Protocol of the Session on September 18, 2003

Das ist die Realität.

Da kann ich hier natürlich Zahlenspiele machen und sagen, wir haben nur einen Rückgang von 2 %. Ich habe es in meiner Frage an Frau Röder schon versucht deut

lich zu machen: Diese 2 % sind aber von einem Niveau aus zu sehen, das im Grunde genommen beinhaltet hat, dass wir bereits im vergangenen Jahr die schlechtesten Zahlen bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen hatten. Wenn wir die jetzt noch einmal zusätzlich unterlaufen, dann ist das in der Tat auch ein Grund, der zumindest uns Anlass zur Sorge gibt.

Auch Sie haben reagiert. Sie haben ja das Förderprogramm aufgelegt, nachdem es im vergangenen Jahr kein Förderprogramm gab. Nachdem es schleppend angelaufen war, mussten Sie noch einmal die Richtlinien ändern und haben weitere Bereiche in die Förderung mit hineingenommen. Sie sagen jetzt stolz - ich hoffe, dass die Zahl auch so bleibt -, dass 1 800 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen worden seien.

Wir werden uns den Saldo angucken; wir werden genau gucken, was am Ende des Ausbildungsjahres bzw. am Ende der auf den Weg zu bringenden Maßnahmen unter dem Strich übrig bleibt.

Ich habe viele Unternehmen in meinem Wahlbereich, die verschnupft reagieren, die sagen: Wir haben jahrelang ausgebildet. Wir kriegen jetzt keine Förderung mehr, während andere, die sich überhaupt gar nicht bewegt haben, jetzt zusätzlich gefördert werden sollen. Ich befürchte, dass einige Unternehmen in der Tat ursprünglich geplante Ausbildungsplätze jetzt nicht mehr anbieten. Also: Auf den Saldo wird es ankommen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Wirtschaft verunsichert ist, wenn man beispielsweise einen Ausbildungsfonds vorschlägt. Das duale Ausbildungssystem beinhaltet seit Jahrzehnten eine Arbeitsteilung zwischen den staatlichen Institutionen, die Berufsschule und theoretischen Unterricht anbieten, und der Wirtschaft, die betriebliche Ausbildungsplätze anbietet.

Wenn jetzt die eine Seite die Verabredungen nicht einhält und man verständlicherweise sagt, dann muss der Gesetzgeber Regelungen treffen, dann kann ich nicht erkennen, warum man dann verunsichert sein muss. Die Situation sollte eher dazu führen, dass man die Verpflichtungen aus dem dualen System ernst nimmt und entsprechend umsetzt. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Die Frage noch.

Ja. - Herr Abgeordneter Kehl, bitte sehr.

Herr Metke, in Anlehnung an die Frage der Kollegin Budde, die im Prinzip die Nichtanwesenheit des Kabinetts moniert hat, möchte ich Sie fragen, wie Sie den Umstand beurteilen, dass während der gesamten Debatte bis jetzt eben gerade Ihre Fraktionsführung, also der Vorsitzende der Fraktion und der parlamentarische Geschäftsführer, nicht anwesend waren.

(Zustimmung bei der CDU)

Der parlamentarische Geschäftsführer ist jetzt anwesend. Ich weiß nicht, ob er die ganze Zeit nicht anwesend war.

Ich gehe davon aus, dass mein Fraktionsvorsitzender, der im Übrigen das Thema kennt, weil wir das natürlich auch in der Fraktion diskutiert haben,

(Oh! und Lachen bei der FDP)

einen Termin wahrnimmt, der wichtiger ist als diese Debatte. Etwas anderes kann ich ja gar nicht annehmen. - Schönen Dank.

Frau Abgeordnete Sitte.

Ich würde gern eine kurze Intervention machen.

Aha. - Darauf können Sie auch antworten, wenn Sie das möchten.

(Herr Metke, SPD: Ja!)

Ich habe vier bzw. fünf Anmerkungen. Das Erste ist: Aus dem CDU-FDP-Berufsbildungsbericht vom vergangenen Jahr, der übrigens außerordentlich interessant ist - das ist gar nicht wertfrei gemeint -, geht hervor, dass in der Kosten-Nutzen-Relation die Bilanz für die Unternehmen jeweils positiv ist, wenn sie Auszubildende haben.

Das Zweite, was zu sagen ist: Wir haben uns natürlich auch mit Unternehmern unterhalten, und ich weiß nicht, ob die Kammerposition, die hier immer öffentlich vertreten wird, richtig ist. Mir haben die Unternehmer gesagt, dass sie es überhaupt nicht einsehen, warum permanent sie ausbilden, während andere Unternehmen ihnen die Ausgebildeten abkaufen bzw. die Ausgebildeten abwandern. Das ist für sie natürlich ein Aufwand, den sie nicht eingehen wollen, und hier fängt auch eine Entsolidarisierung an.

