Protocol of the Session on May 27, 2005

Ich habe während meiner Gespräche vor Ort keine einzige Kritik an der Ausbildung der jungen Leute gehört, weder von der Gewerkschaft noch von Beamten der Kripo. Sie können sich vorstellen, dass ich das mit Akribie betrieben habe.

Wenn bei dem Studiengang für den höheren Polizeivollzugsdienst elf Monate für nichts anderes vorgesehen sind als für Praktika unterschiedlichster Art, muss man sich auch fragen, was Sie eigentlich mit mehr Praxisnähe erreichen wollen. Wenn Sie dann sagen, die machen in ihrer Praxisausbildung nicht das Richtige, dann müssen Sie sagen, was geändert werden muss. Das sagen Sie aber nicht. Deshalb kritisiere ich Ihr gesamtes Vorhaben zumindest in diesem Punkt und mit dieser Begründung.

Dass alle Länder interne Fachhochschulen bzw. Polizeihochschulen haben, ist für mich kein inhaltliches Argument. Komischerweise fragen gerade die in Aschersleben um Rat und wollen Hinweise von denen haben. Dann müssen sie doch als ziemlich erfolgreich angesehen werden.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt!)

Die anderen müssten sich viel eher fragen, warum sie nicht aus der Ägide des Innenministeriums entlassen werden.

Ein letzter Vorwurf, der erhoben wird: Die jungen Leute lernen dort nicht das Richtige, das merkt man an ihrem späteren Einsatz. - Es kann aber auch sein, dass sie in ihrem späteren Einsatz an der falschen Stelle sind. Sie studieren dreieinhalb Jahre und gehen dann zur Bereitschaftspolizei.

(Zustimmung von Frau Hunger, PDS, und von Herrn Gallert, PDS)

Nichts gegen die Bereitschaftspolizei, die haben einen schweren Dienst; das ist überhaupt nicht mein Thema. Aber die Frage ist: Wenn sie eine so hohe Verweildauer haben, kann es dann nicht sein, dass das fehlende Personalentwicklungskonzept des Innenministeriums zu die

sem Fehleinsatz führt und die Leute dadurch frustriert und demotiviert sind?

(Zustimmung bei der PDS)

Insofern kann ich mich zunächst nur meinen Vorrednerinnen anschließen. Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft sollte federführend beraten, der Ausschuss für Recht und Verfassung sollte die grundgesetzliche Frage prüfen und der Innenausschuss sollte als mitberatender Ausschuss gehört werden. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Das war eine interessante Rede!)

Danke, Frau Dr. Sitte. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Tullner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss mich ein bisschen wundern. Hier wurde ein Bild von einer kleinen, friedlichen Fachhochschule irgendwo im schönen Aschersleben gezeichnet.

(Herr Gallert, PDS: Genau so ist es nämlich!)

Und dann kommt das böse Innenministerium als dunkle Macht und will diese arme friedliche Fachhochschule verschlingen. - So einfach sollten wir es uns nicht machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es ist schon vieles gesagt worden. Die Geschichte der Fachhochschule hat uns nicht zuletzt bei der Hochschulgesetzgebung intensiv beschäftigt; das war gut und richtig. Wir sollten aber, da wir alle als Hochschulpolitiker geredet haben, konstatieren, dass wir uns in dieser Sache nicht zu wichtig nehmen sollten. Denn diese Fachhochschule hat nun einmal die Besonderheit, dass sie für die Polizei ausbildet und in diesem Sinne eine spezifizierte Fachhochschule ist. Deswegen können wir uns als Hochschulpolitiker viel wünschen, viel denken, aber wir sollten das mit den Anforderungen an die Arbeit der Polizei und auch mit den Kompetenzen abgleichen, die das Innenministerium und die Innenpolitik in diesem Bereich notwendigerweise einfordern und auch bekommen.

Ich denke, die Diskussion hat mit diesem Gesetz eine gute Grundlage. Wir werden uns in den beschriebenen Ausschüssen - ich denke, das ist eingängig - intensiv damit beschäftigen.

Ich möchte noch eines zu der Frage des Anforderungsprofils sagen. Mein Kollege Erich Reichert, der die Polizei als polizeipolitischer Sprecher sehr intensiv kennt, und ich haben festgestellt, dass die eben auch sagen: Es ist wohl nichts so gut, dass es nicht verbessert werden könnte.

