Protocol of the Session on June 18, 2004

(Unruhe bei der CDU, bei der SPD und bei der PDS - Zuruf: O weh!)

Herr Kollege Schulz, stehen Sie bequem?

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Ich fühle mich wie zu Hause, Herr Rothe.

Herr Schulz, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass der Herr Innenminister eben zugesagt hat, in der Sitzung des Innenausschusses am 23. Juni 2004 über den Stand der Verhandlungen zu berichten, soweit ihm das möglich ist vor dem weiteren in Aussicht genommenen Gespräch mit dem Bundesministerium der Verteidigung? Ist Ihnen nicht vor dem Hintergrund dieser Äußerung des Ministers die Zustimmung zu unserem Alternativantrag möglich, zumal dieser nichts anderes beinhaltet als das, was der Landtag schon einmal beschlossen hat, und jetzt nur ein Datum eingefügt wird?

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Rothe, ich habe den Minister nicht überhört. Aber letztlich entscheiden wir über die Anträge, die gestellt werden. Es macht keinen Sinn, wenn drei Tage später der Minister mit dem Staatssekretär verhandelt und vielleicht neue Themen zur Sprache kommen.

(Zurufe von der SPD)

Lassen Sie uns doch das abwarten und in der dann folgenden Sitzung des Innenausschusses die Sache vom Minister hören. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von Frau Mittendorf, SPD, und von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Vielen Dank, Herr Schulz. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Dr. Polte das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Polte.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie darum, den Schallpegel zu mäßigen, damit Herr Dr. Polte zu verstehen ist.

Herr Präsident! Im Allgemeinen versuche ich immer, mich verständlich zu machen, nicht nur von der Lautstärke, auch vom Inhalt her.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich noch lebhaft an das Jahr 1990 erinnern. Damals zeichnete sich ab, dass die Rote Armee aus dem geschundenen Areal in der Colbitz-Letzlinger Heide rausgeht.

(Zuruf von Herrn Czeke, PDS)

Was kamen nicht alles für Träume auf? - Das ehemalige Jagdgebiet des Kaisers wieder ein wunderschönes Er

holungsgebiet, Naherholungsgebiet auch für die Landeshauptstadt.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Ach, da waren Sie noch gar nicht richtig auf der Welt, Herr Kosmehl.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU)

Ich wollte sagen: Damals sind diese Träume querbeet, von CDU, PDS oder wem auch immer - das ist dokumentiert und lässt sich nachlesen -, geträumt worden. Ich war einer der Ersten, der mit damaligen Vertretern der Stadtverwaltung von Magdeburg noch zu Zeiten, in denen die „Freunde“ da waren, mehrfach auf dem Gelände war.

Dabei wurde mir eines schnell klar: Die in Jahrzehnten erfolgte Devastierung und Kontaminierung, die geschundene Landschaft kann nicht über Nacht in Ordnung kommen, insbesondere dann nicht, wenn es kein Nutzungsinteresse gibt. Ein Nutzungsinteresse gab es vonseiten der Bundeswehr. Das war die einzige Chance, um die kontaminierten Flächen wieder schrittweise in Ordnung zu bringen. Das ist passiert, zu großen Teilen. Ich denke, die Munitionsräumung, die erfolgt ist, ist eine großartige Leistung. Es ist ein Stück praktischer Umweltreparatur.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dies nicht passiert wäre, meine Damen und Herren - - Sie wissen es vielleicht oder auch nicht: Dort ist das Wasserreservoir der Landeshauptstadt. Wenn niemand sich der Munition mit dem Gift annimmt,

(Zuruf von der CDU: Das wissen wir!)

dann geht das eines Tages ins Grundwasser und wir alle sind davon betroffen. Also war diese Chance zu nutzen. Wir hatten keine Alternative. Ich denke, das war auch die Motivation für den Abschluss eines Heidekompromisses, wie es hieß.

Ich will nur noch einmal drei Dinge nennen, um die es ging: Erstens ging es um die Sicherung einer systematischen Munitionsbergung und Munitionsvernichtung. Zweitens sollten infolge einer weiteren Nutzung eines definierten Teils des Übungsgeländes und nach entsprechenden Investitionen Arbeitsplätze in der Region geschaffen und gesichert werden. Drittens sollte ab dem Jahr 2006 auf eine militärische Nutzung des Südteils des Truppenübungsplatzes durch die Bundeswehr verzichtet werden. Die Beräumung der Oberfläche von Munition sollte bis dahin realisiert sein.

