Ich habe vor wenigen Tagen eines Abends einen ehemaligen Regierungspräsidenten aus Sachsen getroffen, der jetzt Präsident des Landesverwaltungsamtes ist; denn die Sachsen haben die Regierungsämter abgeschafft. Das heißt, eigentlich haben sie nur das Türschild geändert und den Namen abgeschafft; die Bündelungsbehörde haben sie belassen und haben im Zusammenhang mit der Kreisgebietsreform einiges umsortiert. Sie haben zum Teil Sachen neu sortiert, die wir schon geregelt hatten. Auch dieser Vergleich ist also nicht sehr überzeugend.
Wenn Sie uns mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichen, so können Sie sich auch Beispiele dafür aufzählen lassen, die belegen, dass die Rechnung nicht immer aufgegangen ist, sodass man das letztlich wieder rückgängig macht und es zentralisiert.
Das Ziel in der Dezentralisierung zu sehen - das habe ich im Zusammenhang mit einer Frage, die ich schon beantwortet habe, gesagt - ist meiner Ansicht nach nur in einem begrenzten Umfang sinnvoll. Wir müssen uns dann darauf einigen, dass wir uns diese Begrenzung nicht gegenseitig vorwerfen, sondern dass wir sie gemeinsam finden.
Herzlichen Dank. - Jetzt hat die antragstellende Fraktion die Möglichkeit zur Nachfrage. - Frau Dr. Paschke, Sie haben anderthalb Minuten. Danach spricht wieder der Herr Ministerpräsident. Bitte.
Herr Ministerpräsident, wenn ich ein Fazit aus der ersten Runde ziehe, dann gehen Sie davon aus, dass das Kabinett innerhalb der nächsten 14 Tage zu einer Entscheidung hinsichtlich der Verlagerung substanzieller Aufgaben in die Kommunen kommt, obwohl es auf Seite 101 des Personalentwicklungskonzepts ausdrücklich heißt, dass keine der Prüfaufgaben bisher endgültig abgeschlossen worden ist und dass es hinsichtlich der Rahmenbedingungen mit den kommunalen Spitzenverbänden noch keine Einigkeit gibt.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Sind Sie trotzdem der Überzeugung, dass es innerhalb von 14 Tagen zu einem Kabinettsbeschluss kommen kann?
Frau Dr. Paschke, der Kabinettsbeschluss, von dem ich gesprochen habe, lautet: Auftrag der Lenkungsgruppe an das Innenministerium zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs - mehr nicht. Das ist doch klar. Das habe ich auch deutlich gesagt. Dass ein Teil dieser Probleme noch nicht gelöst ist, ist auch richtig.
Ich bitte Sie, sich auch einmal folgende Konstellation vorzustellen: Wir machen ein heroisches Personalabbaukonzept und sagen, entsprechend der demografischen Entwicklung werden wir weniger Personal zur Selbstverwaltung brauchen. Dann verlagern wir 400 oder 700 oder was weiß ich wie viele Stellen auf den kommunalen Bereich, wobei wir das Geld mitreichen müssen; das ist doch klar. Das heißt, wir reichen auf Dauer einen finanziellen Betrag für den Personalkörper mit, von dem wir sagen, dass er eigentlich im Laufe der Zeit schrumpfen müsste.
Oder wir sagen: Alles, was kommunalisiert wird, ist aus dem Personalabbaukonzept der nächsten Jahre oder Jahrzehnte herauszunehmen; denn wir haben den Kommunen dann einen bestimmten Betrag gegeben und dann ist es weg. Dann wird es zwar im Haushalt in einer anderen Titelgruppe geführt, steht aber für Einsparungen nicht mehr zur Verfügung.
Darüber hinaus kommt noch ein Problem auf uns zu, bei dem wir durchaus unterschiedlicher Meinung sind. In Baden-Württemberg hat man sich mit den Kommunen auf eine Effizienzrendite von 20 %, verteilt über sieben Jahre, geeinigt. Wie ich höre, wird das - das ist einvernehmlich vereinbart worden - durch entsprechende Strukturveränderungen der Kommunen erwirtschaftet.
