Protocol of the Session on March 20, 2009

Die Stiftung Ettersberg hat den satzungsgemäßen Zweck der internationalen wissenschaftlichen Forschung zu Diktaturen in Europa sowie zur Unterstützung entsprechender Initiativen. Dies stellt keine unmittelbare Staatsaufgabe dar. Vielmehr soll die angestrebte Entwicklung eines Forschungszentrums, die Förderung wissenschaftlicher Projekte sowie die Durchführung von Tagungen und Symposien auf der Grundlage des der Stiftung überlassenen Vermögensgrundstocks und der entsprechenden Arbeit der Stiftung aus der Mitte der Gesellschaft heraus erfolgen. Hierfür, für diesen Zweck, ist eine Stiftung des bürgerlichen Rechts wesentlich besser geeignet als ein Träger unmittelbarer Staatsverwaltung.

Die Thüringer Ehrenamtsstiftung schließlich wurde als Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet, weil die Erwartung bestand, dass potenzielle Zustifter leichter für eine solche Stiftung als für eine Stiftung öffentlichen Rechts gewonnen werden könnten. Bei der Rechtsform für die Thüringer Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen hat sich die Landesregierung in Abstimmung mit dem Blindenverband für eine privatrechtliche Stiftung entschieden, weil damit ein höheres Maß an Flexibilität bei der Aufgabenerfüllung und eine stärkere Einbeziehung der Betroffenen erreicht werden sollte.

Zu Frage 2: Die Frage geht davon aus, dass Bestand und Veränderungen des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel bis zum Jahr 2008 der Stiftungsaufsicht nicht bekannt gewesen seien. Das ist unzutreffend. Richtig ist lediglich, dass nach der alten Rechtslage ein jährlicher Prüfungsturnus nicht vorgesehen war.

Zu Frage 3: In den Fällen, in denen das Land bei Stiftungen des bürgerlichen Rechts als alleiniger Stifter aufgetreten ist, hat es regelmäßig durch Stiftungsgeschäft bzw. Satzung neben dem Vorstand ein zweites Stiftungsorgan, z.B. ein Kuratorium oder einen Stiftungsrat, als Kontrollorgan eingeführt. Diese intern und unmittelbar wirkende Kontrolle erstreckt sich auch auf die jeweilige Anlagepolitik der Stiftung.

Zu Frage 4: Die Frage entspricht inhaltlich dem letzten Teil der Frage 2 in der Kleinen Anfrage 2620. Insofern verweise ich auf die dort gegebene Antwort der Landesregierung. Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Abgeordneter Kuschel, bitte.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, Sie haben darauf verwiesen, dass die Form Stiftung bürgerlichen Rechts zum Teil gewählt wurde in der Er

wartung, dass es Zustifter gibt und es diesen Zustiftern leichter fällt, bei Stiftungen des bürgerlichen Rechts zuzustiften anstatt bei öffentlichem Recht. Können Sie noch mal erläutern, wie sich das auf die Zustifter auswirkt in Abhängigkeit der Rechtsform - also, ob es sich um eine Stiftung öffentlichen Rechts oder des bürgerlichen Rechts handelt -, welche Unterschiede sich für Zustifter aus dieser Rechtsform ergeben, weil nur dann zu bewerten ist, ob Ihre Aussage tatsächlich auch für uns akzeptabel ist.

Ich hoffe doch, dass meine Aussage für Sie akzeptabel ist. Was die Zustiftungen angeht, so zielen natürlich die Stiftungen privaten bzw. bürgerlichen Rechts insbesondere auf private Zustifter. Stiftungen öffentlichen Rechts werden regelmäßig dann gewählt, wenn ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgt werden und regelmäßig auch öffentliche Stifter dort in Erscheinung treten. Das heißt also, es geht hier um private Zustifter und für die ist die Rechtsform der privaten Stiftung die geeignete.

Es gibt eine weitere Frage. Abgeordneter Kuschel.

