Protocol of the Session on November 10, 2005

Im vorparlamentarischen Verfahren wurde auf eine Anhörung verzichtet. Allerdings erhielten die kommunalen Spitzenverbände nach der Kabinettsbefassung den Gesetzentwurf zur Kenntnis. Bedenken wurden bisher nicht geäußert.

Zum Abschluss möchte ich angesichts der abgelaufenen Umsetzungsfrist und der Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens noch einmal auf die Dringlichkeit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes hinweisen. Ich bitte Sie, diesen Zeitdruck in der parlamentarischen Beratung zu beachten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die kurze Einbringung. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Zunächst erhält für die Linkspartei.PDS die Abgeordnete Frau Tiedge das Wort. Bitte sehr, Frau Tiedge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Umweltinformationsgesetz wurde erstmalig in Umsetzung einer entsprechenden Richtlinie der EG im Jahr 1994 erlassen. Es galt im Gegensatz zu dem am 14. Februar 2005 in Kraft getretenen neuen UIG des Bundes nicht nur für informationspflichtige Stellen des Bundes und bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch für die Länder.

Jetzt war der Bundesgesetzgeber wohl aus Angst vor einer Blockade im Bundesrat der Auffassung, dass er entgegen der vorherigen Normierung und Praxis für die Ansprüche im Bereich der Länder nicht mehr zuständig

sei. Die Informationspflicht der Behörden und sonstiger Stellen der Länder und Kommunen ist somit in adäquaten Landesgesetzen zu regeln. Mit dem UIG soll die Umweltpolitik in Deutschland, aber auch in der Europäischen Gemeinschaft demokratisiert und auf eine breitere Grundlage gestellt werden als bisher.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht gerade bürgerfreundlich angelegt. So entpuppt sich ein Informationsgesetz schnell als ein Informationsverhinderungsgesetz. Ist das beabsichtigt? - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Die für den Bürger eigentlich entscheidenden Dinge sind in den zwei mal zweieinhalb klapperdürren Zeilen der Absätze 1 und 2 des § 1 mit der Überschrift „Zweck des Gesetzes, Anwendungsbereich“ enthalten. Dann folgt bereits die zielsicher treffende Kostenkeule, das heißt konkret die Erhebung von Kosten und Auslagen für die Übermittlung von Informationen und die damit verbundene Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes und die alles andere als einladend wirkende Aussicht, informationsunwilligen Stellen auf dem Rechtsweg die Informationen abtrotzen zu müssen.

Allerdings - das muss man an dieser Stelle auch sagen - ist das das eigentlich Neue und Spannende an dem Umweltinformationsgesetz. Denn das steht im Gegensatz zur Tradition des deutschen Verwaltungsrechts, das Ansprüche auf Auskunft oder Information grundsätzlich nur als Verfahrensrechte gewährt, die insbesondere nicht selbständig gerichtlich geltend gemacht werden können.

Dagegen ist der Informationsanspruch nach dem UIG ein echter materieller Anspruch, der den Berechtigten unabhängig von der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und selbständig einklagbar zusteht. Der Informationsanspruch steht jedermann zu. Er setzt kein besonderes rechtliches Interesse voraus und ist selbständig einklagbar. Anspruchsgegner sind die im Gesetz genauer spezifizierten informationspflichtigen Stellen, zu denen vor allem Behörden gehören.

Wie könnte das Gesetz bürgerfreundlicher gestaltet werden? - Zum Beispiel durch eine die Landesspezifik berücksichtigende Ausformung des § 1 Abs. 2 in Richtung der inhaltlichen Ausgestaltung des § 2 des UIG aus dem Jahr 2005. Damit meine ich zum einen eine klare, unmissverständliche Begriffsbestimmung, welche Stelle eigentlich informationspflichtig ist bzw. welche Stelle dieser Informationspflicht nicht unterliegt. So könnte vermieden werden, dass bereits zur Klärung der simplen Frage, was oder wer eine informationspflichtige Stelle ist, das Bundesgesetz bemüht werden muss. Dass dies regelbar und möglich ist, zeigt zum Beispiel Bremen.

Der zweite Aspekt in Richtung Bürgerfreundlichkeit ist die Zugänglichkeit von Umweltinformationen über das Internet. Dazu hat es bereits im März 2003 eine Befassung des Landtages gegeben. Dem Ausschuss für Umwelt ist daraufhin im September 2004 ein Konzept für die Datennutzung im Rahmen des Umweltinformationssystems durch Dritte vorgestellt worden.

