Deswegen ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung in dieser Woche ein Leitbild zur Entwicklung der Zuwanderung und Integration in Sachsen-Anhalt vorgelegt hat. Der Integration von Ausländern muss mehr Gewicht beigemessen werden. Der Integrationswilligkeit von Ausländern muss bei der Frage der Aufenthaltsgewährung ein stärkeres Gewicht beigemessen werden.
Ein letzter Punkt. Der Aspekt des demografischen Wandels muss als Mainstream-Thema sowohl in der Programmierungsphase des operationellen Programms als auch bei der Umsetzung der Intervention von den Handelnden in den Mitgliedstaaten und Regionen berücksichtigen werden. Der Satz klingt selbstverständlich. Das war aber vor einem Dreivierteljahr absolut noch nicht möglich, weil die Europäische Kommission für dieses Thema noch nicht zugänglich war.
Es müssen Maßnahmen gefördert werden, die der Abwanderung entgegenwirken und die dafür sorgen und dazu beitragen, dass Wachstums- und Beschäftigungsförderung familien- und kinderfreundlich erfolgen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In die künftigen Verordnungen des Rates zu den allgemeinen Bestimmungen über den EFRE, den ESF und den Kohäsionsfonds und über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes durch den ELER müssen entsprechende Formulierungen aufgenommen werden.
Aufgrund der geschilderten Problemlage erachten wir es für nötig, dass die Landesregierung in den in den Anträgen aufgeführten Ausschüssen umfassend berichtet und unsere Schwerpunkte in ihre Stellungnahme einarbeitet. - Ich darf mich bei Ihnen bedanken.
Vielen Dank, Frau Wybrands, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Nun hat für die Landesregierung der Staatsminister Herr Robra um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Grünbuch, das Frau Wybrands vorgestellt hat, hat die Kommission nunmehr eine Thematik aufgegriffen, die uns in Sachsen-Anhalt schon lange beschäftigt und die die Entwicklung in Europa, in Deutschland und natürlich auch in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahrzehnten ganz entscheidend prägen wird.
Die Phase der öffentlichen Konsultationen hat am 16. März 2005 begonnen. Sie endet am 1. September dieses Jahres. Der Bundesrat hat sich deshalb heute in einer ersten Stellungnahme, wie es sich für so ein Grünbuch empfiehlt, auf zwölf Seiten positioniert, wobei deutlich wird, wo die Schwächen dieses Grünbuches bei den bisherigen vorläufigen Auffassungen der Kommission liegen.
Wenn dort beispielsweise zum Ausdruck kommt, dass Wirtschaftswachstum ohne Bevölkerungswachstum nicht möglich sei, dann ist das ein geradezu vernichtendes Vorurteil für ganz Europa. Denn die Kommission weiß sehr genau, dass der Rückgang des Bevölkerungswachstums, den wir in besonderer Weise zu spüren bekommen, ein gesamteuropäisches Problem ist. Es gibt auch überhaupt keinen Beleg dafür, dass diese These richtig ist.
Die Kommission weiß auch sehr genau - der Bundesrat hat es in der heute beschlossenen Stellungnahme noch einmal deutlich gemacht -, dass die kompetenzrechtliche Befassung der Kommission mit diesen Themen erhebliche Grenzen hat. Auch wir als Landesregierung werden bei aller Bereitschaft, den Dialog mit der Kommission zu diesen wichtigen Themen, die uns alle beschäftigen, zu führen, darauf aufmerksam machen müssen, welche Befugnisse die Kommission auf diesem Felde hat - die sind begrenzt - und welche ureigensten Kompetenzen die Länder in diesem Meinungsbildungsprozess haben.
Wir werden jedenfalls sehr darauf achten, dass die Kommission - so wichtig das Thema auch ist - nicht über eine Generalkompetenz für Demografie nunmehr in alle anderen Politikfelder, die selbstverständlich damit zusammenhängen, hineinregiert. Die demografische Entwicklung prägt schließlich fast jedes Politikfeld. Das kann am Ende gerade auch im Interesse und im Sinne von Sub
sidiarität, die wir mit dem Verfassungsprozess zugestanden bekommen haben, nun wirklich nicht Sinn der Sache sein.
Ich freue mich auf die Debatte zu diesen interessanten und im Detail schwierigen Fragen im Ausschuss. Ich möchte damit abschließen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Meine Damen und Herren! Die Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion wird eröffnet durch den Beitrag der SPDFraktion. Dazu erteile ich dem Abgeordneten Herrn Tögel das Wort. Bitte sehr, Herr Tögel.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Ich will es gleich von vornherein sagen: Wir werden dem Antrag zustimmen. Ich denke, es gibt in diesem Hause überhaupt keine grundsätzlichen differenten Auffassungen, zumal auch die Formulierung des Antrages zu großen Teilen auf den Formulierungen des Grünbuches basiert und so vorsichtig gewählt wurde, dass man eigentlich überall zustimmen kann.
