Protocol of the Session on May 16, 2014

(Zustimmung bei der LINKEN)

Außerdem wollen wir der Gerichtsentscheidung dadurch gerecht werden, indem wir mehr Pluralität

durch Rotationsverfahren oder Losentscheide und durch wechselnde Mitglieder innerhalb einer Wahlperiode ermöglichen. Wir wollen damit erreichen, dass innerhalb der sechsjährigen Wahlperiode des Rundfunkrats wechselnde gesellschaftlich relevante Gruppierungen zum Zuge kommen, damit die größtmögliche Meinungsvielfalt gesichert wird, für die sich das Gericht stark eingesetzt hat.

Es wäre auch höchste Zeit, eine gesetzlich garantierte Vertretung von ethnischen Minderheiten und von Migrantinnen und Migranten zu gewährleisten. Wenn ich den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen lese, dann frage ich mich, warum sich die SPD nicht zumindest für diesen Punkt eingesetzt hat, warum wir keine gesetzliche Vertretung von ethnischen Minderheiten oder von Migrantinnen und Migranten im Rundfunkrat festschreiben wollen. Die Erklärung dafür wäre interessant.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss möchte ich doch noch einmal aus dem SPD-Antrag aus dem Jahr 2009 zitieren. Zur Begründung des Antrags auf eine Aktuelle Debatte hieß es damals wörtlich:

„Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erfüllen mit ihrem Bildungsauftrag eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Politisches Handeln muss sich daher gerade in dieser Situation daran ausrichten, diesen Auftrag vorbehaltlos zu unterstützen. Durch die Konstituierung der Anstalten in den Staatsverträgen kommt dabei den Ländern, mithin auch Sachsen-Anhalt, eine besondere Verantwortung zu. Damit obliegt es auch dem Landtag von Sachsen-Anhalt, in dieser Situation alle Zweifel an der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auszuräumen und entsprechende Bemühungen zu unterstützen.“

Viel besser hätten wir es nicht formulieren können. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gebhardt. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Staatsminister Robra. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine sehr klar definierte Aufgabe gestellt. Wir müssen den ZDFStaatsvertrag reformieren und dabei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Die Vorgaben sind sehr klar. Einige davon hat Herr Gebhardt eben genannt.

Wir sind bereits in die Arbeiten eingetreten. Denn das Verfassungsgericht hat uns auch eine sehr kurz bemessene Frist gesetzt, wenn man einmal bedenkt, was bei den Verhandlungen über Staatsverträgen alles zu berücksichtigen ist. Wenn das bis zum 30. Juni 2015 - so ist die Forderung des Bundesverfassungsgerichts - in Kraft gesetzt sein soll, dann dürfen wir keine Zeit verlieren.

Alle im Landtag vertretenen Fraktionen sind irgendwo in Deutschland, in irgendeinem Bundesland in der Regierung vertreten, sodass also auch eine große Breite der Meinungen bei den Verhandlungen über den ZDF-Staatsvertrag zusammenfließen wird. Das alles werden wir berücksichtigen müssen. Denn wir haben ein vitales Interesse daran - das gilt für den ZDF-Vertrag und natürlich auch für den MDR-Vertrag -, dass wir in den Landtagen - in allen 16 beim ZDF, in den drei mitteldeutschen beim MDR - auch wirklich zügig zu Ratifikationsergebnissen kommen.

Beim ZDF geht es um die Regelungskomplexe: Zusammensetzung der Gremien, Verfahrensregelungen zur Zusammensetzung der Gremien, Zusammensetzung der Ausschüsse - Sie haben es schon erwähnt -, Inkompatibilitätsregelungen, persönliche Rechtstellung der Mitglieder, Gleichstellungsauftrag und Transparenz.

Es geht letzten Endes - das ist eine der für mich wichtigsten Erkenntnisse bei der Auswertung des Urteils - um die Vielfaltsicherung auch in den Gremien und in den Verfahren. „Vielfaltsicherung“ ist der Zentralbegriff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überhaupt. Es gilt, das nun auch in den Gremien zu gewährleisten, und zwar dynamisch unter Berücksichtigung der sich verändernden Rahmenbedingungen in der Gesellschaft und unter Einbeziehung all dessen, was relevant ist. Es ist natürlich ein schwieriges Thema zu definieren, welche gesellschaftlichen Gruppen heute relevant sind, welche einen Anspruch darauf haben, mitwirken zu dürfen, und welche nicht.

Wichtig ist mir noch, dass das Bundesverfassungsgericht eben keine vollständige Entpolitisierung der Gremien gebietet, sondern mit einem Drittel/zwei Drittel ein klares Schema strukturiert hat.

