Protocol of the Session on July 8, 2005

Zweifellos gilt die strikte Schlusspunkttheorie aufgrund vorangegangener Novellen nicht mehr uneingeschränkt.

Was jetzt geplant ist, steht aber im völligen Widerspruch zum modernen Verwaltungshandeln. Der Bauherr könnte nicht mehr davon ausgehen, dass mit der Verwaltungsentscheidung zur Baugenehmigung tatsächlich gebündelt und zusammengefasst alle öffentlich-rechtlichen Normen erfasst wurden, die von der Bauordnung her oder von beteiligten Behörden geprüft werden müssen. Welche Investitionserleichterung damit entstehen soll, bleibt schleierhaft.

(Zustimmung bei der SPD)

Zu befürchten ist vielmehr, dass Fachverwaltungen einmal erteilte Baugenehmigungen einschränken oder im Ernstfall sogar wertlos machen könnten.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf drei andere Punkte noch kurz eingehen, über die in den Ausschüssen intensiver zu reden ist. Mit Verweis auf mehr Effizienz bei der Antragsbearbeitung soll auf eine weitere Übertragung von Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auf kreisangehörige Gemeinden künftig verzichtet werden. Wir gehen davon aus, dass in den betreffenden Kommunen, die diese Aufgaben bisher erledigt haben, die erforderliche Arbeit als untere Bauaufsichtsbehörde gut gemacht wurde. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Gebietsreform und der Veränderung der Landkreisgrößen kommt einer örtlichen Bauaufsichtsbehörde in großen kreisangehörigen Städten eine zusätzliche Bedeutung zu. Mit Blick auf ortsnahe Entscheidungen sollte die Regelung in der derzeitigen Bauordnung beibehalten werden.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Vereinfacht werden soll auch das so genannte Abstandsflächenrecht. Geht man davon aus, dass das Baurecht auch eine Befriedungsfunktion zwischen Nachbarn haben sollte, muss eine Reduzierung der Regelabstandsfläche von 0,8 H auf 0,4 H - für die NichtInsider: „H“ ist die Wandhöhe - hinterfragt werden. Eine Knappheit an Bauland gibt es nicht. Der Stadtumbau schafft zusätzliche Freiflächen. Wozu soll es dann landesweit Abstandsflächen geben, deren Bemessung sich an den Bedingungen in Ballungszentren orientiert?

Meine Damen und Herren! Mit der geplanten Novelle sollen auch die Möglichkeiten für den Erlass örtlicher Bauvorschriften stark eingeschränkt werden. Es muss darüber geredet werden, inwieweit sich in diesem Bereich ein Abbau der Regelungsdichte tatsächlich sinnvoll gestalten lässt. Außer Acht lassen kann man dabei freilich nicht, dass die Kommunen auch über das höherrangige Baugesetzbuch Möglichkeiten für den Erlass von Satzungen haben.

Gestatten Sie mir zum Abschluss einen kleinen Exkurs in die Geschichte unseres Landes. Die aktuelle Bauordnung enthält 93 Paragrafen. Die geplante neue Bauordnung soll 87 Paragrafen enthalten. Das ist allerdings alles nichts gegen die Herzoglich-Anhalt-Bernburgische Bauordnung aus dem Jahr 1828, die 215 Paragrafen enthielt, darunter auch den folgenden § 105 - ich zitiere -:

„Alle Fensterrahmen und Thüren von Kiefer oder sonstigem Nadelholz sollen einen Anstrich erhalten. Dieser Anstrich darf aber nicht blau, roth oder sonst von auffallenden Farben sein, sondern muss entweder von einer einer Holzart ähnlichen oder einer anderen, einen milden Anblick gewährenden Farbe sein.“

Über Deregulierung hätte man also auch schon damals reden können. - Wir plädieren für eine Überweisung in den Bauausschuss zur federführenden Beratung und in alle ständigen Ausschüsse bis auf den Petitionsausschuss zur Mitberatung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Felke. - Nun ist die FDP-Fraktion an der Reihe. Es spricht Herr Dr. Schrader.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Felke, Sie haben eben den Versuch unternommen, die Sinnhaftigkeit der Investitionserleichterungsgesetze infrage zu stellen. Ihr Versuch ist gescheitert.

(Beifall bei der CDU - Herr Felke, SPD, spricht mit Mitgliedern seiner Fraktion)

- Vielleicht lassen Sie sich von Ihren Kollegen erzählen, was ich eben gesagt habe. Das ist Ihnen recht missglückt.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu Beginn die Einordnung des Dritten Investitionserleichterungsgesetzes noch einmal kurz zu verdeutlichen. Es ist nicht wegzudiskutieren, dass nach gut drei Jahren Amtszeit der CDU-FDP-Regierung die Ergebnisse des wirtschaftspolitischen Richtungswechsels in Sachsen-Anhalt ganz offensichtlich geworden sind. Das Land hat das Schlusslicht-Image abgelegt, Sachsen-Anhalt holt auf. Das bescheinigt uns nicht nur die jüngste BertelsmannStudie. Gerade deshalb habe ich eben gleich erwidert, Herr Felke. Deshalb kann man nicht so mit den Leistungen umgehen, die erreicht wurden.

