Protocol of the Session on May 27, 2005

(Zustimmung bei der PDS - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Was machen Sie mit denen?)

Für sie wäre dann der Hauptschulabschluss sicherlich angemessen.

(Herr Tullner, CDU: Aha!)

Aber wir reden von der Verringerung der Zahl dieser Abschlüsse.

(Zuruf von der PDS: Richtig! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Herr Tullner, entschuldigen Sie bitte, Sie haben davon keine Ahnung. Also halten Sie sich einen Moment ein bisschen zurück.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Wenn man sich dann den Antrag der Koalitionsfraktionen anschaut, stellt man fest, dass gefordert wird, die Schülerinnen und Schüler sollen angehalten werden, Mindestanforderungen zu erfüllen. „Angehalten werden“, na schön. Wenn es so einfach wäre, warum haben wir es dann nicht längst gemacht? Es soll die Motivation erhöht werden. Ja. Aber, bitte schön, wie? Die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule soll dabei helfen. Mag sein. Auch die späteren beruflichen Anforderungen sollen erlebbar gemacht werden. Das eben schon zitierte produktive Lernen hilft dabei wahrhaftig, aber es ist ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das einzige, was an dieser Stelle fehlt - Herr Schellenberger hat es zwar in seiner Rede genannt, aber in dem Antrag fehlt es -, ist die Frage, wie individuell gefördert werden kann. Das gehört in den Antrag hinein. Um nämlich eine solche Zielstellung zu erreichen, muss man stärker individuell fördern. Genau das wird im Hauptschulunterricht nicht erreicht. Nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen es nicht wollen, sie schaffen es so nicht.

Dann muss ich Ihnen auch noch einmal sagen: Die wissensbasierte Gesellschaft, in der wir uns befinden, erfordert - das sagen Ihnen alle Wirtschaftswissenschaftler - tendenziell eine größere Anzahl höherer Abschlüsse. Was machen wir? - Wir orientieren auf den Hauptschulabschluss. Mit Verlaub, was soll denn das werden?

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Sollen wir diese jungen Leute auf das Abitur orientieren und sie komplett streichen?)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende, bitte.

Am Ende. Gut.

Herr Olbertz, Sie haben am Anfang Ihrer Amtszeit erklärt, Sie wollten den Sekundarschulabschluss zu einem gleichwertigen, aber andersartigen Bildungsgang gestalten. Mit Verlaub: Der Hauptschulabschluss und der auf den Hauptschulabschluss orientierte Unterricht ist nicht gleichwertig.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Fragen Sie die Industrie- und Handelskammern, fragen Sie die Handwerkskammern. Damit können Sie keinen Blumentopf gewinnen. Das kann tatsächlich nur die Ausnahme für Schülerinnen und Schüler sein, die sehr große Lernschwächen haben.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: So soll es sein!)

Ich behaupte: Das sind nicht so viele, wie Sie in diese Bildungsgänge einsortieren lassen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Es ist für mich schon erstaunlich, dass die Koalition ihre eigene Landesregierung am Ende der Legislaturperiode auffordert, darüber zu berichten, wie sie es denn anstellen wolle, das zu machen, was sie am Anfang versprochen hat.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Für mich, meine Damen und Herren, ist das eine Bankrotterklärung der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen in der Bildungspolitik.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Das ist eine populistische Partei- tagsrede!)

Aus diesem Grunde und wegen des verfehlten Ziels lehnen wir Ihren Antrag ab. Nicht, weil wir die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss verringern müssen - das ist schon richtig -, aber so, wie Sie es machen wollen, geht der Antrag an den Notwendigkeiten, an den Interessen sowie an den Lebensperspektiven der Schülerinnen und Schüler vorbei. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Lebhafter Beifall bei der PDS - Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Frau Dr. Hein, es gab noch eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Tullner. - Bitte sehr.

Keine Nachfrage, sondern eine Intervention. - Frau Dr. Hein, ich respektiere ja, dass Sie seit dem Jahr 1990 im Haus sind und mit der Schulpolitik sehr viel mehr vertraut sind als ich. Dass ich mich im Rahmen der Arbeit

im Arbeitskreis Bildung mehr den Hochschulen zugewandt habe, haben Sie sicher auch zur Kenntnis genommen. Ich möchte hier für die Öffentlichkeit aber doch erklären, dass ich mich immer bemüht habe - so wie es öfter in den Zeugnissen steht -, auch in der Schulpolitik aufmerksam zu sein und meinen Beitrag zu leisten.

(Frau Budde, SPD, lacht)

Ich möchte Sie dazu ermuntern, das hier nicht zu diskreditieren und mich nicht zu disqualifizieren. Das mache ich schließlich auch nicht, und das ist auch kein Umgang, den man miteinander pflegen sollte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe)

Herr Tullner, zunächst einmal: Der Minister hat selten so viel dazwischen gerufen bei meinen Reden wie heute. Das ist vielleicht auch bezeichnend für den Streit, den wir miteinander haben.

