Protocol of the Session on December 17, 2004

(Herr Gallert, PDS: Das ist doch Quatsch, Frau Seifert!)

So viel zur Chancengleichheit der Kinder und auch zur Chancengleichheit der Eltern.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zu- ruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen Aspekt der PDS-Kampagne aus dem schon genannten Flyer aufgreifen. Die darin formulierte Frage „Was ist Gegenstand des Volksentscheids?“ wird unter anderem damit beantwortet, dass er sich für moderne Rahmenbedingungen und moderne Bildungsstandards für die Kinder und deren Betreuung einsetzt. „Modern“ ist ein modernes Wort - breit zu interpretieren, undifferenziert, vom Zeitgeschmack abhängig und sicherlich auch abhängig von der Sicht auf die Dinge.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage von den Herrn Abgeordneten Grünert zu beantworten?

Ich möchte bitte erst ausreden.

Ja, bitte sehr.

Was sind nun moderne Rahmenbedingungen? - „Modern“ ist, wie ich schon sagte, ein breit interpretierbares Wort. Aber ist es denn modern, die Fähigkeit der Eltern zur Betreuung ihrer Kinder infrage zu stellen?

(Frau Bull, PDS: Nein! Nicht wieder die Leier!)

Ist es modern, den Rahmen von den Bedingungen im Land zu trennen? Oder ist es modern, ein Gesetz wie das KiFöG, das national und international auf eine außergewöhnlich positive Resonanz stößt,

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

so verändern zu wollen, dass der Rahmen dann die Möglichkeiten sprengt, freiwillige Leistungen darüber hinaus noch aufbringen und finanzieren zu können? Oder ist es nicht modern, wenn die Träger in die Lage versetzt werden, unkompliziert auf sich ändernde Kinderzahlen zu reagieren? Das können Sie nur mit dem bestehenden KiFöG.

Wie ist das jetzt mit den modernen Bildungsstandards für alle Kinder? Sind Bildungsstandards Ihrer Meinung nach nur modern, wenn sie zehn Stunden am Tag vorgehalten werden? Sollte nicht eher darauf hingewiesen werden, dass mit der Einführung des KiFöG die entwickelten Bildungsstandards neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen?

Schulkinder lernen am Vormittag, zu der Zeit, in der Kinder am aufnahmefähigsten sind. Ist es dann nicht mo

dern, das Bildungsangebot für die Kinder am Vormittag vorzuhalten?

(Frau Dr. Weiher, PDS: Kinder lernen spielend!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Betreuungsangebot bei den Kindern von 0 bis 14 Jahren im Land Sachsen-Anhalt ist außergewöhnlich gut. Man könnte jetzt noch viel über positive Inhalte und Rahmenbedingungen des bestehenden KiFöG sagen; aber ich denke, das haben wir in den letzten Debatten ausführlich getan. Ich fände es jedoch schade, wenn ein solches national und international hoch bewertetes Betreuungsgesetz zerredet würde.

Wir müssen verhindern, dass dieses Gesetz zum Konflikt zwischen Ost und West wird. Das wird am wirkungsvollsten dadurch erreicht, dass wir hinter unserem Gesetz stehen und verhindern, dass es als Mittelmaß bezeichnet und somit degradiert wird. Das werden wir als FDP nicht zulassen, denn wir stehen hinter dem Gesetz,

(Zustimmung bei der FDP und von Frau Fischer, Merseburg, CDU)

einem Gesetz, das mit großer Mehrheit von CDU, FDP und SPD im Landtag verabschiedet wurde - gerade deshalb, weil es, wie ich denke, zukunftsfähig ist. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Frau Abgeordnete, Sie waren bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Grünert zu beantworten.

Wenn ich das kann, werde ich das machen.

Frau Seifert, Sie sind Mitglied des Kreistages. Ist Ihnen der Runderlass des Innenministeriums zur Haushaltskonsolidierung bekannt? Darin ist unter anderem auch die Forderung enthalten, dass man bei einem nicht ausgeglichenen Haushalt gegebenenfalls über eine Erhöhung der Elternbeiträge für Kindertagesstätten nachdenken sollte.

(Unruhe bei der FDP und bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Das ist genau der Punkt! - Frau Dr. Hüskens, FDP: Das war vorher schon so!)

Herr Grünert, erstens sind das alles Empfehlungen, die zur Konsolidierung des Haushalts gegeben worden sind. Es sind keine verbindlichen Vorschriften, die vom Kreistag zwingend durchzuführen sind. Es sind immer nur Empfehlungen. Wenn empfohlen wird, die Elternbeiträge zu erhöhen, was denken Sie, wohin die Wiedereinführung des KiBeG und die Verhinderung des KiFöG führen wird? Was denken Sie, wohin es führt, wenn dort steht: Erhöhung der Elternbeiträge? - Es ist eine Möglichkeit, die kommunalen Haushalte zu konsolidieren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine zweite Frage zu beantworten, diesmal von Herrn Gallert?

Herr Gallert - -

(Herr Gallert, PDS: Es ist vielleicht auch besser so, Frau Seifert!)

