Herr Kosmehl, Sie stehen mit dieser Aufforderung - das sage ich ganz offen - vielleicht im Lichte der Öffentlichkeit sicher nicht ganz allein da. Sie sollten sich aber ernsthaft fragen, ob Sie und Ihre Partei nur dann eine große Bürgerpartei werden, wenn Sie bei dieser Frage um jeden Preis dem Zeitgeist folgen. Herr Kollege, ich glaube, wohl kaum.
Gerade bei dieser Frage gibt es aber ebenso viele Stimmen, die ein Referendum aus vielerlei Gründen vehement ablehnen. Ich erinnere nur an den Präsidenten des Europäischen Parlaments Pat Cox, meines Wissens ein Liberaler. Er hat in einer der vergangenen Sitzungen des Europa-Ausschusses des Deutschen Bundestages eindringlich vor den Gefahren eines Referendums gewarnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU lehnt ein derartiges Referendum ab. Herr Kosmehl, wir gehen aber auch davon aus, dass es sich um eine Grundsatzfrage handelt. Insofern besteht zumindest ein kleiner Konsens im Dissens. Ich bin zu Beginn meiner Rede darauf eingegangen.
Im Gegensatz zur PDS und der FDP sind wir jedoch der Auffassung, dass eine derartige Frage auch als solche entschieden werden muss und nicht einzelfallbezogen beurteilt werden kann. Wir teilen die von Ihnen konstruierte Kausalkette nicht, da sich nach Auffassung der CDU-Fraktion ein Europa der Bürger und die repräsentative Demokratie gerade nicht ausschließen.
Nach der gefestigten Auffassung der Fraktion der CDU ist das parlamentarische Verfahren dem plebiszitären Verfahren überlegen, da es repräsentativ ist. Demgegenüber können plebiszitäre Verfahren als reines Verhinderungsverfahren benutzt werden; denn sie bieten gerade nicht die Möglichkeit der Gestaltung. Darüber hinaus besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie zu einer Minderheitendemokratie führen, da die Beteiligungsquote in der Regel niedrig ist.
Aus den beiden zuletzt genannten Gründen konnten wir auch dem Antrag der SPD-Fraktion nicht folgen, in dem sich grundsätzlich für die Einführung plebiszitärer Verfassungselemente auf Bundesebene ausgesprochen wird.
Die fundamentale Frage nach der besseren Form der Demokratie in Deutschland darf keinesfalls nach partei
taktischer Opportunität entschieden werden. So handelt es sich bei dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag, der über den Umweg eines Antrags der Fraktion der PDS Gegenstand unserer parlamentarischen Debatte geworden ist, um einen populistischen Vorstoß, der klar abzulehnen ist.
Abschließend weise ich noch darauf hin, dass der Entwurf des konkreten Gesetzestextes der FDP-Bundestagsfraktion so gefasst ist, dass eventuelle künftige Änderungen der europäischen Verfassung keines Volksentscheides mehr bedürfen. Somit handelt es sich formal um ein Maßnahmegesetz, das auch aus diesem Grund von uns abzulehnen ist.
Die CDU-Fraktion wird sich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung anschließen. Wir möchten die anderen Fraktionen bitten, sich unserem Votum anzuschließen.
Danke, Herr Abgeordneter Borgwardt. - Für die PDSFraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Klein sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema EU-Konvent hat in den letzten Monaten wiederholt auf der Tagesordnung dieses Hohen Hauses gestanden. Wir haben es mehrheitlich und parteiübergreifend begrüßt, dass es einen transparenten Diskussionsprozess gab. Wir haben diesen Prozess mit einem gemeinsamen Beschluss auch entsprechend gewürdigt.
Mit der EU-Verfassung sollen grundlegende Weichen für die weitere Entwicklung in der Bundesrepublik und in der Europäischen Union gestellt werden. Die Weichensteller sollten die Bürgerinnen und Bürger sein; denn sie sind der Souverän. Deshalb sind wir der Meinung, die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik sollen wie die Bürgerinnen und Bürger in einer ganzen Reihe anderer Mitgliedstaaten das Recht und die Möglichkeit haben, in einem Referendum ihr Votum über die europäische Verfassung abzugeben.
Man kann nicht die Demokratisierung der EU begrüßen und zugleich sagen: Aber in unserem Haus bleibt alles so, wie es ist.
Inzwischen wissen wir - das haben Sie sehr deutlich gesagt -, dass eine solche Volksabstimmung von SPD und CDU mehrheitlich nicht gewollt wird. Die Gründe dafür mögen sehr unterschiedlich sein, doch das Ergebnis ist eindeutig. In der Bundestagsdebatte am 6. November 2003 wurde eine Änderung des Grundgesetzes abgelehnt.
