Protocol of the Session on May 7, 2004

ist der Flaschenhals, durch den Sie nicht mehr herauskommen.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Das stimmt doch nicht! - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Das mit den Lehrerstunden habe ich mit Professor Böhmer schon am Montagabend gehabt, als er sagte, es sei nicht bekannt gewesen, dass die Konten vorhanden seien und dass das 250 Millionen € kosten würde. Das war bekannt. Jeder in diesem Landtag wusste es: Die Lehrer sparen Stunden an und die Dimension beträgt 250 Millionen €. Das war allen bekannt. Das wussten auch Sie ganz genau.

(Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe)

- Sprechen Sie etwas lauter, ich verstehe es sonst nicht.

(Frau Feußner, CDU: Sie haben das Geld doch einfach vergeben!)

- Hätten der Finanzminister oder der Staatssekretär im Finanzministerium oder der im Bildungsministerium besser mit den Gewerkschaften verhandelt, hätte man das schön über die Jahre strecken können.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU - Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

- Natürlich, das wäre ein Ansatz gewesen.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Wissen Sie, je lauter Sie brüllen, desto mehr wird mir klar, dass ich Recht habe.

(Zustimmung bei der SPD - Minister Herr Dr. Daeh- re: Meine Güte! - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Püchel. - Möchte noch jemand das Wort erteilt bekommen? - Offensichtlich nicht.

Dann stimmen wir jetzt ab über den Gesetzentwurf der Landesregierung mit der Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2004“ in der Drs. 4/1558.

Die Geschäftsordnung des Landtages lässt uns hierbei wenig Spielraum. Dieser Gesetzentwurf wäre zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss und zur Mitberatung an alle weiteren ständigen Ausschüsse mit Ausnahme des Petitionsausschusses zu überweisen.

Ich stelle das jetzt zur Abstimmung. Wer stimmt zu? - Das sind nahezu alle. Stimmt jemand dagegen? - Niemand. Enthält sich jemand der Stimme? - Niemand. Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 3 ist abgeschlossen.

Wir treten jetzt in die bis 14 Uhr dauernde Mittagspause ein.

Unterbrechung: 13.11 Uhr.

Wiederbeginn: 14.05 Uhr.

Vizepräsidenten Frau Dr. Paschke:

Meine Damen und Herren! In der Hoffnung, dass sich der Saal in Kürze füllt, bitte ich Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung

Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1554

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1586

Einbringerin des Antrags ist die Abgeordnete Frau Dirlich. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst vorgestern hat die Bundesagentur für Arbeit die neuesten Arbeitslosenzahlen für April bekannt gegeben. 246 305 Menschen waren laut Bundesagentur am Ende des Monats April in Sachsen-Anhalt von Arbeitslosigkeit betroffen. 42,3 % von ihnen waren langzeitarbeitslos. Das sind 113 130 Personen.

113 130 Personen, die nach dem Willen der Bundesregierung, aber auch nach dem Willen der Landesregierung, die im Bundesrat der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zugestimmt hat, von Januar 2005 an das Arbeitslosengeld II erhalten sollen. Dies ist eine Leistung, die die Gleichbehandlung von erwerbsfähigen Hilfeempfängerinnen und natürlich auch den Zugang der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen zum Arbeitsmarkt ermöglicht, aber, meine Damen und Herren, dies ist auch eine Leistung, die noch mehr Menschen in Sachsen-Anhalt an den Rand des Existenzminimums drücken wird. Deshalb und vor allem deshalb hat die PDS die Einführung des Arbeitslosengeldes II stets abgelehnt.

Was dieses Gesetz, das sich Grundsicherung für Arbeitsuchende nennt und das als SGB II in die Sozialgesetzgebung eingeordnet wird, für das Land Sachsen-Anhalt und seine Wirtschaft bedeutet, sollen einige wenige Zahlen verdeutlichen: Bisher erhalten die Arbeitslosenhilfeempfängerinnen in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt 476 € netto im Monat, also ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge. Das sind die Zahlen des Jahres 2003.

Zukünftig sollen es noch 331 € im Monat sein, das heißt also im Durchschnitt 136 € weniger als bisher. Das sind, wenn man es auf alle Arbeitslosenhilfeempfängerinnen hochrechnet, etwa 15,3 Millionen € im Monat und etwa 183,6 Millionen € pro Jahr. Die Zahl hätte allerdings nur dann Bestand, wenn tatsächlich alle Arbeitslosenhilfeempfängerinnen diese neue Leistung bekämen. Seriöse Schätzungen gehen aber davon aus, dass ca. ein Drittel von ihnen aufgrund der verschärften Vermögensanrechnung zunächst keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat.