Ich meine, wir haben eine gute Polizei. Die Polizei wird gut ausgebildet, aber es gibt Bereiche, in denen es erlaubt sein muss, darüber nachzudenken, wie man eine verbesserte Ausbildung mit anderen Strukturen in der Polizeiausbildung in Übereinstimmung bringt. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf eine gute Grundlage, mit der wir uns im Ausschuss intensiv beschäftigen werden.

Ich möchte aber die Hochschulpolitiker ein bisschen zur Zurückhaltung ermahnen. Wie gesagt, die Polizei gehört für uns als Hochschulpolitiker nicht zur Kernkompetenz. Die Fachhochschule der Polizei ist eine wichtige Hoch

schule, aber eben auch nur eine unter vielen. Wir sollten die Belange der Innenpolitik nicht völlig ausblenden; denn die Hochschule ist kein Selbstzweck, sondern dient der Ausbildung der Polizei. - Vielen Dank.

(Zustimmung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Das war der letzte Debattenbeitrag. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2139 ein.

Wir stimmen über die Ausschussüberweisung ab. Einer Überweisung als solcher stand nichts im Wege. Es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft sowie zur Mitberatung in den Innenausschuss und in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Eine Gegenstimme. Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Gesetzentwurf in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Verringerung der Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss an allgemein bildenden Schulen

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/2172

Der Einbringer ist der Abgeordnete Dr. Schellenberger. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag der CDU und der FDP kann sicherlich auch von den anderen beiden Parteien getragen werden. Ich denke, das ist ein Bildungsthema, das nicht einer, wie in einer der vorhergehenden Debatten, kontroversen Diskussion bedarf.

Hinsichtlich der Verringerung der Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss an allgemein bildenden Schulen bitten wir die Landesregierung, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Einige Stichpunkte möchte ich nennen, die in dem Konzept enthalten sein sollten. Eine Begründung für unseren Antrag ist die Tatsache, dass von 34 766 Schülern 4 864 ohne Abschluss bleiben.

Das könnte man differenzieren und könnte sagen, darunter seien die Schüler, die Schulen mit besonderen Förderschwerpunkten besuchten und die dann herausfielen. Aber die Statistik ist, glaube ich, an dieser Stelle unwichtig. Die Statistik ist nur die eine Aussage; das Grundproblem, das dahinter steckt, ist ein anderes. Wie es immer so schön gesagt wird, es geht um Menschen, um junge Menschen, die keinen Schulabschluss haben. An dieser Stelle müssen wir etwas tun. Dazu sind wir alle gemeinsam aufgefordert.

Vielleicht noch ganz kurz zur inhaltlichen Betrachtung. Wir haben sehr viele differenzierte Abschlüsse. Wir haben Schüler ohne Hauptschulabschluss. Das sind die Schüler an den Förderzentren. Dann haben wir Schüler an den Realschulen, die den Hauptschulabschluss

nicht schaffen. Ferner gibt es den normalen Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss, die Abschlüsse der Fachhochschulreife und der allgemeinen Hochschulreife.

Das Grundsatzproblem an dieser Stelle ist ein anderes. Selbst bei einigen derjenigen, die den Abschluss erreichen, steht darunter der Satz: Wenn er sich mehr bemüht hätte, dann hätte er noch besser werden können. Ob man nun mit einem Notendurchschnitt von 1,8 oder von 2,0 abschließt, ist nicht so tragisch. Man hat eben sein eigenes Leistungsvermögen nicht ausgeschöpft. Viel schlimmer ist es aber bei denjenigen, die aufgrund der Nichtausschöpfung der eigenen Motivation, aufgrund der Lerneinstellung und aufgrund von Einflüssen von außen, das heißt also der Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule, diese Klippe nicht geschafft haben.

Ohne Abschluss beginnt der eigentliche Teufelskreis. Wie sieht es mit der Berufsausbildung aus, wie wird das später im Beruf? Das sind riesige Probleme.

Ich darf Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass in den letzten drei Jahren in dieser Richtung eine Menge getan und verändert wurde. Wir haben uns zum Beispiel in der Grundschule mehr auf die Kernfächer Mathematik, Deutsch und ab der 3. Klasse Englisch konzentriert. In gleicher Weise ist es an den Sekundarschulen ab Klasse 7 passiert. Wir haben dort mehr Klarheit hineingebracht.

Unabhängig davon muss man aber feststellen, dass das, was wir bisher gemacht haben, nicht ausreicht. Wir müssen der individuellen Förderung der Schüler wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken. Wir müssen wirklich erreichen, dass der Unterricht erlebbar und mit Praxisrelevanz verbunden wird. Dazu sind wir alle gemeinsam gefordert.