Der Landkreistag hat gesagt: Über Zahlen reden wir nicht, aber über die Absicht können wir schon einmal reden. Von Oberbürgermeistern von Oberzentren - zumin
dest von einem - höre ich: Die in Magdeburg müssen ja bekloppt sein; das kommt bei uns angesichts unserer Haushaltssituation überhaupt nicht infrage.
Damit bekommen wir also noch richtige Probleme. Aber diese Probleme, Frau Dr. Paschke, werden wir nicht bis Ende September 2008 gelöst haben. Bis Ende September 2008 wird es nur eine Entscheidung des Kabinetts über den Auftrag geben, was in einem zu erstellenden Gesetzentwurf enthalten sein soll. Dann kommt die nächste Diskussion und die kommt mit Sicherheit.
Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. - Damit ist die erste Hauptrunde abgeschlossen. Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen. Das waren viele Informationen.
Wir kommen zur zweiten Runde. Mir liegen für die zweite Runde acht Wortmeldungen vor. Je Frage stehen anderthalb Minuten zur Verfügung. Dafür haben wir uns insgesamt eine halbe Stunde Zeit gegeben.
Ich rufe die erste Wortmeldung auf. Abgeordnete Frau Gudrun Tiedge von der LINKEN, bitte schön, Sie haben das Wort. Der Herr Ministerpräsident wird dann so freundlich sein und darauf antworten.
Herr Ministerpräsident, Sie sprachen vorhin in Ihren Ausführungen sinngemäß davon, dass die elf Landkreise zu kleinteilig für die Übertragung von Aufgaben seien. Im Innenausschuss ist mehrfach über eine regionalisierte Variante der Aufgabenübertragung diskutiert worden.
Ich frage Sie: Hat die Landesregierung diese Variante ebenfalls in ihre Überlegungen einbezogen? Wenn ja: Zu welchem Ergebnis ist man gekommen? Wenn nein: Warum hat man diese Variante nicht andiskutiert?
Da bin ich etwas hilflos. Was meinen Sie konkret mit „regionalisierte Variante der Aufgabenübertragung“? Ich möchte Sie bitten, mir das zu erläutern.
(Herr Gallert, DIE LINKE: Aufteilung auf Planungs- regionen, auf fünf Planungsregionen zum Bei- spiel!)
- Alles klar. - Wir haben schon für einige Bereiche kommunale Zweckverbände. Wenn wir jetzt Aufgaben kommunalisieren und diese nicht auf einen Landkreis, sondern auf einen Zweckverband oder eine regionale Verwaltungsbehörde übertragen, dann schaffen wir einen vierstufigen Verwaltungsaufbau: Landkreise, regionale Bündelungsbehörde, Landesverwaltungsamt, Landesregierung.
Ich höre, dass es andere Länder machen - damit wir da nicht aneinander vorbeireden. Ich höre von solchen Vorstellungen aus Schleswig-Holstein. Aber dort gibt es eine andere Ausgangssituation. Der Verwaltungsaufbau des Landes Schleswig-Holstein ist zweistufig. Dort ist man erstmals dabei, eine Bündelungsbehörde als regionale Verwaltungsbehörde einzuführen. Sie wollen jetzt zwei oder vier oder fünf - das weiß ich nicht so genau - regionale Verwaltungsbehörden einführen.
Ich sage voraus: Wenn sie das dann gemacht haben, werden sie darüber nachdenken, sie zu einer Behörde zusammenzufassen, weil das effektiver ist. Und dann sind sie bei einem Landesverwaltungsamt - das wir schon haben.
Vielen Dank. - Als nächstem Fragesteller erteile ich Herrn Stahlknecht von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Stahlknecht.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Ministerpräsident, ich möchte seitens der CDU-Fraktion eine Frage - noch aus dem Innenbereich - an Sie richten. Bis zu welchem Grad ist es aus Ihrer Sicht vertretbar, für die Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe auf Landkreisebene, die gegenüber der Wahrnehmung durch eine zentralere staatliche Instanz bürgernäher ist, Mehrkosten in Kauf zu nehmen? Inwieweit ist man bereit, Mehrkosten für die Kommunalisierung in Kauf zu nehmen?
In diesem Zusammenhang auch die Frage: Welche Bedeutung könnten dann mittelfristig E-Government-Angebote haben, die für solche Aufgaben von Bund und Ländern entwickelt worden sind?