Herr Tullner, ich werde Ihnen Ihr Engagement für die Hochschulen nicht absprechen. Ich glaube nur, dass Sie von dem Hauptschulabschluss und diesem Bildungsgang wirklich wenig verstehen. Das nehme ich Ihnen nicht übel. Ich verstehe von vielen Dingen, die in der Hochschullandschaft passieren, herzlich wenig. Deshalb halte ich mich bei diesem Thema auch zurück. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD - Frau Budde, SPD, lacht)

Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Volk sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Schulbildung für alle zu setzen gehört zu den elementaren Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge. Unsere Landesverfassung macht dies deutlich, indem sie in den Artikeln 25 und 26 das ausdrückliche Recht eines jeden jungen Menschen auf eine seine Begabungen und Fähigkeiten fördernde Ausbildung festschreibt.

Dies ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, der unmittelbare Auftrag an alle Verantwortlichen. Ein anerkannter guter Abschluss öffnet einem Absolventen eine Vielzahl von Türen. Wer dagegen keinen Schulabschluss hat, ist in seinen Wahlmöglichkeiten bezüglich des späteren Berufslebens, gelinde gesagt, stark eingeschränkt. Damit scheiden für seine persönliche Lebensplanung viele Optionen von vornherein aus. Die Jugendlichen scheitern an unzureichender formaler Bildung.

Dieser Zusammenhang lässt sich auf eine kurze Formel bringen: Gute Schulbildung ermöglicht persönliche Freiheit und Entfaltung; mangelnde Abschlüsse schränken sie ein. Die Verpflichtung zur Sicherung der Freiheit eines jeden Einzelnen bringt damit auch die Pflicht zur Ermöglichung von leistungsgerechter Schulbildung mit sich.

Angesichts dieses Zusammenhangs können die Zahlen der Abgänger, die in Sachsen-Anhalt die Schule ohne mindestens einen Hauptschulabschluss verlassen, überhaupt nicht befriedigen. Wenn wir die Sekundarschule isoliert betrachten - meine Vorredner haben das schon

gesagt -, dann ist festzustellen, dass im vergangenen Jahr von insgesamt 21 635 Schulabgängern in dieser Schulform 2 883 Schüler - das sind fast 14 % - keinen Haupt- oder Realschulabschluss hatten.

Eine radikale Interpretation dieser Zahlen müsste lauten: Die Sekundarschule hat bei fast jedem siebenten Schüler versagt. Eine solche Quote hätte in fast jedem anderen Bereich ein institutionelles Erdbeben ausgelöst. Bei den Schulen scheint es, als hätte man sich in den vergangenen Jahren an eine solche Durchfallquote gewöhnt. Betrachtet man die Zahlen im zeitlichen Verlauf, so stellt man fest, dass die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss in Sachsen-Anhalt schon immer so hoch gewesen ist.

Ich setze meine Hoffnung darauf, dass sich der Hauptschulabschluss - damit gehe ich konträr zu Frau Dr. Hein - in der Perspektive bemerkbar machen wird. Wenn es uns gelingt, den Hauptschulbildungsgang als eigenständigen Weg zu einem bestimmten Berufsspektrum zu etablieren

(Frau Dr. Hein, PDS: Zu welchem denn bitte?)

und in der Schule den Schülern die zugehörigen Qualifikationen zu vermitteln, dann steigt die Motivation und es steigt auch die Erfolgsquote.

Die Schüler brauchen eine Perspektive. Aus meiner Sicht ist ein guter Hauptschulabschluss die Eintrittskarte in das Berufsleben und steigert die Motivation.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Situation in Sachsen-Anhalt besonders problematisch. In der Mehrzahl der Bundesländer liegt die Quote der Abgänger ohne Schulabschluss unter 10 %. In Thüringen und in Sachsen, die mit der Regel- und der Mittelschule im Sekundarbereich analoge Strukturen wie Sachsen-Anhalt aufzeigen, sind es gut 9 %. Dies ist vor dem eingangs aufgezeigten Hintergrund noch lange nicht befriedigend, aber es zeigt die Defizite in unserem Land auf.

Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen: Die Zahl beschreibt nur ein Symptom. Wir sollten uns davor hüten, einen Sündenbock - die Lehrer, die Kultusverwaltung, das gesellschaftliche Klima oder die Bildungspolitik - zu benennen. Die Mehrheit der Schüler, die die Sekundarschule ohne Abschluss verlassen, besucht anschließend ein Berufsvorbereitungsjahr, ein Teil auch ein Berufsgrundbildungsjahr. Angesichts der aktuellen Situation sind diese Maßnahmen notwendig, um den Schülern überhaupt eine Perspektive zu geben. Sie greifen jedoch erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, das heißt, wenn die Schüler ohne Abschluss dastehen. Wir sollten die Ressourcen in die Schule verlagern. Es besteht akuter Handlungsbedarf.

Die Koalitionsfraktionen haben den Antrag gestellt. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen, und hoffe auf eine intensive, zielgerichtete Diskussion in den Ausschüssen. - Besten Dank.

Herr Dr. Volk, wären Sie bereit, noch eine Nachfrage von Frau Dr. Hein zu beantworten? - Bitte sehr, Frau Dr. Hein.

Herr Dr. Volk, ich gebe Ihnen Recht, dass ein Hauptschulabschluss besser ist als kein Hauptschulabschluss.