterentwicklung der Lehrerbildung gerecht und sichert die inhaltliche und organisatorische Verbindung zwischen den einzelnen Phasen. Die erste Staatsprüfung für ein Lehramt wird den modularisierten Ausbildungsstrukturen der Hochschulen angepasst und entspricht damit auch den europäischen Standards der Bologna-Vereinbarung. Die schulpraktische Ausbildung während des Studiums soll gestärkt und eine Anrechnung auf den Vorbereitungsdienst ermöglicht werden. Auch die Kooperation zwischen den einzelnen Trägern der Lehrerbildung wird durch die Möglichkeit von Kooperationsvereinbarungen gestärkt. Der Grundsatz des lebenslangen Lernens sowie die Fortbildungspflicht der Lehrkräfte werden im Gesetz verankert.
Wir legen Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der modern und zukunftsweisend die wichtigen Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrern aufgreift und das Nötige regelt, ohne wünschenswerte Flexibilität hintanzustellen.
Für den Landeshaushalt hat das Gesetz keine unmittelbaren Auswirkungen. Kosten, die sich aus der Verlängerung von Studienzeiten durch schulpraktische Studien bei einzelnen Lehrämtern ergeben, werden durch die Anrechnung der schulpraktischen Studien auf die Dauer das Vorbereitungsdienstes innerhalb des Haushalts des Kultusministeriums ausgeglichen und die sich aus den schulpraktischen Studien bzw. durch Praxissemester an Schulen ergebenden Kosten für die Betreuung und Beratung der Praktikanten sind nicht höher als die für die Betreuung und Beratung der Lehramtsanwärter im Vorbereitungsdienst. Mögliche Mehrkosten hier wären ebenfalls im Rahmen des Gesamtbudgets des Kultusministeriums zu decken.
auch einer gesellschaftlichen Akzeptanz für den Lehrerberuf bedarf. Gerade um junge Menschen für diese so wichtige Tätigkeit zu begeistern, ist das wichtig. Wir müssen den Beruf und die Tätigkeit des Lehrers hoch schätzen und dürfen sie nicht schlechtreden, wie wir im Übrigen auch unser Schulsystem nicht schlechtreden sollten, das hat es nicht verdient.
Auch die internationalen Vergleichsuntersuchungen wie PISA, IGLU, ‚Education at a Glance’ und andere, die uns regelmäßige Anhaltspunkte dafür geben, wo wir noch weiteres Entwicklungspotenzial haben, dürfen dazu nicht missbraucht werden. Die Erfolge, die durchaus vorhanden sind, dürfen nicht zerredet werden. Unser Schulsystem leistet viel und die Lehrerinnen und Lehrer leisten gute Arbeit, auf der wir weiter aufbauen wollen.
Der Gesetzentwurf bietet eine gute Grundlage für die zielgerichtete Weiterentwicklung der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung mit dem Ziel der ständigen Verbesserung von Professionalität und Qualität in Schule und Unterricht. Er ist also ein weiterer Mosaikstein in der Fortentwicklung des Thüringer Schulwesens. Dies wird aber nur dann gelingen, wenn sich auch immer wieder junge, begabte Leute für den Lehrerberuf entscheiden. Das setzt Begeisterung der Akteure und ein gutes Ansehen für das Schulwesen insgesamt voraus. Auch das sollten alle, die sich gern in polemischer Weise zu unseren Schulen äußern, bedenken.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die meisten von Ihnen werden sich noch gern an ihre Schulzeit erinnern. Es gibt Lehrer, die sehr wohlwollend in Erinnerung geblieben sind, und natürlich auch diejenigen, deren Erinnerung vielleicht bis jetzt eher verblasst ist. Für viele heranwachsende Kinder und Jugendliche - und ich sehe einige auf der Empore - spielen Lehrer immer noch eine herausragende Rolle, als Bezugsperson, als diejenigen, die den Kindern und Jugendlichen etwas beibringen und, ja, auch als Vorbild.