Es ist schon erstaunlich, wie wenig manche Politikerinnen und Politiker an die Überzeugungskraft ihrer eigenen Politik glauben und deshalb gar in einer Volksabstimmung über Europa eine Bühne für Sektierer und Randalierer sehen, „auf der alle Kräfte, die eine europäische Verfassung durchbringen müssen, sich mit antieuropäischen Ressentiments herumschlagen müssten.“ - So der Originalton von Peter Hintze, Mitglied des Bundestages.
Aber die CDU tut sich - das haben wir bei der Einbringung des Antrags und auch heute wieder sehr deutlich vernommen - schwer mit plebiszitären Elementen in der Demokratie überhaupt. Sie verstehen sich - so auch Herr Hintze, um ihn noch einmal zu zitieren - als die einzigen, die kristallklar, nicht kantenklar, die Leitprinzipien der repräsentativen Demokratie vertreten. Befürworter eines Referendums, wie Jürgen Rüttgers oder der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, wurden zurückgepfiffen.
Für die SPD ist die Sache schon etwas schwieriger, hat sie sich doch in den vergangenen Jahren wiederholt für die Einführung von plebiszitären Elementen eingesetzt. Herr Tögel hat darauf verwiesen. Aber im Unterschied zu sonstigen Volksentscheiden, bei denen Gruppen außerhalb des Parlaments die Mehrheit der Bevölkerung von der Richtigkeit ihres Anliegens überzeugen müssen, liegt in diesem Fall die Aufgabe bei einer Regierungsmehrheit. Sie muss eine Mehrheit der Stimmbürger von der Richtigkeit ihres Ansatzes überzeugen.
Hierbei also ist es dem Kanzler wieder einmal gelungen, Forderungen nach einem Volksentscheid aus den eigenen Reihen zurückzudrängen. Anscheinend ist er auch nicht davon überzeugt, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in der Lage sind, Verfassungsinhalte so unter das Volk zu bringen, dass dieses letztlich weiß, worum es geht. Ein toller Vertrauensbeweis ist das nicht.
In den Beitrittsstaaten der Europäischen Union, aber auch im Rest des alten Europas sind Volksabstimmungen nichts Besonderes. Meine werten Kolleginnen und Kollegen! In Bezug auf die Frage der direkten Demokratie ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland. Herr Staatsminister Robra hat darauf bereits am 4. Juli hingewiesen. Er hat nachdrücklich betont, dass es in der Bundesrepublik keine Erfahrungen mit Referenden auf Bundesebene gibt und wir uns deshalb möglicherweise blamieren könnten.
Nun hängt die Blamage sicherlich vom jeweiligen Standpunkt ab, davon, ob man zu den Befürwortern oder zu den Gegnern des jeweiligen Anliegens gehört. Aber generell geht es doch bei einem Volksentscheid darum, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in den Diskussionsprozess einbringen, dass sie sich bewusst für eine bestimmte Entwicklung engagieren oder auch diese ablehnen.
Der Verfassungskonvent hat vom Europäischen Rat den Auftrag bekommen, den Bürgern das europäische Projekt und die europäischen Organe näher zu bringen. Ein Referendum kann wesentlich zur demokratischen Verankerung der Europäischen Union beitragen.
Eine größere Bildungsveranstaltung kann es eigentlich gar nicht geben; denn wir müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern das Gespräch über Europa führen. Es gilt, die Entwicklung transparent aufzuzeigen, zu verdeutlichen, wie und warum Entscheidungen getroffen werden und welche Wirkungen sie haben könnten. So können auch Ängste abgebaut werden, die es gerade hinsichtlich der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union gibt.
Also, ein Volksentscheid wäre wirklich eine Demokratie stiftende Aufgabe, der sich eigentlich alle Parteien gerade angesichts der wachsenden Parteien- und Politikverdrossenheit verpflichtet fühlen müssten.
Aber ich glaube, die Furcht vor einer Volksabstimmung hat noch eine andere Ursache. Hierzu möchte ich - Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten - den „Spiegel“ zitieren; dieser ist vielleicht nicht der PDS-Nähe verdächtig. Im „Spiegel“ vom 2. Oktober 2003 wurde festgestellt:
„Die politische Klasse hat kein Interesse an einem breiten demokratischen Diskurs über eine neue Verfassung. Man muss nicht unter paranoiden Wahnvorstellungen leiden, um zu argwöhnen, dass die Herrschenden eine öffentliche Debatte scheuen, weil tatsächlich Dinge in der Europäischen Verfassung stehen, die fragwürdig sind, die undemokratisch sind, die möglicherweise nicht die Mehrheit des direkt befragten Volkes finden würden.“
Auf die begrüßenswerten Bestandteile des Verfassungsentwurfs ist in den vergangenen Debatten ausführlich eingegangen worden. Aber als wir im Monat Juli über die europäische Verfassung diskutierten, lagen uns Teil 3 und Teil 4 nicht vor. Herr Robra verwies damals vorausschauend auf die Einzelermächtigungen zu den Fachpolitiken und deren Kompliziertheit.
