Protocol of the Session on July 9, 2004

Ich glaube, mit dem Betrag von 50 000 €, die der Minister vorhin pro Interventionsstelle quasi zugesagt hat, und mit drei Stellen im Land lässt sich diese Aufgabe allerdings nicht lösen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Wenn Ihnen die Familienpolitik wirklich so wichtig ist, wie Sie es immer beteuern, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, muss es Ihnen doch ein vorrangiges Anliegen sein, gegen die unterschiedlichsten Formen von Gewalt im familiären Umfeld ein spezifiziertes,

zielgenaues Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder und Frauen fortzuführen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Dabei ist das Problem der Kinder für mich noch einmal ein ganz besonderes; denn in Bezug auf die Auswirkungen von Gewalt in Familien sind Kinder doppelten und dreifachen Belastungen ausgesetzt. Das bedarf gesonderter Untersuchungen und gesonderter Hilfsprojekte gemeinsam mit Familienberaterinnen, Familienrichtern und Rechtsanwälten. Lassen Sie uns die Kraft aller Akteure nutzen und nicht in kleinlichem Streit verharren.

Nun möchte ich noch etwas zu den unterschiedlichen Anträgen sagen: Wir hätten zu dem Antrag der PDSFraktion keinen Änderungsantrag vorgelegt, obwohl unter den Punkt 1 die Punkte 2 bis 5 hätten untergeordnet werden können. Dann kam der Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU. Mir ist nicht klar, wo es ein Modellprojekt „Landesprogramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder“ gibt. Es gibt ein Landesprogramm und es gibt auf der anderen Seite das Modellprojekt „Isa“ und die Modellprojekte der Interventionsstellen.

Aus diesem Grund haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der genau dies alles aufführt. Wir werben natürlich dafür, dass unser Änderungsantrag angenommen wird. Nach Auswertung aller Erfahrungen wollen wir gern ein neues, spezifiziertes Programm initiieren. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Fischer. - Für die FDP-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Frau Seifert. Bitte sehr, Frau Seifert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Ministers und nach den Ausführungen von Frau Wybrands bleibt mir eigentlich nur, Sie zu bitten, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP zuzustimmen. - Ich gebe meine Rede mit Ihrer Erlaubnis zu Protokoll.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

Das Landesprogramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder umfasst verschiedene Teile, die dem Schutz der Betroffenen dienen. Dazu gehören einmal das Interventionsprojekt „Häusliche Gewalt“ bis 2004. In einer Laufzeit von drei Jahren hatte das Interventionsprogramm die Aufgabe, enge Kooperationsstrukturen zwischen möglichst allen beteiligten Organisationen und staatlichen Instanzen auf kommunaler und regionaler Ebene aus- bzw. aufzubauen, um das Vorgehen bei häuslicher Gewalt aufeinander abzustimmen und zu vereinheitlichen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit, Fortbildungen und die Unterstützung der Arbeit der Interventionsstellen gehörten zum Aufgabenspektrum.

Zum anderen wurde 2002 ein weiteres Strukturelement in der Interventionskette bei Fällen häuslicher Gewalt etabliert. Es wurde eine Interventionsstelle in Halle ein

gerichtet. Im Jahr 2003 entstanden in Magdeburg und in Dessau zwei weitere Interventionsstellen.

Erkenntnisse und entwickelte Strukturen aus dem Interventionsprojekt „Häusliche Gewalt“ wurden und werden in der Arbeit der Interventionsstellen zielführend im Sinne von erfolgreicher Hilfe für die Betroffenen genutzt.

Belastbare Kooperationen wurden in die Arbeit der Interventionsstellen eingebunden. Dazu gehört das flächendeckende Netz an Frauenhäusern. Es gibt 20 Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt, die durch ihre Beratungstätigkeit Frauen dazu befähigen sollen, sich aus gewalttätigen Beziehungsstrukturen zu lösen bzw. lernen sollen, Veränderungen herbeizuführen.