Das Dritte, das ich gern sagen will, geht auch aus dem Berufsbildungsbericht hervor. Nicht jeder ausbildungsfähige Betrieb in Sachsen-Anhalt stellt einen Antrag auf Ausbildungsberechtigung, also sowohl was die Qualifikation der Leute anbetrifft als auch das, was die betriebswirtschaftliche Situation anbetrifft.

An Letzteres angeknüpft: Wenn wir über Ausbildungsumlagen oder über einen Ausbildungsfonds reden, dann reden wir - sowohl die SPD als auch die PDS - nur über Betriebe, die ihrerseits betriebswirtschaftlich dazu in der Lage sind. Wenn man sich dann die Zahlen vergegenwärtigt, die derzeit diskutiert werden, also beispielsweise 50 € pro fehlenden Ausbildungsplatz pro Monat, sagen mir die Unternehmer, mit denen ich gesprochen habe: Wenn mein Betrieb Pleite geht, dann geht er garantiert nicht an dieser Ausbildungsumlage Pleite, sondern aus anderen Gründen. Das würde ich gern aus dieser Sicht noch mit einflechten. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/984 ein. Den Wunsch auf Überweisung habe ich nicht vernommen.

(Frau Budde, SPD: Nein! Das bringt ja nichts!)

Dann kommen wir gleich zur Direktabstimmung. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag abgelehnt worden und wir haben den Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11:

Beratung

Berichterstattung über veränderte Wirtschaftsförderung

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/997

Alternativantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1019

Einbringende für die SPD-Fraktion ist die Abgeordnete Frau Budde. Frau Budde, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unbestritten ist es so, dass nicht immer alles so bleiben kann, wie es ist. Das gilt auch für die Wirtschaftsförderung und deren Ausgestaltung im Land. Unbestritten ist es auch so, dass es viele gute Gründe gibt, über die Veränderung von Fördersätzen, über Schwerpunktsetzungen und über Differenzierungen in der Wirtschaftsförderung unseres Landes nachzudenken und die Ergebnisse in die Tat, das heißt, in Richtlinien umzusetzen.

Das ist aber auch fast das Einzige, in dem wir uns, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, bei diesem Thema einig sind; denn das alles Entscheidende ist: Wie tue ich es? - Bewegung an sich oder angekündigter Gigantismus reichen bei weitem nicht aus.

Die Gemeinschaftsaufgabe, das Förderinstrument der neuen Länder für Investitionen aller Art, wird planmäßig zurückgefahren. Die Zahlung der Investitionszulage wird vielleicht nicht ganz auslaufen - diesbezüglich laufen Verhandlungen -, aber die Höhe der Zulage wird in jedem Fall geringer werden. Die Höhe der europäischen Mittel wird mit Sicherheit reduziert; die Mittel werden nicht mehr in dem jetzigen Umfang kommen.

Dies alles begründet in der Tat folgende Überlegungen: Wie hole ich in den nächsten vor uns liegenden Jahren aus den zur Verfügung stehenden Wirtschaftsförderungsmitteln das Optimum heraus? Wie setze ich die uns dann noch zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet ein? Wie erziele ich die nachhaltigsten Struktureffekte? Dies alles gilt es zu überlegen und abzuwägen, aber ganz sicher nicht, Herr Minister, aus der Not heraus, weil die Pipeline so gefüllt ist oder weil der Generalbevollmächtigte für Investitionen meint, die Notbremse ziehen zu müssen.

Ein erprobtes und gutes Mittel, seine Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, sind in der Regel Gutachten von Fachleuten, die die Effektivität des Einsatzes von Wirtschaftsförderungsmitteln der zurückliegenden Jahren analysieren und frei von politischen Zwängen aus der Analyse heraus Sachdaten, unbestechliche Fakten, auswerten und Vorschläge für zukünftiges Handeln entwickeln. Es liegt dann in der Verantwortung der politisch Handelnden, also in diesem Fall der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen, diese Empfehlungen umzusetzen oder eben nicht.

Sie, Herr Minister, haben sich entschieden, diese Empfehlungen nicht umzusetzen. Zumindest ist dies für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, die in einer Sitzung schon etwas mehr darüber hören durften, oder auch für die anderen Parlamentarier nicht erkennbar; denn außer Ihrer Pressemitteilung gibt dazu noch immer nichts Weiteres.

Ich glaube, dass das ein elementarer Fehler ist, der, wenn Sie ihn nicht korrigieren oder wenn Sie ihn in den Entwürfen, die wir nicht kennen, nicht schon korrigiert haben, großen Schaden im Land anrichten wird.