Für mich persönlich war es auch ganz wichtig, dass der Gedanke der Responsivität im Urteil aufscheint, dass also beispielsweise jemand wie ich, der im ZDF-Fernsehrat ist, auch darin sein kann, weil - so das Verfassungsgericht - man dabei ja auch einiges lernt, das man in die medienpolitischen Überlegungen einbeziehen kann: Wie funktioniert Fernsehen? Wie ist der Blick der Gesellschaft auf das öffentlich-rechtliche System? Der Gedanke der Responsivität spielt eine Rolle und darf demzufolge auch in den weiteren Verhandlungen eine Rolle spielen.

Der Kerngedanke des Antrags der LINKEN, um darauf einzugehen, der in allen drei Landtagen Mitteldeutschlands, wenn ich es richtig sehe, gleichlautend gestellt worden ist, ist im Grunde, zur Vorbereitung einer Neufassung des MDR- Staatsvertrages eine Drei-Länder-Arbeitsgruppe aus Regierungsvertretern, Landtagsabgeordneten und Sachverständigen zu bilden.

Ich denke, das ist nicht zielführend. Wie Staatsverträge verhandelt und abgeschlossen werden, ist in den Verfassungen aller drei Länder geregelt. Das ist kein - um das einmal auf einen aktuellen Punkt zu beziehen - Panel bei Medientreffen in Leipzig, sondern ein klar strukturiertes Verfahren, bei dem auch die Landtage sowohl im Verhandlungsstadium als auch später im Ratifikationsstadium natürlich ein ganz wichtiger Partner sind.

Ich kann deswegen für die Landesregierung zusagen, dass wir zum einen - dabei orientiere ich mich am Alternativantrag der die Landesregierung tragenden Koalitionsfraktionen - bis spätestens Oktober berichten, bei welchem Handlungsbedarf wir übereinstimmen - auch dazu müssen die drei Länder auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Zum anderen werden wir natürlich auch den Ausschuss kontinuierlich über den MDR-Staatsvertrag - Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag seit vielen Jahren überhaupt nicht angefasst worden ist - auf dem Laufenden dazu halten - ich kann das übrigens auch für den ZDF-Staatsvertrag zusagen -, welche Gedanken dabei eine Rolle spielen; denn es liegt mir sehr daran, Sie alle mitzunehmen, damit wir uns nicht bei der Ratifikation darüber unterhalten müssen: Wie sind die Regeln über die Einbeziehung der gesellschaftlichen Gruppen zu gestalten? Wer ist dabei und wer ist nicht dabei? - In diesem Zusammenhang sind viele Fragen zu behandeln. Ich denke, wir sollten uns gemeinsam auf den Weg machen. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Die Fünfminutendebatte wird jetzt eröffnet durch die SPDFraktion. Es spricht Herr Abgeordneter Felke. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie aufgrund der Vorgeschichte und auch aufgrund der Behandlung hier im Landtag nicht verwundern, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum ZDF-Staatsvertrag von unserer Seite aus ausdrücklich begrüßen.

Vergegenwärtigt man sich noch einmal den Auslöser - Kollege Gebhardt ist auch darauf schon eingegangen -, die Ablösung des damaligen ZDFChefredakteurs durch einen unionsdominierten

Verwaltungsrat, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Verfassungsklage dazu einen Stein ins Rollen brachte, der zu gravierenden Veränderungen des Rundfunks in Deutschland führen wird. Der Einfluss der Politik auf die Sender war zu groß. Das muss man ehrlich und selbstkritisch einräumen. Er galt außerdem viele Jahre als Selbstverständlichkeit.

Hier spielten ganz offensichtlich die Nachwirkungen der alten Bonner Farbenlehre in die Sender hinein. Dabei hatte bereits 1961 das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert sein darf.

Das jetzige Urteil ist deutlich. Es zwingt zu erheblichen Veränderungen beim ZDF-Staatsvertrag und zur Überprüfung der Rundfunkstaatsverträge der Länder. Die Landesregierung wird zur Umsetzung des Urteils in der Rundfunkkommission der Länder zügig mit den anderen Bundesländern Vorschläge erarbeiten müssen, um die Frist bis Mitte des nächsten Jahres einhalten zu können. Wie sportlich das ist, ist vom Staatsminister eben schon dargestellt worden.

Diese Vorschläge müssen gemeinsam mit den gesellschaftlich relevanten Gruppen diskutiert werden. Jüngst geänderte Staatsverträge, beispielsweise der zum SWR, könnten als Vorbild dienen, sowohl was die Vielfalt der Gremienzusammensetzung als auch das Kriterium der Staatsferne betrifft. Darin wurden beispielsweise Muslime berücksichtigt. Staatsvertreter dürfen dagegen nicht mehr in den Rundfunkgremien vertreten sein.

