Protocol of the Session on September 10, 2010

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Warum soll dann kein Mitarbeiter der Landtagsverwaltung zum Beispiel dort hingestellt werden, um dem Landtag zu berichten, was es in Europa so gibt? - Das wäre eine Möglichkeit, über die wir uns unterhalten müssen.

(Herr Tullner, CDU: Gute Idee!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben noch eine weitere Möglichkeit. Warum sollen wir nicht den Landtag, die Landtagsverwaltung stärken, indem wir einen wissenschaftlichen Dienst für Europaangelegenheiten einrichten, damit jemand in der Landtagsverwaltung dafür da ist? Denn natürlich sagt auch die Landtagsverwaltung - mit Verlaub, Herr Präsident -: Wir wollen jetzt aber keine Verantwortung für eine Vorauswahl übernehmen; wir geben das alles weiter und die Fraktionen sollen sich dazu positionieren.

Die Landtagsverwaltung hat mit dem GBD - das könnte man auch auf Europaangelegenheiten erweitern - die Möglichkeit, als Hilfsorgan einzelnen Abgeordneten zur Seite zu stehen, und zwar auch in inhaltlichen Fragen, damit wir uns dazu positionieren können.

Das ist auch nur eine Möglichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das Letzte, das ich an dieser Stelle noch deutlich sagen will, ist: Herr Robra, die Landtagsinformationsvereinbarung und das Gesetz - das war in der letzten Legislaturperiode ein langer Weg. Dabei hatten wir die Gelegenheit, an der einen oder anderen Stelle ins Gespräch zu kommen. Ich weiß, dass auch in den vorangegangenen Legislaturperioden der Versuch unternommen, aber nicht zu Ende geführt worden ist. Die CDU und die FDP haben zumindest eine solche Vereinbarung auf den Weg gebracht.

Deshalb kann ich - jetzt komme ich zum Anfang zurück - nicht verstehen, warum Sie noch immer so vehement versuchen, den Landtag nicht mit in Ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen. Wir sind gar nicht so schlimm und so kritisch, wie Sie befürchten;

(Herr Czeke, DIE LINKE: Doch!)

vielmehr wollen wir an der einen oder anderen Stelle Hilfestellung geben und auf Probleme hinweisen,

(Herr Tullner, CDU: Nö!)

die vielleicht die Exekutive nicht sieht, die aber jeder von Ihnen, weil sie im Wahlkreis verankert sind, durchaus sehen kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kosmehl, für Ihren Redebeitrag. - Wir kommen zu dem Debattenbeitrag der Fraktion der SPD. Der Abgeordnete Herr Tögel hat das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute nicht zum ersten Mal mit diesem Thema und werden uns natürlich auch nicht zum letzten Mal damit beschäftigen.

Ich gehe davon aus, dass wir, wenn wir den Bericht der Landesregierung bis zum 31. Oktober 2010 bekommen werden, das Thema wieder auf die Tagesordnung auch des Ausschusses setzen werden. Deswegen bitte ich schon im Voraus um Zustimmung zu der Ihnen vorgelegten Beschlussempfehlung.

Dass das Bessere des Guten Feind ist, wissen wir alle. Wir haben in zig Ausschusssitzungen auch mit Kollegen aus anderen Landtagen und auch mit den Kollegen aus Österreich zusammengesessen und haben überlegt: Wie können wir Mechanismen finden, die unsere Mitwirkungsmöglichkeiten verbessern? Wie kommen wir innerhalb der Fristen mit der Fülle an Informationsmaterialien, die uns die Landesregierung aufgrund der LIV dankenswerterweise zur Verfügung stellt, zu Rande?

Wir müssen uns allerdings auch an die eigene Nase fassen. Sie haben es versucht, indem Sie angeregt haben, dass wir einen eigenen wissenschaftlichen Dienst einrichten und einen eigenen Mitarbeiter nach Brüssel schicken sollen. Das scheitert natürlich auch und vor allem am Geld. Das wissen wir.

