Protocol of the Session on July 8, 2004

Sie haben schon zu viel ausgeführt. Sie müssen sich entschließen. Entweder geben Sie Ihre Rede sofort zu Protokoll oder Sie halten sie. Aber Sie können Ihre Redezeit nutzen, wenn Sie möchten. - Herr Kehl bietet Ihnen die Möglichkeit, noch ein paar Worte zu sagen, Herr Kehl hätte nämlich eine Frage an Sie.

Ja, bitte.

Bitte sehr, Herr Kehl.

Herr Grünert konnte oder wollte meine Frage nicht beantworten. Nun frage ich Sie: Können Sie es sich erklären, warum die PDS darin eine Gebührenerhöhung sieht, wenn mit der Novellierung des Gesetzes der alte Rechtszustand wiederhergestellt werden soll, der vor dem Urteil bestand?

Herr Kehl, ich glaube, die Antwort gibt am besten ein Kollege von der PDS-Fraktion. Ich verstehe es auch nicht, wie hieraus eine Gebührenerhöhung abgeleitet wird. Insofern verstehe ich also die Rede von Herrn Grünert auch nicht ganz.

Ich will nun meine Rede zu Ende führen und sagen, dass wir mit einer Veränderung dieses Abwasserabgabengesetzes eigentlich den ursprünglichen Zustand, der mit der Lenkungsfunktion des Abwasserabgabengesetzes beabsichtigt war, wiederherstellen wollen.

Der Bundesgesetzgeber und auch der Landesgesetzgeber haben mit der Abwasserabgabe ein Instrument geschaffen, mit dem sie sukzessive, entsprechend dem Fortschritt bei der Erneuerung und Verbesserung der Abwasseranlagen, die Gebühren senken wollen. Das wurde durch den Urteilsspruch des Oberverwaltungsgerichts infrage gestellt. Deshalb müssen wir an dieser Stelle das Gesetz ändern. Ich empfehle Ihnen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen und die Überweisung an den Umweltausschuss zu nutzen, um hierüber gründlich zu diskutieren. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ruden. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat nun Frau Minister Wernicke um das Wort gebeten. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige wenige Sätze zu diesem Antrag. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die Initiative der Koalitionsfraktionen.

Ich will es der PDS-Fraktion vielleicht nachsehen; ich glaube, Sie haben das Anliegen nicht verstanden. Herr

Ruden und Herr Hacke haben darauf hingewiesen, dass die vom Land festgesetzte Abwasserabgabe, die mit Investitionen zu verrechnende Abwasserabgabe, mit dieser Initiative wieder auf die gebührenpflichtigen Einwohner umverteilt werden kann, wie es nach dem alten Rechtszustand auch war.

Wenn diese Finanzierungssäule aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung wegbricht, wird das für die Bürger - gerade die PDS setzt sich doch für die Bürger bzw. für die Entlastung der Bürger ein,

(Zustimmung bei der PDS)

aber jetzt will sie genau das Gegenteil erreichen, indem sie dieses Instrument nicht nutzen will -, für die kommunalen Haushalte, aber auch für die Bauwirtschaft spürbare negative Folgen haben.

Folgende Szenarien sind abzusehen, wenn diese Finanzierungssäule wegbricht: Die entsorgungspflichtige Körperschaft wird den Einnahmeausfall über Kredite finanzieren müssen; denn sie sind gehalten, die Kanäle, die Abwasserentsorgungsanlagen zu erneuern oder neu zu investieren. Das wird zwingend zu einem Anstieg der Abwassergebühren führen.

Aufgrund des Wegfalls der Einnahmen aus der Abwasserabgabe oder aus der Umverteilung wird der Aufgabenträger wirtschaftliche und zweckmäßige Investitionen unterlassen - das wäre die zweite Alternative - und dadurch die Bauwirtschaft weiter schwächen. Oder die Gemeinden und die Verbände werden den Einnahmeausfall aufgrund der nicht vorhandenen Eigenmittel in Form von Verbandsumlagen, die wiederum die Gemeinden leisten müssen, ausgleichen. Die Gemeinden werden das dann durch eine Erhöhung der Hebesätze oder wie auch immer auf die Bürger umlegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte Ihnen zugute, dass Sie die Initiative nicht richtig verstanden haben. Ich denke aber, in den Ausschüssen wird Gelegenheit sein, Aufklärung zu betreiben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Ich habe eine Überweisung in den Umweltausschuss federführend vernommen. Ein weiterer Ausschuss ist nicht genannt worden. Somit können wir gleich zusammengefasst abstimmen.