(Zustimmung bei der FDP)

In Sachsen-Anhalt gilt seit dem Jahr 2002 das Motto „Vorfahrt für Wirtschaft und Forschung“. Das wird und muss auch so bleiben. Dafür werden wir sorgen. Natürlich sind wir mit dem Erreichten noch lange nicht zufrieden. Natürlich wünschen wir uns andere bundespolitische Rahmenbedingungen, die im September 2005 wohl auch kommen werden, um insbesondere der drückend hohen Arbeitslosigkeit im Land wirksamer begegnen zu können. Aber die Weichen im Land sind richtig gestellt. Daran gibt es keinen Zweifel.

Wer behauptet, dass Wirtschaftsentwicklung politikunabhängig ist, der wird derzeit eines Besseren belehrt. Meine Damen und Herren! Das Modell Rot-Grün ist insbesondere deshalb gescheitert, weil die rot-grüne Wirtschaftspolitik gescheitert ist. Das ist die Realität.

Meine Damen und Herren! Zu einer vernünftigen Wirtschaftspolitik gehört neben dem Motto „Vorfahrt für Investitionen und Innovationen“ vor allem auch der Abbau von Bürokratie und Deregulierung. Zu viel Bürokratie und Regulierung sind nicht nur lästig, sondern sie verzögern und verhindern auch Investitionen und haben ein starkes psychologisches Moment. Die Entschlackung bzw. Abschaffung von Gesetzen, was mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln bedeutet, wirkt investitions- und unternehmensfreundlich. Durch das Erste und das Zweite Investitionserleichterungsgesetz wurden Investi

tionen in Sachsen-Anhalt wieder attraktiver und es wurde eine positivere Wirtschaftsstimmung geschaffen.

Herr Kollege Felke, es kann durchaus sein, dass wir uns mit unterschiedlichen Leuten über die Sinnhaftigkeit des Ersten und Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes unterhalten haben. Wir haben uns mit denen unterhalten, die für Investitionen zuständig sind.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Ich weiß nicht, mit wem Sie sich unterhalten haben.

(Zuruf von Herrn Sachse, SPD)

Meine Damen und Herren! Deshalb ist dieser durch die Landesregierung eingebrachte Entwurf eines Dritten Investitionserleichterungsgesetzes eine konsequente Fortführung der wirtschaftsfreundlichen Politik unserer Regierungskoalition.

(Zurufe von der SPD)

- Sie können mich hinterher fragen, wenn Sie wollen. Aber zwischendurch ist das sehr unschicklich.

Meine Damen und Herren! Da immer wieder über die Sinnhaftigkeit der Investitionserleichterungsgesetze diskutiert wird, mache ich ganz kurz zwei Anmerkungen dazu. Zum einen ist es der rein praktische Nutzen, die tatsächliche Investitionserleichterung mithilfe von Gesetzesänderungen im Bau-, Denkmal- und Umweltrecht oder in der Gemeindeordnung. Darüber können wir in den Ausschüssen ruhig noch einmal diskutieren. Aber einen Entschließungsantrag, wie Sie ihn vorgelegt haben, lehnen wir ab. Ich bezweifle sogar, dass es nach der Geschäftsordnung überhaupt zulässig ist, ihn so zu stellen.

(Zuruf von Herrn Sachse, SPD)

- Das werden wir noch klären. Wir verschließen uns der Diskussion in den Ausschüssen natürlich nicht. Aber wenn Sie verlangen, dass erst alles evaluiert und dann mit den Beratungen begonnen wird, dann blockieren Sie ganz einfach das, was wir vorhaben. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Wie beim Ersten und beim Zweiten Investitionserleichterungsgesetz werden die Koalitionsfraktionen sich sehr intensiv mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Wir werden Anhörungen und Gespräche mit Verbänden führen. Es ist natürlich nicht auszuschließen, ja es ist eher wahrscheinlich, dass das Gesetz aus den Ausschussberatungen nicht so herauskommt, wie es jetzt eingebracht wurde.

Daher fordern wir die Verbände auf, weiterhin konkrete Vorschläge zu unterbreiten, und die Oppositionsfraktionen laden wir herzlich ein mitzuwirken.

Meine Damen und Herren! Während die PDS bei dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz durchaus konstruktiv mitgewirkt hat, kam aus der SPD null Komma nichts, und dann stellen Sie sich hier hin und ziehen das alles in Zweifel.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Nun zu den einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs.

Die Neufassung der Bauordnung nimmt in dem Entwurf den größten Umfang ein. Hierzu wurden nicht nur notwendige Anpassungen und Harmonisierungen - Stichwort Musterbauordnung - sowie Anpassungen an Thüringen und Sachsen vorgenommen, sondern auch konkrete Erleichterungen, Entbürokratisierungen und Deregulierungen vorgeschlagen. Im Vordergrund steht, die bauaufsichtlichen Anforderungen auf ein notwendiges Maß zu reduzieren.

