Protocol of the Session on September 16, 2004

Ein zweiter und letzter Gedanke. Wir haben eine lange und sehr heftige - - Frau Dr. Sitte, da wir gerade über Ihren Antrag reden, wäre es schön, wenn Sie mir auch ein Stück weit Gehör schenken würden.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Ich bin eigentlich ganz Ohr!)

Ich wollte nur sagen: Wir haben lange und heftig um unser Hochschulgesetz gerungen. Gerade die Juniorprofessur war ein Punkt, bei dem nicht von vornherein klar intendiert war, wohin die Reise geht. Ich bin im Nachhinein aber auch stolz darauf, dass wir als Regierungskoalition - ich glaube, an der Stelle haben Sie sich mittlerweile eingeklinkt - eine Regelung gefunden haben, die die Möglichkeit eröffnet, dass sowohl die Habilitation als auch die Juniorprofessorinnen und -professoren - das sind wirklich sehr motivierte Frauen und Männer, die wir im Lande haben - eine faire Chance haben. Deswegen

sind wir mit dem Antrag einverstanden und werden ihm zustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der PDS, bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Danke, Herr Abgeordneter Tullner. - Für die SPD-Fraktion wird nun die Abgeordnete Frau Dr. Kuppe sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! In der Begründung zu dem von Frau Sitte vorgestellten Urteil des Bundesverfassungsgerichts heißt es, dass das Grundgesetz dem Bund in Hochschulfragen die Regelung allgemeiner Grundsätze, nicht aber die Regelung von Detailfragen erlaubt.

So dürfe sich ein Hochschulrahmengesetz des Bundes nach Artikel 75 Abs. 1 des Grundgesetzes beispielsweise erstrecken auf die Vorgabe eines Leitbildes für deutsche Hochschulen, auf die Beschreibung des Aufgabenkataloges von Hochschulen, auf Maßnahmen zur erfolgreichen Positionierung deutscher Hochschulen im internationalen Wettbewerb, auf die Festlegung einer Regelaltersgrenze für Erstberufungen oder auch auf die Definition von allgemeinen Qualifikationsmerkmalen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und damit auch für neue Qualifikationstypen wie den Juniorprofessor oder die Juniorprofessorin. Die Aufgabe der Länder sei es dann, Entscheidungen über die vom Bund vorgegebenen Konzepte und Anregungen herbeizuführen.

Nun wollten die Bundesregierung und der Bundestag mit der maximal sechs Jahre dauernden Juniorprofessur jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verkürzte Wege zu eigenständiger Forschung und Lehre eröffnen und damit auch den Zugang zu einer Hochschulkarriere beschleunigen.

Nach der Aussage der Bundesbildungsministerin sind die bereits eingerichteten Juniorprofessuren von dem Richterspruch nicht erfasst. Das bedeutet erst einmal Sicherheit für die Betroffenen. Darüber hinaus ist die Bundesbildungsministerin dabei, im Einvernehmen mit den Ländern ein neues Hochschulrahmengesetz auf den Weg zu bringen.

Frau Sitte hat bereits darauf hingewiesen, dass in dem Bereich auch Eile geboten ist, weil durch das Karlsruher Urteil nun unabhängig von dem Hochschulrahmenrecht auch die §§ 57a bis 57f für nichtig erklärt wurden. Diese beziehen sich auf Fragen des Arbeitsrechtes. Das hat wiederum zu heftigen Verunsicherungen hinsichtlich der Zeitverträge an Universitäten geführt.

Herr Professor Olbertz, leider haben die CDU-geführten Länder nach meiner Kenntnis angekündigt, dass sie erst am 30. September 2004 erste Verhandlungen mit der Bundesregierung zu diesem neuen Gesetz zu führen bereit sind.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wir sind eben nicht die Schnellsten!)

- Aber es müsste dann sehr schnell gehen, auch die einfachen, neu zu schaffenden Regelungen auf den Weg zu bringen.

Aber zurück zur Situation in unserem Land. Frau Sitte, hier gibt es seit der April-Sitzung im Landtag ein mehrheitlich beschlossenes neues Hochschulgesetz. In diesem Gesetz sind die Rechte und Pflichten von Juniorprofessorinnen und -professoren und eine - zugegebenermaßen weichgespülte - Form des Tenure Track beschrieben. Diese Regelungen werden vom Bundesverfassungsgerichtsurteil überhaupt nicht angetastet.