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, deswegen mahne ich die noch einmal an, was sich steuerrechtlich für den Stifter für ein Unterschied ergibt, ob er Zustifter einer Stiftung bürgerlichen Rechts oder öffentlichen Rechts ist. Meine zweite Frage: Haben sich denn Ihre Hoffnungen mit der Wahl der Rechtsform erfüllt, also gibt es bei den Stiftungen bürgerlichen Rechts jetzt private Zustifter und wenn ja, welche sind das in welcher Höhe?

Nach steuerlichen Auswirkungen auf die Stifter haben Sie in Ihrer ersten Nachfrage nicht gefragt. Das kann ich Ihnen auch so aus dem Stand nicht sagen. Es ist auch nicht Sache der Stiftungsaufsicht, für die ich hier stehe, das zu beantworten. Ob sich die Hoffnungen erfüllt haben, kann ich aus dem Stand so auch nicht sagen, weil das nicht Gegenstand der Fragestellung war.

Der Fragesteller hat eine oder zwei Fragen. Herr Abgeordneter Huster.

Frau Präsidentin, eine zunächst. Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, impliziert Ihre Antwort auf Frage 3, dass die Informationen, die Sie als Mitglieder der jeweils zweiten Aufsichtsorgane, also jeweils Kuratorium oder den Räten, dort erhalten haben über mögliche Anlageformen für die Landesregierung in der Vergangenheit als ausreichend angesehen wurden.

Ja, das betrifft einerseits die Informationen, die wir über Vertreter in diesen zusätzlichen Stiftungsorganen bekommen haben, andererseits sind aber auch, das will ich auch noch einmal sagen, der Stiftungsaufsicht eigene Informationen zugeflossen. Es bestand nun nicht die Verpflichtung, dass jährlich ein Bericht automatisch von der Stiftung vorgelegt wird.

Die zweite Frage.

Meine Nachfrage dazu: Halten Sie angesichts der generellen Entwicklung, die wir im Bereich verschiedener Anlageformen sehen, die derzeitigen Kontrollmechanismen seitens der öffentlichen Hand und seitens der Stiftungsaufsicht für ausreichend oder müssen die Ihrer Ansicht nach weiterentwickelt werden?

Ich halte die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die generell für Stiftungen zur Anlage des Grundstockvermögens und des sonstigen Vermögens bestehen, für ausreichend, denn es ist ein zentraler Punkt, dass dort in erster Linie konservative Anlageformen gewählt werden müssen, um den Grundstock des Vermögens zu erhalten.

Danke. Damit schließe ich die Fragestunde für heute. Die Fraktionen sind übereingekommen, jetzt entsprechend der vorliegenden Tagesordnung weiterzuarbeiten.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 14

Thüringer Bildungsfreistellungs- gesetz (ThürBfG) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4966 - ERSTE BERATUNG Das Wort zur Begründung ist nicht angemeldet worden. Damit eröffne ich die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem heute dem Landtag vorliegenden Gesetzentwurf will die SPD-Fraktion ein Stück bundesdeutsche Normalität für Thüringen herstellen. In zwölf Bundesländern ist ein Bildungsfreistellungsgesetz seit vielen Jahren bewährte Realität. Ausgerechnet im Freistaat Thüringen, der ja für sich in Anspruch nimmt, eine Denkfabrik zu repräsentieren, hat sich die Landtagsmehrheit bislang immer einer solchen Förderung des lebensbegleitenden Lernens verweigert. Opposition, Gewerkschaften, aber auch zahlreiche anerkannte Thüringer Einrichtungen der Erwachsenenbildung fordern eine derartige Absicherung der Weiterbildung seit Jahren. Es sollte doch, denke ich, unumstritten sein, Wissen und umfassende Bildung werden immer wichtiger, um wirklich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können. Mehr denn je entscheidet der Bildungsstand über individuelle Lebensperspektiven, berufliche Möglichkeiten und gesellschaftliche Teilhabe eines jeden Einzelnen. Die Wissensgesellschaft erfordert in zunehmendem Maße Persönlichkeiten, die umfassende Qualifikation mit Kreativität und Teamfähigkeit verbinden, um sich wirklich den aktuellen und kommenden Herausforderungen zu stellen.

