Die Frage nach den sozialen Unterschieden spielte aber keine Rolle. Ich stelle einmal eine ganz drastische und zugegebenermaßen zugespitzte These auf: Ich vermute, die drei Gewinnerkitas haben den niedrigsten Anteil an Kindern aus sozial schwachen Familien. Ich wünschte, ich würde mich täuschen. Selbst dann bleibt aber festzustellen: Der Zusammenhang von ungesunder Ernährung und prekären Einkommensverhältnissen hat weder Überraschungseffekt noch Neuigkeitswert mehr.
Die jetzt geplante Aktion „Toben ist schlau“ ist erfreulicherweise so konzipiert, dass auch Kinder aus sozial schwierigen familiären Verhältnissen teilhaben können, einfach deshalb, weil sie im Kindergarten anwesend sind. Hoffen wir nur, dass die Angebote weitgehend vormittags unterbreitet werden, sodass diejenigen Kinder, die leider nur ein Recht auf Teilbildung haben, wenigstens dabei sein können.
Die Frage, die bleibt, ist: Wie gelingt in diesen Fällen die Nachhaltigkeit? - Ich möchte auf Folgendes hinweisen: Rund ein Viertel der allein erziehenden Mütter in Sachsen-Anhalt muss mit weniger als 900 € im Monat auskommen,15 % davon sogar mit weniger als 700 €. Die haben also kaum freie Ressourcen für gesundheitsfördernde Angebote wie Sauna, Sport, Kultur oder gesunde Ernährung.
Der entscheidende Faktor bei der Gestaltung von Lebensstilen ist nun einmal - da beißt die Maus keinen Faden ab - auch Geld. Im Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren, sind die verabschiedeten Reformen der Sozialsysteme für mich keineswegs eine Unausweichlichkeit oder wären gar alternativlos. In jedem Fall haben wir es hier im Land aber mit den Auswirkungen zu tun. Und so ist Gesundheitspolitik immer auch Sozialpolitik.
Missverständnisse werden immer gern gepflegt, gerade auf diesem Gebiet. Deswegen möchte ich einmal unmissverständlich sagen: Es geht nicht darum, alle Mittel des Landes nur noch den Familien oder den Betroffenen mit wenig Einkommen oder aus sozial schwierigen Verhältnissen zur Verfügung zu stellen. Es geht auch nicht um Gleichmacherei.
Aber, meine Damen und Herren, die Verhältnisse, die Relationen müssen stimmen. Gerade angesichts der
drastischen Auswirkungen der Sozialreformen, mit denen wir im kommenden Jahr rechnen müssen, dürfen genau diese Gruppen nicht aus dem Blick geraten. Anders gesagt: Sie müssen ins Blickfeld rücken.
Der von mir vorhin erwähnte Ellis Huber hat es einmal auf den Nenner gebracht - ich finde, das ist treffend formuliert; ich zitiere -:
„Wenn der Herzinfarkt sich nach der deutschen Vereinigung unterschiedlich entwickelt - im Osten nach oben, im Westen nach unten -, parallel zur Einführung modernster Kardiologie, dann zeigt das, dass der Herzinfarkt etwas über die sozialen Spannungen aussagt und das Gefühl des Einzelnen, im Sozialen geborgen und aufgehoben zu sein.“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Vielleicht kann ich zu Beginn meines Redebeitrages eine Bemerkung los werden. - Frau Bull, man muss sich schon zusammenreißen, wenn man Ihnen zuhört und merkt, wie Sie die Dinge verdrehen. Ich denke, uns unterscheidet etwas ganz Fundamentales, nämlich die Wahrnehmung der Wirklichkeit,
der Unterschied zwischen Ihren politischen Vorstellungen und dem, was politisch möglich ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass nicht der Sozialstaat der Motor des wirtschaftlichen Fortschrittes ist; der Sozialstaat ist nicht die Quelle. Der Sozialstaat ist die glückliche Folge einer leistungsfähigen Wirtschaft, deren Wertschöpfung ausreicht, Grundlagen der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit für alle zu schaffen. Das ist der kleine Unterschied zwischen uns.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Minister Kley hat einen ausführlichen Überblick über die gesundheitliche Versorgung im Land Sachsen-Anhalt gegeben und die Pluralität und Vielschichtigkeit des Gesundheitswesens sowie die Vielfalt der Akteure und der Beteiligten dargestellt.
Schon Schopenhauer hat gesagt: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ - Jeder Mensch möchte eine gute Gesundheit. Allerdings sind nicht alle bereit, etwas für die Gesundheit zu investieren. Obwohl unsere Lebenserwartung ständig steigt, sind wir nicht gesünder, sondern kränker geworden.