Denn jeder Schüler ohne Abschluss ist ein Schüler zu viel. Das sollte die Zielrichtung sein. Das sollte auch die Zielrichtung des Antrags sein. Es geht um zwei wesentliche Aspekte: Erstens Verringerung der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Der zweite Aspekt - der nicht explizit erwähnt wird, der aber genauso mitbetrachtet werden muss -, ist, dass wir uns auch um diejenigen Schülerinnen und Schüler kümmern müssen, die bereits ohne Abschluss abgegangen sind und etwa im Berufsleben stehen.

Kurz und schmerzlos: Ziel dieser ganzen Geschichte ist es, dass wir alle gemeinsam ran müssen. Ich denke, in dieser Frage wird sich auch der Bildungsausschuss einmütig äußern. Denn nichts ist schöner, als wenn Bildungspolitik von einer breiten Basis getragen und von allen Parteien unterstützt wird. Ich denke, hierbei ist dies keine Schwierigkeit.

Hier sitzen wir alle in einem Boot: die Politik, die Schüler, die Lehrer, die Eltern und die Wirtschaft. Wir müssen hier gemeinsam arbeiten. Der Satz: „Bildung ist eine Investition in die Zukunft“ lässt sich gut verkaufen und diesen unterschreiben auch alle. Aber wir müssen daran denken, dass Bildung auch ein sehr langfristiger Prozess ist. Wir können nicht in Wahlperioden arbeiten. Denn bevor die Prozesse greifen, wird noch einige Zeit vergehen.

Eine abschließende Bemerkung. Wir brauchen intelligente Lösungen, die in der Praxis umsetzbar sind und in der Praxis greifen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Bravo!)

Danke, Herr Dr. Schellenberger, für die Einbringung. - Als erster Debattenredner hat für die Landesregierung der Kultusminister Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss wird seit Jahren immer wieder kritisch reflektiert, insbesondere deshalb, weil die Abschlusszahlen als Indikatoren für den Erfolg oder das Scheitern des Schulsystems herangezogen werden. Das geschieht mit Recht.

Die Zahlen, auf die in dem Auftrag Bezug genommen wird, sind in der Tat Besorgnis erregend. Rund 14 % der Schulabgängerinnen und Schulabgänger verlassen die Schule unterhalb eines Hauptschulabschlusses. Ich formuliere es bewusst so, weil wir es denjenigen Schülerinnen und Schülern, die mit einem regulären Abschluss zum Beispiel einer Lernbehindertenschule, also unterhalb des Hauptschulabschlusses, die Schule verlassen, nicht antun können, sie mit dem Stigma „erfolglos“ zu versehen. Es sind in Wirklichkeit 7,7 % der Schülerinnen und Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen.

Das ist beunruhigend genug; nicht dass Sie mich dahin gehend falsch verstehen, ich wollte diese Zahlen ein wenig schöner machen. Nur, wir können nicht einfach von 14 % sprechen. Darin ist eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern enthalten, die an den Sonderschulen, wie wir sie zurzeit noch nennen, immerhin einen ordnungsgemäßen Abschluss erwerben, teilweise unter erheblicher Anstrengung mit einem hohen Maß an Förderung. Gerade unsere Förderschulen arbeiten ausgesprochen erfolgreich auf diesem Sektor.

Es gibt seit Jahren keinen Trend der Besserung. Das ist kein akuter Befund, aber gleichwohl ein außerordentlich dramatischer, weil es auch uns bisher nicht gelungen ist, diese seit Jahren hohe Quote von Schülerinnen und Schülern ohne erfolgreichen Schulabschluss zu senken. Es gibt zwar einen leichten Trend, aber diesen kann ich Ihnen beim besten Willen nicht als Erfolg verkaufen.

Das zeigt übrigens auch, dass Veränderungen im Schulsystem, insbesondere Effekte innerer Schulreformen, die wir als Schwerpunkt unserer Bildungspolitik definiert haben, eine ganze Zeit lang brauchen, bis sie in der Praxis wirken. Deswegen werde ich auch nicht in die Polemik verfallen, darauf aufmerksam zu machen, wann diese Schülerinnen und Schüler den Großteil ihrer Schulzeit absolviert haben oder nicht. Das wäre ein billiger politischer Effekt. Die Probleme sind dramatisch genug, um nicht auf dieser Ebene womöglich die Auseinandersetzung zu führen.

Noch ein allerdings sehr wichtiger Satz: Diese Schülerinnen und Schüler haben ein Anrecht darauf, dass wir mehr Phantasie auf sie verwenden, als sie nur erneut in eine Schulstrukturdebatte zu verwickeln.