Das ist unterirdisch! Ich werde nicht um eine Entschuldigung bitten, weil ich nicht glaube, dass Sie diese hier ernsthaft vortragen würden.
Aber im Wesentlichen will ich für das Protokoll festgestellt haben, dass das unfassbar und eine Frechheit ist.
Wir wollen versuchen, in der Debatte zum Haushaltsentwurf fortzufahren. Als nächster Redner spricht für die SPD der Abg. Herr Schmidt. - Herr Schmidt, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In einem der drei Kung-Fu-Panda-Filme gibt es die Geschichte von dem Schwert, das so scharf ist, dass man sich schon beim Anschauen schneidet. Die Rede des Kollegen Farle war eher nicht von dieser Art. Obwohl er alle rhetorischen Tricks aus der guten alten kommunistischen Parteischule, insbesondere diesen geschmacklosen Tiefschlag bemüht hat - jetzt geht er gerade, das ist ein bisschen schade; viel Spaß beim Mittagessen, Herr Farle! -, war es doch wohl eher eine Rede von der Art des Schwerts Karls des Großen: lang, breit und flach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, ich würde einmal ernsthaft mit dem Referenten reden. Die Kommunen des Landes haben nicht 187 Millionen € Kassenschulden. Es sind über 1,3 Milliarden €. Ich vermute, auch etliche andere Zahlen in Herrn Farles Rede haben einfach nicht gestimmt. Und das ist ein bisschen peinlich.
Der diesem Gesetz - ich zitiere - „als erste Anlage beigefügte Haushaltsplan für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 wird in den Einnahmen und Ausgaben auf 11 884 347 000 € für das Jahr 2020 und auf 12 397 407 000 € für das Jahr 2021 festgestellt“. So lautet der erste Satz des Vorberichts für den heute eingebrachten Haushaltsplanentwurf für die kommenden Jahre. Das sind stolze Summen.
Ich sehe schon die Schlagzeilen: Rekordhaushalt! Ausgaben auf nie dagewesenem Niveau! Ausgabenanstieg trotz schwächelnder Konjunktur! Dass die Landesregierung nicht in der Lage sei, weil sie zu schwach sei und trotz Mehrausgaben und Rücklagenverzehr Schwierigkeiten habe, einen Haushalt aufzustellen, habe ich schon im Sommer gelesen.
Dann muss ich immer an den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. denken, sehr geehrte Damen und Herren; nicht an die Tatsache, dass er ein psychisch kranker Mann war, der seinen eigenen Sohn köpfen wollte, damit der ein richtiger Kerl werde, sondern dass er, als er pünktlich zum Ende des preußischen Haushaltsjahres am 31. Mai 1740 starb, in den Kellern des Berliner Stadtschlosses nicht weniger als 24 000 Mark in gemünztem Geld angehäuft hatte.
Die Kölnische Mark waren damals 234 g Gold. Es ging um über 5,6 t Gold. Nach heutigem Goldpreis wären das über 270 Millionen Geldwert. Da die Kaufkraft der Edelmetalleinheit im 18. Jahrhundert deutlich über der heutigen lag, weil weniger Leute und weniger Geld im Umlauf waren, reden wir hier von einem Milliardenbetrag, den Preußen als Rücklage hatte. Aber auch darauf will ich nicht hinaus.
Bis 1753 mit dem Deutschen Konventionstaler ein vom Edelmetallgehalt unabhängiger Taler aus der Mark geprägt wurde, war es möglich, regelmäßig über die Verschlechterung des Edelmetallgehalts neue Münzen auszubringen, die zwar denselben Nominalwert hatten, aber nicht mehr denselben Gold- oder Silbergehalt. Altes Geld war infolgedessen wertvoller als neues, wenn man es nur aufheben konnte; also ein Stück umgekehrte Inflation. Die Verbraucher erfuhren diese, wenn sie neue Münzen in die Hand bekamen. Wer im Berliner Stadtschloss einen Keller voller Gold hatte, konnte sich von Inflation unabhängig machen. Die
Obrigkeit verdiente zweimal: einmal am Behalt des alten Geldes, das man für neue Münzen einsetzen konnte, und einmal an der Münzverschlechterung.
schwimmt der Staat mit seinen Ausgaben, dem Anhäufen und dem Einsatz von Rücklagen, der Tilgung von Schulden, mit allem, was er tut, mit der allgemeinen Inflation mit. Diese Inflation hat seit dem Jahr 2016 bis 2019 5,2 % betragen. Unterstellt man für 2020 und 2021 jeweils 1 % Inflation, was freundlich geschätzt, aber nicht ganz aus der Welt ist, lägen auf dem Stand von 2015 die bereinigten Ausgaben des Jahres 2020, wie sie geplant waren, nicht bei 11,9, sondern bei 11,15 Milliarden € und 2021 bei 11,5 Milliarden €. Der Haushaltsplan 2015 wiederum wies ein Haushaltsvolumen von 10,85 Milliarden € aus. Für 2016 wurde im Nachtragshaushalt mit 10,9 Milliarden € geplant.