Entsprechende Investitionen sind sozusagen Grundvoraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens und nun reichen die einmal erworbenen Qualifikationen nicht mehr ein Berufsleben lang. Der moderne Arbeitnehmer ist Flexibilitätsanforderungen unterworfen, so dass er zu lebenslangem Lernen gezwungen ist, wenn er seine Kompetenzen verwertbar halten will. Insofern wird Bildung heute zum Überlebensmittel.

Die OECD beschreibt Schlüsselkompetenzen, die für ein persönlich und ökonomisch erfolgreiches Leben und eine funktionierende Gesellschaft erforderlich sind. Sie zählt dazu solche Fähigkeiten wie Kooperation und das Handhaben von Konflikten, selbstständiges Handeln, interaktive Nutzung von Hilfsmitteln und Instrumenten. Nur so können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Organisationswandel und sich ver

ändernde Arbeitsprofile bewältigen.

Meine Damen und Herren, Bildung ist aber für den Einzelnen nicht nur unentbehrlich, um in der sich wandelnden Arbeitswelt Schritt zu halten und die eigene Beschäftigungsfähigkeit abzusichern, sondern auch, um sich in einer immer komplexer werdenden Welt zu orientieren. Dazu zählen auch Fähigkeiten, die sich nicht unmittelbar für den Arbeitsmarkt verwerten lassen, aber sowohl für individuelle Lebensgestaltung als auch gesellschaftliche Entwicklung wichtig sind, wie die Beförderung von Urteilsbildung und natürlich auch die Mitwirkungskompetenz. In der globalen Wissensgesellschaft kommt es in wachsendem Maße darauf an, Grundorientierung und Kompetenzen zu vermitteln, die alle in die Lage versetzen, Verantwortung als Bürger uneingeschränkt wahrzunehmen und das demokratische Gemeinwesen mitzugestalten. Deswegen reicht es nicht aus, wenn man das lebensbegleitende Lernen, dessen Wichtigkeit ja unumstritten sein sollte, nur auf den Bereich der beruflichen Weiterbildung beschränkt. Schon 1987 gelangte das Bundesverfassungsgericht angesichts des sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels zu folgender Einschätzung - ich zitiere -: „Dem Einzelnen hilft die Weiterbildung, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen.“ Weiter wird gesagt: Es liegt im Allgemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausbildung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern. Auch die Europäische Union verfolgt seit der Veröffentlichung des Weißbuchs Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung von 1994 die Strategie, die nationalen Bildungsgemeinschaften über das Ziel „lebenslanges Lernen“ zu orientieren. Seither wurden zahlreiche der EU-Gemeinschaftsinitiativen auf den Weg gebracht, die der Entwicklung von Lerngesellschaften in Europa Vorschub leisten sollen. Dem entspricht auf nationaler bzw. regionaler Ebene die Verpflichtung für die öffentliche Hand, das lebenslange Lernen zu fördern und allen den Zugang dazu zu erleichtern. Wenn dies nicht der Fall ist, verpuffen solche Maßnahmen, die zum großen Teil mit deutschen Steuergeldern mitfinanziert wurden, in ihrer Wirkung.

Meine Damen und Herren, alljährlich dokumentiert der Thüringen-Monitor die Distanz beachtlicher Teile der Thüringer Bevölkerung zum demokratischen System. 44 Prozent sind mit der Demokratie ziemlich unzufrieden, 14 Prozent sehr unzufrieden. Die Demokratie sei besser als andere Staatsideen, das lehnen 17 Prozent überwiegend und weitere 4 Prozent völlig ab. Diese Zahlen verweisen auf die tiefe Krise der politischen Repräsentation und sollten uns alle beunruhigen, und das nicht nur an Wahlabenden, wo

mangelnde Wahlbeteiligung beklagt wird, um am nächsten Tag mit dem alten Trott fortzufahren. Was der Thüringen-Monitor aber auch zeigt, ist die hohe Abhängigkeit der demokratischen Einstellung von Bildung. Nur wer gut informiert und gebildet ist, wird sich antidemokratischen Bestrebungen entgegenstellen.

