Es ist Usus, dass dort weder Beschlüsse gefasst noch Protokolle geschrieben werden. Es ist ein Meinungsaustausch, es ist eine Kanalisierung von Meinungen zur Vorbereitung von anderen Konferenzen, die mit den A-Ländern stattfinden. Diese Konferenz hat tatsächlich zehn Tage später in Dortmund stattgefunden. Wir haben dort Meinungen koordiniert, sodass ich Ihnen im Grunde genommen nur einiges davon berichten könnte.
Es sei nur so viel gesagt: Wir haben uns über die große Justizministerkonferenz unterhalten und natürlich auch über diese von Ihnen hier angesprochenen Fragen des Jugendstrafrechts.
Es ist nicht richtig, wenn uns unterstellt wird, dass wir den eigentlichen Boden des Jugendstrafrechts verlassen wollten oder gar schon verlassen hätten. Auch für uns, Frau von Angern, steht der Erziehungsgedanke, wenn wir uns mit dem Jugendstrafrecht befassen, im Vordergrund. Es kann nicht hingenommen werden, wie Sie es mit Ihrer charmanten Art gesagt haben, dass wir aus Opportunismus und einfach um der Schlagzeilen willen in populistischer Weise Forderungen aufstellen, hinter denen wir nicht stehen und die insbesondere den eben aufgezeigten Rahmen sprengen würden. Das ist nicht so. Ich muss Ihnen sagen und werde das auch unter Beweis stellen, warum das nicht so ist.
So hat das Land Sachsen-Anhalt in der letzten Zeit im Bundesrat dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Jugendstrafrechts und zur Verbesserung und Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens vom 14. Mai 2004 zugestimmt. Worum ging es dabei? - Es ging nicht darum, etwas zu verschärfen, sondern es ging darum, den Instrumentenkoffer für den Jugendstaatsanwalt und für den Jugendrichter zu erweitern. Sie nannten schon einen Punkt, nämlich den so genannten Warnschussarrest - ich spreche lieber von Warnarrest -, den wir für wichtig halten.
Wenn man sich dafür einsetzt, kann man doch nicht als Scharfmacher bezeichnet werden. Wir fordern, dass es den Jugendrichtern künftig möglich sein soll, neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe auch Jugendarrest anzuordnen.
Warum fordern wir das? - Viele Jugendliche, insbesondere solche, welche aufgrund von Reifeverzögerungen straffällig geworden sind, verstehen die Strafe mit Aussetzung zur Bewährung einfach falsch. Das wird Ihnen jeder in der Jugendgerichtsbarkeit Tätige sagen. Sie wähnen sich irgendwie freigesprochen. Da sie oftmals mit völlig überzogenen eigenen Straferwartungen in die Gerichtsverhandlung gehen, ist in ihren Augen dann letztlich nichts geschehen.
Eine besondere Brisanz erhält die Situation, wenn etwa ein Mitangeklagter zu Jugendarrest verurteilt wird, weil er eine minderschwere Strafsanktion verdient, und dies von dem Verurteilten als ein besonders schwerer Eingriff im Vergleich zu der dem anderen zugesprochenen Bewährungsstrafe empfunden wird. Das ist doch ein Missverhältnis. Das kann so nicht stehen bleiben.
Wenn Sie uns unterschwellig vorwerfen, eine rückwärts gewandte Politik zu machen, so möchte ich an dieser Stelle nicht verhehlen, dass wir mit dem besagten Gesetzentwurf auch von dem in der Tat überholten und stigmatisierten Begriff der „schädlichen Neigung als Voraussetzung für die Verhängung von Jugendstrafe“ los kommen wollten. Unseres Erachtens muss einzig und allein die Schwere der Schuld dafür sprechen, ob Jugendstrafe oder ob keine Jugendstrafe verhängt wird. Das wollten wir erreichen. So weit sind wir mitgegangen.
Ich nenne einen weiteren Gesetzentwurf, den Entwurf eines Gesetzes zur Verwaltung von Rückfalldaten gefährlicher junger Gewalttäter. Auch diesen Gesetzentwurf haben wir im Bundesrat mitgetragen. Dieser Gesetzentwurf bedeutet keine Abkehr von dem bewährten Modell des Jugendgerichtsgesetzes.
Wenn wir den Strafrahmen der Jugendstrafen für schwerste Kapitalverbrechen auf 15 Jahre hinaufsetzen wollen, wenn wir deutlich machen wollen, dass die Anwendung des Jugendstrafrechts auf Straftaten Heranwachsender, also der 18- bis 21-Jährigen, nur in Ausnahmefällen erfolgen kann, nämlich wenn eine gravierende Reife- und Entwicklungsverzögerung vorliegt, dann ist dieses richtig und wird von allen, die damit zu tun haben, als richtig empfunden.
