Jetzt kommen wir zurück zum Kommunalverfassungsrecht. Ich halte schon allein den Titel für eine Mogelpackung. Ich werde in meinen Ausführungen darauf eingehen, warum das so ist.
Eigentlich müsste auf dem Gesetzentwurf das Motto „Vorwärts in die Vergangenheit“ oder „Zurück in die Zukunft“ stehen, weil - das hat der Finanzminister soeben ausgeklammert - damit auch Mitspracherechte beschnitten werden. Dies betrifft insbesondere Mitspracherechte der Bürger oder im Hinblick auf das Eigenbetriebsgesetz Mitspracherechte der Betriebsvertretungen im Rahmen des Betriebsausschusses.
Ich habe es bewusst überspitzt, um zu zeigen, dass dieser Gesetzentwurf eine Mogelpackung ist, weil neben einer Reihe von selbstverständlichen Rechtsangleichungen und Rechtsklarstellungen der Versuch unternommen wird, bewährte bürgerschaftliche Grundlagen der Mitsprache abzuschaffen, und die eigentliche Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechtes offen bleibt.
Dies, meine Damen und Herren der Koalition, reiht sich ein in Ihr konservatives Staatsverständnis. Es hat jedoch mit Zukunftsfähigkeit hin zu mehr bürgerschaftlichem Engagement und mit der Ausweitung von Gestaltungs- und Mitspracherechten der gewählten Vertretungen und der Bürger nichts zu tun.
Ich möchte mich aufgrund der begrenzten Redezeit auf einige Kritikpunkte beschränken und diese untersetzen. Sie wollen auf die bisherigen Regelungen des § 24a, der sich auf die Rechte von Bürgerinitiativen bezieht, verzichten. Sie wollen es ersatzlos streichen, da aus Ihrer Sicht diese Regelung nur eine deklaratorische Bedeutung hat und ansonsten der Artikel 13 der Landesverfassung über die Vereinigungsfreiheit greift.
Hiermit, meine Damen und Herren der Koalition, machen Sie den Bock zum Gärtner. In § 24a ist nicht die Zulässigkeit des Ob schlechthin geregelt, sondern die Verbindlichkeit der Einbeziehung der Anliegen der Bürgerinitiativen in die Arbeit des Gemeinderates, also das Wie.
Sollte dieser Vorschlag bereits heute umgesetzt werden, dann laufen Ihre Bemühungen, meine Damen und Herren, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kommunalverfassungsrecht - „Meine Stadt soll Kreisstadt werden!“, „Pro Anhalt!“, „Pro Dessau!“, Doppelstadt und ähnliches - voll ins Leere. Wie soll man damit danach eigentlich umgehen? Machen Sie das als Bürgerverharmlosung oder wollen Sie im Prinzip auf die sich derzeit bewährende Mitsprachemöglichkeit der Bevölkerung verzichten?
In Bezug auf die Anhebung der Einwohnerzahl von 20 000 auf 25 000 zur Bestellung von hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten ist in Ihrer Begründung nicht die Arbeit dieser Person zur Schaffung gleichwertiger Integrations- und Zugangsvoraussetzungen für Frauen der eigentliche Gegenstand, sondern die schwierigen wirt
schaftlichen und finanzpolitischen Rahmenbedingungen sowie die gegenwärtige Reform zur Weiterentwicklung der kommunalen Strukturen. Toll! Richtig prima. Dies ist umso mehr nicht nachvollziehbar, als das erklärte Ziel Ihrer Politik darin bestand, mehr Handlungsspielräume durch eine umfassende Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform zu schaffen.
Nun kommt im Prinzip die Wahrheit ans Tageslicht: Es geht also hierbei insbesondere um Fragen des Haushalts, um Fragen der durch Konsolidierungsmaßnahmen begründeten Streichungsarien und nicht um die Frage eines Mehr an bürgerlichen Mitspracherechten.