(Beifall SPD)

Die Landesregierung hat für 2009 das Jahr der Demokratie ausgerufen. Es kann jedoch nicht gelingen, Schülerinnen und Schülern Demokratie zu vermitteln, wenn dieselbe Landesregierung die erkennbaren Demokratiedefizite der Erwachsenenwelt ignoriert. Offensichtlich sieht sie im aktiven und informierten Bürger eine Bedrohung, wie ihr Umgang mit dem Volksbegehren für mehr Demokratie mehrfach gezeigt hat. Wir können nicht in Sonntagsreden das bürgerliche Engagement und die Stärkung einer aktiven Bürgergesellschaft und das Ehrenamt in Vereinen fordern, ohne zugleich Räume zu schaffen, in denen für dieses Ehrenamt qualifiziert wird. Politische Bildung und bürgerschaftliches Engagement hängen eng zusammen. Ein wichtiger Aspekt ist hier auch der demographische Wandel. Jetzt schon ist etwa ein Drittel der bürgerschaftlich Engagierten in Deutschland über 60. Will man das große Potenzial der Menschen im Rentenalter besser nutzen, tut man gut daran, dafür Sorge zu tragen, dass diese sich schon im Berufsleben auf die vielfältigen Möglichkeiten einstellen, aktiv zu werden. Ständig beklagt die Landesregierung die nostalgische Rückschau von Teilen der Thüringer Bevölkerung auf die DDR. Wir stehen hier in der Tat großen Defiziten in der Aufarbeitung gegenüber. Diese Aufarbeitung kann keinesfalls über Schulprojekte allein in Gang gesetzt werden, denn wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass familiäre Erzählungen die Geschichtsbilder heutiger Jugendlicher stärker prägen als jeder Geschichtsunterricht. Wenn wir über DDR-Geschichtsaufarbeitung reden, reden wir daher nicht nur über Jugendprojekte, so wichtig diese auch sein mögen, sondern von der Notwendigkeit der kritischen Selbstverständigung über das untergegangene DDRSystem und damit auch über die persönlichen Entscheidungen und Verhaltensweisen der gelernten DDR-Bürger. Auch dazu bedarf es geeigneter Räume für biografisches Lernen. Wenn die demokratischen Erfolge von 1989 für die Zukunft bewahrt werden sollen, reichen eben Jubelveranstaltungen nicht aus.

Meine Damen und Herren, in den meisten Bundesländern ist, wie ich vorhin schon sagte, ein Bildungsfreistellungsgesetz seit Jahren verankert und das mit guten Resultaten. Empirische Untersuchungen zeigen die Wirksamkeit von Bildungsfreistellung für seine Nutzerinnen und Nutzer, so beispielsweise

eine Evaluation des DGB-Bildungswerks Hessen von 2006. Hieraus wird deutlich, dass die Teilnehmenden nachhaltige Kenntnisse und neue Sichtweisen gewonnen haben und diese sowohl im persönlichen wie im beruflichen Bereich einsetzbar waren. Zudem ging aus den Befragungen hervor, dass die Bildungsfreistellung zur Stabilisierung demokratischer Orientierung und zur Verstärkung des ehrenamtlichen Engagements beitrug. Wird die Bildungsfreistellung kontinuierlich in Anspruch genommen, lässt sich eine Verstetigung und längerfristige Wirkung nachweisen. Ein weiteres Fazit der bisher gemachten Erfahrungen lautet: Die Beteiligung von Frauen an Bildungsfreistellungsmaßnahmen ist überproportional hoch. Wir können also davon ausgehen, dass Frauen im Rahmen betrieblicher Weiterbildung seltener berücksichtigt werden als ihre männlichen Kollegen, da sie häufiger Positionen besetzen, die für Unternehmen als weniger entwicklungsrelevant gelten. Hier kann Bildungsfreistellung kompensierend wirken und somit auch einen Beitrag zu einer aktiven Gleichstellungspolitik leisten.

