Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Gesetzentwürfe der Landesregierung sowie der Koalitionsfraktionen zur Eingemeindung der Gemeinden Leitzkau, Dornburg und Ladeburg in die Stadt Gommern sowie der Gemeinden Rodleben und Brambach in die Stadt Dessau wurden im Innenausschuss beraten und mehrheitlich bestätigt. Damit wird der Noch-Landkreis Anhalt-Zerbst in seiner Grundstruktur und in seiner Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, ja man kann sagen, er wird praktisch bereits vor einer Kreisgebietsreform aufgelöst.
Vor diesem Hintergrund hat unsere Fraktion den Antrag gestellt, die beabsichtigten Eingemeindungen bis zur Vorlage des Leitbildes der Landesregierung zur Gebietsreform unter Berücksichtigung der Stadt-Umland-Problematik und der Landesentwicklungsplanung und bis zur Beschlussfassung darüber auszusetzen. Dem gingen die Intentionen der Initiative „Regionalkreis Anhalt“ und der Beschluss des Landkreistages voraus, welcher sich für Vollfusionen von Landkreisen mit einer Einwohnerstärke von 150 000 Einwohnern gemessen am Jahr 2015 ausgesprochen hat.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben unseren Antrag, ohne überhaupt die Problemlage zu erkennen und darüber zu diskutieren, abgelehnt. Auch das uns nun von Minister Daehre vorliegende Kommunalneugliederungsgrundsätzegesetz ist ein Beweis dafür, dass die Regierung weiterhin in die Kleinstaaterei verliebt ist, dass Zukunftsfähigkeit gemeindlicher Strukturen über das Jahr 2015 hinaus und die weitere Ausgestaltung hoheitlicher Rechte und Aufgaben von Landkreisen mit Ihrer Politik nicht gestaltbar sind.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch einen Hinweis. Wir werden sicherlich in fünf Jahren erleben dürfen, dass die jetzt so gepriesene Neuzusammenführung der Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden nicht mehr leitbildgerecht ist, das heißt, die gemeindlichen Strukturen dann schon nicht mehr 10 000 Einwohner für Verwaltungsgemeinschaften und 8 000 Einwohner für Einheitsgemeinden aufweisen werden, zumal derzeit sogar schon zwölf Ausnahmefälle existieren.
Zu den einzelnen Gesetzen. Der Gesetzentwurf zur Eingemeindung der Gemeinden Leitzkau, Ladeburg und Dornburg in die Stadt Gommern ist - ich habe es bereits bei der Einbringung Ihres Gesetzes erwähnt - ein Rudiment aus dem Gesetz zur Kreisgebietsreform von 1993. Damals wie heute standen eben nicht die Sachinteressen der beteiligten Kommunen im Vordergrund, sondern politische Interessen der CDU-FDP-Regierung.
Folgt man den Grundsätzen der Raumordnung und der Landesplanung, dann ist die Zusammenführung der genannten Kommunen zu begrüßen, da hierbei neben den wirtschaftlichen Interessen die Identifizierung der Bürger
und die historischen Wurzeln eine besondere Gewichtung darstellen und berücksichtigt werden müssen. Demzufolge wird unsere Fraktion diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben.
Zugleich sind jedoch die berechtigten Interessen des Landkreises Anhalt-Zerbst bezogen auf die finanziellen und vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen sowie die Auswirkungen auf die Schulentwicklungsplanung, die Abfallentsorgungsplanung, die Schulsoziallasten sowie den öffentlichen Personennahverkehr nicht vom Tisch. Allein der aufgenommene Zusatz, dass die Auseinandersetzung durch Vereinbarung der beteiligten Landkreise erfolgen soll, reicht aus unserer Sicht nicht aus.
Da die Landesregierung diese Eingemeindungen gegen die Interessen des Landkreises Anhalt-Zerbst wünscht, sind von ihr auch entsprechende Ausgleichszahlungen vorzunehmen. Über die Auseinandersetzung der beteiligten Landkreise werden wir im Innenausschuss eine Berichterstattung einfordern.
Meine Damen und Herren! Zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Eingemeindung der Gemeinden Rodleben und Brambach in die Stadt Dessau. Dieser Gesetzentwurf entbehrt jeglicher fachlichen Grundlage und ist eindeutig politisch motiviert. Hier steht nicht die Entwicklung der Region Anhalt, des Landkreises AnhaltZerbst oder die Stärkung des Oberzentrums Dessau im Mittelpunkt.
Nein, einzig und allein das egoistische Festklammern an der Kreisfreiheit der Stadt Dessau und den damit verbundenen Zuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz liegen Ihrem Gesetzentwurf zugrunde; denn bei einer Einwohnerzahl von rund 60 000 Einwohnern und der damit verbundenen geringeren Leistungs- und Verwaltungskraft gemessen an Ihren eigenen Grundsätzen des Kommunalneugliederungsgrundsätzegesetzes ist die Kreisfreiheit nicht aufrechtzuerhalten. Weil dem so ist, versuchen Sie, meine Damen und Herren der Koalition, alle möglichen Eingemeindungen nach Dessau politisch zu rechtfertigen, koste es, was es wolle.
