Meine Damen und Herren! Wenn also Kosteneffizienz und Bürgernähe zentrale Entscheidungskriterien für die Bürgerfreundlichkeit einer Gebietsreform sind, dann prädestiniert sowohl die Zentralität als auch die optimale Verkehrsanbindung Bernburgs vom Standpunkt der zumutbaren Erreichbarkeit und der Bürgernähe Bernburg als Kreissitz. Das kann niemand bestreiten.
Noch einmal zur zentralörtlichen Stellung Bernburgs als Mittelzentrum. Ich darf als Entgegnung auf die Ausführungen von Herrn Dr. Schellenberger deutlich sagen: Die Einstufung als Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums ist anders zu interpretieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung erinnert daran, aus welchen Gründen Mittelzentren diesen Sonderstatus erhalten haben. Das kann im Landesentwicklungsplan unter Punkt 3.2.11 nachgelesen werden. Das geschieht nicht aufgrund ihrer Lage und Stellung im Siedlungsgefüge bzw. ihrer selbst ausgeübten oberzentralen Funktionen, sondern lediglich aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu einem Oberzentrum. Dieser Grund - das hat Herr Dr. Schellenberg schon angedeutet - verkehrt sich aber bei der Wahl des neuen Kreissitzes in sein Gegenteil.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser zentralen Lage, ausgestattet mit dieser Verkehrsinfrastruktur und mit den bekannten Entwicklungspotenzialen kann Bernburg auch die für einen Kreissitz erforderliche Ausstrahlung und Anziehungskraft entfalten und
Es ist klar und verständlich, meine Damen und Herren, dass Bernburg für die Ascherslebener und für die Schönebecker gegenüber dem Kreissitz in der eigenen Stadt zwar die schlechtere Wahl ist, aber es ist für beide Städte zusammengenommen auch die zweitbeste Wahl und insgesamt, das heißt aus der Sicht des Ganzen, der optimale Kompromiss mit dem geringsten Frust und dem größten Identifikationspotenzial. Ein Blick auf die Landkarte des neuen Kreises macht dies sofort ersichtlich.
Bernburg wäre mit seiner zentralen Lage, den zumutbaren Entfernungen und den günstigen Verkehrsanbindungen sowohl zu Schönebeck, das im nördlichsten Zipfel des Landkreises liegt, als auch zu Aschersleben, das sich am südwestlichen Rand des neuen Landkreises befindet, der für beide Seiten verkraft- und zumutbare und wohl einzig vernünftige Interessenausgleich.
Natürlich wäre es schön, wenn Bernburg Kreissitz würde, aber, meine Damen und Herren, mich besorgt auch das kommunale Schicksal der Bürger von Aschersleben und Schönebeck, wenn Bernburg nicht Kreissitz würde. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, deshalb, dies bei Ihrer Entscheidung einfließen zu lassen und sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger von dieser sachlichen Erwägung leiten zu lassen.
Ich fasse zusammen: Aus der Sicht des Ganzen, das heißt aller Bürger des zukünftigen Kreises - dies sollten wir als Landtagsabgeordnete stets im Blick haben - stellt die Wahl von Bernburg zum Kreissitz eine optimale Kompromisslösung zwischen den konkurrierenden Interessen dar und entspricht am weitesten gehend einer sachgerechten Abwägung der maßgeblichen Entscheidungskriterien und somit auch einer größtmöglichen verfassungsmäßigen Belastbarkeit der heute zu treffenden Entscheidung.
Ich bitte Sie daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, für Bernburg als Kreissitz zu votieren. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident, ich hätte gern eine Frage an Herrn Dr. Schellenberger gerichtet. Es ist also keine Kurzintervention. Ist es möglich, dass er mir diese Frage beantwortet?
(Heiterkeit - Herr Kasten, Linkspartei.PDS: Ich habe aber zum richtigen Zeitpunkt meine Hand gehoben! Das heißt, Sie haben es falsch interpre- tiert!)
- Ich dachte, Sie hätten sich für eine Kurzintervention zu Wort gemeldet. Wir haben auch bei den anderen Rede
beiträgen keine Zwischenfragen zugelassen, weil wir sonst wahrscheinlich in ein heilloses Durcheinander geraten wären. Wenn Ihre Frage aber eine Mitteilung beinhaltet, dann lassen Sie es uns doch wissen.
Möchte noch jemand sprechen? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zu dem Vorauswahlverfahren, das wir vorhin schon geübt haben. Ich bitte Sie nun, die blauen Stimmzettel abzugeben. Ein Stimmzettel ist bereits vorher abgegeben worden. Diesen erkläre ich jetzt für ungültig, weil er außerhalb des Verfahrens abgegeben worden ist.
Haben alle anwesenden Abgeordneten ihren blauen Stimmzettel abgegeben? - Es sind alle Stimmzettel abgegeben worden. Ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.
Das Vorauswahlverfahren hatte folgendes Ergebnis: abgegebene Stimmen 108, gültige Stimmen 107, eine Stimme war ungültig. Mit Nein und damit gegen beide Ortsvorschläge haben 20 Abgeordnete gestimmt, für den Kreissitz Aschersleben 24, für den Kreissitz Schönebeck 36. Es gab 27 Enthaltungen. Damit hat Schönebeck, wenngleich die meisten Stimmen, doch nicht die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten, weil die 20 Neinstimmen mit 24 zusammen eben 44 ergeben.
Damit haben wir das gleiche Ergebnis, das wir heute schon einmal hatten, nämlich dass beide Vorschläge nicht in eine Stichwahl hineinkommen.
