Protocol of the Session on March 19, 2009

Damit kommen wir zu dem Antrag der Fraktion der CDU, den TOP 17, „Thüringer Gesetz zur Änderung von Vorschriften zum Brand- und Katastrophenschutz sowie zum kommunalen Versorgungsverband“ am Freitag auf jeden Fall aufzurufen. Wer dafür ist, diesen Tagesordnungspunkt 17 morgen auf jeden Fall aufzurufen, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? Keine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung, damit ist einstimmig dafür gestimmt, dass der Punkt 17 morgen auf jeden Fall aufgerufen wird.

Es ist ferner beantragt worden, den Tagesordnungspunkt 11 entsprechend Drucksache 4/4937 in der zweiten Lesung am 3. April zu behandeln. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Keine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung, damit ist der Platzierung zugestimmt und die zweite Lesung wird am 3. April durchgeführt.

Die Tagesordnung ist festgestellt und ich rufe auf Tagesordnungspunkt 1 a und b

a) Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/4969 - ERSTE BERATUNG

b) Zweites Gesetz zur Änderung der Thüringer Landeshaushalts- ordnung Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/4970 - ERSTE BERATUNG Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung zu ihren Gesetzentwürfen? Bitte, Frau Ministerin Diezel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringer Landtag hat in seiner Entschließung vom 14. Dezember 2007 die Landesregierung gebeten, Vorschläge für die grundsätzliche Eindämmung der Neuverschuldung in Thüringen in die Verfassung vorzulegen. Mit der Entschließung wurde das Ziel formuliert, dass eine kurzfristige Neuverschuldung nur in Notlagen und besonderen Ausnahmesituationen möglich sein soll und dann auch in einem fest definierten Zeitraum eine Tilgung dieser Neuverschuldung realisiert werden

muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Landtagsentschließung fiel in eine Zeit, in der auf Bundesebene die erste Reform der föderalen Beziehungen bereits abgeschlossen war und die zweite Reform und dieser Reformschritt in Vorbereitung standen. Bereits im November 2005 hatten sich die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD darauf verständigt, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen den veränderten Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft und die Weltfinanzbeziehungen innerhalb und außerhalb Deutschlands anzupassen. Am 15. Dezember 2006 wurde eine gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat mit der Aufgabe betraut, Vorschläge für eine Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu beraten. Bei der Abgrenzung der zu behandelnden Themen wurde schnell klar, dass die Bewältigung von Haushaltskrisen und die Begrenzung für Neuverschuldung das zentrale Problem waren. Von Anfang an war in der Diskussion der Kommission der feste Wille von vielen Seiten, vor allen Dingen von den Koalitionsfraktionen, sichtbar, die Bund-Länder-Beziehungen und diese Problematik der Neuverschuldung und der Überschuldung der Haushalte einer grundsätzlichen Lösung zuzuführen. Getragen von diesem Einigungswillen kam es am 5. März dieses Jahres nun zu konkreten Vorschlägen für die Neuformulierung des Grundgesetzes. Nach den notwendigen Änderungen und Ergänzungen in zustimmungspflichtigen Bundesgesetzen wurden diese vorgelegt.

Im Entwurf zu Artikel 109 des Grundgesetzes ist festgelegt, dass Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen müssen. Abweichungen von diesem Grundsatz sind aber durch bundes- und landesgesetzliche Regelungen möglich. Dies gilt vor allen Dingen unter Berücksichtigung von konjunkturellen Entwicklungen. Ferner regelt Artikel 109, dass Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notlagen eine Kreditaufnahme rechtfertigen können. Um die Schuldenaufnahme wirksam zu begrenzen, ist eine verbindliche Tilgungsregelung für die ausnahmsweise aufgenommenen Kredite vorgesehen.

In Artikel 115 des Grundgesetzes wird weiter künftig für den Bund geregelt, dass er eine Kreditverschuldung für strukturelle Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts erhalten kann. Die Länder haben diese strukturellen Verschuldungsmöglichkeiten nicht. Diese Neuregelungen gelten für den Bund spätestens ab dem Jahr 2016 und für die Länder spätestens ab dem Jahr 2020.

