Protocol of the Session on July 19, 2002

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren von der Koalition, sehr geehrter Herr Minister, Sie werden in Bezug auf die bildungspolitischen Entscheidungen in der PDS eine gesprächsbereite Partnerin finden,

(Frau Feußner, CDU: Ich glaube, nicht!)

aber nicht bei solchen Entscheidungsabläufen, wie wir sie in den letzten Wochen und Monaten hinsichtlich der Grundschule erleben mussten. Das ist organisierte Konzeptionslosigkeit zulasten der Kinder und der Schulen. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Frau Feußner, CDU: Ein Glück, dass Sie in den letzten acht Jahren nicht hier waren! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Danke, Herr Höhn. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse werden laut Geschäftsordnung des Landtages nicht gefasst. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 3 erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4:

Zweite Beratung

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/35

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drs. 4/72

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/88

Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/90

Die erste Beratung fand in der 4. Sitzung des Landtages am 21. Juni 2002 statt. Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberger, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gott sei Dank kann man an dieser Stelle wieder sachlich werden.

(Frau Dr. Hein, PDS, lacht)

Deswegen freue ich mich, Ihnen als Ausschussvorsitzender das neutral darzustellen, was gelaufen ist.

Mit dem Gesetz vom 24. November 2000 wurde in der vergangenen Wahlperiode die Grundschule mit festen Öffnungszeiten in Sachsen-Anhalt eingeführt. Das Gesetz folgte der pädagogischen Intention, dass während der Aufenthaltszeit in der Schule durch den Einsatz pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Phasen der Erziehung, Bildung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler ineinander übergingen. Die Dauer der Öffnung der Grundschulen wurde schultäglich auf in der Regel fünfeinhalb Stunden festgeschrieben, wobei die Anwesenheit während dieser Zeit für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich war.

An dieser Anwesenheitspflicht schieden sich schon damals die Geister. Die CDU-Fraktion als damalige Opposition sprach sich zwar für eine Grundschule mit festen Öffnungszeiten aus, lehnte aber die Anwesenheitspflicht ab, weil sie nach ihrer Auffassung einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern darstellte.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Dies war insbesondere auch die Meinung der Elterninitiative „ABC schützen“, die sich im außerparlamentarischen Raum gründete und auf gerichtlichem Wege gegen das Gesetz vorging.

Gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode haben sich nun die Koalitionsfraktionen der CDU und der FDP entschieden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zwar die schultägliche Öffnungszeit von fünfeinhalb Zeitstunden und den Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule beibehält, jedoch zur Absicht hat, die Zeit am Anfang und am Ende des Schultages als offene Eingangs- und Ausgangphase zu führen, deren Besuch freiwillig sein soll.

Dieser Gesetzentwurf ist in der 4. Landtagssitzung am 21. Juni 2002 zur Beratung an den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft überwiesen worden. Die Koalitionsfraktionen betonten, dass sie die Absicht haben, dieses Gesetz am heutigen Tag zu verabschieden und bereits am 1. August 2002 in Kraft treten zu lassen.

Dieser Intention nachkommend, haben sich die Mitglieder des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf eine zügige Beratung über den Gesetzentwurf verständigt und dafür die Sitzungen am 3. und am 10. Juli 2002 vorgesehen.

Mit Schreiben vom 21. Juni bzw. vom 26. Juni 2002 beantragten die Fraktionen der PDS bzw. der SPD, am 10. Juli eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchzuführen. Im Anschluss daran sollte über das Gesetz beraten und beschlossen werden. Auf kurzem Wege verständigte man sich über die Durchführung dieser Anhörung und auf den Kreis der einzuladenden Anhörungsteilnehmer.

In der Sitzung am 3. Juli 2002 fand eine erste Beratung des Ausschusses statt. Hierbei wurden unterschiedliche Meinungen der Fraktionen insbesondere zur kurzfristigen Umsetzung des Gesetzentwurfes, zu dem in ihm enthaltenen pädagogischen Konzept und zu möglichen Auswirkungen auf die Schülerbeförderung deutlich.

