Protocol of the Session on October 7, 2005

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Fragwürdige Rolle des Wirtschaftsministers bei der Versteigerung des Schlosshotels Ilsenburg

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2413

Für die Debatte schlagen wir folgende Reihenfolge vor: SPD, FDP, Linkspartei.PDS und CDU. Zunächst hat der Antragesteller, die SPD, das Wort. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Metke das Wort. Bitte sehr, Herr Metke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich dem Vorgang nähert, der Anlass für die von uns beantragte Aktuelle Debatte ist, dann ist es sicherlich hilfreich, die Dinge zu sortieren. Man läuft sonst Gefahr, bei den zahlreichen Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und dubiosen Begleitumständen den Blick auf das Wesentliche zu verlieren.

Ich beginne deshalb mit den Punkten, die offenkundig unstrittig sind. Am 19. Juli dieses Jahres ersteigerte die Fürstin Maria zu Stolberg-Wernigerode in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende der Stiftung Kloster Ilsenburg vor dem Amtsgericht Wernigerode das Hotel Schloss Ilsenburg zu einem Preis von 385 000 €.

(Herr Gürth, CDU: Die Stiftung hat ersteigert?)

- In ihrer Eigenschaft als Stiftungsvorsitzende; das habe ich doch gerade gesagt. Hören Sie doch einfach zu. Das Thema wird schon schwierig genug. Hören Sie einfach zu.

Unstrittig ist auch, dass die Stiftung erst durch die Spende der NordLB in Höhe von 360 000 € in die Lage versetzt wurde, das Hotel Schloss Ilsenburg zu ersteigern. Fest steht ebenfalls, dass Minister Rehberger als Mitglied dieser Landesregierung mehrfach massiv tätig geworden ist, um diese Spende zu akquirieren.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Nein, beweisen Sie es!)

Damit haben sich die Abläufe, die man als unstrittig bezeichnen kann, aber bereits erschöpft. Die Dinge, die jetzt angesprochen werden müssen, erinnern mich teilweise in ihrer Fragwürdigkeit an Vorgänge, die man sonst nur aus latein- oder mittelamerikanischen Ländern kennt.

(Zurufe von der CDU)

- Verausgaben Sie sich nicht jetzt schon, sondern teilen Sie sich Ihre Kräfte ein. - Da ist zunächst die Zwangsversteigerung vom 19. Juli 2005 selbst. In einer Pressekonferenz am 12. September 2005 sowie einer Pressemitteilung vom selben Tag behauptet Minister Rehberger mehrfach, dass bei der Versteigerung ein Mindestgebot von 385 000 € festgelegt war. Er leitet daraus ab, dass selbst bei Vorhandensein eines weiteren Bieters mit ei

nem Gebot in Höhe 200 000 € das Mindestgebot unterschritten worden wäre und damit kein Zuschlag hätte erteilt werden können.

Die Tatsachen aber sehen anders aus. Das Protokoll des Amtsgerichts Wernigerode weist als Mindestgebot einen Betrag in Höhe von 78 918 € aus. Selbst die NordLB als Gläubigerbank hat zwischenzeitlich einräumt, dass eine Ersteigerung des Hotels sehr wohl zu einem geringeren Gebot als 385 000 € möglich gewesen wäre.

(Herr Daldrup, CDU: Nein!)

Weiterhin erklärt die Landesregierung in der Antwort vom 14. September 2005 auf meine Kleine Anfrage, dass zu keinem Zeitpunkt von einem Bieter im Vorfeld der Versteigerung eine Sicherheitsleistung verlangt wurde. Mehr noch: In der Antwort wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vorsorgliche Sicherheitsleistungen unzulässig sind. - So weit die Theorie.

Die Praxis zeigt etwas völlig anderes. So verlangte die Gläubigerbank im Vorfeld der Versteigerung von einem anderen Bieter eine Sicherheitsleistung in Form eines Barschecks. Erst nach mehreren Gesprächen zwischen dem Anwalt des Interessenten und der NordLB begnügte diese sich mit einer Bankbürgschaft. Ganz offensichtlich sollte ein weiterer Bieter bereits im Vorfeld der Versteigerung aus dem Rennen geworfen werden.

(Frau Feußner, CDU: Das ist eine Unterstellung!)

Wichtigstes Prinzip einer Zwangsversteigerung ist die Transparenz des Verfahrens für alle Beteiligten. Diese wurde aber nur für einen kleinen Teil der Beteiligten hergestellt.

(Herr Gürth, CDU: Diese Verfahrensweise ist bei solchen Versteigerungen durchaus üblich!)

Bei den Vorgesprächen, die zu der Versteigerung zwischen der NordLB, Herrn Rehberger und der Stiftungsvorsitzenden geführt wurden, muss davon ausgegangen werden, dass die Vorsitzende der Stiftung genauestens über einen weiteren Bieter informiert war und durch die verlangte Bankbürgschaft auch wusste, welchen Betrag dieser bieten würde.

