Protocol of the Session on December 11, 2003

Der Abgeordnete Herr Borgwardt hat eine Frage.

Ich wollte eine Kurzintervention machen, aber darauf kann Frau Mittendorf dann auch antworten.

Sie könnte darauf antworten. Bitte sehr.

Frau Mittendorf, geben Sie mir darin Recht, dass es mit Sicherheit dem Wählerwillen entspricht, wenn wir die bestmögliche Ausbildung für die Schüler gewährleisten wollen?

Darin gebe ich Ihnen Recht.

Danach handeln wir.

Nein, das ist insofern nicht ganz korrekt, weil das, was die „bestmögliche Ausbildung“ der Kinder bzw. der Schülerinnen und Schüler ist, von verschiedenen Seiten sehr unterschiedlich definiert ist. Wenn Sie sich die eingängigen Studien anschauen, dann sehen Sie, wie das hier mit dem Wählerwillen aussieht.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Mittendorf. - Als nächster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Dr. Volk für die FDP-Fraktion sprechen. Zuvor möchte ich den CDUEuropaabgeordneten Herrn Dr. Schnellhardt bei uns herzlich begrüßen, der sich seit geraumer Zeit auf der Zuschauertribüne befindet. - Bitte sehr.

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Jahr bereits wiederholt im Plenum über die Frage der mittelfristigen Schulentwicklungsplanung in unserem Land debattiert und die unterschiedlichen Standpunkte ausgetauscht. In Gesetzesform gegossen hat die PDS dann ihren Standpunkt nochmals in den Landtag eingebracht.

Der Bildungsausschuss hat nach intensiven Diskussionen, auch basierend auf einer Anhörung, am 26. November 2003 nach den vorhergegangenen Debatten erwartungsgemäß mit klarer Mehrheit die von der PDS vorgeschlagene Änderung des Schulgesetzes abgelehnt.

Die Mehrzahl der Ausschussmitglieder war der Meinung, dass der vor vier Wochen eingebrachte Gesetzentwurf keine angemessenen Konzepte zur Entwicklung der Schullandschaft in unserem Land enthält. Es genügt dem politischen Handeln eben nicht, eine Gesetzesänderung vorzuschlagen, die aktuelle Stimmungen Betroffener bündelt, aber den verantwortungsvollen Weit

blick vermissen lässt. Der Gesetzentwurf war aus meiner Sicht kein konstruktiver Beitrag in der Bildungsdebatte.

Die gewaltigen demografischen Veränderungen, die nach 1990 in allen neuen Bundesländern zu verzeichnen waren, haben jetzt die Sekundarschulen erreicht. Es ist notwendig, die Schulentwicklungsplanung wieder mit den Schülerzahlen in Übereinstimmung zu bringen.

Ich habe an dieser Stelle bereits mehrmals betont, dass man schon vor fünf Jahren die entsprechenden Regelungen hätte verabschieden können, jedoch nicht den politischen Mut dazu aufbrachte. Die keineswegs leichte oder gar angenehme Aufgabe der Entscheidung über die Zukunft eines Schulstandortes ist aus der Verantwortung für die Bildungsqualität heraus zu treffen, wobei die Kreistage zu Recht die Entscheidungshoheit über die einzelnen Standorte haben.

Die Halbierung der Schülerzahlen und die mangelnde politische Konsequenz der letzten Jahre machen es nun aber notwendig, innerhalb weniger Jahre grundlegende Umstellungen vorzunehmen. Strukturveränderungen werden dabei nie ohne Konflikt umgesetzt werden können. Deshalb erfordern sie ein übergreifendes Problembewusstsein und ein gemeinsames, aber auch entschlossenes Handeln.

Wenn es unter objektiven Gesichtspunkten zukünftig nicht mehr genügend Schüler zum Erhalt zweier Schulstandorte gibt, führt an der Schließung einer Schule kein Weg vorbei. Eine Sekundarschule gilt dann als ausreichend groß, wenn in jedem Jahrgang zwei Klassen mit je 20 Schülerinnen und Schülern gebildet werden können. Daraus ergibt sich eine überschaubare Größenordnung von 240 Kindern.

Auf dieser Berechnungsgrundlage gehört Sachsen-Anhalt schon heute zu den Ländern mit der günstigsten Lehrer-Schüler-Relation in Deutschland. Wenn wir heute - darum ersuche ich das Hohe Haus - der Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses folgen, dann wird der Versuch endgültig gescheitert sein, Unsicherheit bei der Schulentwicklungsplanung zu verbreiten.

Entgegen den Äußerungen von Politikern der PDS bestand zu keinem Zeitpunkt ein rechtliches Vakuum, das es notwendig gemacht hätte, die Schulentwicklungsplanung zu verschieben oder gar auszusetzen. Die Gesetze waren klar und deutlich. Die meisten Landkreise haben sich auch an die Fakten gehalten und haben ihre Schulentwicklungsplanung bereits abgeschlossen.