Die Grundlage für das Berufsleben der Lehrer wird in der Ausbildung, im Studium gelegt; Sie gingen gerade darauf ein, Herr Minister. Nun, es hat ganz schön lange gedauert, bis uns dieser Gesetzentwurf vorlag, über zwei Jahre. Das Thüringer Lehrerbildungsgesetz ist längst überfällig, aber es liegt jetzt hier vor,
das ist gut so, doch es hat mehr Schwächen für uns als Stärken. Aus unserer Sicht ist das vorliegende Papier weder abstimmungs- noch zustimmungsfähig. Der Gesetzentwurf selbst ist für mich wie ein schlechtes Kochrezept mit unterschiedlichen Zutaten, deren Verhältnis noch nicht stimmig ist.
Die Zutaten wurden miteinander verrührt, ohne dass auf ein abgestimmtes Verhältnis geachtet wurde. Die Hauptzutat ist alter Käse, dessen Reifedatum längst abgelaufen ist, wie etwa das aus dem vorletzten Jahrhundert stammende dreigliedrige Schulsystem. Beigemischt wurde etwas Bologna, gewürzt wird das Gesamte mit den KMK-Beschlüssen. Herauskommt ein unbestimmter Brei, der weder schmackhaft noch so recht verdaulich ist.
Kritik gab es bereits im Vorfeld auch durch die GEW und die Uni Jena. Das Lehrerbildungsgesetz selbst sollte auf einem fachlich-theoretischen Konzept basieren, das ist jedoch in der Gesamtheit des Gesetzentwurfs nicht erkennbar. Es gibt daneben einige inhaltliche Kritikpunkte, auf die ich im Folgenden eingehen möchte.
Im Zuge der Modularisierung des Lehrerstudiums wird es in Thüringen künftig ein Nebeneinander des Lehramtsstudiums, wie es derzeit an der FriedrichSchiller-Universität in Jena praktiziert wird, geben und einen Bachelor-/Masterstudiengang, wie es derzeit an der Universität Erfurt praktiziert wird. So weit, so gut.
Kritisch sehen wir die Ausbildung der Lehramtsstudenten nach Schularten differenziert an. Warum, so frage ich Sie, Herr Minister, wurde in der KMK nicht darauf hingewirkt, dass die Ausbildung der Lehrer altersstufenbezogen erfolgen kann, wie es in vielen europäischen Ländern längst geregelt ist? Das wäre innovativ und würde modernen Gesichtspunkten genügen.
das dreigliedrige Schulsystem weiter zementiert werden. Getreu dem Motto „Kleine Kinder - kurzes Studium, große Kinder - langes Studium“ werden die Zeichen der Zeit weder erkannt noch wird man den modernen Anforderungen gerecht. Dabei käme doch auch kein Mensch auf die Idee, eine medizinische Ausbildung zu verkürzen, nur weil der Arzt für Kinder ausgebildet wird und nicht für Erwachsene. Wir fordern dazu ganz klar eine gleiche Studiendauer für alle Lehramtsstudenten; 300 Leistungspunkte, was einer Studiendauer von fünf Jahren entspräche, halten wir für alle Schularten für notwendig und angemessen.
Eine vierjährige Ausbildung etwa in einem Bachelorstudiengang, wie es an der Universität in Erfurt für Grundschullehrer angedacht ist, wird keineswegs der Bedeutung der Bildung im Primarbereich gerecht. Wir fordern daher auch für die künftigen Grundschullehrer einen Masterstudiengang, ähnlich wie es die Regelung in Sachsen vorsieht.
Ich möchte hier auf die Einlassung von vorhin aus Ihrer Rede kurz eingehen. Wir sind natürlich keineswegs der Meinung, dass Lehrer an Grundschulen etwa dümmere Lehrer sind, nein. Sie haben selbst in Ihrer Rede ausgeführt, dass sie Fähigkeiten brauchen, wie didaktische Fähigkeiten, diagnostische, methodische Fähigkeiten, und Sie wissen um die Bedeutung der Bildung im frühkindlichen Bereich. Wir haben einen Bildungsplan bis zehn Jahre, und, ich denke, allein was in diesen Bereichen gelehrt und gelernt werden muss, das macht schon deutlich, dass auch Grundschullehrer eine längere Ausbildung bräuchten.