Breiten Raum nahmen in der Diskussion die von den Fraktionen der SPD und der PDS geäußerten Befürchtungen ein, dass in der Folge der Gesetzesnovellierung Rechtsansprüche von Eltern auf eine Schülerbeförderung nach § 71 Abs. 4 des Schulgesetzes auch vor und nach dem Ende des Pflichtunterrichts entstehen könnten. Es wurde die Notwendigkeit einer entsprechenden Rechtssicherheit für die Landkreise als Träger der Schülerbeförderung unterstrichen.

Die CDU-Fraktion vertrat den Standpunkt, dass unter Beachtung des § 71 Abs. 4 des Schulgesetzes die Schülerbeförderung nur vor der Eingangsphase bzw. nach der Ausgangsphase der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten vorzuhalten sei.

Ein wichtiger Diskussionspunkt war die Frage, inwieweit sowohl die Lehrkräfte als auch die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der gesamten schultäglichen Öffnungszeit der Grundschule, das heißt die Lehrkräfte in den Betreuungszeiten vor und nach dem Unterricht und die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in der Unterrichtszeit, eingesetzt werden können.

Am Ende der Sitzung am 3. Juli 2002 richtete der Ausschuss die Bitte an das Kultusministerium, den Entwurf einer dem Gesetz nachfolgenden Rechtsverordnung zur

Kenntnis zu geben. Der vom Kultusministerium zugesagte Entwurf einer Rechtsverordnung lag am 12. Juli 2002 vor.

In der Sitzung am 10. Juli 2002 führte der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft die Anhörung von Interessenvertretungen, Institutionen und Sachverständigen durch. Einige der benannten Anhörungsteilnehmer hatten die Teilnahme an der Anhörung abgesagt, jedoch in schriftlichen Stellungnahmen ihre Positionen dargelegt.

Im Anschluss an die Anhörung und nach Klärung von Verständnisfragen widmete sich der Ausschuss den Änderungsanträgen. Zunächst wurde über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der die Führung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten und die Beschlussmöglichkeit durch die Gesamtkonferenz vorsah, die Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten zu führen, abgestimmt. Der Antrag fand bei 6 : 7 : 0 Stimmen keine Mehrheit.

Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, der im Wesentlichen redaktionelle Änderungen und Folgeänderungen beinhaltete, wurde mit 7 : 6 : 0 Stimmen angenommen.

Dem Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit mit diesen Änderungen stimmte der Ausschuss mit 7 : 6 : 0 Stimmen zu.

Der Ausschuss forderte abschließend die Landesregierung auf, die Landkreise auf die sich ergebenden Rechtsfolgen bei der Schülerbeförderung hinzuweisen.

Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Schellenberger. - Meine Damen und Herren! Wir treten in eine Zehnminutendebatte ein, und zwar in folgender Reihenfolge: SPD, FDP, PDS und CDU. Zunächst hat jedoch für die Landesregierung Herr Minister Olbertz um das Wort gebeten. Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf wurde in der 4. Sitzung des Landtages am 21. Juni 2002 eingebracht. Es gab zwei Beratungen im Ausschuss, wobei vor der zweiten Beratung eine Anhörung stattfand.

Ich möchte nur kurz in Erinnerung rufen, worum es uns mit diesem Gesetzentwurf geht, nämlich um die Wiedereinsetzung des Elternwillens, was ganz entschieden mehr als eine Marginalie ist. Dahinter verbirgt sich der Ansatz, die frei verfügbaren Zeiträume jenseits des vorgeschriebenen Unterrichts nicht durch eine staatliche Vorgabe zu steuern, sondern durch die Qualität und die Attraktivität der Angebote. Unter den günstigsten Rahmenbedingungen dürfte sich an dem Alltag der Schulen mit verlässlichen Öffnungszeiten also nicht sonderlich viel ändern.