Wir als Land haben die Absicht, diese geplante Grundgesetzänderung für uns vorzuziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung legt Ihnen heute einen Vorschlag für das Fünfte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen vor. Es sieht ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot mit klar definierten Ausnahmen vor. Für diese engen Ausnahmen wird das Neuverschuldungsverbot ergänzt um ein entsprechendes Tilgungsgebot. Die Verbindung des grundsätzlichen Neuverschuldungsverbots mit dem Tilgungsgebot garantiert, dass der Zuwachs von Verschuldung wirksam begrenzt wird. Künftig wird im öffentlichen Haushalt im Zusammenhang mit der Verschuldung nicht mehr unterschieden werden, ob wir konsumtive oder investive Ausgaben haben. Der Investitionsbegriff war nicht geeignet - das haben wir über die Jahre hinweg gemerkt - die Schuldenaufnahme wirksam zu begrenzen, er wird daher abgelöst. Die Art der Ausgabe kann künftig nicht mehr die Verschuldung rechtfertigen. Es kommt darauf an, wenn Verschuldung getätigt wird, dies zeitnah zurückzuzahlen und sie zu begrenzen auf eng umrissene Ausnahmefälle. Im Übrigen gilt der alte Grundsatz und die Volksweisheit „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“.

Die Ausgaben sollen nicht im Aufschwung anwachsen und im Abschwung sinken. Vielmehr wird eine stabilisierende antizyklische Fiskalpolitik verlangt. Eine zurückgehende Konjunktur soll durch die Möglichkeit der Kreditaufnahme gemildert werden, aber andererseits soll in konjunkturellen Hochphasen Vorsorge für die Zukunft getroffen werden mit Rücklagen oder mit Schuldentilgung. Mit unserem Vorschlag wird sowohl der Entschließung dieses Hohen Hauses vom 14. Dezember 2007 als auch der geplanten Neuregelung des Grundgesetzes Rechnung getragen. Wir machen also von der Neuregelung im Grundgesetz nicht in einem Übergangszeitraum Gebrauch, sondern wir machen jetzt davon Gebrauch. Im Übrigen hat der Rechnungshof in seinen Äußerungen erst vor Kurzem dieses als richtiges Signal zur richtigen Zeit genannt.

Zu den einzelnen Punkten unseres Vorschlags: Artikel 98 Abs. 2 der Thüringer Verfassung bindet bisher bei Haushaltsaufstellung die Aufnahme neuer Schulden an die veranschlagten Investitionsausgaben. Ausnahmen hiervon sind die Überwindung und Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Die Landesregierung schlägt nun vor, den Haushaltsplan ohne neue Kredite auszugleichen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig zur Berücksichtigung von konjunkturellen Schwankungen gemessen als Abweichung gegenüber einem mehrjährigen Vergleichszeitraum und des Weiteren zum Ausgleich eines außerordentlichen Finanzbedarfs aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen. Die aufgrund der zulässigen Ausnahmen aufgenommenen Kredite sind innerhalb eines bestimmten Zeitraums vollständig zu tilgen. Eine strukturelle Verschul

dung ist nicht mehr vorgesehen. Es ergeben sich dadurch Änderungen in weiteren Absätzen von Artikel 98 sowie in Artikel 100 Abs. 2 der Thüringer Verfassung.

Zur Änderung der Landeshaushaltsordnung: Mit der Änderung unserer Verfassung müssen auch zentrale Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung angepasst werden. Wir legen daher gleichzeitig den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung der Thüringer Landeshaushaltsordnung vor. Mit dem vorgelegten Änderungsantrag zur Thüringer Landeshaushaltsordnung setzen wir die geplante Verfassungsänderung einfachgesetzlich um. Erforderlich ist eine entsprechende Anpassung des § 18 und eine redaktionelle Änderung der §§ 25 und 62. § 18 wiederholt den Leitgedanken der geplanten Verfassungsänderung, konkretisiert aber die Ausnahmetatbestände. Die Berücksichtigung konjunktureller Veränderungen orientiert sich an der Entwicklung der Einnahmen, der Steuern und des Länderfinanzausgleichs von drei Jahren. Die Gründe für die zulässige Kreditaufnahme für die Mehrausgaben aufgrund von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen sind künftig in den Haushaltsgesetzen ausführlich darzustellen. § 18 soll ferner bestimmen, dass für die zulässige Kreditaufnahme ein verbindlicher Tilgungsplan vorgelegt wird. Danach sind die neuen Kreditmarktschulden grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren zu tilgen. Eine jährliche Berichtspflicht der Landesregierung zur Höhe der Tilgungsleistung sowie über die Maßnahmen zur Einhaltung des Tilgungsplans dient der Information des Parlaments und der Öffentlichkeit. Die geplante Änderung soll erstmals für das Jahr 2011 in Anwendung gebracht werden. Wir befinden uns derzeit schon in der administrativen Aufstellung für den kommenden Haushalt. Der soll ebenfalls ohne neue Schulden aufgestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Neuverschuldung und Konjunkturkrise - wie passt das zusammen? Die Landesregierung legt Ihnen einen Gesetzentwurf für das grundsätzliche Verbot der Nettoneuverschuldung in der Zeit einer globalen Wirtschaftskrise vor. Neuverschuldungsverbot und Konjunkturkrise schließen sich nicht gegenseitig aus. Der Vorschlag der Landesregierung ist nicht ein absolutes Neuverschuldungsverbot. Dies wäre in der Tat nicht zu realisieren. Wir müssen bei einem Grundsatz einer wirkungsvollen Begrenzung der Neuverschuldung gleichzeitig dafür sorgen, dass der Haushalt in konjunkturellen Schwankungen, in Tiefstphasen flexibel bleibt und sozusagen mitatmen kann. Für die Thüringer Landesregierung ist es entscheidend, dass trotz Neuverschuldungsverbot die Gestaltungsfähigkeit einer aktiven Finanzpolitik bleibt. Wer ausnahmslos die Aufnahme neuer Schulden verbietet, treibt die öffentlichen Haushalte in ein prozyklisches Verhalten. Im Aufschwung werden dann Ausgaben erhöht und