Ich möchte hier noch einmal betonen, was ich auch auf jeder Veranstaltung zu dieser Problematik gesagt habe. Wir als Abgeordnete haben die Pflicht, unseren Schülern in allen Schulformen eine qualitativ hochwertige Bildung zu ermöglichen. Dies erfordert auch in der Frage der Schulgröße eine Berücksichtigung der pädagogischen Standards, die eben nicht aus Opportunismus missachtet werden können. Erst ab einer bestimmten Schulgröße kann ein angemessenes Spektrum an Wahlfächern, Arbeitsgemeinschaften und Förderkursen angeboten werden.

Ein weiteres Problem betrifft die Unterrichtsversorgung. Je mehr kleine Klassen wir im Land haben, desto härter schlägt es an den Schulen durch. Schon jetzt gibt es - übrigens ist das in ganz Deutschland so - einen Besorgnis erregenden Mangel an Fachlehrerinnen und Fachlehrern.

In diesem Sinne appelliere ich nochmals an Sie, der Beschlussempfehlung zu folgen und anschließend wieder in die inhaltliche Debatte über die Schulen einzutreten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Dr. Volk. - Für die PDS-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Hein sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung vergibt sich dieses Land ohne Not eine längerfristige Gestaltungschance in Sachen Bildungslandschaft.

(Beifall bei der PDS)

Noch heute Mittag bekannte der Ministerpräsident, dass die Vorschläge der PDS zu einer anderen Gewichtung von Bildungsinvestitionen im Interesse der Zukunftsfähigkeit des Landes einer ernsthaften Diskussion würdig seien. Mit der heutigen Beschlussempfehlung aber beenden Sie diese Debatte, bevor sie noch richtig geführt wurde, wenigstens in Bezug auf das Landesschulnetz für längere Zeit.

Ich möchte deutlich machen, um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: Die PDS ignoriert keineswegs die Dramatik der zurückgehenden Schülerzahlen. Sie ist sich auch seit längerem der Tatsache bewusst, dass sich die Gesamtschülerzahl längerfristig auf dem halben Niveau der frühen 90er-Jahre einpegeln wird.

(Frau Mittendorf, SPD: Das wissen wir alles!)

- Das wissen wir alles. Man konnte es seit etwa acht Jahren voraussehen. Wir brauchen da wirklich keinen Nachhilfeunterricht mehr. - Es ist also keine Frage, dass Politik im Interesse einer qualitativ guten Schule diesbezüglich reagieren muss. Vielmehr ist das Problem, wie darauf reagiert wird.

Ich möchte noch einmal nachdrücklich darauf verweisen, dass bis 1999 eine Sekundarschule mit 180 Schülerinnen und Schülern keineswegs als schulfachlich problematisch empfunden wurde. Nun aber soll sie der Untergang der Schulqualität in Sachsen-Anhalt sein.

Ich halte es auch nicht für lauter, den Fachlehrermangel in einigen Fächern, der seit Jahren evident ist - das betrifft das Fach Religion, die Sprachen und musische Fächer -, zur Begründung der Notwendigkeit von Schulschließungen heranzuziehen; denn diesen Mangel gab es auch vor dem Jahr 1999. Vielmehr wäre es erforderlich, die Lehrerausbildung zu befördern, um diesen Mangel zu beheben, anstatt die Lehrerausbildung in Sachsen-Anhalt zu dezimieren.

Wir kritisieren vor allem die Stringenz und die Unflexibilität der Vorgaben der Landesregierung bei der Schulentwicklungsplanung. Sie nehmen im Unterschied zu Ihrer Vorgängerregierung den Tiefpunkt der Schülerzahl zum Ausgangspunkt der Planung und vernachlässigen dabei, was mit dem Gesamtschulnetz geschieht.

Unser Ansatz verschärft nicht die Lösung des Problems, sondern er löst das Problem anders. Das Problem sind auch nicht die Grundschulen, sondern in erster Linie die Sekundarschulen und zu einem großen Teil auch die Gymnasien.

In anderen neuen Bundesländern gibt es dagegen durchaus verschiedene Ansätze eines flexibleren Umganges. In Thüringen zum Beispiel wird auf solche Vorgaben unterhalb der Zügigkeit der Schulen ganz verzichtet, es gibt eine schülerbezogene Lehrerstundenzuweisung.

In Sachsen können kleinere Mittelschulen in Abhängigkeit zum Beispiel von regionalplanerischen Gründen oder gar pädagogischen Gründen genehmigt werden. Einen regionalplanerischen Ansatz haben auch wir in unserem Gesetz. Gute Schule, wie der Minister eben sagte, ist bei uns - nicht in unserem Gesetz, sondern in Sachsen-Anhalt bei dem Herangehen der Landesregierung - eben genau nicht ein Kriterium für den Erhalt einer Schule. Die Gymnasien brauchen in Sachsen nur eine Klassenstärke von 20 Schülerinnen und Schülern, wie auch wir es fordern.

