Protocol of the Session on June 17, 2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Schluss meiner Ausführungen ein persönliches Wort. Ich möchte mich auf diesem Wege herzlich für die hervorragende Arbeit des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes dieses Hauses bedanken. Er hat mehrmals komplizierteste juristische Fragen der Ausschussmitglieder unter hohem Aufwand sachlich korrekt und vor allem für alle verständlich beantworten können. Ohne diese umfangreiche, akribisch genaue Feinarbeit wäre die hohe Qualität, die das vor uns liegende Gesetz heute hat, nicht möglich gewesen.

Mein Dank gilt aber auch den fleißigen Mitarbeitern des Ministeriums, die uns jederzeit mit ihrem umfangreichen Wissen zur Verfügung gestanden haben. Nicht zuletzt

gilt mein Dank der Ministerin Frau Wernicke, die diese kooperative Zusammenarbeit erst möglich gemacht hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Hacke, für die Berichterstattung. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit zehn Minuten Redezeit je Fraktion ein. Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Oleikiewitz für die SPD-Fraktion sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt uns heute die Beschlussempfehlung für das Dritte Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vor. Es hat lange gedauert, meine Damen und Herren, mehr als ein Jahr, und da stellt sich dem Beobachter natürlich die Frage: Ist es nun besonders gut gelungen,

(Zuruf von der CDU: Ja!)

ist es besonders sorgfältig beraten worden,

(Zuruf von der SPD: Nein!)

oder woran hat es gelegen, dass es so lange gedauert hat?

Ich hatte die zum Teil zweifelhafte Freude, dabei gewesen zu sein, und könnte dem geneigten Beobachter jede Menge Eindrücke aus den Beratungen schildern, einschließlich der gnadenlosen Unkenntnis über Naturschutzprobleme in Teilen der Koalition,

(Zustimmung bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

einschließlich der partiellen Hilflosigkeit von Ministerium und Koalition während der Beratungen. Das artete stellenweise schon zum Kabarett aus, wenn es nicht so traurig gewesen wäre.

Fakt ist indes: Die vielen Beratungen, Anhörungen und Diskussionen haben offenbar keine Wirkung hinterlassen, und das, worüber wir heute beraten, ist, abgesehen von den unbedingt notwendigen Änderungen infolge der Vorschläge des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, fast identisch mit dem Entwurf, der im Juni 2003 eingebracht wurde. Das ist entschieden zu wenig, meine Damen und Herren von der Koalition, als dass ich in Lobeshymnen ausbrechen könnte.

Sicher ist das meiste von dem, was beraten wurde und heute beschlossen wird, relativ unschädlich. Aber das, was übrig bleibt, ist problematisch genug.

Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Wernicke hat in der ersten Beratung die Novelle zum Naturschutzgesetz als zeitgemäßes Regelwerk und als Chance für einen Kurswechsel im Naturschutz bezeichnet. Das Zweite ist der Koalition zweifellos gelungen. Es ist ein Kurswechsel - weg von einem Naturschutz, der als gesellschaftlich relevante Aufgabe erkannt wurde, und hin zu - wie Frau Wernicke immer wieder betont - mehr Investitionsfreundlichkeit, also hin zu einem wirtschaftsfreundlichen Naturschutz.

(Zustimmung von Herrn Ruden, CDU)

Man muss nicht 14 Jahre in der Politik Sachsen-Anhalts gewesen sein, um festzustellen, dass das nicht funktioniert - früher nicht und heute unter den verschärften wirtschaftlichen Bedingungen erst recht nicht. Ich möchte es überspitzt sagen: Wenn wir auf den Zeitpunkt hoffen, zu dem der Naturschutz von der Wirtschaft und auch von großen Teilen der Bevölkerung voll akzeptiert wird, brauchen wir uns über Naturschutz nicht mehr zu unterhalten, denn dann gibt es nichts mehr zu schützen.

Eine Meinungsumfrage in der Bundesrepublik ergab noch im Jahr 1990, dass die Erhaltung und die Verbesserung unserer natürlichen Umwelt für die Mehrheit der Deutschen auf Platz eins der Werteskala rangierte. Heute ist die Lage viel differenzierter. Verschiedene Umfragen zeigen dasselbe Thema weit abgeschlagen auf den Plätzen vier bis sieben. Auch aktuelle Klimakatastrophen, Hochwasser, Dürre, Stürme und mehr vermögen die Menschen nur kurzzeitig zu beeindrucken - und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse unstreitig zunimmt.

In der aktuellen Studie „Jugendreport Natur“ der Uni Marburg und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald wird eine weitere erschreckende Tendenz deutlich: Diejenigen, die einmal mit den Auswirkungen des jahrzehntelangen hemmungslosen Verbrauchs von Natur und Landschaft klarkommen müssen, interessieren sich nicht mehr für die Natur. Die Unkenntnis von Pflanzen und Tieren, das Desinteresse für das Erleben von Natur und die Entfremdung von der Umwelt durch die modernen Medien sind ein Alarmzeichen für die Eltern, für die Lehrer und natürlich auch für die Politik, womit ich wieder beim heutigen Beschlussgegenstand wäre.

Der von Frau Wernicke betonte „neue Weg“ in der Naturschutzpolitik, das so genannte zeitgemäße Regelwerk, bringt uns den Zielen, die die Konferenz von Rio und die Nachfolgekonferenzen vorgegeben haben, nicht näher, nämlich der nachhaltigen und gerechten Entwicklung auf unserem Planeten, wozu selbstverständlich der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen genauso gehört wie das ehrenamtliche Engagement für die Umwelt sowie die Umweltbildung unserer nachwachsenden Generation.

Im Gegenteil: Der Abbau von Naturschutzstandards, auch hier in Sachsen-Anhalt, verschärft die von mir genannten Probleme und bringt das Gesamtsystem in eine gefährliche Schieflage.

Wer ehrenamtliche Naturschutzarbeit behindert oder verhindert - direkt durch gesetzliche Nichtbeachtung oder indirekt durch die immer weitere Kürzung von finanziellen Zuweisungen -, wer die Verfahrensbeteiligung der Verbände in einem - in Anführungszeichen - vernünftigen Rahmen halten will, wie es die Koalition während der Ausschussberatungen mehrfach betonte, und sie am liebsten noch mehr einschränken würde, wenn das Bundesrecht das nicht verhindern würde, wer mit der Streichung der Verbandsklage schon den ersten Schritt geht, der muss sich nicht wundern, wenn Freude über das, was Frau Wernicke so schön als „zeitgemäßes Regelwerk“ bezeichnet, bei den Naturschützern und auch bei der Opposition im Landtag nicht so richtig aufkommen will.

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Meine Damen und Herren! Das, was hier betrieben wird, die Einschränkung demokratischer Mitwirkungsrechte

der Verbände ebenso wie die Verunglimpfung der Naturschützer und ihrer Verbände als Verhinderer oder zumindest als Hemmnis für Investitionen - dieser Vorwurf ist nicht haltbar; denn mir ist kein Investitionsvorhaben bekannt, auf das dies zuträfe -, bestätigt nur das, was ich in meiner ersten Rede im Juni 2003 bei der Einbringung des Gesetzes feststellte: Mit Ihrem zeitgemäßen Regelwerk soll in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden, die schlechte wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt hätte auch mit der bis 2002 praktizierten Umweltpolitik in Sachsen-Anhalt zu tun

(Zuruf von Herrn Kehl, FDP)

und man brauchte nur die Standards herunterzufahren, dann liefe alles wieder ganz prima.

