Protocol of the Session on July 4, 2003

Wir bitten als Sozialdemokraten um die Zustimmung zu dem gemeinsamen Änderungsantrag. Wir werden uns sicher auch in Zukunft mit diesem Thema noch weiter beschäftigen. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung von Herrn Dr. Püchel, SPD, und von Herrn Stahlknecht, CDU)

Vielen Dank, Herr Tögel. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Viele Formulierungen hätten sicherlich noch klarer in den Entwurf eingearbeitet werden können. Es sind noch viele Vagheiten zu verzeichnen.

Eines, meine Damen und Herren, macht mir schon ein bisschen Sorge, nämlich dass sowohl die Schlussfolgerungen der Regierungskonferenz von Thessaloniki als auch der Bericht des Konventspräsidenten davon ausgehen, dass die jetzt kommenden Arbeiten an Teil III

und Teil IV reine technische Anpassungen sein sollen, wo diese doch einen Großteil der Artikel ausmachen und gerade die Zuweisung der Fachpolitiken von entscheidender Bedeutung auch für ein bürgernahes Europa ist.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich hinsichtlich der Formulierung auch sagen, wenn man genauer liest, wird eines deutlich: Es scheint sich eine Art Abkehr vom Europa der Bürger abzuzeichnen; denn plötzlich ist vielfach von den Bürgern und den Staaten Europas die Rede. Man hat also die Nationalstaaten durchaus wieder aufgenommen.

Ich glaube, wir sollten bei unserer Auffassung bleiben, dass es ein Europa der Bürger, ein Europa der Regionen sein soll, das wir zukünftig weiter entwickeln. Die Einflussmöglichkeiten der Nationalstaaten sollten nur noch auf wenige Teile beschränkt werden.

Meine Damen und Herren! Zwei Sachen würde ich gerne ansprechen, die in dem Antrag nicht so deutlich herausgearbeitet worden sind. Das ist zum einen die Frage der Kommission. Sicherlich ist es begrüßenswert, dass die Kommission ab dem Jahr 2009 nur noch 15 Kommissare hat, 15 stimmberechtigte Kommissare. Aber die zehn Kommissare, die noch ohne Stimmrecht an den Beratungen teilnehmen, die auch einen Apparat an Mitarbeitern bekommen, dürfen wir bei der ganzen Sache nicht vergessen. Ich hätte mir gewünscht, wir wären konsequenter gewesen; es wäre ein konsequenteres Ergebnis gewesen, wenn wir bei 15 geblieben wären und nicht über die Hintertür doch wieder die 25 hereingeholt hätten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass es uns am Ende gelungen ist, einen gemeinsamen Änderungsantrag zu fassen, dass wir hier eine Basis gefunden haben, in die die Anliegen aller Fraktionen eingearbeitet werden konnten, sodass wir heute im Landtag über einen Antrag abstimmen können, der eine erste Bewertung darstellen wird. Diesem Antrag, meine Damen und Herren, wird die Fraktion der FDP zustimmen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Worte zum Änderungsantrag einiger Abgeordneter sagen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Einiger vieler!)

Meine Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion wird in dieser Frage selbstverständlich die Abstimmung freigeben. Aber lassen Sie mich einige Bemerkungen durchaus machen, nämlich zu der Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, auf europäischer Ebene, in einen europäischen Verfassungsvertrag einen ausdrücklichen Gottesbezug aufzunehmen.

(Zustimmung von Frau Mittendorf, SPD)

Meine Damen und Herren! Dies ist keine Entscheidung für oder gegen den Glauben. Dies ist keine Entscheidung für oder gegen die Kirchen.

(Zustimmung bei der PDS)

Es ist aber eine Entscheidung, meine Damen und Herren, die die gemeinsame europäische Basis der Völker, der Bürgerinnen und Bürger in Europa beieinträchtigen kann. Denn auf europäischer Ebene ist es anders als im Grundgesetz und in der Landesverfassung. Auf europäischer Ebene ist - das muss man ganz deutlich machen - der Bezug zum Christentum nicht so stark vorhanden. Deshalb wäre es schade, wenn man es über eine solche

Aufnahme vielen nicht möglich machen würde, einer solchen Verfassung die 100-prozentige Unterstützung zu geben.

(Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD)

Ich bitte Sie daher, für Europa darüber nachzudenken, ob eine ausdrückliche Aufnahme des Gottesbezugs wirklich notwendig ist oder ob es nicht ausreichend ist, diesen Gottesbezug in den Nationalverfassungen bzw. in den Landesverfassungen beizubehalten. Dann kann jeder sich auf diese berufen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Meine Damen und Herren! Für die PDS-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Dr. Klein das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie jemandem erklären müssten, was ein Kompromiss ist, dann brauchten Sie nicht in die Geschichte zurückzugehen, Sie brauchten nicht einmal den Entwurf der europäischen Verfassung zu nehmen, Sie könnten den heute im Schnellzugtempo gestrickten Kompromissantrag nehmen, der Ihnen jetzt vorliegt.

Sicher wären wir zu solch einem Kompromiss auch gekommen, wenn wir uns die Zeit genommen hätten, das ganze Bündel Anträge in den Ausschuss zu überweisen und dort in aller Ruhe zu diskutieren. Wir hätten ein bisschen Zeit gehabt, das ganze Papier zu lesen. Es sind immerhin 250 Seiten, die vor 14 Tagen vorgelegt wurden. Ich teile auch die Befürchtung von Herrn Kosmehl, dass die so genannten Detailänderungen, die in Teil III und Teil IV noch vorgenommen werden sollen, es in sich haben werden; denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Eine Überweisung ist aber nicht gewollt, nun gut.

Einige Punkte in dem Verfassungsentwurf und einige Wertungen in dem interfraktionellen Änderungsantrag, der uns heute zur Abstimmung vorliegt, betrachten wir nicht mit freudigem Herzen. Wie gesagt, es ist ein Kompromiss. Ich möchte deshalb in der gebotenen Kürze auf einige wenige Details eingehen, die uns wichtig sind und die Sie anders sehen.

(Zuruf von der CDU: Ach nein! - Herr Tullner, CDU: Das kennen wir doch schon!)

Wir sehen zum Beispiel in Artikel 3 des Teils I in Bezug auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik einen Paradigmenwechsel. Während Sie von einer Generalklausel zur Öffnung sprechen, begrüßen wir, dass es gelungen ist, die bisherige Vertragsdefinition der EU als offene Marktwirtschaft im freien Wettbewerb herauszunehmen und stattdessen eine zukunftsfähige Formulierung zu finden, nach der die Union ein Europa der nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft anstrebt mit dem Ziel der Vollbeschäftigung und des sozialen Fortschritts.

Unterschiedliche Auffassungen haben wir auch in den Fragen Zuwanderung und Asyl. Es kommt hierbei auf den Standpunkt an, von dem aus man urteilt: Hat nun die EU Nachholebedarf oder hat die Bundesrepublik

Nachholebedarf? - Die Debatte gestern hat die unterschiedlichen Standpunkte sehr deutlich gemacht. Wir befürworten eine stärkere Koordination gerade in diesen Fragen; denn andere Länder Europas bekennen sich klar dazu, dass sie Einwanderungsland sind.

Auch über den Grad der Fortschritte im Bereich der europäischen Außenpolitik dürften wir verschiedener Meinung sein. Aus unserer Sicht liegen Fortschritte und prinzipiell falsche Weichenstellungen direkt nebeneinander. Unterstützenswert sind diejenigen Bestimmungen, die auf die tatsächliche Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik gerichtet sind. Dazu gehört aus unserer Sicht auch die Schaffung des Amtes eines europäischen Außenministers. Er muss ja nicht unbedingt Fischer heißen.

(Beifall bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Das ist wohl wahr!)

- Das habe ich nicht unbedingt politisch, sondern eher persönlich gemeint.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Die mit am heftigsten umstrittene Frage des Übergangs zu Mehrheitsentscheidungen wird sicherlich in den Beratungen über Teil III weiter erörtert werden.