Ich denke, Sachsen macht das Ganze vor. Die Grundschullehrer in Sachsen haben einen Masterstudiengang und sie werden in fünf Jahren ausgebildet. Weiterhin, das hatte ich vorhin schon angeführt, fordern wir eine altersstufenbezogene Lehrerausbildung statt einer Lehrerausbildung für verschiedene Schultypen. Dafür müssten Sie sich, Herr Minister, in der Kultusministerkonferenz stark machen. Die derzeitigen Vorgaben der KMK lassen diese Forderung leider im Moment nicht zu. Außerdem darf es keine Zugangsbeschränkungen für den Masterstudiengang geben. Das bedeutet ganz einfach, jeder, der einen Bachelorabschluss für ein Lehramt in der Tasche hat, muss für ein Masterstudium für dasselbe Lehramt auch zugelassen werden.
Wir glauben, dass das Lehramt für Regelschulen Gefahr läuft, zum Studium zweiter Wahl zu werden. Es ist doch jetzt schon so, dass Lehrer, die das Regelschullehramt studieren wollen, im Durchschnitt ca. eine bis anderthalb Noten schlechter sind als angehende Gymnasiallehrer, das heißt Schüler, die sich dort bewerben. Wir glauben schon jetzt, dass das eine deutliche Abwertung dieses Studiengangs bedeutet, und mit einer kürzeren Studienzeit wird das Ganze noch weiter nach unten gehen. Die zu bewältigenden pädagogischen Anforderungen und Probleme aber gerade im Regelschulbereich sind deutlich höher und vielschichtiger als in Gymnasien. Gerade in Regelschulen ist ein hohes pädagogisches und psychologisches Können gefragt, z.B. im Umgang mit schwierigen Schülern und Unterrichtsstörungen. Ich denke da auch an Konfliktmanagement und alternative Unterrichtsmethoden.
Der Gesetzentwurf sieht auch unterschiedlich enge Vorgaben für die Ausbildungsinhalte in der ersten Ausbildungsphase je Schüler vor. Das können wir nicht verstehen. Während bezüglich der Universitätsausbildung von Gymnasiallehrern relativ wenig vorgeschrieben wird, sind die Vorgaben bei den anderen Schularten, insbesondere den Grundschulen, wesentlich enger. Aber immerhin wurde der allgemeinen Forderung nach einem erhöhten Praxisanteil während des Studiums nachgekommen. Ein halbes Jahr Praktikum muss nun während des Studiums absolviert werden - das begrüßen wir. Dagegen steht aber in dem Gesetzentwurf in § 35 Abs. 3 eine höchst fragwürdige Forderung nach verpflichtenden außerschulischen Praktika für Lehrer in der dritten Phase. Zwar stellt hier niemand infrage, dass die Lehrer die Pflicht haben, ihre Qualifikation zu erhalten und sich fortzubilden, aber Qualifizierungsmaßnahmen müssen auch realistisch machbar und sinnvoll sein. Woher - so fragen wir uns - will man die Praktikaplätze für die momentan 23.330 in Thüringen beschäftigten Lehrer nehmen? Diese Regelung halten wir auch deswegen für sinnlos, weil sie nicht zwischen den Lehrern der einzelnen Schularten differenziert.
Eine weitere Schwäche macht sich beim Lehramtsstudium für Förderschulen fest. Hier bleibt der Gesetzentwurf deutlich hinter der derzeitigen Entwicklung im Bildungswesen zurück, eine Entwicklung hin zur Integration und Inklusion. Wir fordern statt einem Lehramt für Förderschulen einen Studiengang „sonderpädagogische Förderung“. Absolventen dieses Studiengangs werden in allen Schularten und damit auch in allen Altersstufen gebraucht. Gleichzeitig begrüßen wir, dass in allen Lehramtsstudiengängen „sonderpädagogische Förderung“ Ausbildungsinhalt sein soll. Die künftigen Lehrer werden so für die Unterschiedlichkeit der Schüler sensibilisiert. Damit würde ein Beitrag geleistet werden, der
Wir fragen uns weiterhin, wo sich die Didaktikzentren wiederfinden, die in anderen Bundesländern bereits bestehen. Ich möchte das an drei Beispielen benennen. In Baden-Württemberg zum Beispiel wurden bereits Seminare in Didaktikzentren umgewandelt, wo eine intensivere Zusammenarbeit mit dem zum Lehramt ausbildenden Universitäten und Fachhochschulen hergestellt werden soll. In Hamburg wurde mit der Gründung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung die Voraussetzung für eine bessere Koordination der zwei Phasen in Kooperation mit der Universität geschaffen. In Brandenburg wurde an der Universität Potsdam ein neues Zentrum für Lehrerbildung mit genau diesen Aufgaben betraut. Dort werden sämtliche Aktivitäten in Zusammenhang mit der Lehrerausbildung koordiniert. Für die zweite Ausbildungsphase fordern wir eine einheitliche Regelung hinsichtlich des Referendariats. Unsere Überlegungen gehen sogar in Richtung zwölfmonatiges Referendariat. Wenn auch das Beamtenrecht dem derzeit entgegensteht, wissen Sie ja, dass das eine Forderung der LINKEN ist, die bereits seit Langem bekannt ist, Lehrer im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Damit würde man, glaube ich, hier diese Regelung umgehen können. Das möchte ich aber nicht weiter ausführen und das würde auch zu weit führen.