Ich denke, das war ein Kompromiss, der den damaligen Gegebenheiten Rechnung trug. Nun kann ich natürlich die Anrainerkommunen verstehen, die schon im Jahr 2002 eine Initiative in Verbindung mit dem Landkreis gestartet haben und in einem Brief - dessen Inhalt ist schon zitiert worden - den Herrn Innenminister darauf aufmerksam gemacht haben, dass es zeitlich dringend erforderlich ist, für die zukünftige zivile Nutzung des Südteils eine konzeptionelle Vorstellung zu entwickeln.

Sie hatten nämlich ganz praktische und völlig berechtigte Fragen: Genügt die vereinbarte Oberflächenberäumung den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung, wenn das Gelände öffentlich zugänglich ist? Oder: Müssen die anliegenden Verwaltungsgemeinschaften im Rahmen ihrer Zuständigkeiten als allgemeine Ordnungs

behörde im Wege der Ersatzvornahme mit erheblichen Kosten infolge von zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherung rechnen? Oder: Wenn der Bund die Liegenschaften in das allgemeine Grundvermögen überträgt und möglicherweise an Private weiter veräußert, wie bleibt dann die öffentliche Nutzung gewährleistet?

Oder solche Fragen: Wenn die Gemeinden veranlasst werden, eine Bauleitplanung mit anschließenden Erschließungsmaßnahmen vorzunehmen, wer trägt die Kosten? Oder: Wie soll und kann die vielfältige Naturraumausstattung mit seltener Flora und Fauna sowie schutzwürdigen Biotopstrukturen vor einer Beeinträchtigung und Zerstörung gesichert werden? - Es gab noch andere Fragen. Das waren die Sorgen der Anrainerkommunen, die sie umgetrieben haben.

Nun lesen wir in einer Pressemitteilung des Herrn Innenministers - ich zitiere -:

„Aus der Sicht von Innenminister Jeziorsky steht einer Unterzeichnung der Änderung des Heidekompromisses außer der grundsätzlichen Zustimmung durch den Bundesverteidigungsminister Herrn Dr. Struck nichts mehr entgegen.“

An dieser Stelle setzt unsere Kritik an; denn es hieß noch in einer Mitteilung der Landesregierung vom 21. Januar 2004: Über den Stand der Verhandlung wird die Landesregierung zum gegebenen Zeitpunkt im Ausschuss für Inneres berichten. - Bis heute ist das nicht erfolgt. Stattdessen lesen wir eine Presseinformation. Das kann es wohl nicht gewesen sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Uns drängt sich der Eindruck auf, meine Damen und Herren, dass der Weg des geringsten Aufwands,

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Herr Kosmehl, gegangen wird, nämlich all die ganz praktischen offenen Fragen, die die Kommunen haben, mit einem Schlag zu beantworten, indem man sagt: Es bleibt wie es ist. Die Bundeswehr bleibt da. Dann brauchen wir alle diese Fragen nicht zu beantworten, weil die Verantwortung weiter bei der Bundeswehr liegt.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich denke, so können wir damit nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Dieser Eindruck verstärkt sich noch, Herr Kosmehl und alle anderen. Ich habe nämlich den Herrn Staatssekretär Biederbick am 26. Mai 2004 gefragt: Welches Interesse hat eigentlich die Bundeswehr an der weiteren Nutzung des Südteils des Platzes? Nun hören Sie einmal gut zu, was er geantwortet hat.

Er sagte: Erstens. Die Initiative, über den Heidekompromiss neu zu sprechen, ist nicht vom Verteidigungsministerium ausgegangen, weil es sich an den Heidekompromiss gebunden fühlt.

(Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. Wenn aber das Land dies wünscht, könne man sich eine Nutzung vorstellen.

Drittens. Ein Nutzungskonzept dafür muss erst noch erarbeitet werden.

Also, es ist noch gar nichts konkret. Da heißt es: Es ist schon unterschriftsreif. Das kann wohl nicht sein. Da gibt

es noch eine ganze Menge, über das verhandelt werden muss.

(Beifall bei der SPD)