Akzeptabel ist auch die Fixierung der Inhalte der Außen- und Sicherheitspolitik durch die Zielbestimmung in Artikel I-3. Die Pflicht zur globalen Friedensförderung ist ausdrücklich festgehalten und ebenso die Verpflichtung zur strikten Einhaltung des Völkerrechts und insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Uno.

Gleichzeitig aber - das sehen wir sehr kritisch - wird die Verantwortung Europas zur Konfliktprävention und zur friedlichen Streitbeilegung durch eine neue Sicherheitsstrategie zugunsten von Militäreinsätzen verschoben. Da können wir nur bedingt mitgehen.

Zum Änderungsantrag der CDU zum Gottesbezug: Ich möchte dazu sagen, dass es auch in der PDS Christen gibt - wenngleich nicht unbedingt in unserer Landtagsfraktion -, die durchaus eine sehr enge Beziehung zur Kirche und zu Gott haben. Die jetzt gefundene Formulierung zur Stellung der Kirchen und der religiösen Vereinigungen und Gemeinschaften sowie der in der Präambel der Grundrechtecharta vorgenommene Bezug auf das geistig-religiöse und sittliche Erbe - wohlgemerkt in der deutschen Fassung; in der französischen Fassung finden Sie nicht einmal das Wort religiös; dort wird nur auf das geistige Erbe Bezug genommen - stellt einen Kompromiss dar.

(Unruhe bei der CDU)

Auf diesen Kompromiss haben sich die Mitglieder des Konvents aus 25 Staaten geeinigt. Auch wir sind nicht der Meinung, dass ein direkter Gottesbezug aufgenommen werden sollte; denn es wäre nicht nur eine Ausgrenzung von Humanisten und säkular eingestellten Menschen, sondern es wäre auch der Versuch einer Abgrenzung nach dem Motto: Wir sind schließlich Europäer und verteidigen das christliche Abendland. Dann brauchen wir auch nicht darüber nachzudenken, ob die Türkei in absehbarer Zeit Mitglied der EU werden sollte. Das wäre dann ein ziemlich eindeutiges Nein.

(Unruhe bei der CDU)

Die vom Präsidenten des Konvents Giscard d'Estaing getroffene Aussage, dass wir in Europa in einem weltlichen politischen System leben, teilen wir.

In Artikel 10 der Grundrechtecharta wird die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit für alle Menschen in Europa garantiert. Das ist aus unserer Sicht entscheidend. Das haben wir auch in den Gesprächen mit den Vertretern der katholischen Kirche deutlich gemacht.

Da wir uns grundsätzlich zu der Notwendigkeit bekennen, sich zum europäischen Verfassungsentwurf zu erklären, haben wir uns für den gemeinsamen Änderungsantrag entschieden und werden diesem zustimmen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Nun erhält für die CDUFraktion noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. Sobetzko das Wort. - Er verzichtet.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Damit können wir in den Abstimmungsprozess eintreten. Zunächst stimmen wir über den interfraktionellen Änderungsantrag in Drs. 4/904 ab. Wer diesem interfraktionellen Änderungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Damit ist diesem interfraktionellen Änderungsantrag einstimmig zugestimmt worden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Nun stimmen wir über den Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter, den Gottesbezug betreffend, in Drs. 4/900 ab. Dieser ist als Ergänzung zu dem interfraktionellen Änderungsantrag gedacht. Wer diesem Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich möchte das auszählen lassen. - Wer stimmt dagegen? - Das wird ebenfalls gezählt. - Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Ich darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben: Dafür gestimmt haben 31 Abgeordnete, dagegen gestimmt haben 34 Abgeordnete. Damit ist diesem Änderungsantrag nicht zugestimmt worden.

(Unruhe bei der CDU)

Wir stimmen nunmehr über den Antrag in Drs. 4/869 in der durch den interfraktionellen Änderungsantrag geänderten Fassung ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine Gegenstimme. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Damit ist diesem Antrag in der Fassung des interfraktionellen Änderungsantrages zugestimmt worden.