Flächendeckend wurden auch Beratungsstellen für Gewaltopfer neu eingerichtet bzw. bestehende Beratungsstellen kooperativ mit einbezogen. Als Beispiel dafür wäre zu nennen die neu eingerichtete Beratungsstelle für Gewaltopfer im Mansfelder Land.

Zu den bestehenden Beratungsstellen, die einbezogen wurden, gehören beispielsweise die Wildwasser-Beratungsstellen, die Erziehungsberatungsstellen der Landkreise, die Pro-Familia-Beratungsstellen.

Durch die Weitergabe der Arbeitsergebnisse des auslaufenden Interventionsprojektes an die Interventionsstellen bleiben die Angebote für Opfer von Gewalt bestehen. Meiner Meinung nach stellen sie ein gutes Hilfenetzwerk dar, um Opfer, die wir erreichen können, angemessen zu betreuen.

Natürlich ist auch mir klar, dass wir nie allen Opfern von Gewalt helfen können. Dies hat viele Ursachen, die nicht in jedem Fall in fehlenden Angeboten liegen. Wir alle wissen - dies haben uns die letzten Anhörungen im Gleichstellungsausschuss bestätigt -, dass die Dunkelziffer bei Gewalttaten hoch ist und auch die Bereitschaft, ein mögliches Hilfeangebot anzunehmen, nicht bei jedem Betroffenen vorhanden ist.

Umso wichtiger ist es, dass die existierenden Anlaufstellen gute Arbeit leisten. Dass sie dies tun, ist nicht zuletzt in den Anhörungen mit Frauenberatungsstellen und dem Verein Wildwasser zum Ausdruck gekommen. Für das Engagement bei der Erledigung dieser oft schwierigen Aufgabe möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen an dieser Stelle bedanken.

Zu unserem Änderungsantrag. Das Landesprogramm selbst war von Beginn an zeitlich begrenzt bis Ende 2004. Danach ist es mir wichtig, eine Auswertung dieses Landesprogramms „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder“ vorzunehmen. Nach der Abschlussveranstaltung Ende November erwarte ich, dass in den entsprechenden Ausschüssen ein Abschlussbericht und ein Evaluationsbericht gegeben wird.

Das bestehende Hilfsnetzwerk soll die gesammelten Erfahrungen landesweit nutzen können. Dann werden wir sehen, inwieweit die bestehenden Hilfsnetze ein ausreichendes Fundament für den Opferschutz bieten oder ob weitere Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung gegen Gewalt an Frauen und Kindern notwendig sind und welche Finanzierungsmöglichkeiten gegebenenfalls vorhanden sind.

Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.

Vielen herzlichen Dank, Frau Seifert. - Nun hat für die PDS-Fraktion noch einmal die Abgeordnete Frau Ferchland das Wort. Bitte sehr, Frau Ferchland.

Es ist schade, dass Sie Ihre Rede zu Protokoll geben, Frau Seifert; denn ich hätte gerne die Position der FDP zu den Interventionsstellen gehört. Dann hätte ich mich darauf noch beziehen können.

Ganz kurz zu den Äußerungen des Ministers: Herr Minister, es war niemand von der Hausspitze bei der Anhörung dabei. Sie waren nicht da, es war gar niemand aus dem Ministerium da, niemand.

Die Gäste, die zu der Anhörung eingeladen waren - das waren mehr als 40 Gäste -, haben sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass von der Hausspitze und überhaupt aus dem Ministerium gar niemand anwesend war. Das wird, denke ich, auch in die Strukturen weitergetragen werden.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit - -

Nein, ich bin jetzt nicht bereit dazu.

(Minister Herr Kley: Es war jemand vom Ministe- rium da!)

- Ja sicher. Wer denn?

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

- Danke schön.

Dann zu den Hilfenetzen. Wir hatten im Jahr 1990 23 Frauenhäuser. Jetzt haben wir 20. Deren Zahl wird also auch schon geringer.