Fakt ist, eine Reduktion der Dauer des Referendariats ist im europäischen Vergleich auch sinnvoll. Kein anderes europäisches Land hat einen Vorbereitungsdienst, der länger dauert als ein Jahr. Voraussetzung für die Verkürzung des Referendariats muss natürlich eine stärkere berufspraktische Ausbildung in der ersten Phase sein, wie sie aber im Gesetzentwurf mit den 30 Leistungspunkten für Praktika gegeben scheint. Außerdem müsste die Berufseinstiegsphase dann - etwa die ersten beiden Jahre im Lehrerberuf - gut begleitet werden.
Zum Schluss möchte ich noch einige Kritikpunkte aus der OECD-Studie „Anwerbung, berufliche Entwicklung und Verbleib von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern (Länderbericht: Deutschland)“ vom September 2004 benennen. Die OECD hält die Kontrolle der Schuladministration - also des Kultusministeriums - über die Lehrerausbildung im Vergleich zu allen europäischen Ausbildungssystemen in Deutschland für am stärksten. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, auf die wir sicher auch in der Diskussion dann in den Ausschüssen eingehen sollten. Ein Vorteil ist, dass die unterschiedlichen Phasen der Lehrerausbildung unmittelbar miteinander verknüpft sind. Ein Nachteil ist, dass die Schulpolitik in den Ländern die Lehrerausbildung bestimmt und somit die schulartspezifische Lehrerausbildung festschreibt. Die OECD
kritisiert weiterhin die starke Fragmentierung nach Schularten und -fächern und hält sie für einen der Hauptschwachpunkte des gesetzlichen Rahmens für die Ausbildung und Beschäftigung von Lehrkräften in Deutschland.
Ein Vorteil der zweiten Phase, dem Referendariat, ist die Tätigkeit an einer Schule, die parallel mit der Ausbildung am Studienseminar stattfindet. Dies wäre vergleichbar mit der dualen Berufsausbildung. Die Kritik am Referendariat ist aber: eine zu starke Isolation der zweiten Phase von der ersten Phase und der dritten Phase, also von der Universitätsausbildung und den Fort- und Weiterbildungsangeboten. Es gelingt trotz günstiger institutioneller Rahmenbedingungen nicht wirklich, eine echte Verbindung zwischen Schulpraxis und professioneller Reflexion zu schaffen.
Die Ausbildungsprogramme in den Studienseminaren sind häufig nicht ausreichend praxisorientiert; häufig scheinen die Universitäten wenig geeignet zu sein, die Lehrerausbildung als eine ihrer Schlüsselfunktionen zu betrachten. Wesentlich ist hier die Festlegung verbindlicher Standards, nach denen die Universität ihre Lehrerausbildung einrichten und gestalten muss. Die begrenzte schulpraktische Erfahrung der Lehramtsanwärter in der ersten Phase in Verbindung mit zu starken fachwissenschaftlichen Ausprägungen des Studiums wurde ebenfalls kritisiert. Das geht zulasten einer mangelhaften didaktischen Ausbildung. Didaktik sollte als praktisches und nicht als theoretisches Fachgebiet gelehrt werden. Die Didaktik selbst wird in der Ausbildung zu stark fächerorientiert vermittelt. Ich bin gespannt, ob wir in diesem Gesetz durch Diskussion weiterkommen. Gemeinsame Fächer und schulartübergreifende Elemente werden zu wenig gelehrt. Dafür ist das deutsche System leider bekannt. Auch im Fort- und Weiterbildungsbereich sind die Angebote zu stark fachbezogen und wenig effizient bezüglich der Entwicklung allgemeiner pädagogischer Konsequenzen. Ich denke, wir haben in den Ausschüssen noch breiten Diskussionsbedarf. Wir werden unsere weiteren Überlegungen in diesen Diskussionsprozess einbringen. Ich hoffe, dass es gelingt, ein wirklich modernes und innovatives Lehrerbildungsgesetz mit auf den Weg zu bringen. Danke.