im Abschwung verringert. Wir wollen aber ein antizyklisches Verhalten. Dieses prozyklische Verhalten führt eher zur Verstärkung der Krise. Wir wollen eine deutliche Begrenzung in der Neuverschuldung, die es aber erlaubt, in Krisenzeiten angemessen zu reagieren. Es kommt darauf an, eine konjunkturelle Schwächephase durch stabile öffentliche Ausgaben abzumildern und eine Hochkonjunkturphase nicht mit zusätzlichen Ausgaben zu belasten - denn man hat es ja, man kann es ja ausgeben - und diese noch anzuhalten, sondern Vorsorge für wieder konjunkturelle Abschwächung zu treffen.

Die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise beispielsweise wäre nach der vorgeschlagenen Neuregelung ein solcher Ausnahmetatbestand, der eine Neuverschuldung zuließe - siehe auch beim Bund. Wir müssten in vergleichbaren Fällen in der Zukunft diese aufgenommenen Kredite, die wir Gott sei Dank zur Kofinanzierung von Konjunkturpaket, von Pendlerpauschale, von Tariferhöhungen nicht benötigen in diesem Jahr, dann durch einen verbindlichen Tilgungsplan einhalten und zurückzahlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ergebnis der Föderalismuskommission II wurden bundesweit die Weichen gestellt, die Neuverschuldung nachhaltig zu begrenzen. Die neuen Regelungen fanden einen breiten Konsens und werden vom IWF, von der Weltbank, von der OECD bestätigt als die Maßnahmen, die für öffentliche Haushalte und für ein Staatswesen die richtige Antwort sind für Währungsstabilität und Solidität. Unser Vorschlag setzt das Ergebnis der Föderalismuskommission eher um. Wir wollen früher ein deutliches Zeichen setzen für eine Schuldenbegrenzung in öffentlichen Haushalten in Thüringen.

(Beifall CDU)

Wir wissen, dass wir eine Schuldenlast von 15,7 Mrd. €, sprich 6.900 € pro Einwohner, in diesem Land haben. Das Land muss dafür jährlich 687 Mio. € an Zinsen zahlen. Jeder von Ihnen hätte gute Vorschläge, wie wir diese 687 Mio. € für andere Maßnahmen einsetzen könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum haben wir diese Schulden aufgenommen? Wir waren interessiert, in den letzten 19 Jahren einen schnellen Ausbau der Infrastruktur, einen schnellen Ausbau unserer Bildungsinfrastruktur, unserer Unternehmen zu fördern. Für Hochschulen, Schulen, Forschungseinrichtungen, Straßen, für Krankenhäuser, für Kindereinrichtungen, für Schulen, für Kunst und Kultur, für die Verbesserung der Qualität des Trinkwassers, für die Entlastung unserer verseuchten Böden wurde mehr - als von Bund, EU und eigenem Steueraufkommen möglich gemacht - Geld eingesetzt, nämlich mit Schulden. Aber all das hat eine Grenze. Wie schwie