Wenn wir ein reiches Land wären, welches nicht wüsste, wohin mit dem Geld, dann würde ich sagen, das sollte uns etwas wert sein, machen wir es und rechnen hinterher zusammen, was es kostet. Aber das sind wir nicht. Aus meiner Sicht ist die Situation auch nicht so, dass wir so denken sollten. Im Sinne der langfristigen Selbständigkeit des Landes auch im Bereich des Haushaltes sollten wir den Ehrgeiz haben, möglichst die effektivsten Strukturen zu finden, und uns von Gesichtspunkten der Kostengünstigkeit leiten lassen.
Die Frage der Bürgernähe - das ist der zweite Teil Ihrer Frage - kann man mit E-Government lösen. Diese Möglichkeiten hatten Generationen vor uns nicht. Das heißt, das, was uns einmal als politisches Vorbild oder Ziel vorschwebte, nämlich möglichst bürgernah und möglichst in die Kommunen hinein, müssen wir deswegen nicht mehr weiter verfolgen, weil die technischen Möglichkeiten das so nicht mehr notwendig machen. Wir sollten versuchen, das Ziel der Bürgernähe mit den technischen Kommunikationsmöglichkeiten umzusetzen und die Verwaltungsstrukturen so effektiv wie möglich zu organisieren.
Danke schön für die Frage und deren Beantwortung. - Nun spricht Herr Kosmehl von der FDP-Fraktion. Bitte.
Herr Ministerpräsident, im Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz hat der Landtag beschlossen, dass zur Unterstützung einer Funktionalreform, also zum Umbau der Landesverwaltung insgesamt, mehrere Schritte abzuarbeiten sind. Dazu gehören die Aufgabenkritik und
im Anschluss daran der Aufgabenverzicht, die Aufgabenprivatisierung, die Aufgabenkommunalisierung oder gegebenenfalls als vierte Stufe die Aufgabenbündelung.
Ich frage Sie: Wird es neben dem Vorschlag der Landesregierung zur Funktionalreform im Hinblick auf eine Aufgabenverlagerung, also eine Kommunalisierung, auch Vorschläge zum Aufgabenverzicht, zur Privatisierung bzw. zur Bündelung von Aufgaben geben?
Zum Aufgabenverzicht: Das ist eine ganz schwierige Problematik. Wir versuchen mit Bemühungen im Hinblick auf die Deregulierung zu gucken, welche Verordnung ist unnötig, was können wir abschaffen usw. Aber Sie erleben, sobald es irgendwo klemmt, gibt es Schwierigkeiten. Wenn Sie dann auf eine Aufgabe verzichtet haben und es hat damit Schwierigkeiten gegeben, dann wissen Sie, wie sich die Kette der Vorwürfe fortsetzt. Das machen wir uns gegenseitig immer wieder vor. Demzufolge werde ich in Bezug auf den Aufgabenverzicht immer erst gucken, ob das rechtlich abgesichert möglich ist oder ob wir damit nicht die Grundlage für die nächsten Vorwürfe legen.
Für die Aufgabenprivatisierung sehe ich im Moment - im Moment wenigstens - keinen Aufgabenbereich, von dem ich sage, den könnten wir mit einem Gewinn oder mit einem Vorteil für das Land privatisieren. Vielleicht wird es das geben, aber im Moment fällt mir nichts ein.
Der nächste Fragesteller ist Herr Bischoff von der SPDFraktion und danach spricht Herr Grünert. - Bitte schön, Herr Bischoff.
Herr Ministerpräsident, es ist ja nicht so, dass wir in den letzen Jahren gar nichts kommunalisiert hätten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Jugendpauschale; dies ist eines der Beispiele. Trotzdem gibt es in den letzten Jahren Menschen - auch in unseren Reihen -, die Bedenken äußern, weil sie sagen, das werde in den Landkreisen sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige haben es kofinanziert, manche nicht, manche haben es für andere Zwecke verwendet.
Meine Frage ist, ob es nicht trotzdem richtig ist, es so gemacht zu haben, auch wenn man in Kauf nehmen muss, dass die demokratisch legitimierte Ebene der Kommune sehr unterschiedlich agiert. Dies steht im Gegensatz zu der Forderung, das Land muss für gleichwertige Verhältnisse einstehen und deshalb muss man es zentral behalten. Wie sehen Sie das?
