Die erste Beratung fand in der 48. Sitzung des Landtages am 14. Oktober 2004 statt. Berichterstatter des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten ist dessen Vorsitzender, der Abgeordnete Herr Dr. Sobetzko. Bitte sehr, Herr Dr. Sobetzko.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der 48. Sitzung am 14. Oktober 2004 hat der Landtag den Antrag der Fraktion der PDS mit dem Titel „Reform des Föderalismus in Deutschland - Unterrichtung und Beteiligung des Landtages“ in der Drs. 4/1841 zur Beratung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen.
Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten hat sich in der 26. Sitzung am 28. Oktober 2004, nachdem die Landesregierung zum Stand der Beratungen in der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung berichtet hatte, mit diesem Antrag befasst.
Der Präsident unseres Landtags, Herr Professor Dr. Spotka, hatte sich zuvor an die europapolitischen Sprecher gewandt und für eine Berücksichtigung der so genannten Münchner Erklärung der Präsidentinnen und Präsi
denten der deutschen Landtage sowie der Fraktionsvorsitzenden der Landtage in der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung geworben.
In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass sich der Ausschuss bisher sehr intensiv mit der Reform des Föderalismus beschäftigt hatte. Ich möchte daher dem Landtagspräsidenten und dem Staatsminister Herrn Robra für ihre bereitwillige Begleitung dieses Themas und für ihre Informationspolitik im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr herzlich danken.
Zu der Beratung im Ausschuss wurde vonseiten der Fraktion der CDU ein Vorschlag zur Formulierung einer Beschlussempfehlung unterbreitet. Dieser Vorlage zur Erarbeitung einer Beschlussempfehlung stimmten alle Fraktionen im Grundsatz zu. Allerdings gab es in Nuancen unterschiedliche Wertungen. So wurde auf ausdrücklichen Wunsch der FDP-Fraktion unter Punkt I.6 der Tischvorlage der fünfte Satz aus der Beschlussempfehlung herausgenommen, der lautete: Aus diesem Grund lehnt er - der Landtag - derzeit Zu- und Abschlagsrechte für die Länder bei den Ertragssteuern ab. Die PDS-Fraktion machte zum Beispiel nochmals auf ihre unterschiedlichen Ansätze in der föderalen Kultur- und Bildungspolitik aufmerksam.
Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten verabschiedete die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung unter der Überschrift „Die bundesstaatliche Ordnung Deutschlands modernisieren - Die Länder stärken - Den Landtag unterrichten und beteiligen“ in der Drs. 4/1862 einstimmig. Damit kann ein gutes Signal mit entsprechender Außenwirkung gegeben werden.
Im Namen des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten bitte ich den Landtag um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Sobetzko. - Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein kurzes Wort. Ich bin von der Landesregierung gebeten worden, die Mittagspause in Abstimmung mit Ihnen eventuell einzusparen. Wir haben einen Zeitvorsprung von einer Stunde. Wären Sie bereit, auf die Mittagspause zu verzichten und durchzutagen? Wir wären dann wahrscheinlich gegen 13.30 Uhr fertig. Sie könnten dann noch ein Essen einnehmen. Wir müssten allerdings unser Restaurant informieren. - Ich stelle Einverständnis fest. Dann verfahren wir so. - Herzlichen Dank.
Wir setzen die Fünfminutendebatte mit dem Beitrag der PDS-Fraktion fort. Ich erteile dazu der Abgeordneten Frau Dr. Klein das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Arbeit der Bundesstaatskommission scheint sich nun allmählich einem Ende zu nähern. Aber noch ist es fraglich, ob wirklich der große Wurf gelingt, der benötigt wird, um die bundesstaatliche Ordnung grundlegend zu reformieren.
Alle waren sich darin einig, dass das föderale System der Bundesrepublik dringend Veränderungen benötigt. Aber das war auch schon das einzig Verbindende. Bun
desregierung, Bundestag, Landesregierungen und Landesparlamente auf mehr als einen Nenner zu bringen war und ist eine große Aufgabe. Wir hoffen, auch wenn die PDS durch eine ganz große Koalition von CSU und CDU bis hin zu den Grünen von der Arbeit in der Bundesstaatskommission ausgeschlossen wurde, dass es dieser nicht so ergeht wie dem Berg, der da kreißte und ein Mäuslein gebar.