Das beträfe in Sachsen-Anhalt ca. 37 000 Menschen und das allein bedeutete einen Kaufkraftverlust von ca. 146 Millionen €. Nimmt man dann den Verlust von 136 € monatlich für die anderen zwei Drittel der Arbeitslosenhilfebezieherinnen dazu, kommt man allein in SachsenAnhalt locker auf einen Kaufkraftverlust von 270 Millionen € in jedem Jahr. Das ist deshalb ein realer Kaufkraftverlust, weil die betroffenen Menschen nicht zu denjenigen gehören, die dann für eine Weile halt weniger

sparen; diese Menschen sind schon jetzt auf jeden Cent ihres Einkommens angewiesen.

Übrigens: Im Vergleich dazu werden Spitzenverdienerinnen in der Bundesrepublik allein durch die Senkung des Spitzensteuersatzes um etwa 6 Milliarden € zusätzlich bereichert; Arbeitslose büßen gleichzeitig bundesweit 9,3 Milliarden € ein. Diese so genannten Reformen, meine Damen und Herren, sind nicht nur sozial zutiefst ungerecht, sondern auch ökonomischer Unsinn.

Aber es kommt noch schlimmer: Den Kommunen wurde mit dem Gesetz über die Grundsicherung von Arbeitslosen eine massive Entlastung von Sozialhilfekosten versprochen. Dies sollte mit einer Neuordnung der Gemeindefinanzen verbunden sein, mit der die Kommunen insgesamt spürbar entlastet werden sollten. Dieses Ziel wird weit verfehlt.

Aus dem Kompetenzstreit zwischen Bundestag und Bundesrat, zwischen Bund und Kommunen, zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen entstand ein Chaos, ein Labyrinth, aus dem bis heute noch niemand den Ausweg kennt. Um die Option der Übernahme aller Leistungen aus dem Gesetz durch die Kommunen, also auch die Auszahlung der Geldleistung, die Eingliederungsleistungen in den Arbeitsmarkt und die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Betroffene, durchzusetzen, wurde den Kommunen die Zahlung der gesamten Unterkunfts- und Heizkosten für alle von Arbeitslosengeld II betroffenen Menschen übergeholfen - und das, ohne die Dimension dieser Leistungen auch nur annähernd überblickt zu haben.

Nun haben die Kommunen gerechnet. Die Zahlen sind ernüchternd, oder besser: erschreckend. Der Deutsche Landkreistag rechnet für Sachsen-Anhalt aus, dass sich das Land mit dem Gesetz um ca. 358 Millionen € entlasten kann, während die Kommunen mit 245 Millionen € zusätzlich belastet werden.

Der Landkreis Schönebeck rechnet mit einer Entlastung von den Sozialhilfekosten in Höhe von etwa 5 Millionen € und mit einer zusätzlichen Belastung durch die Übernahme der Unterkunftskosten für die Arbeitslosenhilfeempfängerinnen in Höhe von ca. 25 Millionen €.

Die Stadt Halle rechnet insgesamt mit einer leichten Entlastung - allerdings nur dann, wenn sich das Land nicht selbst entlastet, sondern das bisherige Niveau des Finanzausgleichs für Sozialhilfekosten, die Mittel aus dem Solidarpakt einschließlich der zusätzlich bereitgestellten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und die bisher vom Land für Wohngeld durchgereichten Mittel auch zukünftig in voller Höhe zur Verfügung stellt.

Damit sind wir bei dem Antrag der PDS. Genau das fordern wir unter Punkt 2. Eine Stadt wie Halle ist hier übrigens im Vorteil; denn der Landkreis Schönebeck wird auch dann zusätzlich belastet - ich denke, dies wird für die anderen Landkreise genauso gelten -, wenn unsere Forderungen voll erfüllt werden. Die Berechnungen in Schönebeck gehen von bis zu 12 Millionen € zusätzlicher Belastung aus.

Deshalb enthält unser Antrag den Punkt 1, der die Landesregierung dazu auffordert, sich dafür stark zu machen, dass das Ziel des Gesetzes, nämlich die Entlastung der Kommunen, tatsächlich erreicht wird. Gleichzeitig wird es aber notwendig sein, die Aktivierungsquote deutlich zu erhöhen. Es muss nämlich beachtet werden,

dass den Hilfeempfängerinnen unter 25 Jahren laut Gesetz zwingend eine Beschäftigungs- oder Ausbildungsmöglichkeit angeboten werden muss.