Was erreichen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf? - Der von Ihnen postulierte Verdichtungsraum Dessau, welcher die zukünftige Entwicklung der Region maßgeblich befördern soll, wird durch die beabsichtigte Eingemeindung aus europäischer Sicht nicht mehr förderfähig, da die Einwohnerdichte weiter erheblich heruntergefahren wird.
Die im regionalen Entwicklungsplan für die Planungsregion Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg festgelegten Schwerpunktstandorte für Industrie und Gewerbe sind in der Gemeinde Rodleben ausgewiesen und sie sind ein wesentlicher Teil der Wirtschaftskraft des Landkreises Anhalt-Zerbst. Der städtebauliche Siedlungszusammenhang und die wirtschaftliche Verflechtung der Gemeinden Brambach und Rodleben bestehen eher mit der Stadt Roßlau als Grundzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums als mit der Stadt Dessau. Ein Wegbrechen beider Gemeinden aus dem Gebietsbestand Anhalt-Zerbst wird neben den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen unter anderem auch zur Schließung des Goethe-Gymnasiums in Roßlau führen.
Das beabsichtigte Gesetz widerspricht auch dem Entwurf eines Kommunalneugliederungsgrundsätzegesetzes Ihrer eigenen Landesregierung, der in § 3 eindeutig festlegt, dass Eingemeindungen in eine kreisfreie Stadt statthaft sind, soweit dies aufgrund eines Flächenbedarfs erforderlich ist und ein zusammenhängendes Stadtgebiet entsteht. Beides ist für diese Eingemeindun
gen nicht gegeben. Es mutet schon wie ein Schildbürgerstreich an, wenn ein Besucher zukünftig durch den Ortsteil Tornau des Ortsteils Rodleben der Stadt Dessau nach Roßlau, Landkreis Anhalt-Zerbst, über die Elbbrücken zum Ortsteil Groß Kühnau in die Stadt Dessau fährt.
Auch in diesem Gesetzentwurf bleibt die Auseinandersetzung über die finanziellen und wirtschaftlichen Fragen mit einer Vereinbarung zwischen den beiden Akteuren letztlich offen. Auch das werden wir im Innenausschuss thematisieren.
Im Zusammenhang mit diesen Gesetzen wird das Recht auf kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden entsprechend Artikel 87 als höherrangig eingestuft als das Recht der Landkreise. Wir halten das nach wie vor für verfassungsrechtlich bedenklich.
Zum Schluss möchte ich für die PDS-Fraktion beantragen, dass zuerst der Antrag in der Drs. 4/1877 zur Abstimmung gestellt wird und danach die Gesetzentwürfe, weil sie in einem logischen Zusammenhang stehen.
Die PDS-Fraktion wird dem Gesetzentwurf über die Eingemeindungen in die kreisfreie Stadt Dessau nicht zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Ausführungen den Kollegen aller Fraktionen dafür danken, dass wir über die im Rahmen dieser verbundenen Debatte vorliegenden Gesetze so zügig beraten konnten und damit den Weg für vernünftige und vor allem von den Bürgern gewollte Lösungen frei machen. Durch die Verabschiedung der Gesetze über Eingemeindungen in die kreisfreie Stadt Dessau und in die Stadt Gommern am heutigen Tage können bereits am 1. Januar 2005 diese Kommunen ihre Arbeit in den neuen Strukturen aufnehmen.
Lassen Sie mich im Folgenden begründen, warum wir uns für diesen Weg entschieden haben. Bei den Beratungen über beide Gesetzentwürfe stand für beide Fraktionen immer der Wille der betroffenen Bürger vor Ort im Vordergrund. Gerade im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung, die wir als hohes Verfassungsgut betrachten, muss der in den Bürgeranhörungen deutlich bekundete Wille der Bürger eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen gesetzliche Schritte bezüglich der Eingemeindung spielen. Im Fall Dessau haben sich beispielsweise rund 63 % der Bürger von Brambach und 85 % der Bürger von Rodleben für die Eingemeindung in die Stadt Dessau ausgesprochen.
Im Rückblick auf die ersten Plenardebatten zu den Gesetzentwürfen möchte ich aber auch noch einmal betonen, dass die von uns befürworteten gesetzgeberischen Schritte exakt den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Ich denke dabei insbesondere an § 17 der Gemeindeordnung des Landes, der das Verfahren der Gebietsänderung regelt.
Darüber hinaus sind wir im Gegensatz zur Opposition der Auffassung, dass die Eingemeindungen nicht zu ir
reparablen Verwerfungen im Raum Anhalt-Zerbst führen werden. Wir sind ebenso der Auffassung, dass der Verlust dieser Gemeinden nicht zur Zersplitterung des Landkreises, der 75 000 Einwohner hat, führen wird und dass sich die Folgen dieser Gebietsänderung im üblichen und auch im vertretbaren Rahmen halten.