Wer einer Überweisung in den Umweltausschuss seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS-, der SPD-, der CDU- und der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit ist die Gesetzesinitiative einstimmig in den Umweltausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 12 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung

Förderpolitik im ländlichen Raum

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1679

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1708

Einbringer für die PDS-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Krause. Bitte sehr, Herr Krause.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Ausgangspunkt unseres Antrages war und ist, dass die Probleme, die allgemein bei der wirtschaftlichen Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern zur Kenntnis genommen werden müssen, in den ländlichen Räumen der neuen Bundesländer und insbesondere im Land Sachsen-Anhalt am gravierendsten sind. Sie führen hier zu noch stärkeren Verwerfungen im sozialen Bereich, auf dem Gebiet der Bildung, der Kultur und schließlich auch bezüglich des Angebots von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen als in den industriellen und städtischen Ballungszentren.

Wie kein anderer Raum steht der ländliche Raum für Abwanderung aus Sachsen-Anhalt. Er ist der schlimmste Niedriglohnbereich im Land. Nirgendwo anders wird der Verlust der jüngeren Generation als so schmerzhaft empfunden. Die Lebensqualität in den ländlichen Räumen wird aufgrund des Verlustes an Kaufkraft und durch die Verringerung der Bevölkerungszahl weiter beeinträchtigt.

Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum, insbesondere die Aufrechterhaltung der hausärztlichen Versorgung und des ärztlichen Notdienstes, ist ernsthaft gefährdet. Mit 311 Ärzten pro 100 000 Einwohner liegt das Land Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern ohnehin nur auf Platz 15.

Die Schülerbeförderung und der ÖPNV in einem Flächenkreis sind Themen für sich. Die besondere Schwierigkeit für den ländlichen Raum besteht darin, dass die sich hierbei auftuenden Probleme, wenn überhaupt, kaum kompensiert werden können.

Vor diesem Hintergrund wird die Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge immer schwieriger. Fehlende Kommunalfinanzen, Dauerarbeitslosigkeit, Niedriglöhne und ein begrenztes Berufsspektrum sowie eine wachsende Distanz zu öffentlichen und privaten Dienstleistungsangeboten lassen die ländlichen Räume mehr und mehr zu Problemregionen werden; zumindest potenziert sich die Gefahr einer solchen Entwicklung, wenn nicht gegengesteuert wird.

Wir bekennen uns zu den ländlichen Räumen nicht nur, um diese meist sehr naturnahen Räume zu sichern, sondern in erster Linie, weil sie in Sachsen-Anhalt Wohn- und Lebensort für etwa zwei Millionen Menschen sind und ein enormes Flächenpotenzial von ca. 2 Millionen ha darstellen. Den in Sachsen-Anhalt lebenden Menschen muss eine reale Zukunftschance geboten und eine gleichberechtigte Teilhabe an der wirtschaftlichen, der sozialen und der kulturellen Entwicklung des Landes eingeräumt werden.

Die Vielfältigkeit der ländlichen Regionen untereinander, aber auch die Tatsache, dass sie sich von den städtischen Ballungszentren enorm unterscheiden, muss die Politik veranlassen, hier mit unterschiedlicher Elle Politik zu betreiben. Ein Versuch, diesem Gedanken Rechnung zu tragen, war unter anderem der Gesetzentwurf zur Veränderung der Rahmenbedingungen zur Schulstrukturplanung, in dem bisherige Ausnahmen von kleinen Schulstandorten zur Regel erklärt werden sollten.

Auch das stetige Bemühen um die Besserstellung der Kommunalfinanzen ist an dieser Stelle einzuordnen.

Oder nehmen wir die Regelung, dass in Regionen mit 50 Einwohnern pro Quadratkilometer bestimmte Standards in der Verwaltung gerechtfertigt bzw. ohne Diskussion vorausgesetzt werden. Das alles geht schon in Ordnung. Wenn wir jetzt dazu kämen, dass auch das zu Verwaltende noch differenzierter als bisher gemessen wird, würden wir den Bedürfnissen der Menschen in den ländlichen Räumen besser Rechnung tragen.

Das heißt, wir brauchen zunächst sachlich erstrittene Zielvorstellungen, die auf einer ebenso sachlich fundierten Analyse aufbauen. Dann ist es unsere Pflicht als Politiker, dafür den erforderlichen Rechtsrahmen, den Rechtsraum und den notwendigen finanziellen Rahmen zu schaffen. Natürlich werden Lösungen auf diesem Gebiet nur in dem Maße machbar sein, wenn wir den Mut besitzen, auch die Bundes- und Europapolitik infrage zu stellen. Die Politik darf sich nicht einfach darin erschöpfen aufzuzeigen, was passiert, wenn nichts passiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit unseren Thesen der Entwicklung zukunftsfähiger ländlicher Räume in Sachsen-Anhalt, die wir Anfang Mai dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt haben, wollen wir dem Rechnung tragen. Wir wollen Impulse auslösen und ein Diskussionsangebot für die Erarbeitung differenzierter Handlungsoptionen in der Landespolitik unterbreiten.