In diesem Sinne haben wir auch die Münchener Erklärung der Landtagspräsidenten vom 18. Oktober 2004 zur Kenntnis genommen. Die Ursachen für die jetzige Situation des deutschen Föderalismus sind vielfältig. Eines aber ist klar: Die Verfassungswirklichkeit hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht so entwickelt, wie es sich die Verfassungsmütter und -väter vorgestellt haben. Es ist ein System wechselseitiger Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern entstanden, das die Zuordnung von politischen Verantwortlichkeiten erschwert und die Ausübung des politischen Gestaltungswillens auf allen Ebenen behindert.
Sichtbarer Ausdruck dafür ist die Tatsache, dass der Bundesrat heute bei zwei Dritteln der vom Bundestag beschlossenen Gesetze seine Zustimmung geben muss. Wenn wie jetzt im Bundesrat andere Mehrheitsverhältnisse bestehen als im Bundestag, dann kommt es zu Blockaden. Hinzu kommt, dass der Bund den Großteil der Gesetzgebungskompetenzen an sich gezogen hat.
Mit anderen Worten: Die Landesparlamente haben ihr eigenständiges Gesetzgebungsrecht weitgehend verloren, während der Bundesrat in Gestalt der Landesregierungen an Macht gewonnen hat. Deshalb - dazu dient auch unser Antrag - ist es notwendig, dass die Parlamente die Föderalismusdebatte nicht den Regierungen allein überlassen.
Es geht nicht nur um mehr Effizienz im Sinne von schnelleren Entscheidungen beim Bund oder bei den Ländern, es geht auch und vor allem um die parlamentarische Demokratie in der Bundesrepublik. Es muss in der Verantwortung der Abgeordneten liegen, darüber zu entscheiden, auf welchen Ebenen welche Kompetenzen auszuüben sind und wo Kompetenzabgrenzungen bzw. -übertragungen vorzunehmen sind, und nicht bei den Regierungen. Dieser Verantwortung müssen wir uns aber auch bewusst stellen.
Gegenwärtig passiert aber in der Föderalismusdebatte scheinbar das Gegenteil. Es sind wieder die Landesregierungen, die versuchen, dem Bund so viel wie möglich an Kompetenzen abzunehmen. Die Landesparlamente - da nehme ich auch uns in die Pflicht - haben es bisher weitgehend unterlassen, sich in diese Debatte gestalterisch einzubringen. Zwar ist es schon sehr spät, aber noch nicht zu spät.
Die Bundesregierung hat vorgestern erstmals ihre Vorschläge zur Entflechtung der Bundes- und der Länderkompetenzen vorgestellt. Die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission haben angekündigt, noch in dieser Woche ihren Vorentwurf für die angestrebten Änderungen im Grundgesetz vorzulegen. Der für den 26. November 2004 angekündigte überarbeitete Entwurf soll anschließend in die Fraktionen und in die Ländergremien gegeben werden, bevor sich die Kommission am 17. Dezember 2004 abschließend damit beschäftigt.
Wir haben also als Landesparlament nur die Möglichkeit, uns in der Zeit vor dem 17. Dezember 2004 mit diesem
Entwurf zu beschäftigen. Wir sollten diese Möglichkeit nutzen, und dies nicht nur im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten;
denn wenn den Ländern Aufgaben übertragen werden oder diese sie selbst übernehmen wollen, dann muss man auch über Finanzen reden. Das ganze Paket Finanzen ist bis jetzt in der Debatte noch weitgehend ausgespart worden; aber wenn das Geld nicht bereitgestellt wird, wird auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gefährdet. Eine ersatzlose Streichung des Artikels 72 Abs. 2 des Grundgesetzes hätte nicht nur für die ostdeutschen Bundesländer auf lange Sicht gesehen fatale Folgen.
