Protocol of the Session on October 7, 2005

Meine Damen und Herren! Was ich gern mache, ist, über das eine oder andere - wenn Sie konkrete Fragen haben - im Ausschuss Auskunft zu geben. Das habe ich in den letzten Jahren so gehalten. Das wird auch weiterhin der Fall sein.

Nun gibt es einen konkreten Vorgang, den Sie, Herr Dr. Thiel, zum Anlass des Antrages genommen haben, nämlich den Vorgang, dass der amerikanische Konzern Dell, nachdem er seine Dienstleistungsentscheidung zugunsten von Halle getroffen hatte, seine Produktionsentscheidung zuungunsten von Deutschland gefällt hat. Ich möchte jetzt nicht in alle Details gehen, aber ich möchte dazu wenigstens zwei Dinge sagen dürfen.

Bei dem Ranking, das natürlich auch an deutschen Standorten durchgeführt worden ist, hat es folgendes Ergebnis gegeben: deutschlandweit Platz Nr. 1 Brehna, Platz Nr. 2 Erfurt, Platz Nr. 3 Halle. Das war die Betrachtung Deutschlands.

Dazu würde ich sagen: Wenn wir von drei Spitzenplätzen zwei einnehmen, vor allen Dingen den ersten Platz, dann zeigt dies, dass das, was wir bieten können, offenbar sehr attraktiv ist. Aber es gab dann einen anderen Faktor, der natürlich bei jedem Investor auch eine große Rolle spielt. Das sind die Arbeitskosten.

Ich lese Ihnen einfach einmal vor, was uns mitgeteilt worden ist. Es wurde uns mitgeteilt, dass die Lohnkostendifferenz gegenüber Osteuropa nach den Prüfungen von Dell so groß ist, dass deutsche Standorte für die Schlussentscheidung nicht infrage kommen. Es wird dann noch weiter mitgeteilt: Es gibt derzeit nichts, was einzelne deutsche Standorte noch tun könnten, um Dell umzustimmen.

Das ist die Entscheidung. Das ist die Realität. Vielleicht sollten Sie, ohne dass wir an dieser Stelle eine Riesendebatte vom Zaun brechen, darüber nachdenken, ob Forderungen wie Mindestlöhne in Höhe von 1 400 € oder die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe geeignet sind, ausländische Investoren nach Deutschland zu bringen oder nicht.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Ich rede nicht einem Niedriglohnland Deutschland das Wort. Das wäre töricht.

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von der Linkspartei.PDS: Wovon reden wir denn dann?)

Aber wir können uns aus der Weltgeschichte nicht verabschieden. Sie sehen ja, wie die Entscheidungen trotz all unserer Bemühungen gefallen sind. Wir konnten es nicht ändern.

Ich bin von einem überzeugt: Wenn Sie eine Regierung stellen würden, würde Dell von vornherein nicht prüfen, ob sie nach Sachsen-Anhalt kommen.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Das ist billig!)

- Herr Gallert, es ist furchtbar nett, dass Sie sich gerade jetzt mit einem Zwischenruf melden. Ich habe mit größtem Interesse der gestrigen Presse entnommen - da ging es wirklich um Förderpolitik; ich nehme an, dass es zutreffend ist, Sie haben es nicht dementiert -, dass Herr Gallert zur Wirtschaftspolitik unter anderem Folgendes gesagt hat: Nicht neue Industriearbeitsplätze, sondern vor allem neue Jobs in Forschung und Entwicklung bestehender Firmen sollen gefördert werden.

Meine Damen und Herren! Wenn wir das täten, dann wäre die Talfahrt unserer Wirtschaft vorprogrammiert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Herr Gal- lert, Linkspartei.PDS: So billig! So billig!)