Verehrter Herr Bischoff, das ist jetzt meine persönliche Meinung. Ich habe immer größte Bedenken und ein sehr geringes Verständnis dafür, wenn ich höre, das müssen wir selber machen, denen auf der Kreisebene trauen wir das nicht zu, sie sind nicht genug qualifiziert, verantwortungslos entscheiden sie sowieso, nur wenn wir es machen, ist es richtig. Das finde ich nicht sehr fair. Dort sitzen Leute, die auch im Landtag sitzen könnten, oder umgekehrt. Warum sollten wir denen nichts zumuten?
Allerdings muss man eines auch klar sehen: Dann muss geklärt werden, wer für welche Fehlentscheidungen haftet; denn das ist unser Problem. Wir haben wunderschöne Abwasserzweckverbände in kommunaler Eigenzuständigkeit. Das geht das Land eigentlich gar nichts an, aber wenn sie nicht mehr weiter können, dann stehen sie vor der Haustür. Wir haben über 80 Millionen € für die Entschuldung von Abwasserzweckverbänden ausgegeben, obwohl das keine Aufgabe des Landes ist. Das hätte alles in kommunaler Eigenverantwortung und Zuständigkeit gelöst werden können.
- Hören Sie zu, das wird nämlich noch schöner. - Bei mir waren Vertreter eines Abwasserzweckverbandes aus Sachsen-Anhalt, die sich beschwert und Schadenersatz von der Landesregierung gefordert haben, weil wir sie nicht gezwungen haben, etwas zu machen, was ihnen vorgegeben wurde, was sie aber aus freien Stücken abgelehnt haben. Ein Landrat und ein Landesverwaltungsamt haben bestimmte Sachen erlassen und gesagt, ihr müsst das so und so machen, und die haben es einfach nicht gemacht. Die Folge war, dass die Schulden so hoch waren, dass sie die Gebühren für Wasser noch mehr erhöhen mussten. Dann kommen sie zu mir und sagen, wir verlangen Schadenersatz, weil ihr uns nicht gezwungen habt. Das habe ich mir alles schon anhören müssen.
Deswegen ist das ein Problem, welches man nicht einfach so menschlich großzügig entscheiden kann. Ich bin durchaus dafür, bestimmte Verantwortungen auf die Kreisebene zu delegieren. Aber dann müssen sie für die Folgen ihrer Entscheidungen selbst haften und dürfen nicht vor der Tür stehen und sagen: Jetzt seid ihr daran schuld und jetzt müsst ihr uns helfen. - Darüber müssen wir noch eine Einigung herbeiführen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, dass die Entscheidung oder der Auftrag an das Innenministerium zur Funktionalreform bis Ende des Monats September erfolgen soll. Nun haben wir im nächsten Jahr die Aufgabe, den Doppelhaushalt für die Haushaltsjahre 2010/2011 aufzustellen. Eine Grundlage dafür wird die Neubestimmung des Finanzausgleichsgesetzes sein, welches die Finanzbeziehungen zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften regelt.
Wie ist der Zeitplan Ihrerseits und seitens der Landesregierung im Hinblick auf die Frage, wie man die Finanzabsicherung und die Aufgabenübertragung in Übereinstimmung bringt, um mit der Haushaltsaufstellung - diese erfolgt im April/Mai - letztendlich klare Konturen dahin gehend zu haben, wohin die Entwicklung führen soll?
Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir uns bis Ende Mai alle darüber einig sein werden. Aber Sie haben von der Sache her völlig Recht. Wir werden eine grundsätzliche Novellierung des FAG im Jahr 2009 machen müssen, sodass es zum 1. Januar 2010 in Kraft treten kann.
Wir werden parallel dazu den Gesetzgebungsvorgang zur Kommunalisierung, zur Funktionalreform machen müssen. Deswegen ist es für diesen Entscheidungsvorgang gut - auch für Sie im Parlament -, wenn wir uns jetzt entscheiden, dass die und die Aufgabe auf die Kommunen übertragen wird, um schon zu diesem Zeitpunkt zu wissen, welche Finanzmasse damit verbunden ist.