rig es ist, diese Schulden entsprechend zurückzuzahlen und in Haushalten zu agieren, die in Notlage sind, zeigen die Länder Bremen, Schleswig-Holstein, Berlin, aber auch Sachsen-Anhalt, das jetzt mit am Konsolidierungsfonds hängt. Es ist richtig, in konjunkturstarken Jahren vorzusorgen und das eigene Steuereinkommen zu steigern für konjunkturschwache Jahre. Es ist genauso richtig mit Blick auf kommende Generationen, den Schuldenberg nicht anwachsen zu lassen, und wenn wir Schulden aufnehmen, dann verbindlich zu regeln, dass wir sie in fünf Jahren tilgen und wie hoch sie überhaupt sein dürfen. Wir gehen aus von den Steuereinnahmen und dem Länderfinanzausgleich der drei vorangegangenen Jahre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich kann man über das Vorziehen diskutieren, ich aber sage, wir haben es 2007, wir haben es 2008 erreicht, in diesem Land ohne neue Schulden auszukommen, und das bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität und Senkung der Arbeitslosigkeit. Ich glaube, das sind die richtigen Zeichen: Senkung der Neuverschuldung, Ausschließen der Neuverschuldung, Reduzierung, Vorsorge zu treffen für künftige Generationen und Vorsorge für konjunkturschwache Jahre. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Mike Huster, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die nach eigenem Bekunden beste Band der Welt, die Ärzte, könnten derzeit etwas abgewandelt singen: Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der BILD, und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht, aus Angst, Hass, Althaus und dem Wetterbericht.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, dazu fällt es mir schwer, milde zu lächeln, ebenso wie zu dem eben von Frau Ministerin Diezel hier Vorgetragenen. Wenn man den Antrag der Landesregierung hier diskutiert zum Verbot neuer Schulden, dann finden wir als LINKE, dass man ihn zwingend im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise diskutieren muss und dass der Zugang zu diesem Thema auch nur wirklich möglich ist, wenn man ihn im Zusammenhang mit den globalen Entwicklungen betrachtet.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb stellt sich schon die Frage, Frau Ministerin, warum ausgerechnet jetzt, ausgerechnet in der nach vielen Auffassungen größten Krise dieses Wirtschaftssystems seit 1929, in der größten gesellschaftlichen Krise seit 1945 - und manche Autoren sprechen von einer Zäsur mindestens in der Dimension von 1989 - warum Sie ausgerechnet am Beginn, wo die Auswirkungen dieser Krise überhaupt erst spürbar werden, hier einen so weitreichenden Entwurf zur Änderung der Verfassung und zur Veränderung der Grundlagen dieses politischen Systems einbringen wollen.

Meine Damen und Herren, würde Ihr Ansinnen so umgesetzt, so konsequent, völlig egal, ob 2010 oder 2011, dann wäre angesichts der Rahmenbedingungen, mit denen wir es auch speziell hier in Thüringen zu tun haben, die Pflicht zum größten Sozialabbau der jüngeren Thüringer Geschichte gegeben. Meine Damen und Herren, das ist für uns als LINKE nicht hinnehmbar und damit werden wir uns mit Ihnen aufs Schärfste auseinandersetzen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Oh, da kriegen wir aber Angst.)

Herr Mohring, Sie sollten sich Ihre unqualifizierten Zwischenrufe einfach besser überlegen. Ich deute Ihr Ergebnis vom Samstag auch als erste Abwatsche in Ihren eigenen Reihen. Halten Sie sich zurück und versuchen Sie mit Sachargumenten hier vorn aufzutreten und nicht mit Ihren komischen Zwischenrufen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, will man Zugang zur Situation gewinnen, dann kommt man nicht umhin festzustellen, wir befinden uns ein halbes Jahr vor der Wahl in Thüringen. Schulden sind bei den sparbewussten deutschen Bürgern etwas nicht ganz so Positives. Viele Leute haben Angst vor Schulden und möglicherweise ist ja das der eigentliche Hintergrund der Landesregierung, hier auf dieses noch populäre Thema bei der Bevölkerung zu setzen. Dieses Thema basiert vor dem Hintergrund, dass insbesondere den neuen Ländern ein deutlicher Rückgang der Einnahmen in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2020 auch ohne Wirtschaftskrise bevorsteht, nämlich über die bekannten Determinanten: Abschmelzen des Solidarpakts II auf null, das wahrscheinliche Abschmelzen der EU-Mittel in der nächsten Förderperiode und die fiskalischen Auswirkungen der demographischen Entwicklung für Thüringen. Alles zusammen bedeutet das, auch ohne Krise deutlich weniger Geld bis zum Jahr 2020, deutlich weniger Einnahmen. Dazu kommen nun die internationalen Krisenerscheinungen mit folgenden Begriffen: Wir haben es mit einer Krise