(Frau Feußner, CDU: Wo nehmen Sie die Theo- rie her?)

Das erklärt im Übrigen auch, warum die Stiftungsvorsitzende unmittelbar nach der Eröffnung der Versteigerung nach vorn stürzte und sofort ein Gebot von 385 000 € abgab.

Allen anderen dagegen blieb verborgen, dass dieses Gebot erst durch die Spende der NordLB möglich war. An der Börse wären derartige Absprachen unzulässige Insidergeschäfte und würden sofort Ermittlungen der BaFin auslösen.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Das ist doch albern! Das ist ein schlechtes Wahl- kampfthema!)

Die Krönung der Vorgänge im Zusammenhang mit der Versteigerung ist aber Ihre Behauptung, Herr Rehberger, dass Sie erst durch meine Kleine Anfrage davon erfahren haben, dass es einen weiteren Interessenten gibt.

(Herr Kehl, FDP: Siehe Brief des Bürgermeis- ters!)

Diese Behauptung ist schlichtweg skandalös, weil Sie genau wissen, dass es vor der Versteigerung mehrere Gespräche gab, an denen unter anderem auch der Bürgermeister der Stadt Ilsenburg Wilfried Obermüller teilgenommen hat; zu dem komme ich jetzt.

(Herr Tullner, CDU: Haben Sie das Schreiben des Bürgermeisters gelesen? - Unruhe bei der CDU)

- Bleiben Sie doch ganz ruhig! - Dazu Obermüller in einer Erklärung wörtlich - ich zitiere -:

„Minister Rehberger war durch mehrere persönliche Unterredungen mit mir genauestens über die gesamte Situation unterrichtet. Er wusste auch, dass sich ein finanzstarker Bewerber, der sich sowohl in Ilsenburg als auch in Schierke bereits wirtschaftlich positiv hervorgetan hat, an der Versteigerung beteiligen wird.“

(Frau Budde, SPD: Richtig!)

Obwohl alle Gespräche auf Ihren, Herr Minister, ausdrücklichen Wunsch zustande gekommen sind, will ich Ihnen gern bei den Terminen behilflich sein. So fand ein erstes Gespräch bereits am 17. März dieses Jahres statt - man höre und staune -, ein weiteres am 8. Juli und ein drittes Gespräch am 15. Juli, also vier Tage vor der Versteigerung.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Bei all dem bleibt mir nur festzustellen: Herr Minister, Sie haben das Parlament belogen.

(Beifall bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Weil er Gespräche führt, oder wie?)

Meine Damen und Herren! Welche Energien Herr Rehberger in diesen Vorgang investiert hat, wird erst deutlich, wenn man weiß, dass er auch bei anderen Unternehmen angeklopft hat, um eine Spende für den Hoteldeal zu erhalten.

Herr Abgeordneter, Sie sind bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens zu beantworten?

Das machen wir zum Schluss.

Am Ende.

So beispielsweise bei der Salzgitter AG, die in Ilsenburg mit einem Tochterunternehmen vertreten ist. Hier wird die ganze Geschichte vollends fragwürdig, weil in diesem Fall ein Fördermittelgeber, nämlich der Minister, bei einem potenziellen Fördermittelnehmer, nämlich der Salzgitter AG, eine Spendenbereitschaft abfragt.

(Unruhe bei der CDU)

Beide wissen, in welchem Verhältnis sie im Fördermittelgeschäft zueinander stehen. Was ich meine, will ich an einem Beispiel deutlich machen: Ein Bürgermeister lässt seine Sekretärin bei einem örtlichen Autohändler anrufen. Sie verlangt den Geschäftsführer und teilt die

sem mit, dass der Bürgermeister ein neues Auto benötigt. Gleichzeitig fragt sie nach, was denn ein bestimmtes Fahrzeug mit einer ganz bestimmten Ausstattung kosten würde.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Dieses Beispiel stammt aus dem Buch „Korruption und Untreue im öffentlichen Dienst“, das von einem Rechnungsprüfungsamtsleiter und einem Oberstaatsanwalt herausgegeben wurde. Natürlich ist dieser Vorrang strafrechtlich nicht relevant. Er verstößt aber bereits eklatant gegen notwendige Ethikgrundsätze für Führungskräfte, die bei der Korruptionsprävention unverzichtbar sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Interessant ist im Übrigen auch, dass die Salzgitter AG nach anfänglicher Spendenbereitschaft ihre Ablehnung damit begründet hat, dass ein wirtschaftliches Nutzungskonzept fehlt.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Peinlich!)

Dieses Wirtschaftskonzept fehlt bis heute. Es fehlt aber auch ein Finanzierungskonzept, da die Stiftung über keine ausreichenden Eigenmittel verfügt. Auch hierbei soll offenbar der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.