Gesundheit ist somit ein wichtiger persönlicher, aber auch gesellschaftlicher Wert. Ihre Bedeutung wird erst mit zunehmendem Alter erkannt. Erst dem alternden Menschen wird durch eigene durchgestandene Krankheiten und gesundheitliche Probleme in seinem Umfeld
bewusst, welche Einschränkungen mit dem Verlust von Gesundheit verbunden sind. Jüngere Menschen leben unbeschwerter und risikofreudiger. Vorsorgeprogramme für jüngere Altersgruppen werden propagiert, laufen aber häufig ins Leere.
Die Förderung und Erhaltung der Gesundheit erfordert nur geringe finanzielle Mittel. Teuer dagegen ist der Versuch, die Gesundheit wiederherzustellen. Das Gesundheitssystem ist neben der Renten- und der Arbeitslosenversicherung eine der drei Säulen des Sozialsystems, aber auch der sensibelste Bereich, denn die Auswirkungen von Leistungseinschnitten bekommt der Bürger buchstäblich am eigenen Leib zu spüren.
Wir wissen: Der Patient, gleichgültig ob chronisch oder akut erkrankt, erwartet zu jeder Zeit rasch und auf dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse die medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung, die die größte Gewähr bietet, eine bestehende Krankheit zu beseitigen, maximal erträglich zu gestalten oder seine Lebensqualität trotz Krankheit wiederherzustellen. Zudem erwartet der Patient, dass dem Krankheitsrisiko das wirtschaftliche Risiko weitgehend abgenommen wird.
Dabei müssen wir berücksichtigen und der Tatsache ins Auge blicken, dass mit den begrenzten Ressourcen keine unbegrenzten Leistungen versprochen werden können. Deshalb hat auch der Versicherte bzw. der Patient die Pflicht, einen Teil kleiner Risiken selbst zu übernehmen, damit die größeren abgesichert bleiben. Allgemein gültige Kriterien müssen das Notwendige definieren.
Die Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Patientinnen und Patienten sowie der Versicherten ist zunehmend gefordert. Das setzt allerdings voraus, dass die Versicherten gut informiert sind, sich im Gesundheitssystem zurechtfinden und ihre Mitwirkungsrechte in Anspruch nehmen können.
„Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.“
„Krankheiten befallen uns nicht aus dem heiteren Himmel, sondern entwickeln sich aus den täglichen Sünden wider die Natur. Wenn sich diese gehäuft haben, brechen sie unversehens hervor.“
Meine Damen und Herren Abgeordneten, Sie sehen, die Kenntnis zur Erhaltung der Gesundheit ist schon seit der Antike vorhanden und ist nicht neu.
Es besteht die Frage: Welche Faktoren bestimmen, wie lange wir leben, welchen Einfluss hat das frühe Leben und welche Rolle spielen Veränderungen in den akuten Lebensumständen und im Verhalten?
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung belegt, dass die Wiedervereinigung Deutschlands ein markantes Beispiel dafür ist, wie Veränderungen in den aktuellen Lebensumständen die Sterblichkeitsraten der Menschen sogar noch im fortgeschrittenen Alter verändern können. Wir wissen, dass die Lebenserwartung ein Indikator der Gesundheit und Sterblichkeit einer Bevölkerung ist, der zur Beurteilung der Lebensverhältnisse in ihrer Gesamtheit herangezogen werden kann.
Die Wiedervereinigung hat sehr deutlich gezeigt, dass selbst ein Einfluss auf die Sterblichkeit sehr alter Menschen noch möglich ist. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters profitierten auch die 80- und 90-jährigen Ostdeutschen von dem mit der Wiedervereinigung einhergehenden medizinischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Dabei ist bemerkenswert, dass jeder Geburtsjahrgang dieses Muster aufweist. Offensichtlich sind Alterungsprozess und Sterblichkeit sehr formbar, wie das historische Ereignis der Wiedervereinigung mit deutlicher Wirkung unter Beweis stellt.
Es ist davon auszugehen, dass vor allem eine verbesserte medizinische Versorgung und verbesserte Einkommensverhältnisse nach der Wiedervereinigung dazu beigetragen haben, dass sich die Sterblichkeit sehr alter Menschen in Ost- und Westdeutschland zügig angeglichen hat. Viele alte Menschen leiden an chronischen Krankheiten, deren Diagnostik und Therapie bei dem heutigen medizinischen Standard teuer sind. Das Gesundheitswesen der DDR konnte die medizinische Betreuung dieser Erkrankten nicht in dem Maße gewährleisten, wie es im Westen der Fall war. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung wurde das kapitalintensive westdeutsche Gesundheitssystem eingeführt, welches zu den beträchtlichen Verbesserungen für alte Menschen beigetragen hat.
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass eine gute Gesundheit und ein langes Leben eng mit dem Einkommen und dem materiellen Wohlstand verknüpft sind. Die Etablierung des neuen Rentensystems führte dazu, dass ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner plötzlich deutlich besser gestellt waren als vor der Wende. Diese verbesserte materielle Situation der alten Menschen hat sicherlich dazu beigetragen, dass ihre Sterblichkeitsrate nach 1990 kontinuierlich sank.