Insofern empfinde ich den Punkt 1 Ihres Antrags als merkwürdig; denn Sie fordern den Landtag auf, in Sachsen-Anhalt geltendes Recht anzuerkennen. Ich denke, das müssen wir nicht noch einmal betonen. Das ist wohl eine Selbstverständlichkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Der Punkt 2 des Antrags findet die außerordentliche Zustimmung unserer Fraktion; denn ich denke, wir müssen Länder übergreifende, gute Regelungen schaffen, sodass die Anerkennung - das haben Sie, Herr Minister, betont - zustande kommt. An dieser Stelle gibt es einen Beratungs- und Klärungsbedarf. Diesen Punkt unterstützen wir.

Wir meinen aber auch, dass die Landesregierung jetzt schon im Ausschuss darüber berichten soll, wie sich die Situation in den anderen Bundesländern darstellt und wie der Beratungsstand in der Bund-Länder-Kommission bzw. auf der Ebene der Kultusministerkonferenz ist. Wir wollen eine Berichterstattung nicht erst, wenn schon neue Schritte eingeleitet worden sind. Vielmehr sollte der aktuelle Stand referiert und mit uns erörtert werden. Deshalb schlagen wir vor, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Dann werden wir sehen, wie mit dem Antrag umzugehen ist. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Dr. Kuppe. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Volk sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle sind uns heute bei dieser Diskussion völlig einig.

(Herr Tullner, CDU: Das ist schon fast verdäch- tig!)

Vor wenigen Monaten haben wir an dieser Stelle nicht in dieser Einigkeit über die Neufassung des Landeshochschulgesetzes diskutiert; wir haben es nicht einstimmig verabschiedet. Es ging bei der Novellierung auch um die Anpassung unseres Landesgesetzes an das geltende - aus heutiger Sicht muss man fast sagen: das noch geltende - Hochschulrahmengesetz des Bundes.

Dass diese Grundlage nicht in allen Punkten felsenfesten Bestand hatte, war uns schon damals bei der Diskussion über das Landeshochschulgesetz durchaus bewusst. Wir diskutierten nicht im luftleeren Raum. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die faktische Abschaffung der Habilitation war bereits eingereicht.

Es dürfte deshalb heute keinen Hochschulpolitiker verwundern, dass das Bundesverfassungsgericht am 27. Juli 2004 die Regelung des Hochschulrahmengesetzes zur

Juniorprofessur als unvereinbar mit dem Grundgesetz bezeichnete und damit für nichtig erklärte.

Uns war bereits im Zuge der Beratungen zum Landeshochschulgesetz klar, dass der Status und der Umgang mit der Juniorprofessur einvernehmlich und nachhaltig geregelt werden müssen. Vom heutigen Standpunkt aus können wir mit der gefundenen Formulierung durchaus zufrieden sein. Ohne in Eigenlob zu verfallen, denke ich, dass wir eine salomonische Lösung gefunden haben.

Juniorprofessur und Habilitation stehen im Landeshochschulgesetz als zwei Wege zu einer Professur gleichberechtigt nebeneinander. Damit überlassen wir es der jeweiligen Berufungskommission und damit den einzelnen Hochschulen bzw. den Fachbereichen, unter Beachtung der jeweiligen Anforderungen ihre Entscheidung zu treffen.

Das ist nur folgerichtig, wenn man den Begriff „Hochschulautonomie“ ernst nimmt und sich vor Augen führt, dass die Wissenschaft keineswegs ein monolithischer Block mit starren Anforderungen ist. Während in einzelnen Bereichen die Habilitation noch lange als Notwendigkeit betrachtet werden wird, gibt es heute schon Gebiete, in denen sie eher eine Formalie darstellt.

Ich sehe in der Juniorprofessur ein geeignetes Mittel, um vor der Berufung zum Professor in der Praxis die Leistungsfähigkeit des Bewerbers zu beweisen und einen Beitrag zur Verjüngung der Professorenschaft zu leisten. Dies ist jedoch als Möglichkeit und nicht als zwingende Vorgabe zu verstehen. Die Verantwortlichen vor Ort können die Bewerber und ihre Eignung am besten beurteilen. Wir stellen es in unserem Hochschulgesetz frei, in welcher Form der Qualifikationsnachweis letztlich erbracht wird.

