Protocol of the Session on October 6, 2005

(Frau Weiß, CDU: Antworten Sie doch auf die Frage!)

- Das tue ich gerade, auch wenn Sie es nicht verstehen.

(Frau Weiß, CDU: Ich verstehe das schon! - Un- ruhe bei der CDU)

- Nein, Sie verstehen es offensichtlich nicht.

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Das ist nicht Ihr Thema!)

Ich antworte auf die Frage, was wir getan haben.

Individuelle Förderung und Chancengleichheit beziehen sich doch nicht nur auf Kinder, die mit Nachteilen zu tun haben oder die Lerndefizite haben.

(Frau Feußner, CDU: Das ist schön, dass Sie das jetzt erkennen! Das wollten Sie jahrelang nicht erkennen!)

- Nein, das haben wir immer erklärt, Frau Feußner. Ich kann nichts dafür, dass Sie mir nicht zuhören und immer Ihre Ideologie vor unsere Auffassung stellen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Tullner, CDU: Ach! - Frau Feußner, CDU: Frech! - Wei- tere Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Meine Damen und Herren! Wir haben die Freude, auf der Südtribüne Damen und Herren des Y's Men-Club Magdeburg begrüßen zu können. Aber fragen Sie mich nicht, was das ist.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Dr. Volk.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Aufwand, den die Antragsteller für die Ausarbeitung des vorliegenden Papiers betrieben haben, hält sich in engen Grenzen, Frau Mittendorf.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Minister Herrn Dr. Daehre - Zuruf von Frau Mit- tendorf, SPD)

Der vorliegende Antrag wurde nahezu wörtlich aus der SPD-Broschüre „Bildungsland Sachsen-Anhalt 2020“ übernommen. Diese Methode ist ein wenig platt. Noch sind wir hier im Landtag und nicht in einer SPD-Wahlkampfveranstaltung. Das Thema ist ein wichtiger Aspekt der Bildungspolitik; deshalb sollten und müssen wir uns auch im Landtag diesem Thema widmen.

Unser Schulgesetz räumt jedem Schüler das Recht auf eine Ausbildung ein, die seine Fähigkeiten, Begabungen und Neigungen fördert. Wenn wir diesen Auftrag, den wir ganz an den Anfang unseres Schulgesetzes gestellt haben, ernst nehmen, ergibt sich eine besondere Verpflichtung für Schüler, deren Leistungsvermögen stark vom Leistungsmittel ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler abweicht. Das bedeutet, dass wir spezielle Förderinstrumente und -einrichtungen sowohl für Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen als auch für Hochbegabte entwickeln und vorhalten müssen.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich, dass nun auch die SPD-Fraktion und - wie ich mit Verwunderung erfahren habe - alle Linken von der Notwendigkeit der Hochbegabtenförderung überzeugt sind. Ich freue mich ehrlich darüber, dass Sie von dem Irrglauben abgerückt sind,

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja!)

dass nur ein Bildungssystem gerecht sei, in dem jeder genau die gleiche Einheitsbildung durchläuft.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Sehr schön! - Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Da kommt er doch her! - Weite- re Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Gerechtigkeit im Bildungswesen beinhaltet nämlich gerade die individuell differenzierte Förderung, zu der auch die speziellen Angebote für Hochbegabte gehören. Bereits jetzt gibt es verschiedene Angebote, die sich an Schülerinnen und Schüler mit überdurchschnittlichen Leistungen auf bestimmten Gebieten richten. So haben

wir in Sachsen-Anhalt zurzeit zehn Schulen mit inhaltlichen Schwerpunkten; außerdem bestehen Kreisarbeitsgemeinschaften und Korrespondenzzirkel, deren Schwerpunkte vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich liegen.

(Frau Wybrands, CDU: Richtig! Jawohl!)

Wenn wir diese Angebote untersuchen, fällt auf, dass es in der Förderlandschaft noch mindestens zwei Gebiete mit Handlungsbedarf gibt, zu denen allerdings auch der vorliegende Antrag noch keine Aussagen macht. Zum einen müssen wir dafür sorgen, dass auch weitergehende Konzepte und Angebote entwickelt werden, die sich insbesondere an Hoch- und Mehrfachbegabte richten, deren Schwerpunkt nicht nur auf einem Gebiet liegt, die also über ein überdurchschnittliches Leistungsvermögen in der gesamten Bandbreite des Fächerkanons verfügen. Für diese Schüler reichen die Angebote der Profilschulen nicht aus.

Die FDP hält es deshalb auch für diskussionswürdig, in den nächsten Jahren auch in Sachsen-Anhalt nach dem Vorbild des sächsischen Landesgymnasiums Sankt Afra ein Angebot mit einem generalistischen Ansatz einzurichten. Damit werden die Schüler gefördert, die auf mehreren Gebieten herausragende Leistungen zeigen.

Zum anderen richten sich nahezu alle Förderangebote an Schüler im Sekundarbereich. So haben wir bei den zehn anerkannten Schulen mit besonderem Profil zwei Sportsekundarschulen und acht Gymnasien. Hochbegabtenförderung macht jedoch nur Sinn, wenn auf allen Ebenen des Bildungssystems entsprechende Angebote für überdurchschnittliche Schüler bestehen. Bereits im Grundschulalter sollten spezielle Talente, aber auch herausragende Leistungen auf verschiedenen Gebieten angemessen gefördert werden, denn besonders in diesem Alter sind die Begabungen zu entdecken und zu fördern.