Sie sehen, meine Damen und Herren Abgeordneten, das Beispiel der Wiedervereinigung zeigt, dass es für lebensverlängernde Veränderungen der Lebensbedingungen nie zu spät ist, selbst im fortgeschrittenen Alter nicht.
Es war mir wichtig, dies in besonderer Weise hervorzuheben, weil es uns unmittelbar betrifft und wir nachweisbar davon profitiert haben, auch wenn es auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist und die Mehrzahl in der Bevölkerung es eher als selbstverständlich ansieht. Es ist auch ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung ausmacht.
Ebenso wird deutlich, dass die Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung der beste Ansatz für eine vorausschauende Gesundheitspolitik ist. Ziel der Gesundheitspolitik des Landes Sachsen-Anhalt ist die Erhaltung sowie die Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Bevölkerung unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und der veränderten Lebensgewohnheiten. Mit der Entwicklung, Einführung, Fortführung, Überprüfung und Neujustierung der Gesundheitsziele konnte ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet werden.
Die Säuglingssterblichkeit gilt als Indikator für die Erfassung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung. Da diese seit Beginn der 90er-Jahre stetig abgenommen hat, wurde das Gesundheitsziel „Senkung der
Säuglingssterblichkeit auf den Bundesdurchschnitt“ im Jahr 2003 erreicht. Ebenso hat sich der altersgerechte Impfstatus kontinuierlich verbessert.
Dennoch muss festgestellt werden, dass sich die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachteiliger entwickelt hat, als man es vermutet. Das ist keineswegs zufrieden stellend. Insgesamt folgt der Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in SachsenAnhalt dem Bundestrend, in einigen Bereichen ist er schlechter als im Bundesdurchschnitt. Das wurde bei der Neujustierung sowie bei der Auswahl der Zielgruppen berücksichtigt. Gerade Kinder und Jugendliche stellen eine Bevölkerungsgruppe dar, bei der gesundheitliche Verhaltensweisen entscheidend geprägt werden können, die für das spätere Gesundheits- und Krankheitsverhalten eine wichtige Rolle spielen.
Es ist wichtig, dass Prävention und Gesundheitsförderung rechtzeitig von Elternhaus, Kindergarten und Schule gefordert und gefördert werden - dort, wo die Kinder und Jugendlichen leben, lernen und ihre Freizeit verbringen. Dabei muss allen Akteuren im Gesundheitswesen bewusst sein, dass Prävention und Gesundheitsförderung die Erfahrung und Unterstützung aller Beteiligten erfordert.
Ein besonderes Gefährdungspotenzial für Kinder und Jugendliche in Sachsen-Anhalt besitzen legale und illegale Drogen. Dabei ist der Anstieg des Drogenkonsums in den letzten fünf Jahren Besorgnis erregend und bezieht sich vor allem auf Nikotin und Alkohol, wobei das Einstiegsalter weiter gesunken ist und vor allem mit dem Tabakkonsum sehr zeitig - mit durchschnittlich 11,3 Jahren - begonnen wird.
5 % aller Neugeborenen weisen angeborene Anomalien, Fehlbildungen und Krankheiten auf, die therapiebedürftig bzw. die zweithäufigste Todesursache im Säuglingsalter sind. Das Fehlbildungsmonitoring zur Registrierung angeborener Fehlbildungen und Anomalien in SachsenAnhalt ist in dieser Form einmalig und trägt wesentlich dazu bei, die Häufigkeit von Fehlbildungen und Anomalien zu erfassen und damit zur Ursachenerkennung beizutragen.
Für eine qualitätsgesicherte Gesundheitsversorgung erachte ich die Arbeit des Landesamtes für Verbraucherschutz mit dem Bereich Gesundheit, Hygiene und Epidemiologie für wichtig. In diesem Bereich werden Untersuchungen mikrobiologischer und serologischer Art, Wasseruntersuchungen, umweltmedizinische Untersuchungen, Untersuchungen auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene und der Parasitologie etc. durchgeführt. In der Arzneimittelprüfstelle werden amtliche Untersuchungen im Rahmen der Arzneimittel- und Apothekenüberwachung durchgeführt.
Das Landesamt ist die zuständige Fachbehörde für den öffentlichen Gesundheitsdienst und für alle Maßnahmen der Seuchenbekämpfung im landesweiten Maßstab und mit landesweiter Bedeutung. Ich möchte in diesem Zusammenhang an das Auftreten von Sars erinnern, das aus China kam.
Uns sollte bewusst sein, was dieser Bereich des Verbraucherschutzes rund um die Uhr für den vorbeugenden Gesundheitsschutz leistet. So genannter Bioterrorismus wird damit auch erfasst. Beispielsweise hat das