Wie ich jedoch bereits in meiner Rede im Rahmen der Einbringung des Gesetzentwurfes zu den Eingemeindungen nach Dessau ausgeführt habe, müssen sich wohl alle dessen bewusst sein, dass es für den Landkreis Anhalt-Zerbst sehr schwierig werden wird, in der bestehenden Struktur erhalten zu bleiben, wie dies für alle Landkreise schwierig ist, weil keiner der Landkreise dem Leitbild der Fraktionen entspricht. Das mag für den Landesvorsitzenden der SPD vielleicht beklagenswert sein, aber er wird es dennoch einsehen müssen.
Meine Damen und Herren! Für uns war im Zuge der Beratungen zudem der Wille maßgeblich, eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen. Das war unseres Erachtens aufgrund der bereits angesprochenen Bürgeranhörungen und der abgeschlossenen Vereinbarungen zeitlich nunmehr geboten.
Neben der Klärung der Rechtslage für die betroffenen Gemeinden kann dann pünktlich zum 1. Januar 2005 zusammen mit der Neuordnung der Verwaltungsgemeinschaften insgesamt auch die Neuordnung der bisherigen Verwaltungsgemeinschaften bzw. der Einheitsgemeinde vor Ort erfolgen.
Die Verabschiedung der Gesetzentwürfe ist daher zum jetzigen Zeitpunkt für alle Beteiligten vorteilhaft; denn ansonsten würden beispielsweise die Gemeinden Brambach und Rodleben zunächst einer Verwaltungsgemeinschaft zugeordnet, aus der sie kurze Zeit später wieder ausscheiden würden. Der Innenminister hat daher zu Recht mehrfach ausgeführt, dass durch unsere Gesetzesvorhaben die Zuordnung zu einer Verwaltungsgemeinschaft entbehrlich wird, die nicht dem Bürgerwillen entspräche.
Meine Damen und Herren! Abschließend noch einige Ausführungen zu dem Antrag der PDS-Fraktion. Wie bereits dargelegt, sind wir nicht der Auffassung, dass der Gesetzentwurf zu irreparablen Verwerfungen im Raum Dessau führen wird und den raumordnerischen Grundsätzen und Planungen widerspricht. Es hat auch nichts mit Verkennung der Lage zu tun, Herr Grünert, sondern einfach damit, dass wir der Auffassung sind, dass Sie Unrecht haben.
Zu Punkt 2 Ihres Antrages kann ich, wie ebenfalls bereits erwähnt, ausführen, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Neugliederung kommunaler Strukturen zur Anhörung freigegeben hat, der die Inhalte gemeinsamer Besprechungen der Landesregierung und der Fraktionen widerspiegelt. Weitere gesetzgeberische Schritte werden die Landesregierung und die Fraktionen in enger Abstimmung zügig folgen lassen. Daher ist Ihr Antrag auch überholt.
Sie können versichert sein, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe nicht den künftigen Reformvorhaben widersprechen werden. Wir werden daher den Gesetzentwürfen zustimmen und Ihren Antrag leider ablehnen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Wolpert, Sie sagen zu Recht, dass der Wille der Bevölkerung respektiert werden soll. Wie stehen Sie dann zu der Frage, die in Günthersberge eine Mehrheit der Bevölkerung in Bezug auf die Abwasserbeseitigung artikuliert, bei der der Gemeinde letztlich aber eine eigenständige Lösung verwehrt wird?
Sie werden mir verzeihen, dass ich in die Problematik nicht so verstrickt bin, dass ich hier öffentlich eine Aussage dazu machen und mich klar dazu positionieren kann. Aber Sie können mir das gern noch einmal nahe bringen, dann werde ich Ihnen das erklären. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Effizienzgesichtspunkten will ich keine weitergehenden Ausführungen zu dem Entwurf eines Gesetzes über Eingemeindungen in die Stadt Gommern machen. Aber ich lege schon Wert darauf, daran zu erinnern, dass ich am 14. November 2002 namens der SPD-Fraktion einen Antrag in den Landtag eingebracht und begründet habe. Darin ging es nämlich um das, was heute Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist. Damals folgte uns die Mehrheit dieses Hohen Hauses nicht. Nun, mit zweijähriger Verspätung, ist bei Ihnen die Erkenntnis doch herangereift.
Ich freue mich darüber, ist es doch ein Beweis dafür, meine Damen und Herren, dass dann, wenn eine Stadt ordentlich regiert wird, zum Beispiel Gommern, und die örtlichen Verantwortungsträger ringsum über den Tellerrand schauen, konstruktive und zukunftsfähige Lösungen möglich sind.
Leider erst nach mehr als einem Jahrzehnt. Das muss uns doch zu denken geben in Bezug auf andere Reformvorhaben. Können wir uns denn solche Zeiträume leisten, meine Damen und Herren? Das frage ich nur einmal so in den Raum.
Ich gratuliere meinen kommunalen Brüdern dort oben auf der Tribüne. - Ich freue mich mit euch, dass es geschafft ist.