Damit hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen zur Juniorprofessur im Hochschulrahmengesetz des Bundes verfassungswidrig sind, auch keine Auswirkung auf unser Hochschulrecht. Wir müssen unser Hochschulgesetz nicht erneut ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Wir haben eine Verantwortung für die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an unseren Hochschulen. Mit der Verankerung der Juniorprofessur im Hochschulgesetz wollten wir bewusst einen weiteren Qualifikationsweg eröffnen.

Es ist notwendig, dass sich die Landesregierung für eine Rahmenvereinbarung mit anderen Bundesländern einsetzt, in deren Ergebnis den Juniorprofessoren aus Sachsen-Anhalt auch in anderen Bundesländern der Weg zur Professur offen stehen muss. Die Wissenschaft lebt vom Austausch und der Flexibilität des akademischen Personals.

Eine Insellösung für ein Land der Bundesrepublik darf es nicht geben. Das Projekt Juniorprofessur wird scheitern, wenn wir keine deutschlandweit einheitliche Lösung vereinbaren können. Die einheitliche Anerkennung muss außerdem für Absatz 4 der entsprechenden Regelung sichergestellt werden, der den Juniorprofessoren nach dem Ablauf ihrer Tätigkeit den Status eines Privatdozenten zugesteht.

Den Handlungsbedarf auf diesem Gebiet macht auch eine aktuelle Studie des Zentrums für Hochschulentwicklung zu den Juniorprofessuren deutlich. Demzufolge

plant die Hälfte aller Juniorprofessoren zusätzlich eine Habilitation, was der Idee eigentlich zuwiderläuft.

Dass der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft außerdem über die einschlägigen Entwicklungen informiert werden soll, versteht sich von selbst. Die FDPFraktion - das wird Sie sicherlich nicht verwundern - stimmt diesem Antrag in allen Punkten zu, da er, wie bereits festgestellt wurde, eine liberale Handschrift aus Berlin trägt. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Volk. - Frau Dr. Sitte, Sie haben noch einmal die Möglichkeit, das Wort zu nehmen.

Ein paar Anmerkungen kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen. Als wir das Landeshochschulgesetz erarbeitet oder verändert haben - wie auch immer man das bezeichnen will -, galt - das muss man feststellen - diese fünfte Novelle zum Hochschulrahmengesetz noch. Da widersprach unser Landesgesetz der Novelle zum Hochschulrahmengesetz; denn dort ist ausdrücklich nur die Juniorprofessur erwähnt und es ging um die Abschaffung der Habilitation in zehn Jahren.

Nun ist die betreffende Regelung weg und die Landesregelung ist rechtens. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: Das fällt unter die Hoheit der Länder. Also gibt es keinen Widerspruch mehr zu der Regelung auf der Bundesebene. Allerdings möchte ich für alle, die sich nicht so gut auskennen, sagen: Es war eine Fünf-zu-drei-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

(Herr Tullner, CDU: Na ja!)

So ganz sonnenklar ist das also nicht. Aber wir erkennen das Urteil an. Das ist kein Thema.

(Herr Tullner, CDU: Aber 5 : 3 ist 5 : 3!)

- Genau, 5 : 3 ist 5 : 3.

Ich will noch eines deutlich machen. Ich kann mich sehr gut an die stundenlangen Debatten über das Gesetz erinnern. Aber ich weiß 100-prozentig, dass nicht jeder Abgeordnete von dieser Juniorprofessur von Anfang an so furchtbar überzeugt gewesen ist, dass er heute sagen muss: Ich bin stolz, dass das bei uns im Landeshochschulgesetz steht.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ich weiß, einige musste man zum Jagen tragen. Hinzu kam, dass es durchaus auch Stimmen gegeben hat, beispielsweise vom Hochschullehrerbund, die sich ausdrücklich gegen die Juniorprofessur ausgesprochen haben. Weshalb sage ich das? - Weil man nämlich im bösesten Falle hier meinerseits hätte annehmen können, dass Sie sagen: Ja, wenn das jetzt auf der Bundesebene weg ist, dann können wir das aus unserem Landeshochschulgesetz wieder herauskippen.

(Herr Tullner, CDU: Nö!)

Das ist nicht so. Wunderbar. Aber deshalb macht der Punkt 1 Sinn. Wir haben uns heute darüber versichert. Ich war schon gespannt, wie Sie sich dazu äußern.