Lassen Sie uns über das Konzept der Landesregierung im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft diskutieren, ohne polemisch in Zweifel zu ziehen, dass es seitens der Landesregierung ein konzeptionelles Vorgehen gibt. Deshalb unser Änderungsantrag, Frau Mittendorf. Ich bitte Sie deshalb, dem Änderungsantrag zuzustimmen, und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Nun noch einmal Frau Mittendorf. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ich habe die Möglichkeit, jetzt noch einmal zu reagieren. Das ist auch gut so. Ich fange einmal quasi von hinten an.

Herr Volk, ich finde es äußerst erfreulich, dass Sie unsere Broschüre lesen. Vielleicht hilft das, dieses oder jenes zu verstehen. Dann wissen Sie auch, warum wir genau diesen Antrag eingebracht haben. Ich denke, es ist legitim, dass die Dinge, die generell in der Öffentlichkeit und auch in der Parteiöffentlichkeit sowie in der Programmatik diskutiert werden, Einzug in den Landtag halten. - So weit meine erste Bemerkung.

Meine zweite Bemerkung: Frau Hein, es tut mir Leid, aber das Zitat aus der „Volksstimme“ - Sie mögen mir verzeihen - ist nicht ganz korrekt. Ich habe gesagt: Die Linken haben sich generell schwer getan. Ich habe dabei nicht auf die Linkspartei.PDS abgestellt,

(Zurufe von der Linkspartei.PDS - Herr Tullner, CDU: Na, na, na!)

sondern generell auf die Linke.

Da ich, Herr Olbertz, im Gegensatz zu manchen anderen ein gutes Gedächtnis habe, auch wenn Sie mir das Gegenteil unterstellen, weiß ich sehr wohl, dass wir in der Vergangenheit mit diesem Thema Schwierigkeiten hatten und durchaus auch problematische Diskussionen geführt haben. Das, finde ich, ist nicht schlimm. Entscheidend ist doch - das, denke ich, sollte man auch in der politischen Auseinandersetzung sagen; das hat überhaupt nichts mit Festhalten an Traditionen oder Authentizität zu tun -, dass sich eine Partei oder wer auch immer und dass sich die Gesellschaft weiter entwickelt. Mit der Weiterentwicklung der Dinge muss man auch einmal Standpunkte verändern und über neue Ansichten diskutieren.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Das, meine Damen und Herren, nehme ich sehr wohl für uns in Anspruch. Ich halte es auch für ein ganz tolles Zeichen, dass unsere Partei in diesen Fragen lebt, sehr lebendig ist und Diskussionen führt, die nicht einfach sind. Das zeichnet uns aus. Sonst würden wir all diese Papiere nicht schreiben.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich will jetzt nicht das Beispiel mit dem Spielzeug wiederholen, aber ich will das Bild von Herrn Olbertz aufgreifen, wonach sich jemand bei einem Marathonlauf in die Büsche schlägt, wartet, bis ein paar Runden vorbei sind, dann aufspringt und als Erster über die Ziellinie rennt. Das ist ein tolles Bild. Ich kenne ein besseres, nämlich das Märchen von Hase und Igel: Ick bin all hie! - So einfach ist das.

Selbstverständlich können wir dieses Thema aufgreifen, wann wir wollen und wie wir wollen, ob Ihnen das passt oder nicht. Das ist unser gutes Recht. Wenn wir dabei eine vernünftige Diskussion zustande bekommen, ist das in Ordnung; denn es bringt die Sache voran.

Wir sollten uns dabei tatsächlich nicht gegenseitig verbal bekriegen, sondern wir wollen etwas Gutes für hochbegabte Kinder erreichen. Das ist auch notwendig; denn keine Gesellschaft kann es sich leisten, diese Dinge nicht zu beachten. Das haben wir und auch die Linken Gott sei Dank erkannt.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Meine Damen und Herren! Es ist überhaupt kein Widerspruch, über Chancengleichheit und über Hochbegabtenförderung zu reden.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU - Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

- Da haben Sie wahrscheinlich nicht richtig nachgelesen oder nicht richtig zugehört. Das soll auch Professoren manchmal passieren.

Frau Mittendorf, möchten Sie eine Frage von Frau Feußner beantworten?

Nein. Zum Abschluss, bitte.

Ich denke schon, dass gerade die Debatte darüber, wie man mehr Kinder aus der Gesellschaft zu höheren und besseren Leistungen bringt, wie man es schafft, tatsächlich Bildungsexpansion voranzubringen, sich genau an diesen Fragen ideologisch scheidet. Wir sagen: Natürlich brauchen wir Chancengleichheit, aber nicht im Sinne von Gleichmacherei, sondern im Sinne von Erkennen der Potenziale und individueller Förderung. Im Bereich der Hochbegabtenförderung geht es eben nicht nur um den einen Bereich der Begabung, sondern um dieses Komplexe. Die meisten Rednerinnen haben aber genau auf diese Teile abgestellt.

(Zurufe von Herrn Tullner, CDU, und von Frau Feußner, CDU)

Ich will als letzte Bemerkung noch sagen, dass es sicherlich dringend notwendig ist, über dieses Konzept zu reden. Den Vorwurf, dass wir in den letzten Jahren dazu nichts oder zu wenig getan haben, nehme ich an. Er ist aber insofern falsch, als die individuelle Förderung in der Debatte immer eine Rolle gespielt hat.