Wir als Landtag haben in den Haushaltsberatungen selbst das Problem, uns ein Stück weit an die Sparvorgaben halten und uns an Einsparungen beteiligen zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich nicht zu leisten, dass wir im Landtag - ich sage es einmal so - schlappe fünf neue Stellen schaffen, wie es in der Anhörung von einigen Wissenschaftlern vorgeschlagen wurde. Diese fünf Stellen brauchen wir mindestens, um die Aufgaben entsprechend zu begleiten. Das bekommen wir nicht hin. Wir müssen auch schauen, was realistisch ist. Wir sind ein kleines Land. Wir sind ein relativ kleiner Landtag. Wir haben daher weniger Möglichkeiten als zum Teil andere Bundesländer. Für unsere Kleinheit haben wir eigentlich schon relativ gute Verfahren.

Wir haben natürlich überlegt, was wir an der LIV verbessern können. Aber wir haben dazu weder bei Ihnen noch bei anderen Fraktionen noch bei uns selbst wirklich sinnvolle Schritte für die Stellen gefunden, an denen wir nachsteuern müssten.

Wir müssen uns - das ist ein Punkt, der mir und auch anderen Kollegen, wie ich weiß, sehr am Herzen liegt - aber auch an der Stelle an die eigene Nase fassen, dass die anderen Ausschüsse bisher viel zu zögerlich mit den Möglichkeiten umgehen, die ihnen gegeben werden. Wir überweisen Dokumente der EU unter Umständen an andere Ausschüsse

(Zuruf von Herrn Henke, DIE LINKE)

und die Ausschüsse befassen sich nur in den seltensten Fällen damit.

(Herr Borgwardt, CDU: Die geben nicht mal eine Stellungnahme ab!)

Sie geben uns die Dinge zurück und geben dazu keine Stellungnahme ab.

Deswegen kann ich an die Kollegen in den anderen Ausschüssen nur appellieren, dass sie die Möglichkeiten, die wir haben, viel stärker nutzen und sich auch mit Stellungnahmen einbringen.

Dass die Landesregierung hierzu eine ganz andere Position hat, ist völlig klar. Das ist ein systemimmanenter Widerspruch. Dieser hat eigentlich auch relativ wenig mit Regierungsfraktion und Opposition zu tun.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Das ist so. Die Regierung hat natürlich ein Interesse, möglichst im eigenen Wirkungsbereich zu agieren. Jede weitere Einwirkung von außen - ob das nun Verbände sind oder in diesem Fall der Landtag - würde die Verfahren natürlich zusätzlich verkomplizieren. Das ist systemimmanent. Daran werden wir auch - ich sage es einmal so - in zehn kalten Wintern nicht viel ändern können. Aber ich denke, es läuft in Sachsen-Anhalt schon ganz gut.

Wir haben mit den Informationsmöglichkeiten, die wir bekommen, eine wesentlich bessere Arbeitsgrundlage, als das in vielen anderen Landtagen dieser Bundesrepublik der Fall ist. Daher sollten wir, denke ich, weiter daran arbeiten, dass wir dort besser werden, und nicht nur mit dem Finger auf die Landesregierung zeigen. Wir sollten auch schauen, was wir in unserer eigenen Arbeit als Landtag verbessern können.

Ich hoffe, dass wir, wenn der Bericht vorliegt, wieder ein Stück mehr eine vernünftige zielorientierte Diskussion führen können und Lösungen finden, mit denen wir bei der Erreichung des Zieles, die Mitwirkung auf der EUEbene zu verbessern, ein Stück weiterkommen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Tögel. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Kosmehl. Möchten Sie diese beantworten? - Er möchte. - Bitte, fragen Sie.

Herr Kollege Tögel, nun können Sie mit dem Blick auf die Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt jeden Vorschlag zurückweisen. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie als Fachpolitiker der Auffassung, dass eine weitere auch personelle Aufstockung der Landtagsverwaltung hilfreich wäre, um die Kompetenz des Landtages in Europafragen zu verbessern?