Als Justizminister weiß ich nämlich auch, mit welcher Sorgfalt und Zurückhaltung die Gerichte die ihnen anvertrauten Instrumente einsetzen. Ich bin mir zudem bewusst, dass in den meisten Fällen erzieherische Maßnahmen ausreichen, um dem Verhalten junger Menschen entgegenzuwirken. Was wir uns aber nicht leisten können, ist, die Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass junge Menschen schwere Schuld auf sich laden und Straftaten mit schwersten Folgen für die Opfer begehen.
Ich bin nicht gewillt - das sage ich ganz offen, Frau von Angern -, die Hände in den Schoß zu legen und der Bevölkerung weiszumachen, es sei alles getan worden, was in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat für ihre Sicherheit geleistet werden kann. Hieran müssen wir weiter arbeiten.
Ich empfehle Ihnen, zum Beispiel in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 23. Mai 2005 nachzulesen. Dort finden Sie die erhellenden Ausführungen des anerkannten Psychiaters Maneros aus Halle zur Sicherungsverwahrung, auf die ich jetzt zu sprechen komme. Auch wenn es eine ge
ringe Zahl von Personen ist, die diese Sicherungsverwahrung betrifft, so müssen wir die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass gegenüber verurteilten Jugendlichen, deren fortwährende hochgradige Rückfallgefährlichkeit während des Behandlungsvollzugs in den Jugendstrafanstalten unvermindert zutage tritt, eine nachträgliche Sicherungsverwahrung anordnet werden kann.
Frau von Angern, die Sicherungsverwahrung - das wissen Sie von Ihrem Examen her noch sehr genau - wird alle zwei Jahre überprüft, sodass ein „Wegsperren für immer“ überhaupt nicht in Rede steht. Das ist im Grunde genommen ein vorübergehender Freiheitsentzug, der allerdings unter den Kautelen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, ausgesprochen und vollzogen werden muss.
Ich meine, deshalb bedarf es keiner Berichterstattung oder gar einer Expertenanhörung im Ausschuss. Ich empfehle Ihnen, die entsprechenden Bundesratsdrucksachen zu den von mir eben erwähnten zwei Gesetzesvorhaben zu lesen. Dort finden Sie die Haltung der Landesregierung.
Lassen Sie mich noch etwas sagen. Sie haben unter Punkt 3 weitere Forderungen aufgestellt. Es besteht ebenfalls kein Grund, dass wir uns noch einmal damit befassen, weil wir beides bereits ausgeführt haben. Die von Ihnen erhobenen Forderungen machen auch deshalb keinen Sinn, weil ein Blick in den Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung 2004 alle Fragen, die Sie hier gestellt haben, beantworten dürfte.
Wir können das natürlich als eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ansehen, aber ich meine, es gibt noch andere, wichtige Dinge im Rechtsausschuss, über die wir uns nach der Sommerpause unterhalten müssen. Dabei denke ich insbesondere an die Situation in den Vollzugsanstalten, worüber wir ebenfalls berichtspflichtig sind, und noch einige Punkte mehr.
Dann darf ich auch noch auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der PDS-Fraktion zu den Auswirkungen der Vergabe öffentlicher Mittel auf die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Sachsen-Anhalt hinweisen, die dem Landtag in diesen Tagen zugeleitet wird und in der die restlichen offenen Fragen beantwortet werden, die Sie im Ausschuss noch einmal erörtern wollen. Ich bin deshalb der Meinung, es bedarf dieser Ausschussberatung nicht.
Bezüglich der im Grunde auch angesprochenen Diversionsrichtlinien sage ich, dass wir natürlich wissen, dass diese allein kein Heilmittel sind, um die Jugendkriminalität in den Griff zu bekommen oder um die Jugendkriminalität einzudämmen. Wir wissen aber auch, dass in den Berichten des Generalstaatsanwalts zur Kriminalstatistik in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen worden ist, dass die geänderten Diversionsrichtlinien auch etwas mit dem Rückgang der Eingangszahlen bei der Staatsanwaltschaft zu tun haben.
Ich halte aber ausdrücklich fest, Frau von Angern: Diese Richtlinien kriminalisieren niemanden. Sie machen nur klar und deutlich, dass es bei Jugendlichen delinquentes Verhalten gibt, das wir alle nicht hinnehmen können und auch nicht wollen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Becker. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Südtribüne Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität aus Burg. Herzlich willkommen!
Meine Damen und Herren! Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Diese wird von dem Abgeordneten Herrn Kosmehl für die FDP-Fraktion eröffnet. Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen das Votum der FDP-Fraktion zum vorliegenden Antrag vorwegnehmen und dieses gleichzeitig begründen. Wir werden diesen Antrag ablehnen, aber nicht, weil wir einer inhaltlichen Positionierung aus dem Weg gehen wollen. Dazu werde ich im Laufe meiner Rede noch ausführlich sprechen.
Wir lehnen diesen Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ab, weil eine Berichterstattung der Landesregierung über Beschlüsse eines Gremiums gefordert wird, das gar kein formelles Beschlussgremium ist. Es handelt sich lediglich um eine Arbeitstagung der Landesjustizminister von CDU/CSU und des FDP-Justizministers aus BadenWürttemberg.