Meine Damen und Herren, lange Zeit wurden immer wieder Unterstellungen laut, Bildungsurlaub oder Bildungsfreistellung werde bevorzugt für Segeltörns in der Karibik oder Batikkurse genutzt. Abgesehen von der Absurdität dieser Annahme ist festzustellen, dass die berufliche und berufsbezogene Weiterbildung bei den in Anspruch genommenen Maßnahmen kontinuierlich angestiegen ist und jetzt mittlerweile den überwiegenden Anteil darstellt. Hier werden genau die von der OECD angemahnten Schlüsselkompetenzen erworben und weiterentwickelt. Auch aus Arbeitgebersicht, so stellt Rolf Dobischat, Professor für berufliche Weiterbildung der Universität Duisburg, fest, ist Bildungsfreistellung eine Win-win-Situation. Der Arbeitnehmer erhöht seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt und der Betrieb gewinnt durch die Kompetenzsteigerung seiner Beschäftigten.

Meine Damen und Herren, zu den Kosten, die auf das Land zukommen: Zur Bildungsfreistellung gehört der Anspruch der Arbeitgeber, das fortzuzahlende Arbeitsentgelt aus Landesmitteln erstattet zu bekommen. Dass dies für die öffentlichen Kassen verkraftbar ist, zeigt das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Bundesland wurden im Zeitraum 2005 bis Anfang Oktober 2008 für Bildungsfreistellungsmaßnahmen insgesamt 431.492,94 € erstattet. Hier bewegen wir uns also im Bereich von jährlichen Ausgaben in Höhe von weniger als 100.000 €. Die Sorge um den Arbeitsplatz hält viele Beschäftigte angesichts der immer noch verbreiteten Ablehnung seitens vieler Arbeitnehmer davon ab, ihren Rechtsanspruch einzulösen. So führt die Arbeitsmarktkrise zu kontraproduktiven Wirkungen, denn lebenslanges Lernen ist wesentlicher Teil der Flexibilitätsanforderungen moderner Gesellschaften.

Meine Damen und Herren, wer solche Räume zum Bildungserwerb verweigert, schadet sich auf lange Sicht selbst. Deshalb brauchen wir einen weiterbildungspolitischen Konsens der beteiligten gesellschaftlichen Gruppen und seitens des Staates klare Regelungen, um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen und Wegmarken in Richtung einer echten Wissensgesellschaft zu setzen. Wir brauchen ein Bildungsfreistellungsgesetz in Thüringen und nicht die Entmutigung lernbereiter Bürgerinnen und Bürger.

Ich bitte um Überweisung an den Bildungsausschuss und, da es ein Gesetzentwurf aus den Reihen des Hauses ist, auch an den Justizausschuss. Danke schön.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Skibbe, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir als Fraktion DIE LINKE sind für lebensbegleitendes Lernen. Wir nehmen dieses Thema ernst. Dieses Gesetz halten wir für dringend notwendig, wir stimmen diesem Gesetz inhaltlich auch voll zu.

Aber wir kritisieren die Art und Weise des Herangehens der SPD-Fraktion an dieses Thema. Die Forderung nach einem Bildungsfreistellungsgesetz ist nun wahrlich nicht neu. Bereits seit 1991 forderte der DGB Thüringen ein Bildungsfreistellungsgesetz. An seiner Seite sind heute weitere Gewerkschaften, Jugendverbände, Bildungsträger und verschiedene Parteien wie DIE LINKE und die SPD. Bereits 1994 einigte sich die CDU-SPD-Koalition kurz nach der Landtagswahl darauf, dass für die politische und berufliche Weiterbildung ein Bildungsfreistellungsgesetz angestrebt wird. Doch folgten dieser damaligen Aussage bis heute - also 15 Jahre später - keine Taten. Herr Döring, dieselbe Rede vor einem Jahr gehalten, hätte man durchaus ernst nehmen können. Die Zeit der gemeinsamen Regierungsverantwortung blieb von SPD und CDU ungenutzt, auch später gab es außer Lippenbekenntnissen keine Bewegung in dieser Sache. Ich stelle fest, dass Absprachen nach einer gemeinsamen Einbringung eines Gesetzentwurfs durch die Fraktion DIE LINKE und die SPD-Fraktion ignoriert wurden. Plötzlich zieht die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf aus dem Hut wie der Zauberer das Kaninchen. Nur, so frage ich mich, ist man denn an einer wirklichen Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt interessiert? Wie kann eine breite und konstruktive Debatte zu diesem Thema

zum jetzigen Zeitpunkt geführt werden - Anhörung, erste und zweite Lesung oder Meinungsbildung bei den verschiedenen Partnern? Wir halten das in dieser Legislaturperiode für schlichtweg unmöglich. Ich halte es für einen gravierenden Fehler, ein solch wichtiges Thema quasi als Wahlkampfthema zu verbrennen.