Das ist wichtig, um den Menschen gerecht zu werden, die unter Bedingungen leben, die sich, wie ich bereits sagte, vor allem in der Verkehrsinfrastruktur und in der Bevölkerungsdichte von den übrigen Regionen unterscheiden, und die sehr oft einen völlig anderen und meist erschwerten Zugang zu Bildung, zu Kultur, zu Arbeit sowie zur ärztlichen und sozialen Versorgung haben.

Natürlich ist es uns nicht entgangen, dass die schwelenden Probleme der ländlichen Regionen sehr wohl bereits in das Blickfeld der Landesregierung geraten sind. Erinnert sei hierbei nur an den Arbeitsbesuch des Ministerpräsidenten Professor Böhmer im letzten Jahr in der Altmark zu dieser Problematik und an die wiederholten Ankündigungen der Landesregierung, zunächst bis zum Frühjahr, dann bis zum Sommer und schließlich bis zum Herbst 2003 ein Papier zur Entwicklung der ländlichen Räume im Land Sachsen-Anhalt auf den Tisch legen zu wollen. Bis heute haben wir allerdings vergebens darauf gewartet.

Nunmehr liegen uns seitens der Landesregierung Vorschläge zur Überarbeitung der Grundsätze für die zukünftige Förderpolitik im ländlichen Raum vor. Allein wenn wir mit unseren Thesen die Landesregierung herausfordern, die Erfüllung ihrer selbstgestellten Aufgabe zielstrebiger zu verfolgen, haben wir schon ein großes Stück unseres Vorhabens erreicht.

Allerdings liegt uns die inhaltliche Ausgestaltung dieses Projektes viel mehr am Herzen. Dabei kommt es uns in der Tat darauf an, die Entwicklung des ländlichen Raumes nicht allein vom Standpunkt der Landwirtschaft zu betrachten, sondern die gesamte Komplexität der ländlichen Räume zu berücksichtigen.

Ich denke, die von uns vorgelegten Thesen sind in diesem Sinne eine gute Vorarbeit. Darum schlagen wir vor, dass über das vorliegende Papier der Landesregierung unter Hinzuziehung unserer Thesen beraten und diskutiert wird. Wir haben jetzt die Chance, das seit Anfang der 90er-Jahre in diesem Haus und insbesondere im Agrarausschuss immer wieder angesprochene Projekt

des einheitlichen Entwicklungsfonds für den ländlichen Raum mit Leben zu erfüllen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krause. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Wernicke um das Wort gebeten. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Krause hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt eine Fläche von etwa 2 Millionen ha abdeckt und damit Lebensraum für etwa zwei Millionen Menschen ist. Der ländliche Raum soll als eigenständiger Lebens- und Wirtschaftsraum zusammen mit den Verdichtungsräumen zu einer ausgewogenen Entwicklung des Landes beitragen.

Die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen in der Land- und Fortwirtschaft, deren vor- und nachgelagerten Bereiche und das Handwerk im ländlichen Raum leisten einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtentwicklung des Landes Sachsen-Anhalt.

Die land- und forstwirtschaftliche Flächennutzung erstreckt sich auf rund 84 % der Gesamtfläche des Landes. Der ländliche Raum ist zudem von herausragender Bedeutung für die Regeneration von Boden, Wasser und Luft und wird immer mehr als Tourismusfaktor entdeckt.

Die Landwirtschaft besitzt aufgrund der natürlichen Bedingungen, der Betriebsgrößenstruktur und der gewachsenen Infrastruktur einen vergleichsweise hohen wirtschaftlichen Stellenwert in Sachsen-Anhalt. Der Anteil der Erwerbstätigen in Land- und Fortwirtschaft sowie in der Fischerei an den Gesamterwerbstätigen erscheint mit rund 3 % zwar relativ gering, er liegt aber in dem Altmarkmarkkreis Salzwedel, im Landkreis Sangerhausen und im Landkreis Wittenberg bei mehr als 5 %. Die Wertschöpfung ist im so genannten vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft, zum Beispiel Handelsgenossenschaften, der Landtechnik, Reparaturwerkstätten, der Verarbeitung von landwirtschaftlichem Produkten, dem Landtourismus und ähnlichem, zuzuordnen.

Das zentrale Problem in den ländlichen Räumen, die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, lässt sich nicht allein mit der Landwirtschaft bewältigen. Diese kann und muss jedoch einen wichtigen Beitrag leisten. Zum einen sind die bestehenden Arbeitsplätze in der Landwirtschaft auch unter den Bedingungen nach der EU-Reform zu sichern; zum anderen sind Nutzungspotenziale insbesondere in der Viehhaltung, in der Weiterverarbeitung und in der Vermarktung auszuschöpfen.