Konzept hin, Konzept her, die Realität sieht so aus: Auf dem Landesportal herrscht Chaos und das DownloadAngebot ist miserabel. Das kann nicht so bleiben. Die vorhandenen Daten- und Kartenbestände müssen nutzerfreundlich angeboten werden und dürfen nicht gehortet und argwöhnisch bewacht werden. Hier sind uns andere Länder weit voraus. Sachsen-Anhalt gehört an die

ser Stelle zu den Schlafmützen und ist damit weit entfernt vom Frühaufsteher-Motto der Landesregierung.

Lassen sie mich an dieser Stelle noch auf einen anderen, vom heutigen Tagesordnungspunkt nicht weit entfernten Aspekt hinweisen. Am 20. November 2003, also vor fast zwei Jahren, hat die damalige PDS-Fraktion den Entwurf eines Informationszugangsgesetzes in den Landtag eingebracht.

(Herr Gürth, CDU: Das waren noch Zeiten!)

Es gibt bis zum heutigen Tag noch immer keine abschließende Beschlussempfehlung.

Hoffen wir im Interesse des Informationsrechts der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass mit dem vorliegenden Umweltinformationsgesetz nicht ähnlich verfahren wird - doch diese Gefahr ist aufgrund der Einbringung durch die Landesregierung wohl kaum gegeben - und dass der den Ausschüssen vorliegende Entwurf eines Informationszugangsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS wird der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse zustimmen. Wir denken, dass wir trotz der knappen Zeit noch einige bürgerfreundliche Änderungen in den Gesetzentwurf einbringen können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Wir fahren in der Debatte fort. Der Abgeordnete Herr Kehl erhält für die FDP-Fraktion das Wort.

(Herr Kehl, FDP: Wir verzichten!)

- Die FDP-Fraktion verzichtet auf einen Beitrag. - Damit hat als nächste die SPD-Fraktion das Wort. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Oleikiewitz das Wort. Bitte sehr, Herr Oleikiewitz.

Herr Präsident, wenn Sie gestatten, gebe ich meine Rede zu Protokoll.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Das gestatte ich sehr gern, sehr geehrter Herr Oleikiewitz.

(Zu Protokoll:)

Die Umsetzung der europäischen Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen in Landesrecht ist überfällig, nicht nur in Sachsen-Anhalt. Die Bundesländer tun sich offensichtlich schwer damit, diese Richtlinie der EU umzusetzen. Unsere Recherche über bereits geltende Umweltinformationsgesetze in den Ländern ist entsprechend mager ausgefallen. Es gibt jedoch vier Bundesländer, die im Rahmen eines Informationsfreiheitsgesetzes den Zugang der Bevölkerung zu Informationen der öffentlichen Hand bürgerfreundlich und transparent geregelt haben.

Dass die Landesregierung den Entwurf des Umweltinformationsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode in

den Landtag einbringt, begrüßen wir. Wir haben als Fraktion bereits daran gedacht, selbst die Initiative zu ergreifen, haben aber nach der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Peter Oleikiewitz davon abgesehen. Wir hoffen, dass die Beratungen zügig vorankommen und das Gesetz spätestens im Februar 2006 verabschiedet wird. Bis dahin ist aber noch ein ganzes Stück Arbeit zu leisten.

Die Richtlinie 2003/4/EG sowie die nationalen Umweltinformationsgesetze setzten die Vorgaben der AarhusKonvention in Gemeinschafts- und nationales Recht um. Im Gegensatz zum bisherigen Umweltinformationsgesetz kann man nun von einer Bringschuld der Behörden sprechen. Die Behörden müssen also zukünftig selbst aktiv Informationen verbreiten, welches für viele Bereiche die Anwendung des Geoinformationssystems nahe legt.

Von der Informationspflicht sollen alle Bereiche erfasst sein, die den Zustand von Luft, Wasser, Boden, der natürlichen Lebensräume sowie die Artenvielfalt inklusive ihrer Bestandteile betreffen.

Als ich den Gesetzentwurf der Landesregierung das erste Mal in den Händen hielt, war ich erstaunt darüber, wie wenig Paragrafen das Gesetz umfasst. Nun ja, die Anzahl der Paragrafen sagt noch nichts über die Qualität eines Gesetzes aus.

Mir ist aber recht bald § 1 Abs. 3 ins Auge gestochen, und da wurde mir schon klar, dass die Umsetzung gesetzestechnisch eher halbherzig erfolgen soll. In diesem Absatz 3 wird festgelegt, dass die Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes des Bundes mit Ausnahme einzelner Paragrafen Anwendung finden. Man kann das sicherlich so machen, nur halte ich es, was die Lesbarkeit einzelner Gesetze angeht, für eher bürgerunfreundlich.