nen Schritten“ hat Friedrich Schiller einmal über die Thüringer Kleinstaaten des späten 18. Jahrhunderts bemerkt. Mit Blick auf das heutige Thüringen und die von der Landesregierung betriebene Bildungspolitik ist man versucht hinzuzufügen: „und um manche macht der Fortschritt sogar einen großen Bogen“. Ein gutes Beispiel dafür bietet der Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes, der uns heute beschäftigt. Jahrelang hat das Kultusministerium immer wieder angekündigt, dass mit einer entsprechenden Novelle in absehbarer Zeit zu rechnen sei. Jahrelang ist aber nichts dergleichen passiert. Da gab es zunächst eine interministerielle, vom früheren Staatssekretär Ströbel geführte und durch externen Sachverstand ergänzte Arbeitsgruppe, deren Resultat aber von der Hausspitze dem Vernehmen nach nicht sonderlich goutiert wurde. Dann wurde innerhalb der Ministerialbürokratie an einem Papier herumgedoktert, verschlimmbessert und alles Bisherige über den Haufen geworfen. Schließlich galt es auch noch, mehr als zwei Jahre lang in heftiger ministerieller Gedankenarbeit KMK-Beschlüsse vom Juni 2005 auszuwerten und beim Erstellen des Gesetzentwurfs zu berücksichtigen, bevor dann endlich dem Landtag eine Novelle zugeleitet werden konnte. Das Resultat dieses langwierigen und wenig effizienten Produktionsprozesses haben wir nun auf dem Tisch. Gut Ding will eben Weile haben, könnte man ja im Hinblick auf den endlich fertiggestellten Gesetzentwurf meinen. Dem ist allerdings mitnichten so, denn mit dieser Vorlage bewegt sich das Kultusministerium nicht etwa auf der Höhe der Zeit, sondern hinkt dem aktuellen bildungspolitischen Diskurs über die Verbesserung der Lehrerausbildung in Deutschland hinterher.
Meine Damen und Herren, ich werde das gleich im Kern des Gesetzentwurfs bei den Bestimmungen zum Lehramtsstudium deutlich machen. Zuvor möchte ich aber auch betonen, dass wir die Grundintention der Novellierung durchaus teilen. Damit meine ich insbesondere den mit der Vorlage unternommenen Versuch, die bisher im Thüringer Schulgesetz verankerten Gesetzesbestimmungen zur Lehrerbildung zu bündeln, miteinander zu vernetzen und stärker zu konkretisieren. Eine derartige redaktionelle Überarbeitung der bisherigen Regelungen war schon seit Längerem überfällig. Auch die vom Bologna-Prozess angestoßene gesetzliche Verankerung konsekutiver Studiengänge und ihrer Bachelor-/Masterabschlüsse in der Lehrerausbildung sowie die mit dem Entwurf beabsichtigte stärkere Verzahnung der drei Phasen der Lehrerbildung finden prinzipiell unsere Zustimmung. Die vom Kultusministerium genannten Zielsetzungen halten wir also grundsätzlich für anerkennenswert, jedoch erscheint uns deren angestrebte Realisierung durch den Gesetzentwurf als völlig unzulänglich.