Ähnlich verhält es sich mit den Interessenvertretern. Zwar wird nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, Beiräte zu bilden, doch welchen gesetzlichen Rang sollen diese einnehmen? Wie erfolgt die finanzielle Entschädigung der in diesen Gremien ehrenamtlich Arbeitenden und welche Verbindlichkeit haben die Vorschläge der Beiräte für die Arbeit der Gemeinderäte?
Regelhaft Konsolidierungsschwerpunkte aufgrund der angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen erarbeiten zu wollen, ist nicht gerade Sinn und Zweck.
Mit der Einführung des Selbsteintrittsrechts der Fachaufsichtsbehörde wird der Spielraum der kommunalen Selbstverwaltung weiter eingeengt.
Ich könnte dies anhand einer Petition, die allen Fraktionen zugänglich ist, nämlich zu dem Kiez in Güntersberge, weiter ausführen. In diesem Fall wird durch das Selbsteintrittsrecht sowohl die fachliche als auch die rechtliche Durchsetzung von Aufgaben, bezüglich derer der Gemeinderat der Auffassung ist, es gehe in wirtschaftlich effizienter Weise anders, im Prinzip von vornherein ausgeschlossen. Durch das Ministerium wird gesagt, so wie der Plan es vorsieht, wird es gemacht, und entsprechend durchgesetzt. - Dies halten wir nicht gerade für politikförderlich oder zukunftsgewandt.
Wenn ich eingangs von einer Mogelpackung sprach, so ist abschließend festzustellen, dass die Landesregierung und Sie, meine Damen und Herren der Koalition, nicht eine Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts im Sinne von mehr Selbstverwaltung, Mitspracherechten der Bürger und Stärkung der Mandatsträger wollen, sondern deren Rechte weiter beschneiden hin zur staatlichen Vollzugsebene im kommunalen Bereich.
Nichts ist mehr übrig geblieben von Ihren Wahlversprechen für mehr kommunale Selbstverwaltung, Bürgernähe und Zukunftsfähigkeit.
Die PDS unterstützt eine Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss federführend und schlägt des Weiteren eine Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit - weil das Eigenbetriebsrecht betroffen ist - und in den Ausschuss für Finanzen zur Mitberatung vor. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Grünert. - Herr Kosmehl, Sie haben für die FDP-Fraktion das Wort. - Herr Kosmehl, einen kleinen Augenblick noch. Ich möchte nicht versäumen, Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Qued
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dem Beitrag des Kollegen Grünert kann man erkennen, wie emotional das Kommunalverfassungsrecht diskutiert wird und in der nächsten Zeit sicherlich auch in den Ausschüssen diskutiert werden muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz einige Erwägungen aufführen, die dazu geführt haben, erneut wichtige Gesetze im Bereich des Kommunalverfassungsrechts aufzugreifen und zu ändern.
Erstens. Die kommunale Selbstverwaltung ist von bürgerschaftlicher Mitwirkung geprägt. Deshalb sollen Erfahrungen, Wünsche und Anforderungen, die aus der Praxis an das Ministerium herangetragen worden sind, aber auch sonstige Entwicklungen im kommunalen Bereich berücksichtigt werden. Aus diesem Grund werden notwendige Klarstellungen, redaktionelle Änderungen und Anpassungen durchgeführt.
Zweitens ist das Ziel des Gesetzes zu nennen, dass die kommunale Handlungsfähigkeit weiter gestärkt werden soll. Deshalb, meine Damen und Herren - das sehen wir durchaus nicht unkritisch -, ist es notwendig, erneut Gesetze wie die Gemeindeordnung oder die Landkreisordnung anzupacken und zu ändern, wie wir das bereits einige Male in dieser Wahlperiode getan haben.