An dieser Stelle will ich aber fairerweise einen Dank an Sie richten, meinen Dank, dass Sie uns, wenn auch erst einen Tag vor der heutigen Debatte und erst auf Nachfrage, das Gutachten, den Endbericht zur Analyse der Gemeinschaftsaufgabe, zur Verfügung gestellt haben. Es war in der Tat für diejenigen, die sich wie ich mit dem Gutachten auseinander gesetzt haben, eine relativ kurze Nacht; denn wenn man sich wirklich auf die heutige Debatte inhaltlich vorbereiten wollte und dies zu einer Sachdebatte führen wollte, musste man sehr viel lesen. Aber es war auch sehr viel Interessantes in diesem Gutachten zu lesen.

Ich gebe zu, die Post hat im Landtag erst eine Weile - eine bis zwei Stunden - gelegen. Dank der Hartnäckigkeit der Mitarbeiter in der Poststelle haben wir die Analyse, das Gutachten, noch gefunden. Als ich mir dann zunächst die Kurzfassung durchlas, war mir klar, warum die Post so lange in der Sicherheit lag. Sie hatten den Absender vergessen. In der Tat ist es ein zündendes Gutachten. Ich kann mir vorstellen, dass diese Empfehlungen, die ich bisher in Ihrer Argumentation nicht wiederfinde, und damit das Gutachten aus Ihrer Sicht einer Bombe gleichkommen müssen.

(Minister Herr Dr. Rehberger lacht)

Kommen wir zu den Inhalten. Lassen Sie mich zunächst kurz auf den Analyseteil hinsichtlich der zurückliegenden Förderung eingehen; denn eine gute Analyse ist immer die Basis für vernünftige Entscheidungen. Die Investitionen haben sich in den zurückliegenden Jahren sowohl in ihrer Höhe als auch in ihrer Art verschoben. Das ist normal. In der ersten Phase der 90er-Jahre standen die Privatisierung und der Aufbau gänzlich neuer Unternehmen im Mittelpunkt. Das hat sich Mitte der 90er-Jahre in eine zweite Phase verschoben. Die wirtschaftliche Festigung bestehender Unternehmen, Kapazitätsausbau und die Investitionen mit dem Ziel, produktivitätssteigernde Effekte zu erzielen, standen in dieser Phase im Vordergrund.

Unbenommen dieses Schwerpunktes, der sich im Investitionsgeschehen des Landes herausgebildet hat und nachweisbar ist, gab es immer mal wieder Neuansiedlungen. Dennoch ist eine deutlich Trendverschiebung im Investitionsgeschehen zu erkennen gewesen. Auch eine Schwerpunktverlagerung auf kleine und mittelständische Unternehmen, die Sie, Herr Gürth, immer wieder gefordert haben, ohne dabei die Großinvestitionen zu vernachlässigen, ist anhand der Zahlen erkennbar. Wenn man den Zeitraum von 1996 bis 2000 betrachtet, dann sieht man, dass sich der Anteil der geförderten kleinen und mittelständischen Unternehmen von 21 auf 63 % und das Zuschussvolumen von 28 auf 72 % verändert.

Das Gutachten bestätigt gleichermaßen einen positiven Ausstrahlungseffekt der Großinvestitionen, wie zum Beispiel in der Chemie, auf die produktionsnahen Dienst

leistungen mit hohen Beschäftigungseffekten und auf die Ansiedlung von Weiterverarbeitern.

Eine Veränderung in den Landesrichtlinien zur Gemeinschaftsaufgabe - darum geht es; das haben Sie in Ihrer Pressemitteilung angekündigt - kann, wie zum Beispiel die Aufnahme der lohnkostenbezogenen Zuschüsse unter unserer, also unter der alten Landesregierung zeigt, durchaus positive Ergebnisse hervorbringen, so zum Beispiel die positiven Beschäftigungseffekte, die nachweisbar sind, wenn man es richtig macht und die Analysen in den Richtlinien umsetzt.

Das Gutachten zeigt auch Bereiche auf, auf denen in den kommenden Jahren unser besonderes Augenmerk liegen muss, nämlich auf Investitionen in hochwertige Techniken und auf Investitionen in Unternehmen mit hoher internationaler Handelsintensität. Es verweist auf die Notwendigkeit einer weiteren räumlichen Konzentration von Investitionen, allerdings nicht nach dem Prinzip, wie nach Ihrer Definition, zunächst Mitteldeutschland und dann eine Weile nichts zu fördern, oder dem Rezept vom IWH, nur Halle und Magdeburg zu fördern; vielmehr verweist es auf regionale Entwicklungspole, die gestärkt werden müssen. Hierin sind durchaus mehr als nur zwei sichtbar. Das ist aus meiner Sicht ein sehr vernünftiger Ansatz.