Ich möchte nur inhaltlich etwas zu einem Punkt sagen. Frau Wybrands hat gesagt, die Kommission versuche, sich Kompetenzen heranzuziehen. Die erste Frage im Grünbuch lautet: Glauben Sie, dass die europäische Ebene angemessen ist für die Eröffnung einer Diskussion über den demografischen Wandel und die Bewältigung seiner Folgen? Darauf kann man, wenn man will, auch mit Nein antworten oder sagen, bei welchen Themen ist sie angemessen und bei welchen nicht.
Sie sagt also nicht, wir wollen das machen, sondern sie fragt, glauben Sie, dass wir das machen können. Das finde ich schon einmal ganz gut. Aber dieses allgemeine Unbehagen, dass die Kommission immer Kompetenzen an sich heranzuziehen will, ist aus meiner Sicht widerlegt.
Ich habe einen Änderungsantrag vorlegen lassen und hoffe, dass dieser Ihre Zustimmung findet, weil im Grünbuch selbst und auch sonst in der Diskussion auf der EU-Ebene das Thema, das uns insbesondere beschäftigt, vernachlässigt wurde. In dem Grünbuch ist eigentlich nur von Sozialsystemen und von Rentensystemen die Rede. Die anderen Folgen, die wir insbesondere in den neuen Bundesländern zu spüren bekommen, sind nicht erwähnt.
Das sind die Fragen des Wohnungsleerstandes, des Rückbaus, der richtig Geld kostet. Es geht um die Frage, wie können wir in den ländlichen Gebieten ÖPNV organisieren. Wir haben soeben über die Schulplanung diskutiert. Wir haben heute früh über die Entwicklung des ländlichen Raumes diskutiert. Das spielt hier alles mit hinein.
Mir geht es darum, dass diese Themen mit aufgenommen werden. Ich wäre der Landesregierung dankbar, wenn sie auch in ihrer Stellungnahme der Kommission gegenüber darauf aufmerksam macht, dass wir hier besondere Bedingungen und Herausforderungen mit dem demografischen Wandel haben. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch Gebiete in Nordskandinavien - die ultraperipheren Gebiete -, die griechischen Inseln oder
Gebiete in Zentralfrankreich, wo ganze Dörfer leer stehen. Dort gibt es die gleichen Probleme, die wir in der Altmark oder in anderen Gebieten des Landes SachsenAnhalt haben.
Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Dann würden wir natürlich auch dem Gesamtantrag zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tögel. - Für die FDPFraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Tögel, dem Änderungsantrag der SPDFraktion werden wir zustimmen. Wir bitten um Zustimmung zu dem gesamten Antrag. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Für die PDS-Fraktion erhält nun die Abgeordnete Frau von Angern das Wort. Bitte sehr, Frau von Angern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS begrüßt es grundsätzlich, dass die Europäische Kommission mit dem vorgelegten Grünbuch solche wichtigen Themen in die öffentliche Diskussion bringt. Es ist mehr als erforderlich, sich dem demografischen Wandel und der Generationengerechtigkeit zu widmen, da diese Prozesse Konsequenzen für die weitere Entwicklung der gesamten Gesellschaft haben.
Das Grünbuch soll diesen Meinungsfindungsprozess anstoßen. Dazu trifft es zentrale Aussagen. Es stellt Fragen und unterbreitet Vorschläge, die in der Tat der Auseinandersetzung bedürfen, jedenfalls aus der Sicht der PDS.
Ich möchte zunächst auf ein grundlegendes Problem hinweisen, das das Grünbuch in Ansätzen zwar vage benennt, jedoch in nicht ausreichendem Maße klar formuliert. Ich meine den zweiten Teil des Titels des Grünbuchs: die neue Solidarität zwischen den Generationen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine Äußerung des Sozialministers anlässlich der Konferenz zur Vorstellung der Dienel-Studie im November letzten Jahres verweisen. Er regte an, über eine Neugestaltung des Generationenvertrages nachzudenken. Viele Gründe, ihn zu loben, hatte er nun wirklich nicht geliefert. Aber das ist in der Tat ein sehr interessanter Ansatz.