Bezogen auf die allgemeinen Inflationsraten gibt Sachsen-Anhalt also inflationsbereinigt 2020 ungefähr 300 Millionen € mehr aus als 2015 und im Jahr 2021 575 Millionen € mehr als 2016. Dann ist der Mehrausgabenbetrag schon gar nicht mehr so gewaltig.
Nun läuft die Inflationsuhr des Landes aber nicht mit der des privaten Verbrauchers gleich. Der Warenkorb, auf dem die allgemeine Inflation errechnet wird, ist wesentlich günstiger als das, was das Land hat. Die Entgelte des Tarifs der Länder sind seit einschließlich 2016 um 9,85 % gestiegen. 2020 kommen noch einmal 3,2 % dazu, und ich vermute, der 2021-er Abschluss wird nicht dramatisch anders aussehen. Da wird wohl eher auch eine Drei davorstehen. Das bedeutet, das Land bekommt im Vergleich zu 2015 für sein Stückchen Warenkorb, nämlich für das, was es ausgibt, nicht eher 6 %, sondern eher 8 %, und 2021 werden es eher nicht 7 %, sondern eher 9 % oder 10 % weniger. Wenn man so rechnet, bleibt von Rekordhaushalten und gewaltigen Ausgabensteigerungen nicht viel übrig.
Weder das Verjubeln von dramatisch hohen Steuereinnahmen noch der Verbrauch von Rücklagen sind die Quellen dessen, woraus das Land seinen Gestaltungshaushalt mobilisiert hat; denn der ist real praktisch nicht gestiegen. Alles, was wir für Lehrer, für Polizisten, für Forstarbeiter oder für die Entlastung bei der Kinderbetreuung mehr tun, wird real in diesem Haushalt durch Einsparungen an anderer Stelle erwirtschaftet.
Die Geschichte vom gefräßigen Staat, der immer höhere Steuereinnahmen braucht, ist ein wirtschaftsliberales Märchen, das von der Geldwertidee aus der Zeit des Soldatenkönigs ausgeht. Die Steuereinnahmen wachsen nominal selbst dann, wenn die Wirtschaft stagniert. Das müssen
sie auch; denn der gleichbleibende Bestand öffentlicher Aufgaben kostet in jedem Jahr nominal mehr Geld. So ist das einfach.
Diese Erkenntnis nützt nun allerdings dem Finanzminister beim Aufstellen des Haushalts gar nichts. Er muss mit den Einnahmen umgehen, die er hat. Eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung kann er anstellen, aber die hilft ihm nicht. Er hat dabei nur einen sehr kleinen Spielraum für die eigenen Einnahmen.
Unter den gegebenen Bedingungen - der Finanzminister hat darauf hingewiesen - beginnt uns die Finanzierung der seit 2016 vorgenommenen großen Gestaltungsvorhaben zunehmend schwerzufallen. Die Kosten holen uns ein. Wir spüren gleichzeitig, dass jedes weitere Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag immer schwerer in die Haushalte einzuordnen ist.
Je nach Optimismus derer, die die Berechnung mittelfristiger Finanzplanungen vornehmen, weisen diese Planungsdokumente mehr oder weniger tiefe Defizite aus. Der Finanzminister hat seine Version dazu vorgetragen. Ich glaube, es ging um 1 Milliarde €, in die wir hineinmarschieren. Zum Glück treten diese Annahmen traditionell nicht ein, aber sie rufen immer aufs Neue eine Frage auf, die immer wieder aufs Neue völlig widersprüchlich beantwortet wird, und zwar zum Teil von denselben Politikerinnen und Politikern, saisonal unterschiedlich.
Im Verlauf des Jahres heißt es auf die Frage: Wie gehen wir mit dieser Spreizung zwischen Bedürfnis und Möglichkeiten um? - Das müssen wir regeln. Das Land ist in der Pflicht. Dafür müssen wir doch Geld haben. Zur Haushaltsberatung am Jahresende geht es um verantwortungsvolle und seriöse Finanzpolitik, um das Wort „Sparen“, kurz gesagt darum, mit den gegebenen Nominalbeträgen auszukommen und zu sagen, wir müssen doch nicht an jeder Stelle und wir müssen Prioritäten setzen. Dann lauten die Schlagzeilen ein wenig anders. Das passiert sehr oft unverbunden nebeneinander her.