Auch scheint die Landesregierung an dem Gestaltungsspielraum wenig Interesse zu haben. Für mich etwas verwunderlich, wenn ich an die Zeit vor 1990 und die noch heute unübersehbaren Auswirkungen denke. Die Gesetzesmaterie bedarf insgesamt keines besonders großen Umfangs an Paragrafen, sodass die Übernahme der fehlenden Passagen aus dem Bundesgesetz mühelos möglich sein sollte. Wir sollten uns im Rahmen der Gesetzesberatung dazu verständigen und eigene Gestaltungsspielräume ausloten.

Bezüglich der beabsichtigten Nichtübernahme des § 11 aus dem Bundesgesetz möchte ich erhebliche Bedenken anmelden. Zum einen, weil ich die regelmäßige Erarbeitung eines Umweltzustandsberichtes auf Landesebene für sinnvoll erachte, insbesondere vor dem Hintergrund unserer Vergangenheit.

Zum anderen, weil sich nach der EU-Richtlinie unter Artikel 7 die Verpflichtung zur regelmäßigen Erarbeitung eines Umweltzustandsberichtes ergeben dürfte. So wird in Absatz 3 gefordert, dass in regelmäßigen Abständen von nicht mehr als vier Jahren nationale und gegebenenfalls regionale bzw. lokale Umweltzustandsberichte veröffentlicht werden.

Auf wen soll diese regionale Forderung denn zutreffen, wenn nicht auf Deutschland mit seiner föderalen Struktur und der damit verbundenen Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern? Die Landesregierung stellt in der Gesetzesbegründung selbst heraus, dass die landesrechtlichen Regelungen aufgrund mangelnder verfas

sungsrechtlicher Kompetenzen des Bundes erforderlich sind.

Inwieweit die im Rahmen der geplanten Föderalismusreform vorgesehene Kompetenzerweiterung des Bundes im Umweltbereich dem entgegenwirkt, können wir heute noch nicht absehen. Dies kann auch nicht Gegenstand bei der Entscheidungsfindung sein, denn wir wissen nicht, wann die Reform kommt und welche konkreten Festlegungen sie beinhaltet.

Im Übrigen möchte ich daran erinnern, dass wir einen Umweltbericht unter einer rot-grünen Landesregierung auch schon mal hatten. Wir werden also im Umweltausschuss dafür eintreten, dass Sachsen-Anhalt seinen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Gemeinschaft nachkommt. Der Überweisung des Gesetzentwurfes stimmen wir zu.

Damit erteile ich Herrn Abgeordneten Stadelmann für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Rede nicht zu Protokoll geben, weil noch beantragt werden muss, dass die Gesetzesvorlage zur federführenden Beratung in den Umweltausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss überwiesen wird. Ansonsten gibt es der Rede von Frau Ministerin Wernicke inhaltlich nichts hinzuzufügen.

Ich möchte aber aus diesem Anlass trotzdem kurz einen Bericht aus einem Land geben, in dem es kein Umweltinformationsgesetz gab. Ich sehe einmal in die linke Richtung.

Mitte der 80er-Jahre war ich für einige Kläranlagen im heutigen nördlichen Sachsen-Anhalt zuständig. Ich habe auch Kinder über diese Kläranlagen geführt, um ihnen den Umweltgedanken nahe zu bringen. Am Ablauf dieser Kläranlage habe ich ihnen auch erzählt, was bei einem Stromausfall passiert, nämlich dass dann die toten Fische aus der Jeetze gesammelt werden, damit sie die Grenze nicht überschreiten können.

Am nächsten Tag durfte ich bei der SED-Kreisleitung antanzen. In einem verdunkelten Raum wurde eine Lampe auf mich gerichtet. Nach der hochnotpeinlichen Befragung war der Staatsfeind geboren. Es folgten Telefonabhörungen und Hausdurchsuchungen in Abwesenheit.

Ich möchte sagen: Man muss die Wichtigkeit des Gesetzentwurfes, der heute eingebracht wurde, auch unter diesem Aspekt sehen.

(Zustimmung von Frau Dirlich, Linkspartei.PDS)

Es gibt einen zweiten Aspekt, den wir beachten sollten. Die Umweltinformation dient natürlich auch dazu, in der Bevölkerung die Sensibilität und die Akzeptanz für den Umweltschutz allgemein zu erhöhen bzw. überhaupt am Leben zu erhalten. Daher ist es sehr wichtig, dass in dem Umweltinformationsgesetz auch die aktive Umweltinformation enthalten ist. Das heißt, es können Behörden, aber auch Wasserverbände usw. aktiv auf die Bürger zugehen und über ihre Umweltaktivitäten berichten.

Noch einmal: Die Freiheit der Information ist ein Grundrecht in unserer freiheitlichen Demokratie. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir ein solches Gesetz haben.