Danke für die Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, hier noch einmal das zu sagen, was ich im Ausschuss gelegentlich schon gesagt habe. Die Anhörung hat mich darin bestärkt: Wir verheben uns ein Stück als Parlament mit unserer jetzigen Arbeitsweise, wenn wir auf jedes Detail, in EU-Angelegenheiten mitwirken zu wollen, eingehen wollen. Meine Philosophie ist vielmehr die,

dass die Unterschiede zwischen den Kritiken, Subsidiaritätskontrolle usw., zwischen Parlament und Landesregierung marginal sind.

Wenn es einen Subsidiaritätsverstoß auf EU-Ebene gibt, dann wird die Landesregierung das schon weit vor uns herauskriegen. Andere Parlamente und der Bundestag werden es herausbekommen. Wir wären dann einer von vielen, die das dann auch mitbekommen. Dafür viel Kraft und Geld zu verschwenden, halte ich für zweitrangig, weil es aus meiner Sicht andere Prioritäten geben muss. Wünschenswert ist es natürlich.

Ich setze vielmehr darauf, dass wir uns als Europaausschuss tatsächlich langfristig auf Themen konzentrieren, uns langfristig Themen vornehmen und uns nicht jetzt in einen Wettlauf begeben, weil wir meinen, wir müssten nun die Ersten sein, die vielleicht einen Subsidiaritätsverstoß feststellen. Dabei verheben wir uns.

Wir sollten uns Themen auf die Tagesordnung ziehen, von denen wir wissen, dass sie in den nächsten Jahren in der EU und auch für Sachsen-Anhalt relevant sind, damit wir hier tatsächlich das, was wir angemahnt haben, nämlich das Wissen aus den Regionen und aus den Wahlkreisen in Sachsen-Anhalt, einbringen und solche Dinge der Landesregierung über die verschiedenen Wege mit auf den Weg geben können.

Das ist meine Philosophie. Sie ist aus meiner Sicht auch „wesentlich“ kostengünstiger zu realisieren als das andere, wofür wir nach der Meinung von Wissenschaftlern tatsächlich mehr Manpower einbringen sollten, als wir es uns im Moment leider leisten können.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Weitere Fragen sehe ich nicht. - Wir kommen dann zu dem Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Herr Czeke hat das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kosmehl, resignieren Sie nicht.

(Frau Bull, DIE LINKE: So schnell geht das nicht!)

Das hörte sich ja wie eine Verabschiedungsrede an. Wenn Sie nicht in einer Vorbesprechung dafür gesorgt hätten, dann hätten wir diese lebhafte Debatte zu diesem Thema nicht gehabt. Das wäre auch schade.

Vor genau einem Jahr hat meine Fraktion den Antrag mit der Überschrift „Integrationsverantwortung der Landtage gerecht werden“ eingebracht, zu dem heute eine Beschlussempfehlung des Europaausschusses vorliegt.

Ich erinnere mich lebhaft an den spontanen Versuch des Kollegen Kosmehl, den Ältestenrat mit einer Initiative zu überraschen. Der Coup ist zwar ins Leere gelaufen, aber zu unserem Antrag liegt heute eine Beschlussempfehlung vor, die aus unserer Sicht immerhin ausbaufähig ist.

Ausschlaggebend für unseren Antrag waren das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur ungenügenden Mitbestimmung der Parlamente beim Zustimmungsgesetz zum Lissabonner Vertrag und die Entschließung der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten kurz darauf im August 2009, die ebenfalls eine bessere Mitsprache

(Frau Tiedge, DIE LINKE, niest)

- Gesundheit! - auch auf der Ebene der Landtage forderten.

Inzwischen haben die Landtagspräsidentinnen und -präsidenten diese Forderung in der Stuttgarter Erklärung am 21. Juni 2010 erneuert. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es aktuell genug ist.