der Realwirtschaft zu tun, die man auf den Punkt wie folgt bringen kann, dass Autos keine Autos kaufen. Menschen brauchen Einkommen und sie brauchen es nicht nur in Deutschland, sondern sie brauchen es überall, Menschen brauchen verlässliche Einkommen. Wir brauchen eine insgesamt stabile Binnennachfrage, um überhaupt konsumieren zu können, was in der Wirtschaft produziert wird. Deswegen ist Ihre Analyse, sofern Sie glauben, die Krise kommt aus dem Finanzsektor oder sie kommt von Übersee, völlig falsch. Wir haben es mit einer tiefen Krise der Realwirtschaft zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben es weiter in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit einem gigantischen, aufgeblähten Finanzsektor zu tun und man muss einfach feststellen, auch der ist nicht vom Himmel gefallen, sondern insbesondere der deutsche Beitrag am Aufblähen dieses Finanzsektors und am Nutzen dieses Finanzsektors war politisch gewollt. Über diesen Teil der Verantwortung muss diskutiert werden. Sie diskutieren darüber überhaupt nicht. Aber dass die Gesetze zur Zulassung von Hedgefonds beispielsweise von der Deutschen Bundesregierung gemacht wurden, dass im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene die weitere Deregulierung des Finanzsektors ausdrücklich Programm ist, das muss doch mitdiskutiert werden, wenn man über diese finanzpolitischen und fiskalischen Fragen redet.

Meine Damen und Herren, wenn man über Thüringen redet und die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, dann muss man doch versuchen, das wirtschaftspolitische Konzept der letzten zwei Jahrzehnte zumindest in Ansätzen infrage zu stellen. Da haben wir es auch damit zu tun, dass wir viel zu stark auf den Export gesetzt haben und dass letztlich auch steuerpolitische Entscheidungen, die direkte Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte hatten, bewusst politisch getroffen wurden, um diese Exportwirtschaft und diese Finanzwirtschaft zu stärken, aber die letztlich die Binnennachfrage geschwächt und die Einnahmebasis der öffentlichen Hand unterhöhlt haben. Natürlich ist das Ergebnis dieser Konzeption auch eine hohe Verschuldung der öffentlichen Hand, weil natürlich beständig die Einnahmen weggebrochen sind, weil man so abhängig vom Export war. Was wir in den 90er-Jahren erlebt haben, das war ja nur das Vorgeplänkel zu dem, was wir jetzt in den nächsten Jahren erleben werden. Ihre Antwort darauf und auf diese Krise ist ein Neuverschuldungsverbot in der Thüringer Verfassung. Ich merke, Sie haben noch überhaupt nicht begriffen, worum es hier eigentlich geht, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Abgeordneter Huster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Goebel?

Am Ende meiner Rede bitte.

Meine Damen und Herren, die Armut der öffentlichen Hand, die sich aus dieser Politik ergeben hat einschließlich der Verschuldung

(Unruhe CDU)

und einschließlich der zu zahlenden Zinsen ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille dieses ökonomischen Konzepts ist die zunehmende Armut vieler Menschen. Ich will die Stichworte nennen: Kinderarmut in Thüringen, die Armut der künftigen Rentnergeneration infolge von Unterbrechungen in der sogenannten Erwerbsbiografie, die Einkommen der Menschen, die heute aufstocken müssen im Hartz-IV-Bereich trotz Arbeit - das sind doch alles Fakten, die man, wenn man die Dimension dieses Themas überhaupt intellektuell erfassen will, zumindest mit zur Kenntnis nehmen muss.

Meine Damen und Herren, das führt natürlich auch am Ende dazu, dass sich immer weniger Menschen einerseits Autos leisten können, aber auch andererseits eine anspruchsvolle Bildung oder eine anspruchsvolle Kultur leisten können. Das sind doch zwei Seiten einer Medaille - und so muss man das diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, in dieser Zeit, in der dieses gesamte politische Konzept der letzten zwei Jahrzehnte in den entwickelten westlichen Industriestaaten weltweit zur Disposition steht, da legen Sie in Thüringen Kraft Ihrer Wassersuppe einen Antrag vor zur Änderung der Verfassung und zur Begrenzung der Nettoneuverschuldung. Einen größeren ökonomischen Unsinn kann man sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen.