Hinsichtlich der Summe - das ist natürlich dramatisch - diskutiert man jetzt nicht mehr über 1,4 Milliarden DM, sondern über etwa 2,2 Milliarden €. Das Bundesfinanzministerium legt diesen Betrag als zusätzliche Subvention für die Landwirtschaft zugrunde, stellt ihn in Rechnung, und im Gegenzug, wie es die Ministerin schon gesagt hat, wird der Agrarhaushalt gekürzt, im Bereich der Gasölbeihilfe und im Bereich der Sozialversicherung.
Nach der Zahlung eines gewissen Ablösebetrages will das Bundesagrarministerium die Restschuld erlassen. Was mir und vor allem der FDP-Fraktion dabei nicht passt: Da sollen Betriebe, denen es gut geht, praktisch ihre gesamten Schulden begleichen, während Betriebe, denen es schlecht geht, eher einen symbolischen Betrag zahlen sollen. Ich will mich vorsichtig zurückhalten: Ich nenne das kontraproduktiv. So macht man die Leistungsbereitschaft der gut wirtschaftenden Betriebe auf der Basis von Wissen und Können und unendlich viel Fleiß zunichte, kaputt. Das ist nicht in Ordnung.
Ich verweise auf den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP und bitte um eine detaillierte und faire Auseinandersetzung im Ausschuss über die Sachlage. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Hauser. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Hajek das Wort. Bitte sehr, Frau Hajek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat am 2. Juli 2003, also vorgestern, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Regelungen über Altschulden in landwirtschaftlichen Unternehmen beschlossen. Wir begrüßen natürlich diese Initiative außerordentlich, da die Rechtsnachfolger der ehemaligen LPG zurzeit noch mit Altschulden von rund 2,5 Milliarden € belastet sind.
Nach der Wiedervereinigung wurden den Nachfolgeunternehmen im Rahmen der Umstrukturierung vergünstigte Kreditbedingungen eingeräumt, wie die steuerliche Abzugsfähigkeit der Bedienung von Altschulden, der Verzicht auf Zinsesverzinsung, die Herausnahme der Altschulden aus der Bilanz und die Rangrücktrittsvereinbarung.
Das hat dazu geführt, dass nach einer weitgehend erfolgten Sanierung der Unternehmen kaum Rückzahlungen erfolgten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 8. April 1997 eine Veränderung der Altschuldenregelung für die LPG-Nachfolgeunternehmen angeregt. