Protocol of the Session on June 17, 2004

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Oleikiewitz. - Für die FDPFraktion wird der Abgeordnete Herr Kehl sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist geschafft. Nach einem Diskussionsmarathon in den Gremien liegt uns nun die Novelle zum Naturschutzgesetz vor und kann, so hoffen wir, beschlossen werden.

Mit diesem Gesetz bekommt Sachsen-Anhalt - die Frau Ministerin sagte es in der Einbringungsrede bereits - eines der modernsten Naturschutzgesetze bundesweit. Das kann man durchaus unterstreichen. Es wurde insgesamt ein gesunder Kompromiss zwischen den Interessen des Naturschutzes und den Interessen der Wirtschaft gefunden.

Dabei haben wir es uns wirklich nicht leicht gemacht und in unserem Koalitionspartner vielleicht gelegentlich klein

lich anmutenden Diskussionen versucht, jeden Aspekt zu beleuchten.

(Zustimmung von Herrn Ruden, CDU)

Nicht nachvollziehen kann ich das, was Herr Oleikiewitz sagte: dass wir auf Argumente der Opposition nicht eingegangenen sind. Im Gegenteil: Ich hatte das Gefühl, dass wir sie durchaus berücksichtigt und darüber diskutiert haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Gleichzeitig wurde der Entwurf der SPD-Fraktion mitberaten, den Herr Oleikiewitz für die SPD-Fraktion eingebracht hatte.

Die Novelle bringt zum einen eine längst - übrigens seit der Regierung Höppner - überfällige und wichtige Anpassung des Landesrechts an das neue Bundesnaturschutzgesetz, aber auch an die EU-Richtlinien zum Thema Flora-Fauna-Habitat, zum Vogelschutz und an die Zoorichtlinie. Das macht den SPD-Entwurf im Prinzip überflüssig, weil jener ausschließlich die Anpassung an das EU-Recht vorgesehen hatte.

Leider fehlt es - das muss man in diesem Rahmen einmal deutlich sagen - dem SPD-Entwurf völlig an einem intelligenten Reformansatz. Der Entwurf ist fantasielos und zeugt davon, dass es der SPD in Sachsen-Anhalt an politischen Visionen fehlt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Oleikiewitz, SPD: Ich habe überhaupt nicht über den Entwurf gesprochen!)

Ich werde das Gefühl nicht los, dass das auch Ihnen, Herr Oleikiewitz, bewusst ist. Vielleicht erklärt das auch den ungewöhnlichen und unangemessen scharfen Ton in Ihrer Rede vorhin.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Das hätte ich ja nun nicht von Ihnen erwartet!)

Welche Schwerpunkte haben wir in dem neuen Gesetz gesetzt?

Erstens. Die Vereinfachung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist sicherlich einer der wichtigen Reformpunkte, die wir angepackt haben. Um künftig zu erreichen, dass sinnlose Ersatzpflanzungen wie die kleinen Wäldchen und Hecken an den Autobahnen ausbleiben, die uns allen bekannt sind und aus denen regelmäßig kleine Füchse und Greifvögel hervorspringen, den Blechlawinen zu trotzen versuchen und unter deren Rädern landen, soll es die Flexibilisierung im Bereich von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geben. Das ist ein weiterer Vorteil, der erreicht wurde.

Die Einrichtung des Ökokontos kann dabei eine große Hilfe sein. Ich freue mich schon jetzt auf eine kluge Regelung, die uns die Ministerin in der entsprechenden Verordnung versprochen hat.

(Ministerin Frau Wernicke: Machen wir!)

Zweitens. Bei den Eingriffsbestimmungen haben wir deutliche Erleichterungen in folgenden Bereichen vorgesehen: Bei Maßnahmen des Hochwasserschutzes soll die Wiederherstellung von Deichen nicht durch den Naturschutz behindert werden. Wir haben uns ganz klar dazu bekannt: Hochwasserschutz geht vor Naturschutz in dem Fall. Auch Maßnahmen im Rahmen der Pflege

von kulturell wertvollen Denkmalen sollen erleichtert werden und stellen in der Regel keinen Eingriff dar.

Drittens. Seit Jahren sieht das Gesetz eine Enteignungsregelung vor. Herr Hacke hat während der Einbringung schon erwähnt, dass es mit dieser Regelung relativ einfach möglich war, besonders schöne Wassergrundstücke im Interesse des Allgemeinwohls zu enteignen. Meine Damen und Herren! Das ist mit unserem Gesellschaftsbild nicht vereinbar und unverhältnismäßig. § 61 wird daher einvernehmlich gestrichen.

Viertens. Ein weiteres Beispiel für Deregulierung ist die Streichung von § 44. Mit diesem Paragrafen sollten bestimmte Bezeichnungen wie Zoo, Tiergarten oder Zoologischer Garten und Ähnliches gesetzlich geschützt werden. Stellen Sie sich einmal die Konsequenzen vor, wenn diese Norm durch die Exekutive ausgeführt worden wäre. Sämtliche Kleintierhandlungen, wie das Zooeck oder der Krüger-Zoo, müssten plötzlich ihre Namen ändern müssen. Das kann nicht gewollt sein.

Fünftens. Auch die Regelungen bezüglich der vielen ehrenamtlichen Naturschutzhelfer und -beauftragten sowie der Naturschutzbeiräte - dies wurde bereits angesprochen - wurden entspannt und flexibler gestaltet. Von einer Abschaffung kann überhaupt nicht die Rede sein. Auch wenn man sicherlich auf eine gesetzliche Regelung hätte verzichten können, ohne dass sich in der Praxis tatsächlich etwas geändert hätte, haben wir uns gesagt: Wir wollen die Arbeit demonstrativ würdigen, indem wir eine gesetzliche Regelung in abgeschwächter Form im Gesetz belassen.

Sechstens. Eine wichtige Neuerung ist die Einführung der flächendeckenden Landschaftsplanung. Diese soll den Verwaltungsaufwand reduzieren und die Verfahren transparenter machen. Gleichzeitig soll - das ist der naturschutzfachliche Aspekt bei dieser Sache - weg von einer Politik der Ad-hoc-Naturschutzmaßnahmen hin zu einer langfristigen Zielstellung mit dauerhafter Wirkung für den Naturschutz gegangen werden. An dieser Stelle ist eine deutliche Qualitätssteigerung aus naturschutzfachlicher Sicht gegenüber dem bisherigen Gesetz erfolgt.

Siebentens. Die Reduzierung der Möglichkeiten der anerkannten Verbände auf eine so genannte Verbandsklage wurde bereits angesprochen. Auch das war ein Streitthema. Die FDP bekennt sich ganz klar dazu, die Verbandsklage auf ein Minimum zu reduzieren, weil sie der Meinung ist, dass es aus gutem Grund in den Prozessordnungen der Bundesrepublik in der Regel nicht vorgesehen ist, dass Verbände die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen. Wir möchten das auf jeden Fall nicht noch weiter ausführen, als das im Bundesgesetz sowieso schon vorgesehen ist.

Stattdessen haben wir uns ganz klar zu den Naturschutzbeiräten auf allen Verwaltungsebenen, beim Ministerien, bei der mittleren und bei der unteren Behörde, bekannt. Wir bitten die Naturschutzverbände darum, sich über diese Beiräte an Entscheidungen, die den Naturschutz betreffen, zu beteiligen und sich dort einzubringen. Ich denke, das ist der richtige Weg. Man sollte nicht erst abwarten, bis ein Richter entscheidet, sondern gleich bei der Entstehung mitwirken.

Ich möchte im Rahmen meines Redebeitrags nicht auf jede einzelne Änderung eingehen. Wir haben am Anfang von Herrn Hacke die Details gehört, die häufig auch

förmlicher Natur waren und Missverständnisse ausgeräumt haben. Ich glaube, wir haben insgesamt vernünftige Kompromisse gefunden und ein gutes Gesetz erarbeitet - allen Unkenrufen zum Trotz. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Kehl. - Für die PDS-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Köck sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kehl, Kompromiss heißt immer, dass etwas von zwei Seiten betrachtet wird. Ich habe Sie nur über eine Seite sprechen hören.

(Zustimmung bei der PDS)

Die Worte „Natur“, „Naturschutz“ oder Ähnliches sind in Ihrer Rede nicht vorgekommen. Vielleicht haben Sie das gar nicht gemerkt. Lesen Sie nachher noch einmal Ihre Rede, wenn sie gedruckt vorliegt.

Nun zu den eigentlichen Dingen. Viele waren - das hat auch die Koalition eigentlich immer, zumindest verbal, deutlich gemacht - der Auffassung, dass mit dem neuen Naturschutzgesetz erstens die Erhaltung der Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Natur und der Landschaft Sachsen-Anhalts gewährleistet werden sollte.

Zweitens sollte es zu einer Verwaltungsvereinfachung kommen.

Drittens sollten investitionshemmende Vorschriften abgebaut werden.

Viertens sollten Umsetzungsdefizite verringert werden und - das ist ganz wichtig - Akzeptanzförderung durch ein kooperatives Miteinander in Sachen Naturschutz erreicht werden.

Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf jedoch nicht gerecht. Mit ihm werden zwar die Hausaufgaben erledigt, wie die Umsetzung der FFH-Richtlinie oder die Zootierrichtlinie, aber mehr nicht. Insgesamt durchzieht den Gesetzestext und durchzog die Beratungen eine Diktion, die das Naturschutzrecht vordergründig als Investitionshemmnis auffasst. Der Redebeitrag von Herrn Kehl war der schlagende Beweis dafür. Die vermeintliche wirtschaftsfreundlichere Gestaltung des Naturschutzgesetzes birgt jedoch an mehreren Stellen die Gefahr, der auf Planungssicherheit angewiesenen Wirtschaft ein Kuckucksei ins Nest gelegt zu haben. Ich werde noch im Einzelnen darauf zu sprechen kommen.

Das Bundesgesetz ist ein Rahmengesetz, das den Ländern relativ weite Spielräume bei der Umsetzung lässt. Die Ausgestaltung dieser Freiräume ist ein Kriterium für den Stellenwert des Naturschutzes in dem jeweiligen Bundesland. Wir können hieran messen, ob das neue Naturschutzgesetz in Sachsen-Anhalt ein gutes Gesetz ist, eines, das Spitze ist, oder ob es wirklich nur das Notwendigste erfüllt.

In wesentlichen Punkten bleibt man sogar hinter dem Bundesgesetz zurück. Dafür sind oft fadenscheinige Begründungen gegeben worden. Das geht gleich bei den Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege los. Die Grundsätze sind die Basis, die Grundlage, das Fundament, auf dem die gesamte Naturschutzgesetzgebung aufbaut. Bereits an dieser Stelle werden

Winkelzüge veranstaltet, um ja nicht bestimmte Begriffe im Naturschutzgesetz festzuschreiben. Es werden also einige wenige Punkte herausgegriffen. Der Schutz der Böden und der Gewässer - all das fehlt.

Um diesem Makel zu entkommen, wird die Nr. 6 eingefügt, die lautet:

„Im Übrigen gelten die Grundsätze des Bundesnaturschutzgesetzes.“

(Minister Herr Jeziorsky: Das haben Sie aber gut gemacht!)

Das zwingt zum Beispiel den Nutzer, ein zweites Gesetz heranzuziehen. Dass es dadurch zu einer Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit oder bei der Nutzung durch den Bürger kommt, wage ich zu bezweifeln.

Auf der anderen Seite wird das Bundesnaturschutzgesetz nur als Rahmengesetz abqualifiziert, das für uns nicht gültig ist, nicht durchgreift. Aber es wird ausdrücklich auf Punkte dieses Rahmengesetzes verwiesen und es wird als ein direktes Gesetz für uns herangezogen. Das ist zwar möglich, wie es der GBD formuliert hat, aber es zeigt doch die Art und Weise des Herangehens.

Zu § 3 - Biotopverbund - heißt es:

„Das Land entwickelt ein Netz verbundener Biotope im Sinne des § 3 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes.“

Diese Regelung geht schon auf einen Änderungsantrag zurück.

Wie der Teufel das Weihwasser hat die Koalition sich gescheut, die Angabe 10 % der Landesfläche hineinzuschreiben. Wir haben schon genug. Also brauchen wir das nicht. Wir hatten angeboten, dann 15 % hineinzuschreiben, um einen entsprechenden Anreiz zu geben. Allen Kommentaren zum Bundesnaturschutzgesetz ist aber ausdrücklich zu entnehmen, dass diese Formulierung mit den 10 % ein durchgreifendes Recht ist und explizit in die Landesgesetzgebung aufgenommen werden muss.