Vielen Dank, Frau Seifert. - Meine Damen und Herren! Wir schließen damit die Debatte ab. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist die Aktuelle Debatte zu diesem Thema abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 4 beendet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:

Aktuelle Debatte

Erinnerung an die Zerstörung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg darf nicht für Geschichtsverfälschungen und fremdenfeindliche Demonstrationen missbraucht werden

Antrag der Fraktionen der SPD, der PDS und der FDP - Drs. 4/1947

Auch hierzu beträgt die Redezeit je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: SPD, CDU, PDS und FDP.

Zunächst hat für die Antragsteller die SPD-Fraktion das Wort. Ich bitte Herrn Abgeordneten Bischoff, das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, dass in unserem Land wieder braune Kohorten durchs Land ziehen. Ich bin fassungslos, dass es Menschen gibt, die ihre Hand zum Hitlergruß erheben, Hakenkreuze an die Wand malen, ausländische Mitbürger beschimpfen oder verprügeln und verletzen, behinderte Menschen quälen und die Wahrheit geschichtlicher Ereignisse leugnen.

Als ich dies das erste Mal sah - das war so nach der Wende -, da konnte ich nicht glauben, dass so etwas in der Öffentlichkeit passieren kann. Unterdessen musste ich akzeptieren, dass der Staat dies nicht einfach verbieten kann, dass Demokratie und Freiheit auch für kranke Hirne gelten. Dies ist schwer zu verstehen. Einverstanden bin ich damit nicht.

Richtig ist aber auch, dass Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Dazu zählen nicht nur die Stammtischgespräche, sondern auch die Verharmlosung geschichtlicher Ereignisse, manchmal auch die Gleichsetzung von Diktaturen, die Bagatellisierung von Übergriffen oder eine Verrohung der Kultur.

Um auf den Kern nazistischer und rassistischer Verhaltensweisen zu gelangen, muss man sich mit den Zielen und Gedanken rechtsextremer Gruppierungen und Parteien auseinander setzen. Sie beginnen mit der Leugnung der Verbrechen des Dritten Reiches - ich glaube, Sie haben in den letzten Tagen wie ich auch genügend E-Mails in Ihrem Fach gefunden, die das immer wieder

belegen -, sie geht weiter mit der Verehrung von Personen aus SS und SA und endet mit der Verhöhnung der Opfer.

Dahinter stecken sicher auch Minderwertigkeitsgefühle, die mit einer Überhöhung der eigenen Rasse ausgeglichen werden sollen. Dahinter stecken aber auch reine Machtinteressen von Geldgebern, Verlegern und Populisten, die wirtschaftliche und soziale Notsituationen ausnutzen, um Menschen in ihren Bannkreis zu ziehen, so nach der Devise: Bei uns lebt ihr in Gemeinschaft; wir halten zueinander; die anderen, die da oben, die Presse, die Politiker, die Wirtschaft, die Bosse, die etablierten Parteien, die sind schuld, weil sie ja eine offene Gesellschaft prägen.

Die Sündenböcke sind die Ausländer und Behinderten und Ideale sind die scheinbar Starken und die Deutschen. Die Inszenierung der Angst vor einer ungewissen Zukunft wird auf die Spitze getrieben und der Untergang der Nation beschworen.

Mit dieser Polarisierung trifft man den Nerv mancher, die sich benachteiligt fühlen, und zum Teil wirklich Benachteiligter, den Nerv von selbstgerechten und von zu kurz gekommenen Menschen. Da gibt es nur Schwarz und Weiß, einfachste Erklärungen, die sich an die niederen Gefühle und Reaktionen von Menschen richten; nämlich an Neid, Hass und letztlich Gewalt.

Wir haben in Sachsen-Anhalt in der letzten Legislaturperiode hier im Parlament einige solche Erfahrungen machen müssen. Die Auftritte von Herrn Wolf und die Stimme von Frau Wiechmann werden manchem hier im Raum noch im Gedächtnis sein. Allein mit einer kurzfristigen Plakataktion, mit den bekannten Parolen „Ausländer raus“ und „Arbeit nur für Deutsche“ konnte man eine solche Stimmung erzeugen, die die Bereitschaft, rechtsextrem zu wählen, um denen da oben eins auszuwischen, in die Höhe trieb.

Den Vorwurf, uns nicht rechtzeitig mit rechtsextremen und nazistischen Bewegungen auseinander gesetzt zu haben, dürfen wir uns nicht noch einmal einhandeln.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Dieses Mal können wir uns nicht mit einer Überrumpelungstaktik herausreden. Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg haben deutlich gemacht, dass der braune Schoß fruchtbar ist und bei weitem nicht nur in den sozial schwachen Schichten der Bevölkerung zu finden ist. Deshalb ist es richtig, heute und jetzt und immer wieder deutlich zu machen: Nazistische und rassistische Parteien, Gruppierungen und Bewegungen dürfen in unserer Gesellschaft keinen Raum und keinen Einfluss gewinnen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung bei der FDP)