Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Regierungserklärung von Herrn Minister Dr. Rehberger zur Wirtschaftspolitik habe ich mich gefragt: Welch einen Aufschwung könnte dieser Mann gestalten, gäbe es nicht den Bund und die EU und den Weltmarkt?
Bei der Neugliederung der Kommunen gibt es derartige Ausflüchte nicht, Herr Wolpert. Die Verantwortung für die kommunalen Strukturen trägt das Land. Das sage ich nicht anmaßend, das sagen uns die kommunalen Spitzenverbände.
Das Gestalten der Verwaltungsstrukturen ist ein Feld, auf dem die Landespolitik sehr selbständig handeln kann. Der Bund trifft im Wesentlichen die materiellen Regelungen; die Länder führen sie aus. Es geht darum, dass wir unsere Gestaltungsspielräume bei der Verwaltungsstruktur und im Verwaltungsverfahren konsequent nutzen. Wir sollten nicht bloß nachvollziehen, was in anderen Ländern schon erreicht worden ist.
Wenn wir in der Gesamtbetrachtung mit westdeutschen Ländern gleichziehen wollen, obwohl einige Strukturdefizite bei uns schwer überwindbar sind, dann dürfen wir dort, wo wir volle Gestaltungsfreiheit haben, nicht das Mittelmaß wählen. Warum nicht das Beste?
Meine Damen und Herren! Vor dem Kieler Landtag hat Ministerpräsident Carstensen gestern die Ziele der neuen Landesregierung beschrieben. Er kündigte an, die Regierung werde alle Aufgaben durchforsten und die übrig gebliebenen Aufgaben in vier bis fünf Dienstleistungszentren in kommunaler Trägerschaft zusammenfassen. Aufgelöst werden sollen die Umweltämter, die Ämter für ländliche Räume, die Katasterämter, das Landesamt für Gesundheit und das Landesamt für Natur und Umwelt.
Das Land Schleswig-Holstein hat derzeit elf Landkreise, so viele, wie die Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt
anstrebt. Der Kieler Landesregierung ist das zu kleinteilig für die Funktionalreform. In der Schaffung von Verwaltungsregionen kann man einen Zwischenschritt zur Bildung von Regionalkreisen sehen.
In Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregierung am 17. Mai 2005 den Entwurf eines Gesetzes zur Verwaltungsmodernisierung beschlossen. Er hält an dem Vorschlag fest, fünf Landkreise zu bilden, und beschreibt detailliert den Aufgabenübergang in die neuen Strukturen, die im Jahr 2009 dort wirksam werden sollen. Der Gesetzentwurf umfasst 500 Seiten und ist auf der Homepage des Schweriner Innenministeriums nachlesbar.
Professor Seitz hat in seinem Gutachten vom April 2005 die ökonomischen und fiskalischen Effekte der Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern beschrieben. Er kommt zu dem Schluss, dass jährliche Ersparnisse zwischen 45 und 75 Millionen € erzielbar sind. Zu ähnlichen Ergebnissen ist Gerhard Miesterfeldt bei seinen Berechnungen für die SPD-Landtagsfraktion SachsenAnhalts gekommen. - Wir sollten uns im Finanzausschuss mit den finanziellen Auswirkungen der Kreisgebietsreform befassen.
Die Vorgehensweise in Mecklenburg-Vorpommern ist im Vergleich zu Schleswig-Holstein die konsequentere Lösung. Die Koalitionsvereinbarung der SPD mit den Grünen und dem SSW in Schleswig-Holstein sah ebenfalls Regionalkreise vor. Sie kommt nun nicht zum Tragen. Gemeinsam haben alle diese Reformansätze, dass man dazu Verwaltungsregionen definieren muss.
Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wollen auch in Sachsen-Anhalt fünf Regionalkreise, ohne Wenn und Aber. Sobald wir dieses Ziel erreichen, brauchen wir kein Landesverwaltungsamt mehr. Eine ganze Verwaltungsebene wird entbehrlich.
Die Voraussetzung ist auch hier, dass man Verwaltungsregionen definiert. Diese müssen nicht mit den vorhandenen Planungsregionen identisch sein. Aber man muss sich über ihren Zuschnitt Gedanken machen, selbst wenn man sich zunächst mit einer Kreisgebietsreform zufrieden gibt, die elf Kreise beinhaltet.
Wir messen den vorliegenden Entwurf eines Kommunalneugliederungsgesetzes an unserem Ziel, fünf Regionalkreise herauszubilden. Die Frage ist, ob es sich um einen geeigneten Zwischenschritt dorthin handelt oder nicht. Dabei sehe ich die Zahl der jetzt zu beschließenden Kreise recht entspannt. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Zuschnitt dieser Kreise eine Weiterentwicklung hin zu Regionalkreisen zulässt,
dass man zu den größeren Einheiten kommen kann, ohne dass wir wieder schmerzhafte Teilungsdiskussionen werden führen müssen.
Diese Karte bedarf der Korrektur. Dafür ist die Regierungskoalition verantwortlich. Ich setze darauf, dass Sie selbst den Zuschnitt der Landkreise so korrigieren, dass daraus zu einem späteren Zeitpunkt Regionalkreise wer
Auch für eine gemeinsame Aufgabenerledigung durch mehrere Gebietskörperschaften der Kreisebene, wie sie jetzt in Schleswig-Holstein konzipiert wird, braucht man Verwaltungsregionen. In gleicher Weise können die Regionen in Sachsen-Anhalt auf dem Weg zu Regionalkreisen als Mehrzweckverbände fungieren. Ich habe allerdings den Eindruck, Sie wollen die Regionen abschaffen. Das wäre schlimm.
Durchaus fachlich ausgerichtet sehe ich bei Ihnen die Auswahl der Kreissitze je nach der zentralörtlichen Bedeutung von Städten im Landesentwicklungsplan. Warum gehen Sie nicht auch bei den Kreisen so vor, dass Sie das vorhandene Fachgesetz zugrunde legen, also die Planungsregionen?
Meine Damen und Herren! Die jetzt vorliegende Landkreiskarte ist fast identisch mit der Kreiskarte, die im September 2004 veröffentlicht wurde. Diese Veröffentlichung war mitnichten ein Produkt journalistischer Phantasie, wie gern behauptet wird, oder gar die Abbildung des Bürgerwillens. Ich habe im Innenausschuss nachgefragt und die Auskunft erhalten, die Kreiskarte sei nicht offiziell aus dem Ministerium gekommen. Sie ist also in einem unbeobachteten Moment an den Objektschützern vorbeigehuscht.
Sie hat sich dann in die „Volksstimme“-Redaktion geflüchtet. Warum gerade dorthin? - Weil tags zuvor die „Mitteldeutsche Zeitung“ getitelt hatte: „Machtverlust für Jeziorsky - Gebietsreform: Innenminister verliert bei Stadt-Umland-Gesetz Kompetenz an Daehre“. Das geht natürlich nicht.
(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Heiter- keit bei der PDS - Zustimmung von Herrn Czeke, PDS, und von Frau Rogée, PDS)
Herr Dr. Daehre und Herr Professor Böhmer hatten den guten Willen, aber leider nicht die Kraft, in den eigenen Reihen die Bereitschaft zu einem Kompromiss mit der SPD herzustellen.
Als Jens Bullerjahn die ihm für den Zeitpunkt vor Veröffentlichung des Gesetzentwurfs der Landesregierung wiederholt zugesagte Beratung über eine gemeinsame Karte schließlich öffentlich einforderte, wies Landrat Webel dies als Wichtigtuerei zurück. Nach der Freigabe des Gesetzentwurfs zur Anhörung gab es dann zwei Gesprächsrunden in der Staatskanzlei. Aus dem zweiten Treffen wurde zum Erstaunen der SPD-Vertreter ein Mitteilungstermin.
Meine Damen und Herren! Die Initiative des Ministerpräsidenten für einen Landkreis Anhalt verdient Anerkennung, aber das Verfahren ist zu einem Beleg seiner mangelnden Durchsetzungskraft geworden.
Herr Professor Böhmer hatte gesagt, er wolle bis zum 30. April die Meinungsäußerungen hören, danach werde entschieden. Als sein Vorschlag in der Region mehr und mehr Zustimmung fand,
trat am 28. April der Koalitionsausschuss zusammen. Da wurde die Notbremse gezogen, und zwar exakt vor der Sitzung des Kreistages Aschersleben-Staßfurt.
Landrätin Brehmer eröffnete die Beratung im Kreistag über die Stellungnahme des Landkreises mit der Information, der Innenminister habe ihr gerade telefonisch mitgeteilt, dass der Landkreis Anhalt nicht kommen werde. Es bleibe so, wie es in dem Gesetzentwurf stehe, Aschersleben-Staßfurt und Bernburg und Schönebeck. - Aus dem vorgesehenen Beschlusstext wurde daraufhin herausgestrichen, dass gegebenenfalls ein Zusammengehen mit den Landkreisen Quedlinburg, Wernigerode und Halberstadt in Betracht gezogen werden könnte.
Ich finde, der Vorschlag des Ministerpräsidenten hätte eine ergebnisoffene Anhörung verdient, statt vorher kassiert zu werden.
Nach alledem frage ich mich: Leben wir in einer Landräterepublik? Die Landräte a. D. Jeziorsky und Leimbach sind dabei. Ein Landrat bleibt außen vor. Der Landrat von Anhalt-Zerbst muss als einziger die vermeidbare Teilung seines Kreises hinnehmen. Er ist der SPD-Vorsitzende. So ein Zufall aber auch!
Die FDP stellt zwar keinen Landrat, aber auch sie kann sagen, dass sie dabei ist - mit einem Kreissitz, der künftig den Doppelnamen „Wolpert-Kosmehl-Stadt BitterfeldWolfen“ tragen wird.
Der dafür geschneiderte Kreis unterschreitet sogar die Einwohneruntergrenze für den Ausnahmefall. Aber daran stört sich höchstens noch die Opposition.
Es ist ein schwacher Trost, dass der Ministerpräsident und der Raumordnungsminister auch nicht viel zu melden haben. Ihnen wurden klare Grenzen gesetzt. Das Grundsätzegesetz von Dr. Daehre ist so überflüssig wie das Parteilehrjahr. Es stand alles schon fest.
zur Änderung des Gesetzes über den Landesentwicklungsplan, Herr Schröder. Da soll zum Beispiel der Zusammenhang von Magdeburg und Schönebeck stärker herausgestellt werden als bisher. Ich bitte Sie, einmal beide Gesetzentwürfe nebeneinander zu legen und darüber nachzudenken, wozu wir eigentlich eine Landesentwicklungsplanung machen,