Protocol of the Session on May 6, 2004

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Polte. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte sehr, Herr Wolpert.

Herr Dr. Polte, ich habe gerade die Anweisung erhalten, Ihnen die Hand zu reichen, was mir natürlich überhaupt nicht schwer fällt. Aber das, was Sie verlangen, dass wir alle einer Meinung sind und konstruktiv zusammenarbeiten und dass wir das in einer Fünfminutendebatte im Landtag fertig bringen, ist ein bisschen viel verlangt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Deswegen doch die Über- weisung!)

- Ja, ich reiche doch die Hand. Warten Sie es doch ab, Herr Dr. Püchel. Mein Gott.

(Heiterkeit bei der FDP - Herr Dr. Püchel, SPD: Wunderbar!)

- Herr Dr. Püchel, auch uns ist doch klar, dass es richtig ist, was der Städte- und Gemeindebund macht: Er fasst Besorgnisse, Ängste und Nöte zusammen, formuliert konstruktive Vorschläge und versucht dann, sich ausreichend Gehör zu verschaffen.

Dazu ist es aus der Sicht der FDP nicht nur zulässig, sondern sogar erforderlich, die Kritik an die Handelnden heranzutragen, sie ihnen darzulegen und ihnen damit einen Denkanstoß zu geben. Was wäre dafür besser geeignet als eine Denkschrift.

Der Städte- und Gemeindebund hat der vorliegenden Denkschrift die provokative Frage vorangestellt, ob in der jetzigen Situation die Selbstverwaltung der Kommunen in eine Zwangsverwaltung übergeführt wird. Er versucht sogar teilweise, diese Frage mit Ja zu beantworten.

Schuld daran soll zum einen sein, dass den Gemeinden immer mehr Aufgaben übertragen und gleichzeitig die finanziellen Mittel gekürzt würden. Die Folge dessen sei eine zunehmende Handlungsunfähigkeit der Kommunen; darüber hinaus führe dieses zu einem Demokratieverdruss.

Gleichzeitig versucht der Städte- und Gemeindebund auf diese Problematik Antworten zu finden, indem er Zielstellungen und Zukunftsszenarien andeutet. Als zukünftige Handlungsmaxime soll eine konsequente Aufgabenkritik als Leitfaden dienen, wobei eine Gestaltungsfreiheit und Entscheidungsfreiheit vor Ort erhalten bleiben soll. Im Weiteren wird angemahnt, die finanzielle Ausstattung für die Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten und in einer gezielten Reform zukunftssichere Strukturen zu schaffen.

All dem kann sich die FDP-Fraktion vom Grundsatz her anschließen, allerdings ist die Darstellung der Relation zwischen Ursache und Wirkung in einigen Punkten nicht ganz schlüssig und die geäußerte Kritik ist teilweise überzogen.

Wenn ich also im Zusammenhang mit der Jugendpauschale lese, dass das Land die Verfassung missachte, dann - dafür werden Sie Verständnis haben - muss ich sagen, dass ich diesbezüglich eine andere Position vertrete und dass ich eine solche Äußerung nicht zur Grundlage einer Diskussion machen möchte.

Bei aller Kritik an der Finanzausstattung muss auch gesehen werden, dass Land und Kommunen in einem Boot in schweres Fahrwasser geraten sind. Der Schuldanteil der Insassen daran ist begrenzt und die bloße Forderung nach mehr Geld reicht nicht aus.

Meine Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass nur durch einen schlanken Staat wieder Gestaltungsräume in der Gesellschaft gefunden werden können. Ein schlanker Staat ist am ehesten dadurch zu erreichen, dass die Aufgaben reduziert werden. Deshalb ist die vom Städte- und Gemeindebund angemahnte Aufgabenkritik richtig. Die FDP-Fraktion versteht die Aufgabenkritik als einen ständigen Prozess; im Wandel der Zeit wandeln sich eben auch die Aufgaben. Die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden, gilt es in die Köpfe der Handelnden einzubringen. Insoweit gebe ich Ihnen Recht, Herr Dr. Polte.

Wie der Städte- und Gemeindebund richtig erkannt hat, ist diese Landesregierung mit dem Gesetz zur Verwaltungsmodernisierung in den Grundsätzen bereits weit fortgeschritten. Es bedarf der Umsetzung; diese ist im Gange.

Neben den Aufgaben selbst ist aber auch der Aufwand ihrer Wahrnehmung zu reduzieren. Das ist im Übrigen vornehmlich die Aufgabe der Kommunen selbst. Die notwendige Deregulierung ist mit dem Ersten und Zweiten Investitionserleichterungsgesetz begonnen worden und wird jetzt weitergeführt.