Auch der CDU dürfte mittlerweile klar sein, dass das Glaubensbekenntnis von Altkanzler Konrad Adenauer - Kinder kriegen die Leute sowieso - schon seit langem keinem Realitätstest mehr Stand hält. Mit diesem Satz hat Adenauer die ursprünglich als Drei-GenerationenVertrag angelegte Konzeption kurzerhand um die nachwachsende Generation verkürzt. Mir als kinder- und jugendpolitischer Sprecherin sei der Hinweis erlaubt, dass
damit die Kosten des Aufwachsens der Kinder individualisiert und die Kosten der Versorgung der alten Menschen vergesellschaftet wurden.
Das ist nicht nur im Sinne der nachwachsenden Generation ungerecht. Das ist schlichtweg ein Fehler im System; denn die Probleme sehen wir heute: Geburtenrückgang, stagnierende, wenn nicht sogar rückläufige gesellschaftliche Regeneration, prognostizierter Fachkräftemangel, Überalterung der Gesellschaft, steigende Lohnnebenkosten und Abwanderung.
Das Grünbuch stellt auf Seite 12 deshalb auch die richtige Frage: Welchen Stellenwert haben für uns Kinder? - Mit Ihrem Antrag liefern Sie die Antwort leider nicht.
Die genannten Folgeprobleme nennt jedoch das Grünbuch ebenso wie Ihr Antrag. Nur, Diskussions- bzw. Lösungsansätze bleiben Sie schuldig. Da reicht es nicht, wenn Sie in Ihrem Antrag von der „weiteren Modernisierung der Sozialschutzsysteme“ reden. Was ist denn darunter zu verstehen? Welchen Ansatz verfolgen Sie dabei? Werden Sie doch mal konkret! Das Grünbuch soll zur Diskussion anregen, also verbleiben Sie bitte nicht bei Allgemeinplätzen, sondern reden Sie doch mal mit.
Die - ich betone - systematische Einbeziehung der nachwachsenden Generation macht nicht nur unter Gerechtigkeitsaspekten Sinn. Sie erleichtert zudem das Verstehen der wirklichen Belastungen der arbeitenden Generation zwischen 15 und 64 Jahren. Hierbei nur auf den so genannten Alterslastquotienten abzuheben, greift nämlich viel zu kurz, da die arbeitenden Menschen in unserem Land nicht nur Oma und Opa, sondern auch - zum Glück - noch Kinder haben.
Die Erwerbstätigen müssen ja nicht nur die Rentner, sondern auch Kinder und Jugendliche versorgen. Insofern ist der Gesamtquotient - also ältere und jüngere - für die wirkliche Belastung durch die Versorgung wirtschaftlich nicht aktiver Bevölkerungsteile durch die Erwerbstätigen viel aussagekräftiger. Hierüber eine Diskussion in Gang zu setzen, hält zumindest die PDS für nötig.
Nun zu weiteren Einzelheiten Ihres Antrages. Zunächst fallen zwei Diskrepanzen zwischen Grünbuch und Ihrem Antrag auf. Sie sprechen davon, dass die erfolgreiche Umsetzung der Lissaboner Strategie davon abhängt, wie sich Europa demografischen Herausforderungen stellt. Das Grünbuch sagt auf Seite 4 jedoch aus, dass es nicht mehr nur um die Zielerreichung der Strategie von Lissabon - eine Erwerbsquote von 70 % - geht. Es geht vielmehr um die Erhöhung des Anteils der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter überhaupt.
Den Vorschlag, den das Grünbuch unterbreitet, die zeitnahe Heraufsetzung des Renteneintrittsalters, beurteilt zumindest die PDS als Schritt in die falsche Richtung. Und Sie, wenn man fragen darf?
Einen weiteren Lösungsweg sieht das Grünbuch in der Zuwanderung und nicht lediglich - da haben wir den zweiten Widerspruch - in der Aufnahme qualifizierter Zuwanderer in unser Land, wie Ihr Antrag es aussagt. Sich lediglich, so wichtig sie sein mag, auf die Wirtschaftsmigration zu konzentrieren, greift zu kurz und löst die generellen Zuwanderungsprobleme nicht. Das wissen auch Sie.
Das Grünbuch stellt viele Fragen, die Ihr Antrag leider unbeantwortet lässt. Die Frage auf Seite 6, wie sich
das Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten fördern lässt, ist doch interessant. Ich empfehle Ihnen: Besuchen Sie doch mal die Kindertageseinrichtungen, und Sie werden feststellen, dass die Umsetzung des Bildungsauftrages unter den Bedingungen des derzeitigen Gesetzes nur schwer möglich ist.
Lassen Sie uns darüber offen debattieren und nicht, wie es in Ihrem Antrag steht, lediglich betonen, dass viele Fragen, die das Grünbuch behandelt, in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fallen. Dass das so ist, wissen wir doch alle. Aber das entbindet uns nicht von der Pflicht, über die Probleme in Sachsen-Anhalt zu reden.