(Beifall DIE LINKE)

Doch ist so eine billige Wahlkampftaktik ja nicht neu. Bereits vor fünf Jahren wurde das Thema „längeres gemeinsames Lernen“ mit einem Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht und entsprechend im Wahlkampf agiert. Das ging schon damals schief.

Nun möchte ich noch ein paar fachliche Argumente und ein paar Punkte einbringen, über die es sich lohnen würde, zu debattieren. 1997 wurde auf der UNESCO-Weltkonferenz, die damals übrigens in Hamburg stattfand, die Erwachsenenbildung nicht nur als ein Recht, sondern als Schlüssel zum 21. Jahrhundert bezeichnet. Inzwischen leben wir im 21. Jahrhundert, aber Thüringen hinkt - das hatten Sie vorhin in Ihrer Rede auch gesagt, Abgeordneter Döring - in der Entwicklung bei diesem Thema hinter den meisten anderen Bundesländern hinterher. Eine der Forderungen der Weltkonferenz war die nach einem bezahlten Bildungsurlaub; denn die Demokratie lebt von Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger. Wer mitgestalten will, der braucht eben auch Wissen.

Außer Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen haben alle Bundesländer entsprechende Regelungen in einem Landesgesetz als Bildungsurlaubsgesetz oder Bildungsfreistellungsgesetz verankert. Ein Vergleich dieses Gesetzentwurfs mit den Regelungen der anderen Bundesländer ergibt, dass die anderen Bundesländer wiederum flexiblere Lösungen bei der Bildungsfreistellung ermöglichen. Das Zusammenlegen von Bildungsurlaub von zwei oder in manchen Bundesländern auch drei oder vier Jahren ist möglich und an keine Bedingung gebunden. Im vorliegenden Thüringer Gesetzentwurf ist das Zusammenlegen von Bildungsurlaub über zwei Jahre nur dann möglich, wenn der Antrag auf Bildungsurlaub im vergangenen Jahr durch den Arbeitgeber abgelehnt wurde oder im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber.

Die Fraktion DIE LINKE schlägt weiterhin vor, den Kreis der Berechtigten für Bildungsfreistellung zu erweitern. Neben Thüringer Beschäftigten sollten auch Migranten, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Empfänger von Leistungen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz, Personen im sozialen ökologischen Jahr diese Leistungen in Anspruch nehmen können. Die Finanzierung der Bildungsfreistellung darf natür

lich nicht zulasten der Erwachsenenbildung vorgenommen werden. Alles in allem ist ein Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz, wenn es wirklich ernsthaft in den parlamentarischen Ablauf eingebracht wird, mehr als überfällig. Wir können nur betonen, dass wir als Fraktion DIE LINKE diesem Gesetz aufgeschlossen gegenüberstehen. Wir werden uns dieser Diskussion auf jeden Fall stellen. Zu Beginn einer Legislaturperiode eingebracht, ist ein solcher Gesetzentwurf auch ernsthaft zu bearbeiten. Mit veränderten Mehrheitsverhältnissen im Thüringer Landtag wird uns das sicher ab Herbst gelingen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten, bereits 1992 hat die SPD einen Gesetzentwurf zum Bildungsurlaubsgesetz in diesen Landtag eingebracht. Aber wir wollen sagen, jetzt, 17 Jahre später, kommen Sie mit einem Vorstoß zu einem Bildungsurlaubsgesetz mitten zur Unzeit. Gerade jetzt gilt es doch, alle Kraft darauf zu verwenden, dass die Unternehmen stabilisiert und gefördert werden.

(Beifall CDU)