Was dann noch an Mitteln übrig bleibt, kann für die anderen verwendet werden. Wie viel das ist, sagen die Arbeitslosenzahlen von April. Sie weisen nämlich einen Anteil von 27 600 Jugendlichen unter 25 Jahren aus; dazu kommen etwa 32 900, die in öffentlich geförderten Beschäftigungs- und Trainingsmaßnahmen untergebracht sind. Man kann also ohne weiteres davon ausgehen, dass mindestens ein Viertel der Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen weniger als 25 Jahre alt sind. Was bleiben denn da noch für Möglichkeiten für den - in Anführungszeichen - Rest, nämlich für immerhin drei Viertel der Hilfesuchenden?

Zudem sollen die Eingliederungs- und die Verwaltungspauschale als Gesamtbudget zur Verfügung gestellt werden. Die Binnenverteilung soll den Kommunen bzw. der zu bildenden Arbeitsgemeinschaft zwischen Agentur und Kommunen überlassen werden. Ich will den Kommunen oder dieser Arbeitsgemeinschaft - ich nenne sie jetzt so, weil es kürzer ist - nichts unterstellen, aber sie werden zunächst einmal versuchen, die Verwaltungskosten abzusichern. Wenn man dann den Betreuungsschlüssel von einem Fallmanager auf 75 Hilfeempfängerinnen in Rechnung stellt, kann man nur mit dem Kopf schütteln.

Wir befürchten, dass die letztlich Benachteiligten die betroffenen Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen sein werden. Das muss verhindert werden.

Aber es kommt noch schlimmer. Obwohl spätestens mit dem Ergebnis im Vermittlungsausschuss klar war, dass eine riesige Aufgabe vor allen Beteiligten steht und dass die Zeit verdammt drängt, ist bis heute keine ernst zu nehmende Lösung in Sicht. Die SPD, der die Möglichkeit der Option für die Kommunen nur in einem zähen Ringen abgetrotzt wurde, zeigte wenig Enthusiasmus bei der Erarbeitung des Optionsgesetzes. Mit der Forderung der CDU, die Ausgestaltung der Option mit einer Grundgesetzänderung abzusichern, wurde die Hürde für das Gesetz so hoch wie nur irgend möglich gelegt.

Im Übrigen bin ich mir nicht sicher, ob die Länder diese Grundgesetzänderung wirklich brauchen, die letztlich einen Durchgriff des Bundes auf die Kommunen ermöglicht. Ich weiß nicht, ob die Länder das wirklich wollen sollen.

Den Betroffenen kann es letztlich egal sein, wer den Hut für das Gesetz aufhat, wenn für ihn Bedingungen entstehen, die nicht für zusätzliche Verwirrung, für zusätzliche Wege, zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Einbußen sorgen. Deshalb fordert die PDS in ihrem Antrag unter Punkt 3, dass die Landesregierung die Verantwortung für das übernimmt, was sie mit ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz selbst produziert hat.

Es muss aus der Sicht der Betroffenen geschaut und es müssen die wenigen Möglichkeiten des Gesetzes genutzt werden, ihre Situation zu verbessern, zum Beispiel durch die Durchsetzung des Prinzips „Alles aus einer Hand“ und durch ein ausreichendes und solide finanziertes Netz sozialer Dienstleistungen in den Kommunen, damit mehr Menschen von Betreuung und Beratung Gebrauch machen können. Auch an dieser Stelle darf sich das Land nicht seiner Verantwortung entziehen, weil wir immer noch Mittel für diese Betreuungsmöglich

keiten in den Kommunen in den Haushalt eingestellt haben. Die Situation der Betroffenen muss auch verbessert werden durch anspruchvolle Beschäftigungsmöglichkeiten, an denen alle erfahrenen Akteure vor Ort mitwirken, und durch einen gleichberechtigten Zugang aller Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen zum ersten Arbeitsmarkt.

Die PDS geht in ihrem Antrag davon aus, dass immer noch die Möglichkeit besteht, dass das Optionsgesetz doch noch verabschiedet wird. Alle Signale weisen allerdings darauf hin, dass das Gesetz im Bundesrat scheitern soll und damit die Option einfach vom Tisch ist. Dann bleibt nur noch die Arbeitsgemeinschaft übrig.