Alle bisherigen Änderungen waren für sich genommen sachlich begründet und wohl überlegt. Allerdings weisen wir heute schon darauf hin, dass es für den Rechtsanwender durchaus komplizierter wird, wenn immer mehr Änderungen ein und desselben Gesetzes vorgenommen werden. Wir regen deshalb an, dass nach Abschluss aller Änderungen, die derzeit in den Beratungsgängen hier im Hohen Hause erfolgen, eine Neubekanntmachung der Gemeindeordnung durchgeführt wird, damit wir am Ende ein lesbares Gesetz haben, das die Anwendung vor Ort garantiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf zwei wesentliche Änderungen eingehen. Aus meiner Sicht ist die Novellierung der Vorgaben bezüglich des Umfangs der Tätigkeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ein wichtiger Punkt - diesen hat Herr Grünert auch schon angesprochen -, der auch in der Anhörung sicherlich eine zentrale Rolle spielen wird.
Künftig wird es für die Kommunen im Sinne der Schaffung von unbürokratischen Regelungen und finanziellen Spielräumen erst ab einer Einwohnergröße von 25 000 Einwohnern verpflichtend sein, eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Kleineren Gemeinden ist es überlassen, ob sie ebenfalls eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einstellen oder ob damit jemand ehrenamtlich betraut wird, zum Beispiel jemand, der in der Verwaltung hauptamtlich tätig ist.
Herr Grünert, ich sage Ihnen: Eine ehrenamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte kann diese Aufgabe, die wichtig ist, in gleicher Art und Weise und in gleicher Intensität wie eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte durchführen.
- Frau Bull, nur weil man hauptamtliche Beauftragte hat, heißt das nicht, dass Sie das Ehrenamt gänzlich vernachlässigen oder streichen können.
(Frau Bull, PDS: Sie haben nur gesagt, sie kön- nen es genauso! Da sage ich: Dann können wir sie gleich abschaffen!)
- Aber kommt es nicht darauf an, ob jemand diese Aufgabe ausfüllt? Wenn er sie ausfüllt, ist es doch völlig egal, ob er ehrenamtlich oder hauptamtlich tätig ist. Wichtig ist, dass die Aufgabe gemacht wird, dass die Aufgabe ausgefüllt wird.
- Frau Bull, Ihre Logik, dass es nur mit einer hauptamtlichen Stelle gemacht werden kann, teile ich nicht. Dies kann eine Ehrenamtliche genauso gut machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenso wichtig erscheint uns eine Neuregelung bezüglich der formulierten Zuständigkeit des Landesrechnungshofes für die überörtliche Prüfung von Zweckverbänden, was zur Verbesserung der Effektivität der überörtlichen Prüfung führen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das waren nur zwei Beispiele für viele Änderungen, die aufgeführt worden sind. Ich erspare es mir an dieser Stelle, weitere Änderungen anzusprechen. Wir werden sie in intensiven Ausschussberatungen noch einmal aufgreifen und eine Anhörung anregen, die umfänglich in allen Bereichen auf die einzelnen Regelungen Rücksicht nimmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 8. Juli 1993 wurden in diesem Hohen Hause die Landkreisordnung und die Gemeindeordnung verabschiedet. Jetzt stehen wir vor der 26. Änderung der Kommunalverfassung. Wir muten natürlich dem Rechtsanwender eine ganze Menge zu. Und das geht noch weiter. Wir sind angesichts der Dynamik, die wir bei uns im Land haben, noch lange nicht fertig.
Das, Herr Kosmehl, würde mich alles noch nicht so sehr stören und ich wäre auch sehr dafür, wenn wichtige Dinge, die noch angepackt werden müssen, in einer Neufassung der Kommunalverfassung ihren Niederschlag finden würden. Aber wir sollten warten, bis endlich eine zukunftsgerechte und beherzte Verwaltungsreform auf den Weg gebracht wird, zum Beispiel die Funktionalreform. Davon hört man nichts. Davon sieht man nichts.
Ich denke, wir sind uns einig, dass die Kommunalreform, wie sie jetzt gerade umgesetzt wird, nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wir müssen weiter vorankommen in Richtung der Einheitsgemeinden, wenn wir das Land nach vorn bringen wollen.