Über die Kompliziertheit mag man streiten - viel bedenklicher aber ist für uns, dass die Bestimmungen im Teil 3 nicht dem Teil 1 angeglichen worden sind. Ich möchte nur einen Widerspruch nennen. Es sind zum Beispiel zwei völlig unterschiedliche Wirtschaftsphilosophien gegeben. In Teil 1 wurden vom Konvent die Ziele „soziale Marktwirtschaft“ und „Vollbeschäftigung“ formuliert. Im Teil 3 dagegen ist von offener Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb und hohem Beschäftigungsgrad die Rede. Damit wird der Wille des Konvents konterkariert; denn dieser hatte so gut wie keine Möglichkeit, die Teile 3 und 4 zu diskutieren.
Die Bürgerinnen und Bürger werden eigentlich regelrecht verschaukelt; denn es sind nur die Teile 1 und 2 veröffentlicht worden. Bisher liegt Teil 3 nicht in solch schöner Buchform, wie es uns Herr Tögel gezeigt hat, vor.
Dringend notwendig erscheint uns ein Referendum auch aufgrund des Wenigen, was man aus der Regierungskonferenz gehört. Der Verfassungskonvent war ein Stück erstrittene Demokratie; denn die Regierungschefs waren in Nizza mit ihrem Latein am Ende und hatten deshalb den Konvent einberufen. Nun kündigen sehr viele Regierungen den Kompromiss, den sie mit erarbeitet haben, auf. Eine Verabschiedung ist im Augenblick ungewisser denn je, zumindest eine Verabschiedung in diesem Jahr.
Unter anderem wollen die Staats- und Regierungschefs gerade gefundene demokratische Fortschritte wieder rückgängig machen. Es soll keinen öffentlich tagenden Legislativrat geben; die Gesetzgebung soll weiterhin hinter geschlossenen Türen passieren.
Die vom Konvent vorgesehenen Passagen zur Militarisierung der Europäischen Union waren für uns bisher schon nicht tragbar. Aber nun haben die Außenminister auf ihrem Treffen in Neapel hinsichtlich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entschieden, die EU noch stärker unter die Kuratel der Nato zu stellen. Das heißt im Klartext: Die EU-Sicherheitspolitik soll in Zukunft vor allem militärische Interventionspolitik sein.
Abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher bin, inwieweit Teil I Artikel 40 und die entsprechende Untersetzung im Teil 3 grundgesetzkonform sind, so bin ich mir doch sicher darin, dass jedes Land im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik seine Souveränität abgeben wird.
Die nationale Entscheidungshoheit wurde bereits im Bereich der Wirtschafts- und Geldpolitik aufgegeben, ohne die Bevölkerung zu fragen. Nun soll das auch in dem sehr sensiblen Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik geschehen. Genau das ist der Punkt, auf den sich der Protest sehr vieler Bürgerinnen und Bürger schon jetzt konzentriert. Die geplante Militarisierung der EU könnte bei einem Referendum das Zünglein an der Waage sein und den Verfassungsentwurf zum Kippen bringen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade weil es um grundsätzliche Fragen geht, die weit in die nationale Politik der einzelnen Staaten hineinreichen und damit das Leben der Bürgerinnen und Bürger berühren, müssen sie nicht nur debattiert werden, sondern sie müssen von der Mehrheit der Menschen in Europa mitgetragen werden. Wir brauchen demokratische, soziale und friedliche Lösungen, wenn die Europäische Union eine Zukunft haben soll. Diese Lösungen müssen sich auch und gerade in einer Verfassung wiederfinden, der die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ehrlich zustimmen kann.
Danke, Frau Abgeordnete Dr. Klein. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Kosmehl reden. - Ich bitte, den Lärmpegel ein wenig zu senken, auch wenn der Tag heute anstrengend war.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn ich mir jetzt wie Don Quichotte vorkomme, der vergeblich gegen Windmühlen kämpft, wenn ich am Schluss meiner Rede für die Ablehnung der Beschlussempfehlung und damit für ein EU-Referendum plädiere,
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen auf der Regierungskonferenz halte ich es zunächst für geboten, nochmals auf den Verfassungsvertrag selbst hinzuweisen, kurz darauf einzugehen. Der Entwurf beinhaltet eine Reihe von Vorschlägen, die Grundvoraussetzung sind, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Im nächsten Jahr steht der Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union an. Eine Union mit 25 Mitgliedern kann nicht mit den und in den Institutionen arbeiten, die für eine Union mit ursprünglich sechs Mitgliedstaaten geschaffen worden sind. Auch die Europäische Integration kann nur voranschreiten, wenn es der Europäischen Union gelingt, den bestehenden Re
Meine Damen und Herren! Die Union der Bürger, das ist unser Ziel. Hierzu müssen Organisation und Entscheidungsablauf für die Bürger transparenter und somit verständlicher und bürgernäher gestaltet werden.