In den Neunziger- und Zweitausenderjahren hatte man, so glaubte man jedenfalls, schon einmal einen schicken Schlüssel, um dieses Problem zu lösen. Mehr Effektivität der Aufgabenwahrnehmung, Ausgliederung und Verschlankung des Staates waren die Stichworte. Die Aufgabenkritik kam dazu. In der Nachschau, sehr geehrte Da
men und Herren, ging es dabei hauptsächlich um Verzicht auf Investitionen und Bauunterhaltung, auf mehr oder weniger intelligent gemachten Personalabbau und zu einem nicht unerheblichen Teil um die Nutzung des Lohngefälles zwischen öffentlichem Dienst und privatem Sektor, um öffentliche Ausgaben zu zügeln.
Heute sind wir in einer ganz anderen Situation. Der Finanzminister bedauert das geradezu wöchentlich, glaube ich. Er bedauert es natürlich nicht in der Gänze, aber er muss die Folgen tragen. Die Babyboomer verlassen den Arbeitsmarkt in Richtung Ruhestand. Hohe Arbeitslosigkeit ist durch Arbeitskräftemangel abgelöst worden,
Ganze Gruppen von Berufen, die Jahrzehnte lang viel zu niedrige Einkommen hinnehmen mussten, können jetzt angemessene Bezahlung durchsetzen, und die öffentlichen Tarife beginnen, den Rückstand zu den Industrietarifen aufzuholen. Erzieherinnen und Erzieher, Krankenschwestern und Pfleger, Hausmeisterinnen und Hausmeister können jetzt ein adäquates Einkommen verlangen. Für Kinderbetreuung, Jugendhilfe, Hilfen zur Erziehung, Betreuung und Integration von Behinderten müssen die Landkreise jetzt realistische Preise bezahlen und schauen sich oft um, weil sie sich sehr wohl im Niedriglohnbereich ganz gut eingerichtet hatten.
Forstarbeiterinnen und Forstarbeiter - bevor Sie fragen, Herr Kirchner, es gibt auch Forstarbeiterinnen in diesem Land,
Auch wir werden uns dieser Frage in Zukunft stellen müssen: Bescheiden wir uns im Rahmen der gegebenen Einnahmemöglichkeiten, die überwiegend durch den Bund vorgegeben sind, und definieren unseren Bedarf entlang dieser Möglichkeiten, oder stellen wir unseren Bedarf fest und reden über die Einnahmemöglichkeiten?
Ja, ich kenne Herrn Lippmanns Antworten und würde deren verwegene Cuba-Libre-Leichtigkeit nicht ohne Weiteres teilen, aber über die Frage müssen wir tatsächlich sprechen.
Nun lassen Sie mich, sehr geehrte Damen und Herren, noch auf das Zahlenwerk selbst eingehen. Ich möchte voranstellen - ich erspare mir jetzt einmal das Lob für alles, was an diesem Haushaltsplanentwurf gut ist; so viel Redezeit habe ich leider nicht; ich komme gleich zur Kritik -, dass der Haushaltsplanentwurf für uns drei Probleme enthält, drei Fehler, und wir uns dafür einsetzen werden, diese zu beseitigen. Das sind, alphabetisch geordnet, die Stichworte: „AzubiTicket“, „Straßenausbaubeiträge“ und „Zuschüsse für freie Schulen“. Bei den ersten beiden Punkten gibt es eine Einigung in der Koalition über das Anliegen an sich, aber keine Untersetzung im Haushaltsplanentwurf. Wegen meiner Redezeit belasse ich es bei dem Hinweis auf das erste Struck‘sche Gesetz, wie Vorlagen der Regierung in das Parlament hineingehen und herauskommen.
Bei Punkt drei ist es ein bisschen kniffeliger. Der Bildungs- und der Finanzminister haben von einem verhandelten Kompromiss gesprochen. Die Gegenseite bestreitet das und droht mit Klagen. Ich hoffe, wir erhalten im Verlauf der Beratungen bis zur Beschlussfassung noch Klarheit. Ich bin jedenfalls nicht gewillt, einen verfassungswidrigen Haushalt zu beschließen.
Der Haushaltsplanentwurf ist vom Korsett der Einhaltung des strukturellen Verschuldungspfades so eingeschnürt - jedenfalls für das Jahr 2020; solange wir noch Konsolidierungshilfen erhalten -, dass einem schon bei dessen Anblick die Luft wegbleibt. Die Verschiebung der Einzahlungen in den Pensionsfonds ist ja Teil dieser Übung.
Um den Haushaltsplanentwurf doch noch konform zum Koalitionsvertrag zu fertigen, hat die Regierung auf vieles verzichtet, unter anderem auf die Zuführungen zum Pensionsfonds. Das holt sie im Jahr 2021 durch die Entnahme aus der Rücklage wieder auf. Darüber kann man streiten. Ich möchte an dieser Stelle aber auf etwas anderes eingehen: Wäre das Finanzministerium im Jahr 2017 dem Vorschlag meiner Fraktion gefolgt und hätte die Mittel aus dem Pensionsfonds für den Ankauf von angemieteten Landesliegenschaften genutzt, dann hätten wir Ende des Jahres 2018 einen echten Renditeüberschuss