Das bedeutet, dass wir jetzt über die unveränderte Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen, der zufolge Bernburg als Kreissitz bestimmt werden soll. Wir stimmen über die beiden Paragrafen, die Gesetzesüberschrift und das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer stimmt zu? - Das ist ganz klar die Mehrheit. Wer stimmt dagegen? - Eine Gegenstimme von Frau Dirlich aus Schönebeck. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion der Linkspartei.PDS und Teile der SPD-Fraktion. Damit ist auch dieses Gesetz beschlossen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 i auf. Es ist der Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung des Kreissitzes des Landkreises Wittenberg (Wittenberg-Kreissitz-Ge- setz - WittenbergKrsG). Es liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 4/2242 vor. Beratungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Drs. 4/2465.
Einen Änderungsantrag gibt es nicht. Aber als Kurzintervent hat sich Herr Scheurell gemeldet, um zu sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident! In der Kürze liegt die Würze. - Die Lutherstadt Wittenberg wird auch in Zukunft * Das Abstimmungsverhalten der Mitglieder des Landtags ist der dem Stenografischen Bericht als Anlage 2 beigefügten Übersicht zu entnehmen.
weltweit für unser Bundesland werben. Wir können froh sein, dass uns zumindest heute die Träume der progressiven Kräfte von Großkreisen erspart geblieben sind. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich auch an dieser Stelle konsequent der Stimme zu dem Gesetzentwurf enthalten, weil ich der Auffassung bin, dass dieser Kreis, der jetzt zustande gekommen ist, keinerlei Zukunftsfähigkeit besitzt. Aus diesem Grunde kann ich auch nicht das i-Tüpfelchen setzen und Wittenberg zur Kreisstadt machen, auch wenn es meine Heimatstadt ist. Ich denke, das ist keine zukunftsfähige Variante. Ich stehe für einen Regionalkreis Anhalt. Dafür werden wir uns nach dem 26. März 2006 hoffentlich einsetzen können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Gärtner. - Wünscht noch jemand das Wort dazu? - Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Also stimmen wir jetzt ab über die selbständigen Bestimmungen, die Gesetzesüberschrift und das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer stimmt zu? - Die Koalitionsfraktionen, weite Teile der SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Enthält sich jemand der Stimme? - Die Linkspartei.PDS und Teile der SPD-Fraktion. Damit ist dieses Gesetz beschlossen worden und Wittenberg ist Kreissitz. Der Tagesordnungspunkt 1 ist insgesamt beendet.
Meine Damen und Herren! Die angekündigte Zeit ist schon um sieben Minuten überschritten. Es ist so gekommen, wie es zu erwarten war, nämlich dass zunächst einmal viele außerhalb dieses Raumes interessante Gespräche führen wollen. Das hindert uns aber nicht daran, in der Tagesordnung fortzufahren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rothe, Ihr Wunsch hat sich offensichtlich nicht erfüllt. Es ist ja
Dennoch ist es die Pflicht des Landtages, erneut und gerade unter dem Eindruck des Vormittags zu diesem Zeitpunkt über die Funktionalreform zu debattieren, um die es regierungsseitig sehr, sehr ruhig geworden ist.
Ich möchte im Gegensatz zu heute früh, wo es doch ins Konkrete ging, grundsätzlich zu den Fragen der Funktionalreform reden, auch wenn das einige offensichtlich nicht mehr hören können.
Betrachtet man die gesamte Legislaturperiode, so hat sich die Landesregierung - natürlich unter Duldung durch die regierungstragenden Fraktionen - in Bezug auf die kommunale Strukturreform und die davon nicht zu trennende Funktionalreform um 180 Grad gedreht. Wurde sowohl zu Beginn der Legislaturperiode im Koalitionsvertrag als auch noch in den Landtagsdebatten im Verlauf des ersten Regierungsjahres immer wieder vorgetragen, dass es zwar keine Kommunalneugliederung von oben und nur eine freiwillige geben werde, es aber außer Zweifel stehe, dass alle Aufgaben aus dem Landtagsbeschluss 3/68/5522 noch zur Jahreswende auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen würden, so drehten sich in der Folgezeit, teils dem äußeren Druck geschuldet, was die Kreisgebietsreform betrifft, teils aus innerkabinettlicher Überzeugung, was die Funktionalreform betrifft, die Koordinaten.
Von der Vielzahl der Aufgaben, deren Übertragung bereits für das Jahr 2003 vorgesehen war, wurde vergleichsweise nur ein Bruchteil übertragen. Eigentlich waren es nur die ohnehin schon zu diesem Zweck in den Regierungspräsidien und später im Landesverwaltungsamt zwischengelagerten Aufgaben aus dem Umweltbereich. Stattdessen begann ein im Land bisher beispielloser Zentralisierungsprozess von Aufgabenkomplexen und Behörden, verbunden mit einer, sagen wir einmal, regelrechten „Landesbetriebereteritis“. Sehr einprägsame und folgenschwere Beispiele waren und sind die Sozialagentur und die staatlichen Schulämter unter dem Dach der Landesverwaltung. Auf das Letztere werde ich zurückkommen.
Meine Damen und Herren! Herr Gallert hat es schon kurz erwähnt; aber ich muss einfach noch einmal auf das zurückkommen, was der CDU-Landrat im Landkreis Stendal zu der Situation der Funktionalreform gesagt hat. Es ist mir hinterher in Erinnerung geblieben. Ich habe erst einmal gestutzt, als er gesagt hat: Wissen Sie, die Vorgängerregierung hatte gar kein Konzept für die Funktionalreform und unsere, die hat ein Konzept, sie zentralisiert und wird überhaupt nichts runtergeben.