Zu den Beratungsstellen. Wir hatten zu der letzten Ausschusssitzung Vertreter des Vereins Wildwasser e. V. eingeladen. Von denen wurde uns gesagt, dass der Verein Wildwasser Magdeburg mittlerweile Klientinnen zurückweisen muss und sie nicht mehr beraten kann, weil aufgrund der 20-prozentigen Kürzung im vergangenen Jahr keine Möglichkeiten mehr bestehen.

Wenn wir uns anschauen, was im nächsten Haushaltsplanentwurf steht, was schon anvisiert wurde - der Verein Wildwasser hat dazu einen Brief an den Ausschuss geschickt -, müssen wir ganz einfach befürchten, dass dieses Hilfenetz in Sachsen-Anhalt aufgrund der Haushaltslage, wie uns immer gesagt wird, geschrumpft wird. Das müssen wir ganz einfach befürchten.

Zur Öffentlichkeitsarbeit. Herr Schumann, der Polizeipräsident von Halle, hat in der oben genannten Anhörung gesagt, dass aufgrund der verminderten Öffentlichkeitsarbeit im Land die häusliche Gewalt zugenommen habe. Das wurde so zur Kenntnis genommen. Darum haben wir das auch in unseren Antrag aufgenommen.

Zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - zum Modellprojekt brauche ich nichts mehr zu sagen -: Sachlich wäre einiges dazu zu sagen. Aber Sie wollen, dass wir uns im Ausschuss darüber verständi

gen. Genau das haben wir schon beschlossen. Der Ausschuss hat beschlossen, dass wir uns am 10. September darüber noch einmal verständigen, die Anhörung auswerten und den Bericht der Landesregierung einfordern. Also ist Ihr Änderungsantrag eigentlich gegenstandslos, weil der Ausschuss das schon beschlossen hat.

Ansonsten bleiben wir bei unserer Kritik. Ich werbe natürlich dafür, dass unserem Antrag zugestimmt wird. Wir werden auch dem Antrag der SPD zustimmen. Dem Antrag der CDU und der FDP werden wir nicht zustimmen. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Frau Abgeordnete, es gibt noch den Wunsch, eine Frage zu stellen. - Herr Minister, bitte, Sie können die Frage stellen. - Wenn Sie bereit sind, möchte auch Frau Wybrands noch eine Frage stellen. - Bitte sehr, Herr Minister.

Frau Kollegin Ferchland, geben Sie zu, dass die Frauenhäuser nicht aufgrund sinkender Landesförderung geschlossen worden sind, sondern deshalb, weil sich die Kommunen aus der Finanzierung zurückgezogen haben? In den Kreisparlamenten sitzt sicherlich auch die PDS in erhöhter Stärke.

Eine weitere Frage: Trifft es zu, dass bei der Anhörung die Wildwasser-Vereine und ähnliche Interventionsstellen in Halle, Dessau und Stendal zugegeben haben, dass sie mit der Förderung zurechtkommen, dass Wildwasser Magdeburg aber Aufgaben wahrnimmt, die nicht zum eigentlichen Aufgabenkreis gehören, und dass deshalb Klientinnen zurückgewiesen werden müssen? Wir sollten bei der Aufarbeitung Ehrlichkeit walten lassen, um auch zu den realen Ursachen zu kommen.

Darf ich antworten?

Bitte sehr, Frau Ferchland.

Weder der Verein Wildwasser e. V. noch die Interventionsstellen haben in den Anhörungen - es waren zwei Anhörungen - gesagt, dass sie mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Sie haben darüber gar nichts gesagt. Eine Ausnahme war Wildwasser Magdeburg. Wildwasser Magdeburg muss mehr Geld vorhalten, weil es die einzige Beratungsstelle ist, die eine Psychologin beschäftigt. Alle anderen haben das nicht.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)