Größtes Manko der Novelle ist aus unserer Sicht, aber auch aus der Perspektive der Thüringer Lehrerverbände - deshalb, Herr Minister, kann ich Ihren Ausführungen, dass sozusagen alle Anzuhörenden den Gesetzentwurf begrüßt haben, nicht so recht folgen -, dass dort an der längst nicht mehr zeitgemäßen Hierarchisierung - und ich sage bewusst Hierarchisierung - der Lehrämter festgehalten wird. So soll das Lehramtsstudium für die Grundschule künftig nur acht Semester umfassen und mit einem Bachelorabschluss beendet werden können. Für das Lehramtsstudium für die Regelschulen sind dagegen neun Semester sowie ein Masterabschluss und beim ebenfalls am Mastergrad orientierten Lehramtsstudium für die Gymnasien zehn Semester vonnöten. Ähnlich geht es auch bei den geplanten Bestimmungen zur Dauer des Vorbereitungsdienstes weiter. Für das Lehramt an Gymnasien, an Regelschulen und Förderschulen sind 24 Monate vorgesehen. Für das Lehramt an Grundschulen sollen dagegen 18 Monate genügen. Wie man eine derartige Abstufung beim Ausbildungsumfang fachlich begründen will, ist mir schleierhaft. Spätestens seit PISA stimmt die Erziehungswissenschaft darin überein, dass es in Deutschland endlich eine qualitative Gleichwertigkeit der verschiedenen Lehrämter geben muss,
dass sich diese Gleichwertigkeit, wenn man überhaupt noch an der Sonderung der Lehrerausbildung nach Schularten festhalten will, was wir nicht wollen, insbesondere auch an einer identischen Semesterzahl, die lediglich noch inhaltlich unterschiedlich zu strukturieren ist, einzelner Studiengänge und einer übereinstimmenden zeitlichen Dauer des jeweiligen Vorbereitungsdienstes festzumachen hat. Im Thüringer Kultusministerium gehen die Uhren aber offensichtlich anders, denn ausgerechnet diese für die Schulentwicklung im Freistaat entscheidende Institution macht sich mit ihrem Gesetzentwurf die wissenschaftlich längst widerlegte Auffassung zu eigen, für die Bildung und Erziehung kleiner Kinder brauche man keine vollwertige pädagogische Ausbildung. Da sollen dann für die Grundschulen ein verkürztes Lehramtsstudium und ein bloßer Bachelorabschluss genügen und auch auf einen zeitlich angemessenen Vorbereitungsdienst wird weniger Augenmerk gelegt als bei anderen Schularten. Was das Kultusministerium damit erreichen will, ist offenbar eine Lehramtsausbildung mit dem aus meiner Sicht zweifelhaften Prädikat „Grundschullehrer light“. Für die Landesregierung hätte das dann aber auch den angenehmen Nebeneffekt, Grundschulpädagogen künftig noch schlechter besolden und in niedrigen Tarifgruppen einsortieren zu können.
„In das Fundament von Bildung investieren“ lautet ein beliebtes Schlagwort des Kultusministeriums. In Wirk
lichkeit, glaube ich, geht es Ihnen darum, auf Kosten der Schüler an der Ausbildung und Bezahlung der Grundschullehrer zu sparen. Das, meine Damen und Herren, kann nicht sein. Aber nicht nur aus diesem Grund kritisiert meine Fraktion die geplanten Regelungen zur Lehrerausbildung. Die mit dem Gesetzentwurf vorgenommene qualitative Abstufung der Lehrämter zementiert erneut die durch die PISAStudien, durch OECD- und auch UNO-Berichte wiederholt als leistungsschwach und sozial ungerecht gebrandmarkte strukturelle Hierarchisierung des deutschen Schulwesens mit dem Gymnasium an der Spitze und den als zweitrangig betrachteten übrigen Schularten. Entsprechend wird in der Vorlage für das Gymnasium die bestmögliche Lehrerausbildung reserviert, während man für die Regelschule, mehr aber noch für die Grundschule eine zweitklassige Lehrerausbildung offenbar als völlig ausreichend erachtet.
Meine Damen und Herren, wie verträgt sich das mit dem gebetsmühlenartig wiederholten bildungspolitischen Mantra der Landesregierung, die Regelschule sei das Herzstück des Thüringer Schulwesens? Sollte man da nicht erwarten können, dass die Ausbildungsdauer der Regelschullehrer jener der Gymnasiallehrer entspricht?