Ich sage, dass es unstreitig ist, dass wir im Bereich von Forschung und Entwicklung eine Menge tun müssen. Aber ich sage zugleich: Wir haben nicht nur Doktoren, Professoren und hoch qualifizierte Ingenieure. Wir haben auch viele weniger gut Qualifizierte. Für diese müssen wir auch für Arbeitsplätze sorgen. Deshalb machen wir Industrieansiedlungen auch weiterhin.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass wir gerade in der jüngsten Vergangenheit - Sie können es ja im Lande sehen - eine ganze Reihe sehr bedeutender Unternehmen angesiedelt haben, die jetzt im Bau sind, die ein Projekt für 100 Millionen € oder auch für weniger, für 50 Millionen € - das ist auch eine Menge Geld - realisieren.

Herr Minister, möchten Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten?

Na klar, bitte schön.

Bitte, Herr Gallert, fragen Sie.

Herr Rehberger, ich würde auch angesichts der noch zur Verfügung stehenden Zeit darum bitten, die Diskussion nicht auf dieses Niveau abfallen zu lassen. Sie bekommen von mir die Broschüre. Darin ist das alles erklärt. Dann können wir anschließend darüber diskutieren. Aber hier langweilen wir mit so einer Diskussion wirklich das Publikum.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich habe den Eindruck - auch Ihre Intervention beweist es -: Wir langweilen nicht das Publikum, weil wir hier etwas sehr Wesentliches zitiert haben, sondern wir ärgern Sie, weil das natürlich nicht ganz zu dem passt, was Sie sonst an Eindruck vermitteln.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich sage noch einmal: Man kann sich nicht als Arbeitnehmerpartei präsentieren und dann ein Programm vorlegen, das im Wesentlichen nur auf eine bestimmte Ebene zugeschnitten ist. Wir müssen beides machen. Das ist unsere Strategie. Wenn Sie eine andere haben - darüber werden wir uns sehr gern im Ausschuss und auch bei anderen Gelegenheiten unterhalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Lassen Sie mich zum Schluss - wir haben ja eine sehr begrenzte Redezeit, und Sie haben Recht, dass man

das eine oder andere bei einer anderen Gelegenheit vertiefen sollte - sagen: In meiner Regierungserklärung, die ich kürzlich hier abgegeben habe, habe ich die wesentlichen Dinge der Wirtschaftsförderung zum Ausdruck gebracht. Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Unser Prinzip ist es, dass wir jeden arbeitsplatzschaffenden Investor, der auch eine ordentliche Finanzierung nachweist, mit unserer Förderung begleiten. Das ist nach meiner Überzeugung der richtige Weg. Nur deshalb ist es nämlich möglich gewesen, dass Sachsen-Anhalt im ersten Halbjahr 2005

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Da hat der Fi- nanzminister gestern etwas anderes gesagt!)

ein reales Wirtschaftswachstum von 1 % erreicht hat und damit bundesweit an der Spitze liegt. Meine Damen und Herren! Das ist das verarbeitende Gewerbe, das sind nicht zuletzt die angesiedelten Betriebe, die das mit herbeigeführt haben.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Das Bruttoinlandsprodukt ist nun einmal der Maßstab dafür, ob man wirtschaftlich die Dinge vorantreiben konnte oder nicht.

Ich sage es noch einmal: Bis zur Stunde wird jeder Betrieb, der sich im verarbeitenden Gewerbe, im produzierenden Gewerbe engagiert, der eine ordentliche Finanzierung vorweist und der neue Arbeitsplätze schafft, von uns gefördert. Wir wollen das auch in der Zukunft fortführen.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Da hat Herr Kolle- ge Paqué etwas völlig anderes gesagt!)

Das wird - da hat Herr Kollege Paqué völlig Recht -

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Er hat aber etwas völlig anderes gesagt!)

ab dem Jahr 2007 schwierig werden, weil die Fördermöglichkeiten stark reduziert werden. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir nicht heute und jetzt und auch nicht im Jahr 2006 diese Chancen nutzen, meine Damen und Herren, solange wir sie noch haben.