Abgesehen davon müssen wir als Landesparlament auch fragen: Wie viel Einfluss haben wir denn auf die Finanzen und deren Verteilung im Land? Wir streiten uns in den Ausschüssen meist um Größenordnungen, die im vier- oder fünfstelligen Bereich bleiben. Dort aber, wo es um Beträge in Millionenhöhe geht, sind die Gelder in den EU-Strukturfonds oder auch durch die Gemeinschaftsaufgaben gebunden.
Wir sind für eine sinnvolle und angemessene Neuordnung der Gemeinschaftsaufgaben und der Finanzbeziehungen. Aber - das habe ich bereits am 15. Oktober 2004 gesagt - die beabsichtigten Veränderungen dürfen nicht auf Kosten der armen Länder gehen. Wir sollten uns als Parlament auch stärker einbringen können, wenn es darum geht, wohin die Mittel gehen und wie sie gebunden werden.
Wir haben eigentlich nur die Möglichkeit, den Regierungsentwurf abzunicken, gerade wenn es um die großen Beträge geht, weil es so ist, wie es ist, und die Mittel sind durch die Gemeinschaftsaufgabe oder in den EUStrukturfonds nun einmal so festgelegt.
Wir brauchen andere Kriterien, auch als Landesparlament, um wirklich Politik machen zu können. Wir erwarten, dass wir als Landesparlament bei Änderungen des Artikels 72 und des Artikels 84 des Grundgesetzes Kompetenzen im Rahmen der geplanten abweichenden Gesetzgebung erhalten. Aber bei der gegenwärtigen Haushaltslage könnte unsere abweichende Gesetzgebung nur nach unten weichen. Deshalb werden wir wohl im Chor der Länder nur in der letzten Reihe mitsingen können.
Deshalb, meine Damen und Herren, halten wir es für notwendig, dass die Diskussion fortgeführt führt. Auch nach dem Abschluss der Arbeit der Bundesstaatskommission wird der deutsche Föderalismus weiterhin auf der Tagesordnung stehen. Bringen wir uns in diese Reform ein. - Danke.
Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Bad Lauchstädt.
Nunmehr erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort für den Debattenbeitrag der FDP-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen. Ich will vielleicht zu zwei Punkten etwas sagen.
Zum Ende der Beratungen in der Bundesstaatskommission nimmt die Bundesstaatskommission doch noch Züge des Europäischen Konvents an. Die beiden KoVorsitzenden Müntefering und Stoiber werden nun am 17. Dezember 2004 einen Vorschlag vorlegen, über den so bisher noch gar nicht diskutiert worden ist. In vielen Punkten ist die Bundesstaatskommission nämlich zu keinem Ergebnis gekommen. Ich bin gespannt, wie dieser Vorschlag dann aussehen wird.
In Bezug auf den Inhalt des Antrags hat der Vorsitzende des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sehr detailliert Stellung genommen. Wir unterstützen den Antrag und stimmen ihm zu.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle noch ein weiteres, aus meiner Sicht fast nicht hinnehmbares Vorgehen in der Kommission zur Sprache bringen, nämlich die Frage, in welcher Art und Weise die Bundesregierung mit den Ländern und mit dem Thema Reform der bundesstaatlichen Ordnung umgeht.
Da kommt in der letzten Arbeitssitzung der Kommission ein Papier von Herrn Wiefelspütz, dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zur inneren Sicherheit auf den Tisch. Das Thema wurde nie behandelt, weil es die Bundesregierung gar nicht zum Thema machen wollte. Der dafür zuständige Minister sitzt nicht einmal in der Kommission.
Aber dann kommt der Vorschlag, einen einheitlichen Titel „Zivil- und Katastrophenschutz“ im Grundgesetz zu verankern. Dazu sage ich Ihnen: Darüber kann man diskutieren. Aber damit nicht genug: Dann steht der Regierende Bürgermeister von Berlin Herr Wowereit, ebenfalls SPD, auf und hält mündlich einen flammenden Vortrag darüber, dass es doch dabei darum ginge, einen Kompetenztitel „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ zu schaffen.