Das ist - mit Verlaub, meine Damen und Herren von der Koalition - nicht nur Schwachsinn, das weckt auch Hoffnungen in Bezug auf die arbeitsmarktpolitische Situation in unserem Land, und, meine Damen und Herren, das ist grob fahrlässig in Bezug auf die Erfolge im Bereich des Naturschutzes im Hinblick auf die notwendige Umsetzung internationaler, europäischer und bundesdeutscher Beschlüsse und Gesetzesvorschriften auch in SachsenAnhalt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen. Erstens. Der heute zur Abstimmung stehende Entwurf eines neuen Naturschutzgesetzes für SachsenAnhalt ist nicht zeitgemäß.

(Zustimmung bei der SPD)

Er war bereits anfangs so schlecht gemacht, dass der GBD eine mehr als 40 Seiten umfassende Zuarbeit leisten musste, um ihn erst einmal beratungsfähig zu machen. Es scheint also so, dass dieses Gesetz von Anfang an ein nicht geliebtes Kind dieser Landesregierung gewesen ist.

Zweitens. Der vorliegende Entwurf bleibt weit hinter dem zurück, was man heute von einem Gesetz erwarten muss, das sich insbesondere unter dem Eindruck sich verschärfender Umweltprobleme, zunehmenden Artensterbens und weiteren Landschaftsverbrauchs mit gesellschaftlichen Zukunftsfragen befasst.

Drittens. Der Gesetzentwurf negiert die außerordentlich wichtige Aufgabe der Umweltverbände und des Ehrenamtes für den Naturschutz und für die Umweltbildung, indem er die Verbandsklage aufhebt und die ehrenamtlichen Naturschützer nach Hause schickt.

(Herr Hacke, CDU: Die ist doch nicht aufgeho- ben!)

Viertens. Mit der Begründung der Regelungsvereinfachung und der Investitionsfreundlichkeit regelt der Gesetzentwurf lediglich das aufgrund des Bundesgesetzes und des Europarechts unbedingt Notwendige und landesseitig nicht Vermeidbare und setzt keine eigenen Akzente. Er bleibt bei naturschutzfachlichen Zielen und Grundsätzen meilenweit hinter den Formulierungen des Bundesnaturschutzgesetzes zurück und kennzeichnet einmal mehr das Grundverständnis dieser Landesregierung von Naturschutz und Umweltschutz.

(Herr Ruden, CDU: Ökokonto!)

Fünftens. Der Entwurf führt mit dem Ökokonto ein durchaus interessantes Instrument zum Ausgleich von Eingriffen ein. Da es hierbei allerdings um den direkten Handel

mit Natur geht, melde ich - so gut ich dieses Instrument finde - Zweifel dahin gehend an, dass der angedachte Effekt letztlich zum Ablasshandel für Eingriffe in Natur und Landschaft verkommt. Wir werden sehen, wie es funktioniert.

Deshalb sehe ich im finanziellen Ausgleich von nicht ausgleichbaren Eingriffen und in der Verwendung dieser Mittel für sinnvolle Projekte des Naturschutzes sowie in der Einführung eines so genannten Naturschutzfonds, wie er in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Schleswig-Holstein üblich ist, die bessere Alternative.

In den von uns eingebrachten Änderungsanträgen haben wir uns auf die wesentlichen Punkte beschränkt, die nach unserer Auffassung einer Korrektur bedürfen. Ich habe sie in meinem Redebeitrag bereits erwähnt. Dazu haben wir im Rahmen der Ausschussberatungen eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen unterbreitet, welche von den Regierungsfraktionen natürlich kaum zur Kenntnis genommen worden sind. Daran sind wir inzwischen gewöhnt. Das wird auch heute nicht anders sein.

(Herr Ruden, CDU: Das stimmt nicht!)

Wir möchten trotzdem sozusagen einen letzten Versuch wagen, Sie wenigstens mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen auf den Pfad der ökologischen Vernunft zurückzuführen.

(Lachen bei der CDU)

Ich würde jetzt gern, meine liebe Frau Präsidentin,

(Oh! bei der CDU)

die vier Änderungsanträge einbringen, wenn es die Zeit noch erlaubt.

Die Zeit erlaubt es Ihnen eigentlich nicht mehr.

Dann bitte ich Sie, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)