Die Vorgängerregierung hat mehrere Hundert Millionen an Fördermitteln an Berlin zurückgegeben, weil sie nicht in der Lage war, entsprechende Ansiedlungen durchzuführen. Das ist uns nicht passiert und das darf uns auch in den nächsten anderthalb Jahren nicht passieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dass wir ab dem Jahr 2007 die Dinge noch einmal gründlich bedenken müssen und dass es viel schwerer werden wird, die Erfolge durchzusetzen, die wir in den letzten Jahren durchsetzen konnten und auch zurzeit durchsetzen können, ist unstreitig. Dann muss man über weitere Instrumente und neue Wege nachdenken. Aber jetzt geht es um das, was bisher geschehen ist. Das war auch das Thema, das Herr Thiel eben vorgetragen hat.

Deswegen sage ich mit aller Deutlichkeit: Wir werden den Weg fortsetzen, der darin besteht, dass wir möglichst viele Investitionen mit möglichst vielen Arbeitsplätzen in unser Land holen. Dann werden wir so wie in den letzten Jahren wirtschaftlich weiter vorankommen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. - Die Debatte der Fraktionen wird durch den Beitrag der FDP-Fraktion eröffnet. Ich erteile Herrn Dr. Schrader das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist die Förderstrategie ein permanentes Thema. Das ist klar. Aber ich halte es für unzulässig, einen Zusammenhang zwischen der Investitionsentscheidung des Unternehmens Dell, die nicht zugunsten der Stadt Halle oder besser: nicht zugunsten Deutschlands gefallen ist, und der Förderstrategie des Landes herzustellen. Das ist für meine Begriffe schlicht unzulässig.

Es wird nämlich der Eindruck erweckt, dass die Förderbedingungen bei uns so seien, dass Investoren sich regelmäßig gegen Investitionen in Sachsen-Anhalt entscheiden würden. Das stimmt ganz einfach nicht. Damit wird etwas suggeriert, was so nicht passt.

Das Gegenteil ist der Fall. Herr Dr. Thiel, Sie wissen das selbst. Gerade für ausländische Investoren ist SachsenAnhalt hochattraktiv, auch gerade seit dem Jahr 2002, seit dem Regierungswechsel. Das können wir ganz deutlich belegen, und Herr Dr. Thiel hat das vorhin sogar selbst bestätigt. - So weit zur Klarstellung, meine Damen und Herren.

Folgendes möchte ich feststellen und festhalten - das ist zumindest denen klar, die sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigen und die einschlägigen Zeitschriften, zum Beispiel die „Wirtschaftswoche“, lesen, in der das ausführlich dargestellt war -: Die Entscheidung des Unternehmens Dell, so bedauerlich sie auch ist, basiert auf einer rein geschäftspolitischen Entscheidung. Übrigens gab es nie eine Zusage, es war immer nur im Gespräch, dass verschiedene Standorte geprüft worden sind. Natürlich wird auch ein Standort geprüft, an dem man schon tätig ist.

Aber im Endeffekt - das können Sie in der „Wirtschaftswoche“ nachlesen - war das Lohnkostengefüge das entscheidende Kriterium dafür, dass kein deutscher Standort den Zuschlag bekommen hat. So ist das nun einmal. Deshalb gibt es natürlich auch Ihre berechtigte Frage, ob man denn darauf reagieren kann. Der Minister hat schon einiges gesagt. Nicht nur mit der Förderstrategie, sondern mit vielen anderen Instrumenten wie Lohnkosten, Lohnnebenkosten, Steuerrecht usw. wird Wirtschaftspolitik gemacht.

Meine Damen und Herren! Die Entscheidung des Unternehmens Dell ist denkbar ungeeignet, um eine Diskussion über die Förderstrategie des Landes aufzuwerfen, mehr noch, es ist ein Stück vorweggenommener Wahlkampf, Herr Thiel. Das möchte ich Ihnen aber nicht unterstellen.

Um es der Vollständigkeit halber zu sagen, sollte man trotzdem auf einige Förderaspekte im Rahmen der Wirtschaftspolitik unserer Koalition eingehen. Seit dem Regierungswechsel haben wir die Weichen neu gestellt. Im Wettbewerb der Regionen sind wir vorangekommen. Das bestätigen uns einschlägige Studien. Das bestätigt uns auch das jüngste Dynamik-Ranking. Wer sich die Studie ganz genau anschaut, wird Folgendes feststellen: