Protocol of the Session on December 17, 2004

Gut. Dann soll der Antrag in den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden, um darüber zu reden, wie man darüber redet.

Wer der Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag in den Ausschuss überwiesen und der Tagesordnungspunkt 22 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Erste Beratung

Zuckermarktordnung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1929

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1957

Einbringer für die PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Krause. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte eines vorweg bemerken. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU- und der FDP-Fraktion, wenn Sie nach wie vor Probleme damit haben, einem PDS-Antrag zuzustimmen, dann sage ich Ihnen: Wir haben kein Problem, dem Alternativantrag, den Sie eingebracht haben, zu folgen und ihm unsere Zustimmung zu geben.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Ministerin Frau Wernicke - Herr Gürth, CDU: Das ist wunderbar!)

Zu der eigentlichen Problematik, sehr verehrte Damen und Herren. Auf dem Welternährungsgipfel in Rom im Jahr 1956 ist das Recht jeder Nation verkündet worden, eigene Möglichkeiten zur Nahrungsgütererzeugung zu entwickeln. Die europäische Agrarpolitik ist gehalten, alles zu unterlassen, was dieses Recht für andere Nationen, insbesondere in der Dritten Welt, einschränkt. Das schließt auch die moralische Pflicht der reichen Länder ein, sich selbst zu ernähren, die eigenen Ressourcen zu nutzen sowie sich an Programmen für die armen Länder zur Durchsetzung des Rechts auf Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln zu beteiligen. - So ist es in etwa auch in dem Agrarkonzept der PDS nachzulesen.

In diesem Kontext stehen wir der Reform der EU-Agrarpolitik und dem Vorschlag zur Reform der Zuckermarktordnung kritisch gegenüber. Beides wird zur weiteren Beschleunigung des Strukturwandels und zur verstärkten Aufgabe der Landwirtschaft in Gebieten mit ungünstigen natürlichen Bedingungen sowie zum Ausbluten ländlicher Gebiete führen.

Eine wirkliche Alternative wäre eine Reform, die das Recht auf regionale Produktion für die Versorgung der eigenen Bevölkerung in Europa und in allen Teilen der Welt sicherstellt und den Ruin lokaler Produktion verhindert. Hierbei geht es nicht um primitive Autarkie, sondern um das Primat der Regionalisierung. Exporte der EU sollten sich auf veredelte agrarische Erzeugnisse beschränken und Importe sollten einem qualifizierten, das heißt differenzierten Außenschutz unterliegen. Ohne diese Voraussetzungen ist in der EU eine flächendeckende, multifunktionale Landwirtschaft dauerhaft nicht zu verwirklichen.

Ausgehend von dieser grundsätzlichen Position vertreten wir in der aktuellen Diskussion um eine Reform der EU-Zuckermarktordnung folgenden Standpunkt:

Erstens. Es ist untragbar, dass die EU - obwohl die Zuckererzeugung aus Zuckerrüben weitaus teurer ist als die aus Zuckerrohr - ständig Überschüsse produziert und auf dem Weltmarkt zu massiv gestützten Preisen absetzt. Das ist für Produzenten in Entwicklungsländern zerstörerisch und kommt die europäischen Steuerzahler teuer zu stehen. Deshalb ist eine Reform, mit der künftig strukturelle Überschüsse verhindert, aber zugleich Arbeitsplätze in der europäischen Landwirtschaft und Zuckerindustrie gesichert werden, dringend notwendig.

Zweitens. Im Gegensatz zu der EU-Kommission stellt die PDS in den Mittelpunkt der Reform nicht den Abbau der Erzeugerpreisstützung für Zuckerrüben, sondern eine Mengenregulierung, mit der ein relativ hoher Eigenversorgungsgrad mit Zucker gesichert und zugleich ein schrittweise größerer Zugang der Zuckerexportländer auf den EU-Markt ermöglicht wird. Das bedingt ein rasches Auslaufen der direkten und indirekten Exportsubventionen, den Ausbau der Produktion von Bioethanol

und die Unterstützung weiterer alternativer Verwertungsmöglichkeiten für Zuckerrüben, aber auch den Anbau alternativer Kulturen. Nur so lassen sich die Überschüsse der EU reduzieren, ohne massiv Arbeitsplätze zu gefährden.

Drittens. Aufgrund der allgemein unterdurchschnittlichen Einkommenssituation der Landwirte ist nicht nur die beabsichtigte Höhe der Preissenkungen unakzeptabel, sondern auch die Absicht, dass durch die vorgesehenen Zuckerbeihilfen lediglich 60 % der Preiskürzungen ausgeglichen werden sollen. Um Anpassungsprobleme zu minimieren, sollte ein höherer Ausgleich, der in Abhängigkeit von der tatsächlichen Einkommensentwicklung degressiv gestaltet werden könnte, geprüft werden.

Viertens. Gegen den Vorschlag der Kommission spricht auch, dass insbesondere die massive Preissenkung und die Staaten übergreifende Handelbarkeit der Quoten dazu führen würde, dass die Zuckerrübenproduktion nur noch auf den allerbesten Standorten und mit einem intensiven Einsatz von Agrochemie für Erträge von 700 bis 800 dt konkurrenzfähig wäre.

Auch deshalb ist die Aufrechterhaltung des Zuckerrübenanbaus in reduziertem Umfang notwendig. Dadurch lässt sich eine völlige Aufgabe der Zuckerrübenproduktion auf den mittleren Standorten verhindern.

Das ist nicht nur aus sozialen Gründen geboten. Ein Rückzug der Zuckerrübe würde zur weiteren Verarmung der Fruchtfolgen führen. Nur noch Getreide und Raps anzubauen ist keine Fruchtfolge. Das ist nicht ökologisch und widerspricht dem Erfordernis der Mehrung der Bodenfruchtbarkeit.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Hauser, FDP)

Fünftens. Die Beibehaltung von höheren EU-Referenzpreisen liegt keinesfalls nur im Interesse der europäischen Bauern, sondern auch jener Entwicklungsländer, die einen privilegierten Marktzugang zur EU haben. Jede EU-Preissenkung würde die Exporterlöse dieser ärmsten Entwicklungsländer schmälern. Das ist unakzeptabel. Unsere Unterstützung hat deshalb die Forderung von 49 Entwicklungsländern zur Einführung von Importquoten.

Zumindest bedarf es einer Regelung, die dem Nord-SüdKonflikt und zugleich dem zunehmenden Süd-Süd-Konflikt Rechnung trägt. Dazu gehört, keine Monopolisierung des Zuckermarktes durch wenige Zuckerrohr anbauende Länder zuzulassen. Sie ginge nicht nur zulasten der EU, sondern auch vieler Entwicklungsländer.

Die seit Jahren forcierte Ausdehnung des Zuckerrohranbaus ist mit der Verdrängung anderer Nahrungsmittelproduktion bis hin zur Abholzung von Regenwald und damit verbundenen negativen Klimaauswirkungen verbunden.

Zudem unterstützen wir Forderungen nach verbindlichen Sozial- und Umweltstandards in der Zuckerproduktion. Das schließt die Gewährung spezieller Hilfen für die ärmsten Länder zur Erreichung dieser Standards ein. Standards dürfen aber nicht zu einem Instrument des neuen Protektionismus werden.

Aus diesen Erwägungen heraus wollen wir als PDS eine grundlegende Korrektur des Reformvorhabens. Ich bitte Sie, unserem Antrag bzw., wie gesagt, dem Alternativantrag zu folgen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Krause. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Herr Hauser wird für die FDP-Fraktion sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Krause, zu 85 % oder 90 % kann ich das gleich mit unterschreiben.

(Frau Bull, PDS: Des hob i mir gedocht! - Heiter- keit bei der PDS)

- Was? Soll ich in die PDS eintreten?

(Heiterkeit bei der PDS - Herr Gallert, PDS: Nein, nein! - Zuruf von der PDS: Das haben wir uns gedacht! - Herr Gallert, PDS: Das hat sie lange geübt!)

- Da werdet ihr euch umschauen, wenn ich da drin bin.

(Heiterkeit bei der PDS)

Aber jetzt doch ein paar Fakten. Ich bin gleich fertig. Ich weiß, dass es Zeit wird.

(Herr Gallert, PDS: Machen Sie in Ruhe!)

Im Jahr 1967 wurde die Zuckermarktordnung, abgekürzt ZMO, eingeführt, um in der damaligen Nachkriegszeit in den sechs Mitgliedsstaaten der damaligen EWG oder, wie Sie von den Bauern bezeichnet wurde, AuWG - Belgien, Luxemburg, Niederlande, Italien, Frankreich und Deutschland - die Lebensmittel sicher zu produzieren und einen Eigenversorgungsgrad von möglichst 100 % zu erreichen. Der ist dann relativ schnell erreicht worden, im Jahr 1970. Dann begannen die Probleme. Das Problem sind die Zuckerexporte, dass Zucker, der stark subventioniert ist, auf dem Weltmarkt abgesetzt wurde.

Ich möchte aber noch kurz beleuchten, was hier nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 an Produktion und Wertschöpfungsketten vorlag. Das muss beleuchtet werden.

Im Jahr 1990 hatten wir in den so genannten neuen Bundesländern 41 Zuckerfabriken. Im Jahr 2004 haben wir noch vier Zuckerfabriken, davon drei in SachsenAnhalt: die Standorte Klein Wanzleben, Könnern und Zeitz, von verschiedenen Gesellschaften natürlich. Ich verweise auf eine unglaubliche Wertschöpfungskette, was vor allem auf Sachsen-Anhalt zutrifft: Saatzucht KWS Klein Wanzleben - europaweit führend; nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa ein Spitzenbetrieb -, Landtechnikbetriebe wie zum Beispiel in Bottmersdorf, von der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur her optimale Bedingungen, drei nagelneue Zuckerfabriken auf einem technischen Stand, der seinesgleichen sucht. Was in Sachsen-Anhalt innerhalb Deutschlands natürlich auch vorbildlich ist, ist die Abstimmung mit der Nahrungsmittelwirtschaft.

Es trifft zu, lieber Kollege Krause, dass wir fast regionale Kreisläufe haben. Das stimmt.

Bei den Sachsen-Anhalter Bauern, die Ackerland bewirtschaften, macht der Zuckerrübenanbau einen Anteil von ca. 5 % an der gesamten Anbaufläche aus. Eine problematische Gegend ist zum Beispiel Niederbayern/Oberbayern.

Wir stimmen auch darin überein, dass diese Reform kommen muss. Es geht aber um die Zeitschiene. Es geht um

das Wie. Es geht darum, wie massiv in welchen Zeitabschnitten vorgegangen wird.

Der Landwirtschaft sind Dinge wie Bioethanolanlagen - zum Beispiel Südzucker Zeitz -, alternative Brennstoffe und Energien usw. bekannt. Die Landwirtschaft ist in Bewegung, aber es braucht seine Zeit. Das möchte ich hier ganz klar feststellen.

Natürlich auch angesprochen wurde Zuckerrohr gegen Zuckerrübe: Umweltstandards, Lohnstandards, Sozialstandards. Wenn es so weitergeht und keine Angleichung der Standards vollzogen wird, werden ca. 20 Familien aus Brasilien, Großgrundbesitzer, den Zuckermarkt beherrschen und wir werden dagegen nie und nimmer bestehen können.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Alternativantrag der CDU- und der FDP-Fraktion und bedanke mich recht herzlich.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei der PDS)

Danke, Herr Hauser. - Für die SPD-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Oleikiewitz sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich der Einzige bleibe, gebe ich meine Rede trotzdem zu Protokoll.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)