Darüber hinaus soll bereits mit der Verabschiedung des Antrages der Landesregierung eine Handlungsempfehlung für ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat mit auf den Weg gegeben werden. Ich frage mich, warum wir dann noch Berichterstattungen durch die Landesregierung und eine Expertenanhörung brauchten, wenn wir das heute tun würden. Ich denke, dies wäre dann überflüssig. Dazu kommt noch, dass es in dieser Wahlperiode auf der Bundesebene wohl nichts Neues zu dieser Thematik geben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige wenige inhaltliche Punkte eingehen. Die Diskussion über die Verschärfung des Jugendstrafrechts ist nicht neu, im Gegenteil, sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Justizpolitik der letzten Jahre. Die FDPFraktion geht davon aus, dass Ihnen, Herr Minister, unsere Positionen, die wir auch hier schon mehrfach vorgetragen haben, bekannt sind.
Zunächst stellt sich die Frage, ob die tatsächliche Sachlage überhaupt eine Verschärfung des Jugendstrafrechts rechtfertigen würde. Zum Beispiel ist die Jugendkriminalität in Sachsen-Anhalt gemäß einem aktuellen Bericht des Landeskriminalamts im Jahr 2004 deutlich zurückgegangen. Während im Jahr 2003 noch rund 30 000 Tatverdächtige registriert wurden, die jünger als 21 Jahre waren, was einem Anteil von 33,5 % aller Tatverdächtigen entspricht, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 28 000, also 2 Prozentpunkte weniger.
Ich teile die Auffassung des Ministers, dass dies selbstverständlich eine noch viel zu hohe Quote ist. Doch wir sind offensichtlich auf dem richtigen Weg, und es gilt, diesen Weg weiter zu beschreiten. Zu den sinkenden Kriminalitätsraten kommt hinzu, dass insbesondere die Zahl der begangenen schweren Delikte deutlich zurückgegangen ist. Auch das ist positiv und steht sicherlich im Zusammenhang mit den höheren Aufklärungsraten und damit auch der erfolgreichen Arbeit der Ermittlungs
Ich meine also, es gibt für eine generelle Verschärfung des Jugendstrafrechts derzeit keine Anhaltspunkte. Bei dieser Diskussion, die sich nun offenbar erneut entzündet hat, gilt es auch zu differenzieren. Wir lehnen die Forderung ab, bei Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren im Regelfall das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Es ist eine Fehlvorstellung, dass die Anwendung des Jugendstrafrechts eine vermeidbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Bereits auf der Grundlage der bestehende Gesetzeslage - diese sieht im Übrigen bereits jetzt die Anwendung des Jugendstrafrechts als Ausnahme vor - ist eine ausreichend praktikable Verurteilung heranwachsender Straftäter möglich.
- Herr Kollege Stahlknecht, wenn die Gerichte davon keinen Gebrauch machen, so ist es sicherlich nicht die Aufgabe des Gesetzgebers, die Gerichte dazu anzuhalten, sondern dann müssen die Gerichte diese Entscheidung begründen.
Zudem wird durch zahlreiche Studien belegt, dass durch härtere Strafen eine abschreckende und präventive Wirkung nicht erreicht werden kann. Wirkungsvoller wäre es aus unserer Sicht stattdessen, jugendspezifische Hilfsangebote an Schulen,
bei Gerichten, bei der Polizei und in den Kommunen voranzutreiben, natürlich immer in Zusammenarbeit mit den Eltern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch einem weiteren ständig in die Diskussion eingebrachten Vorschlag steht die FDP-Fraktion ablehnend gegenüber, nämlich der Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf 15 Jahre. Diese Neuregelung würde ebenso wie die generelle Anwendung des Erwachsenenstrafrechts den Vorrang des Erziehungsgedankens, der dem Jugendstrafrecht nun einmal zugrunde liegt, praktisch aushöhlen.
Ich komme auch gleich zum Ende. - Denn der Vorrang des Erziehungsgedankens wäre bei einem gleichen Strafrahmen wie im Erwachsenenstrafrecht kaum noch darzustellen. Ich denke, es ist unstrittig, dass der Erziehungsgedanke auch weiterhin maßgeblich sein soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer den dem Jugendstrafrecht zugrunde liegenden Erziehungsgedanken aufgibt, der gibt auch die Zukunft des Jugendlichen auf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen. Der Einführung des so genannten Warnarrestes stimmen wir zu, Herr Minister. Wir glauben, dass es eine letzte Möglichkeit ist, um den Jugendlichen noch einmal vor Augen zu führen, was für ein intensiver Eingriff ihnen droht, wenn sie die schiefe Bahn nicht verlassen. Deshalb ist das aus unserer Sicht ein gutes Instrumentarium. Da sind wir an Ihrer Seite.