Meine Damen und Herren! Überrascht hat mich die Aussage der MDR-Intendantin, sie sehe nach dem Urteil keine unmittelbare Auswirkung für den MDR. Sicher ist der Anpassungsbedarf mit Blick auf das Drittelkriterium bei den sogenannten staatsnahen Rundfunkräten formal nicht so groß. Aber mit Blick auf das Gebot der Vielfaltsicherung dürfte auch beim MDR Handlungsbedarf bestehen.

Zu begrüßen ist, dass sich der MDR-Rundfunkrat Ende Juni in einer Klausur mit den möglichen Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen will.

Ich denke, mit Blick auf mehr Transparenz der Arbeit der Gremien oder auch bei einer urteilskonformen Besetzung von Ausschüssen kann der Rundfunkrat jetzt schon selbst mehr machen. Dazu bedarf es meiner Meinung nach keiner Änderung des Staatsvertrages. Trotzdem spricht einiges dafür, sich den MDR-Staatsvertrag näher anzusehen.

Das Urteil macht keinen Unterschied zwischen einem Regierungsvertreter und einem frei gewählten Parlamentarier in den Gremien. Der Begriff der Staatsnähe wird sehr weit ausgelegt. Nimmt man

noch die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände hinzu, liegt Handlungsbedarf auch beim MDR nahe.

Ich gebe zu, dass mir die Regelung in einzelnen Staatsverträgen, keine Regierungsvertreter mehr in den Rundfunkräten vorzusehen, sehr sympathisch ist, auch wenn der eine oder andere das vielleicht mit eventuellen Zugewinnen an Lerneffekten verbinden kann.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Ich bin der Meinung, eine plausible Begründung dafür, dass die Exekutive mit auf die Einhaltung des im Staatsvertrag festgelegten Programmauftrages achten oder bei der Wahl des Intendanten beteiligt sein muss, ist nicht zu erkennen.

Dass die Parteien am gesellschaftlichen Meinungsprozess mitwirken und damit ein natürlicher Teil der Aufsichtsgremien sind, ist dagegen unstrittig. Entscheidend ist und bleibt, dass die Politik nicht dominiert.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Meine Damen und Herren! Ich sehe aber auch die Notwendigkeit, sich die Zusammensetzung der Gremien des MDR hinsichtlich ihrer Vielfalt noch einmal genauer anzusehen. Spiegelt diese nach über 20 Jahren Staatsvertrag die gesellschaftliche Wirklichkeit in der Gegenwart wider? - Zweifel daran sind angebracht.

Was zumindest auffällt, ist, dass der MDR mit seinen Aufsichtsgremien bei einigen Parametern zum Teil deutlich abweicht. Der Frauenanteil - das ist schon erwähnt worden - liegt mit 12 % deutlich unter allen anderen Rundfunkgremien. Das ist ein Punkt, der freilich schon jetzt durch die entsendenden Organisationen etwas korrigiert werden könnte.

Auffällig sind aber noch zwei weitere Punkte. Mit 26 % ist der Anteil der gesellschaftlichen Gruppen der geringste in den Aufsichtsgremien aller ARDAnstalten und genauso niedrig wie beim ZDF. Auffällig ist auch die große Differenz zwischen Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern von 21 % zu 7 %. Eine derartige Ungleichgewichtung gibt es in keinem anderen Rundfunkgremium.

Eine Harmonisierung der Rundfunkstaatsverträge in Grundsatzfragen wäre meiner Meinung nach aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hilfreich. Dass dies bei einer Dreiländeranstalt noch einmal schwieriger wird, liegt auf der Hand. Zwei Länder wählen bekanntermaßen in wenigen Monaten. Unter Umständen gibt es danach größere Chancen auf eine Einigung.

Meine Damen und Herren! Beim MDR stehen wir nicht unter einem so hohen Zeitdruck wie beim ZDF. Trotzdem sollten wir uns damit im Medienausschuss kontinuierlich befassen. Im besten Fall

können wir uns dann gemeinsam eine Meinung dazu bilden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Herbst das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die Unionsmehrheit im ZDF-Verwaltungsrat hat sich durchgesetzt: Der Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender wird nicht verlängert. Damit ist der Journalist zum Opfer einer parteipolitischen Machtdemonstration geworden.“

So die Schlagzeile des „Spiegel“ im Jahr 2009.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schon ein harter Vorwurf. Aber jetzt wissen wir es: Der „Spiegel“ hatte mit dieser Schlagzeile Recht.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ja, im ZDF-Rundfunkrat ging es nicht mit rechten Dingen zu. Ja, der Journalismus wurde zum Opfer einer parteipolitischen Machtdemonstration. Denn jetzt hat Karlsruhe entschieden: Der ZDF-Staatsvertrag verstößt gegen die Verfassung.