Ich räume ein und wiederhole das, dass dies noch nicht das eigentlich avisierte Konzept einer grundlegenden Reform des Grundschulunterrichts ist, von dem ich in

meiner Rede vorhin sprach. Ich bitte Sie also, nicht das eine mit dem anderen vom Anspruch her zu konfrontieren. Hierbei geht es um die Wiedereinsetzung des Elternwillens.

In der Anhörung wurde das gesetzgeberische Anliegen vielfach begrüßt, in der Grundschule den Besuch der Eingangs- und Ausgangsphase der freien Entscheidung der Eltern zu überlassen. Der verlässliche Zeitrahmen, der in Deutschland überwiegend praktiziert wird, wurde mehrheitlich als sinnvoll und zweckmäßig begrüßt.

Natürlich gab es auch kritische Anmerkungen, etwa vonseiten der kommunalen Spitzenverbände in Bezug auf Befürchtungen hinsichtlich zusätzlicher Kosten für die Schülerbeförderung. Ich hoffe, dass wir diese Bedenken haben ausräumen können.

Aus der Stellungnahme der GEW sprach insbesondere die Sorge um die berufliche Zukunft der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist eine ganz legitime Sorge, die aber sozusagen von dem Konzept, das wir vorschlagen, nicht berührt wird. Das ist wichtig im Zusammenhang mit einem Antrag der SPD-Fraktion. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen, um hier nur einmal das Wort ergreifen zu müssen.

Die Leiterinnen und Leiter der Grundschulen werden von uns so informiert, dass vom ersten Schultag an alle Eltern, die dies wünschen, die freiwilligen Abschnitte der verlässlichen Grundschule für ihre Kinder in Anspruch nehmen können. Hier bin ich allerdings aus meiner fachlichen Sicht gern bereit einzuräumen, dass das am Anfang mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein wird, die man aber in Kauf nehmen muss, wenn man im Zusammenhang mit einer solch wichtigen Entscheidung nicht ein ganzes Schuljahr versäumen will.

Soweit ich Kontakte mit Leiterinnen und Leitern von Grundschulen habe, gibt es ohne weiteres das Entgegenkommen, einzusehen, dass das an den Schulen, die ursprünglich andere Pläne hatten, möglicherweise nicht vom ersten Tag an in der Weise klappt. Ich räume auch ein, dass die konzeptionellen Konsequenzen eine Herausforderung insbesondere für die Grundschulen sind, die sich schon zuvor im Zusammenhang mit dem Konzept mit den festen Öffnungszeiten einiges an Innovation haben einfallen lassen. Das sind aber genau die Schulen, die am ehesten damit fertig werden, dass wir die Rahmenkoordinaten geändert haben.

Es gibt schon jede Menge guter Ideen, gleichwohl zwischen den Unterrichtsblöcken kreative und pädagogisch gestaltete und geplante Phasen zu praktizieren und Eingangs- und Ausgangsphase mit einem höheren Anspruch als nur einem Betreuungs- oder Aufbewahrungsanspruch zu verbinden. Die staatlichen Schulämter werden die Grundschulen in diesem Prozess beraten und begleiten.

Ich möchte nun noch Gelegenheit nehmen, kurz auf den Antrag der SPD-Fraktion einzugehen, die Grundschule mit festen Öffnungszeiten auf eine freiwillige Basis zu stellen. Man könnte, liebe Frau Mittendorf, fast bedauern, dass dieser Antrag erst jetzt kommt. In der Gesetzgebungsphase in der vergangenen Wahlperiode wäre das nämlich ohne weiteres untergesetzlich möglich gewesen. Auch die CDU-Fraktion hatte vorgeschlagen: Dann macht das doch auf freiwilliger Basis. Das kann ohne weiteres funktionieren.

Jetzt ist allerdings eine Situation eingetreten, in der dies aus zwei Gründen - leider - nicht geht. Ich habe darüber