In diesem Zusammenhang habe ich in dieser Denkschrift einen denkwürdigen Satz gefunden:

„Anstatt lediglich Verantwortlichkeiten und Zielsetzungen klar zu definieren, werden dirigistische Vorgaben gemacht, die Aufsichts- und Überwachungsapparate erfordern und bürokratisch teure Abrechnungsverfahren zur Folge haben.“

Meine Damen und Herren von der SPD und insbesondere Sie, Herr Rothe, als Sie das Gesetz zum Schutz von gefährlichen Hunden in Sachsen-Anhalt zum Antrag erhoben haben, hatten Sie diesen Satz wohl noch nicht gelesen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wenn Sie ihn gelesen haben und trotzdem diesen Gesetzentwurf einbringen, frage ich mich, ob Sie darüber noch diskutieren wollen oder ob Sie sich schon längst entschieden haben, dass Deregulierung für Sie kein Thema mehr ist.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Frau Wy- brands, CDU)

Wie ich bereits dargelegt habe, entspricht der Grundsatz der Denkschrift der Auffassung der FDP. Die Anregung von Ihnen, Herr Dr. Polte, konstruktiv damit umzugehen, ist sicherlich ein Anliegen, dem die FDP folgen wird. Uns liegen die Kommunen genauso am Herzen wie Ihnen. Den Vorschlag, sich im Innenausschuss noch einmal damit zu beschäftigen, halte ich für gut. Diesem Vorschlag schließen wir uns gern an. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Nun erhält für die PDSFraktion der Abgeordnete Herr Grünert noch einmal das Wort. Bitte sehr, Herr Grünert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will auf ein paar Bemerkungen eingehen.

Ich stimme Herrn Polte zu, dass unsere Kommune bis zum Jahr 1989 und bis zur Vereinigung letztlich staatliche Behörden waren. Aber jetzt haben wir die Situation zu verzeichnen, dass sie zunehmend wieder staatliche Behörden werden. Das kann es doch nicht sein. Es geht also tatsächlich darum, die Gestaltungsspielräume dafür zu eröffnen, dass kommunale Selbstverwaltung - auch mit der Einschränkung „im Rahmen der Gesetze“ - überhaupt noch funktioniert.

Eine zweite Bemerkung, weil immer darauf abgehoben wird, dass die drastische Reduzierung der Finanzausstattung der Kommunen ab 1995 erfolgt sei. Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, bis 1994 gab es klare bundesrechtliche Regelungen, sodass das Land gar nicht die Chance hatte, sich aus dem Kuchen der Finanzierung des Aufbaus Ost noch ein Stück herauszuholen. Das war bis 1994 ausgeschlossen.

Erst im Jahr 1995, mit der Verabschiedung des Finanzausgleichsgesetzes, war diese Möglichkeit erstmals vorhanden. Genau zu diesem Zeitpunkt kamen die Begehrlichkeiten - natürlich auch des Landes - auf, Sonderzuweisungen zu bekommen, die zulasten der Kommunen gingen. Das muss einmal gesagt werden, damit Sie das bei sich abspeichern können.

(Herr Borgwardt, CDU: Wer war denn 1995 dran?)

- Im Jahr 1994 hatten Sie noch keine Chance - hören Sie doch richtig zu -, weil es damals noch eine entsprechende Regelung gab. Aber die Begehrlichkeiten sind doch bei Ihnen vorhanden. In zwei Jahren 500 Millionen €, also fast 1 Milliarde DM, herauszuziehen, das ist doch kein Pappenstiel.

(Beifall bei der PDS)

Das muss man auch einmal klar sagen.

Die dritte Bemerkung: Als Sie, meine Damen und Herren von der CDU, im Jahr 1998 in der Opposition waren,

haben Sie verlangt, dass die Denkschrift - damals hieß das noch anders - des Städte- und Gemeindebundes und des Landkreistages eins zu eins umgesetzt wird. Sie haben die SPD-Landesregierung aufgefordert, das auch wirklich zu tun.

Was tun Sie jetzt? - Sie stellen einen Änderungsantrag und sagen: Wir nehmen das zur Kenntnis; wir werden das unter anderen einfließen lassen. - Was ist daran konkret? Wie war Ihre Position damals? Die Situation hat sich bis heute eigentlich noch verschlechtert. Heute sind Sie an der Regierung. Offensichtlich wird das nun handzahmer verlesen, aber die Probleme sind nach wie vor da.