In Brandenburg werden kleinere Schulen der Sekundarstufe I mit 30 Schülerinnen pro Jahrgang in kleinen Grundzentren genehmigt. Für das Gymnasium gilt die Festschreibung nur für die Eingangsklasse der gymnasialen Oberstufe mit mindestens 50 Schülerinnen und Schülern. Auch das ist in den wesentlichen Punkten unserem Gesetz zumindest ähnlich.

Ich gebe zu, unser Gesetz hätte komfortablere Regelungen eingeführt. Ich halte das aber nach wie vor für richtig. Sie allerdings, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, waren nicht einmal zu einem kleinen Entgegenkommen bereit.

Wenn Sie der Beschlussempfehlung heute zustimmen, dann werden wir, wie jede künftige Landesregierung, mit den Folgen noch hart zu kämpfen haben. Da Sie sich in den Ausschussberatungen so unbeweglich gezeigt haben, ist auch anzunehmen, dass heute in den Koalitionsfraktionen die Parole ausgegeben wurde: Augen zu und durch! Für diesen Fall kündige ich jetzt schon an, dass wir uns mit dem Status quo nicht abfinden werden, sondern intensiv darüber nachdenken werden, wie die mancherorts verheerenden Auswirkungen auf die Lehr- und Lernsituation wenigstens partiell kompensiert werden können. Sie werden also in dieser Angelegenheit wieder von uns hören.

Ein letzter Satz noch zu dem Entschließungsantrag. Wir haben ihn aus gutem Grund in Zusammenhang mit dem Gesetz gestellt. Er hängt gewissermaßen an dem Gesetz. Wenn das Gesetz heute abgelehnt wird, dann ist der Entschließungsantrag gegenstandslos. Wir werden uns deshalb bei dem Entschließungsantrag der Stimme enthalten. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Dr. Hein. - Für die CDU-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Feußner reden. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Schon wiederholt haben wir unsere Argumente zur Schulentwicklungsplanung im Plenum sowie im Ausschuss ausgetauscht. Ich denke, man muss an dieser Stelle nicht alles wiederholen. Andererseits ist die Schulentwicklungsplanung eine sehr sensible Angelegenheit, welche auch einer ausreichenden Aufmerksamkeit bedarf.

Ich möchte noch einmal sagen, dass SPD und PDS mit ihrer Initiative sehr spät, eigentlich zu spät gekommen sind. Nun könnte man sagen, nichts ist zu spät, aber eines müssen Sie doch wirklich selbstkritisch eingestehen: Wenn zum jetzigen Zeitpunkt eine gesetzliche Regelung in Kraft treten würde, wäre dies gegenüber den Trägern nicht zu rechtfertigen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Mit Fleiß und mit Engagement - davon gehe ich zumindest aus - wurden die Pläne von den Verwaltungen erarbeitet, den Kreistagen vorgelegt und zum Teil auch schon beschlossen. Schon aus Gründen des Vertrauensschutzes gegenüber den Trägern halten wir die vorgeschlagene Veränderung für nicht gerechtfertigt. Eine erneute Änderung des Schulgesetzes würde den gegenwärtigen Abschluss stark gefährden und wäre auch administrativ kaum zu bewältigen. Das gesamte Planungsverfahren müsste neu aufgestellt werden. Etwa ein Drittel der Landkreise hat seine Pläne bereits beschlossen.

Auch wenn man dem Erhalt von Schulstandorten im ländlichen Raum sehr viel Verständnis entgegenbringen kann - das sage ich klar und deutlich -, sind Schülerzahlen von 180 Schülern pro Sekundarschule auch nicht hilfreicher. In meinem Landkreis - Herr Schomburg sagt das auch für seinen Landkreis - würde das kaum eine Schule betreffen. Das ist also sehr unwesentlich. Wenn wir dem PDS-Vorschlag folgen würden, bekämen wir Kleinstschulen, die auch aufgrund ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und hinsichtlich ihrer Organisation nicht verantwortbar wären.

Das heißt nicht, dass es aus meiner Sicht nicht auch andere Möglichkeiten gäbe, aber wir haben eben den Weg, den Sie eingeschlagen haben, fortgeführt. Es verwundert mich schon, dass Sie heute so massiv gegensteuern.

(Zuruf von der PDS: Sie haben nicht hingehört!)

Auch inhaltliche Aspekte sprechen für eine Ablehnung. Was den Qualitätsanspruch von Schulen ausmacht, die inhaltliche Entwicklung von Schulen - ich nenne nur das Stichwort Schulprogramme -, das Angebotsspektrum von Unterrichtsfächern und darüber hinaus - über all diese Probleme haben wir uns schon ausgetauscht.