Diskussionsbedarf sehen wir als FDP insbesondere bei der Neukonzipierung der Baugenehmigungsverfahren nach § 63. Hierbei geht es um die Aufgabe oder das Beibehalten der so genannten Schlusspunkttheorie. Bislang gilt die Schlusspunkttheorie. Das heißt, im Baugenehmigungsverfahren erfolgt eine umfassende Prüfung aller öffentlich-rechtlichen Anforderungen einschließlich des gesamten Baunebenrechts, unter anderem mit Denkmalschutz und Umweltrecht, und es wird mit der Baugenehmigung eine umfassende und rechtssichere Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.

Das Prüfprogramm im Rahmen der Baugenehmigung soll nach dem Gesetzentwurf nunmehr im Kern auf die spezifisch baurechtlichen Anforderungen, das heißt die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit, beschränkt werden. Dies bedeutet einerseits eine Beschleunigung und Entbürokratisierung im Genehmigungsverfahren, was wir sehr begrüßen, aber andererseits für kleine Bauherren auch ein Stück Rechtsunsicherheit. Der Schlüssel liegt sicherlich bei der Entschlackung des Baunebenrechts. Das wird auch in der Gesetzesbegründung angeführt; der Minister hat ebenfalls darauf hingewiesen.

Meine Meinung ist aber: Man sollte bis zur Modifizierung des Baunebenrechts, bis zur Entschlackung, eine Wahlmöglichkeit für Bauherren anbieten. Das heißt, ein Bauherr erhält eine Baugenehmigung nach bisheriger Schlusspunkttheorie, kann auf Wunsch aber auch ohne Schlusspunkttheorie eine Baugenehmigung erhalten - für einen versierten Bauherren sicherlich ein Vorteil und eine Investitionserleichterung.

Wir gesagt, hierzu besteht Diskussionsbedarf. Ich habe den Minister aber so verstanden, dass er das genauso sieht, dass wir die Wahlmöglichkeit eröffnen sollten. Das wäre tatsächlich eine Investitionserleichterung.

Meine Damen und Herren! Zu begrüßen sind die Reduzierung der Regelabstandsflächen bei Gebäuden sowie die vorgeschlagene Verpflichtung, dass die Bauaufsichtsbehörden über Bauanträge innerhalb von drei Monaten zu entscheiden haben. Ebenso begrüßen wir, dass die Gültigkeit der Baugenehmigung bei Unterbrechung der Bauausführung auf zwei Jahre angehoben wird.

Als neuen Punkt regen wir schon jetzt an, bei den verfahrensfreien Bauvorhaben die Themen „Gewächshäuser für landwirtschaftliche Betriebe“ und „Wintergärten“ in die Diskussion zu bringen. Eine Beschränkung bei Gewächshäusern auf 100 m² Grundfläche - darin sind auch Folienzelte zur landwirtschaftlichen Nutzung eingeschlossen - ist meines Erachtens nicht mehr angebracht.

Artikel 2 des Gesetzentwurfs schlägt Änderungen im Denkmalschutzgesetz mit der Absicht vor, dass sich Kommunen bei der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen können. In den 90er-Jahren wäre dieser Vorschlag

sicherlich noch nicht mehrheitsfähig gewesen. Heute, nachdem im Denkmalschutzbereich wirklich sehr viel passiert ist, ist es durchaus angebracht. Die Kommunen erhalten mehr Freiraum. Ich bin mir sicher, dass die Kommunen sehr sorgsam mit dem neu gewonnenen Freiraum umgehen werden. Eine mehr nutzungsorientierte Sanierung von Denkmälern oder auch ein Abriss ist oftmals besser als dauernder Verfall.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre und von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Bei Artikel 3 geht es um die Änderung des Naturschutzgesetzes. Die geltende strikte Sperre in FFH- und Vogelschutzgebieten wird gelockert, um unter Umständen bestimmte notwendige Infrastrukturmaßnahmen auch in Schutzgebieten durchführen zu können.

Über ein solches Thema lässt sich trefflich streiten. Ich plädiere aber klar dafür, mehr Freiheit für eine Abwägung zwischen Schutz und Nutzung auch bei Schutzgebieten zu erhalten. Alle Naturschutzgebiete in unseren Breiten sind bis auf ganz wenige Ausnahmen mehr oder weniger Kulturlandschaften, durch Menschen beeinflusst.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass alle Schutzgebiete, alle Ökosysteme und Biotope einem ständigen - auch vom Menschen völlig unabhängigen - Wandel unterzogen sind. Schutzziele wie Brutgebiete von Vögeln oder Standorte von geschützten Pflanzenarten kommen und gehen. Sie werden bewusst durch den Menschen geschaffen - siehe Bergbaunachfolgelandschaften - und sie gehen aufgrund unterlassener Pflegeleistungen des Menschen.