Uns geht es darum, die Probleme zu lösen. In diesem Zusammenhang macht es mich schon betroffen, dass in den Änderungsanträgen sowohl der CDU und der FDP als auch der SPD keine klaren Formulierungen enthalten sind. Diese Diskussion hatten wir doch schon immer. Es wird einfach abgetan.

Als es um einen zeitweiligen Ausschuss ging, hieß es: Den brauchen wir nicht, das machen wir alles mit. Als es um die Frage ging, wie unter den gegebenen Bedingungen die Zusammenführung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften erfolgen soll, hieß es: Das brauchen wir alles nicht, das machen wir im Innenausschuss mit. - Faktisch läuft das am Leben vorbei.

Das ist genau das Problem. Deswegen haben wir gesagt: Okay, wenn der Landtag am 19. Januar 2002 mit großer Mehrheit den Entschließungsantrag verabschiedet hat, dann ist es, wenn es darum geht, dass alle weniger Geld haben, nur gerecht, dass sich Landtag und Landesregierung plus Spitzenverbände im Rahmen der Neustrukturierung des FAG zusammensetzen. Dann kann es nicht sein, dass im Prinzip die Neustrukturierung des FAG am Landtag vorbei erfolgt und er nur mit dem Ergebnis befasst wird, ohne die Chance zu haben, aktiv einzuwirken.

(Beifall bei der PDS)

Ein weiteres Problem wollte ich in diesem Zusammenhang noch anmerken. Das Funktionalreformgesetz, das jetzt auf dem Weg ist, ist nur der Anfang. Wir möchten gern wissen, in welcher Zeitabfolge die nächsten Entwürfe der Landesregierung zur Deregulierung, zur Vereinfachung, zur Verwaltungsabflachung kommen sollen. Bisher ist nur das umgesetzt worden, was faktisch schon am 19. Januar 2002 im Regelsatz stand, mehr nicht. Das heißt, wir wollen konkret wissen, wie es weitergeht.

Machen wir uns doch nichts vor: Die Bewegung in den Kreisen ist eindeutig. Ich spreche hier für den Kreis, für den ich zuständig bin. Wenn ich sehe, dass Roßlau und Dessau auf gleicher Augenhöhe fusionieren wollen, wenn ich sehe, dass es im Prinzip die Entscheidung gibt, Leitzkau mit Gommern in Richtung Jerichower Land zusammenzuschließen, dann kann ich mich nicht hinstellen und sagen, das interessiert mich alles nicht.

De facto wird hier ein Kreis aufgelöst. De facto heißt das, ich muss in dieser freiwilligen Phase, in der die Kommunen zu vernünftigen Verwaltungsstrukturen finden sollen, schon ein Leitbild vorgeben, das aufzeigt, was die Landesregierung unter einer zukünftigen Landkreisstruktur versteht und wohin es gehen soll. Das ist ein Mindestmaß. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, das bis September darzustellen, damit zumindest die Grundzüge klar sind.

Dabei nützt mir die Regierungserklärung von Ministerpräsident Böhmer herzlich wenig, weil das Leben einfach schneller ist, als es die Politik offensichtlich in ihrer Reflexion wahrnimmt.

(Beifall bei der PDS)

Insofern sind, denke ich, auch die Schwerpunkte Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung in der Entscheidungsfindung viel stärker zu setzen, wobei wir - das muss ich hier auch zur Kenntnis geben - nicht jeden Vorschlag aus der Denkschrift für so praktikabel halten. Herr Wolpert hat seine Meinung dazu gesagt. Unsere Bedenken gehen in eine ähnliche Richtung.

Aber man sollte, denke ich, darüber diskutieren. Es geht hierbei um unser Land, es geht um die Auskömmlichkeit der kommunalen Finanzierung, es geht um die Gestaltung vor Ort. Diese Gestaltung soll zukunftsfähig sein und nicht ins Hintertreffen geraten. - Ich danken Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, kurz zu sagen, was mit dem Antrag geschehen soll. Beantragen Sie eine Überweisung oder eine Direktabstimmung?

Über unseren Antrag möchten wir direkt abstimmen lassen, weil er konkreter ist und letztlich einen Handlungsrahmen aufbaut. Wir sind der Meinung, dass es in der gegenwärtigen Situation nicht hingenommen werden kann, dass wir noch einmal vier Jahre lang beraten. Es müssen zunächst einmal Vorstellungen der Landesregierung dargelegt werden, damit man über konkrete Fakten beraten kann.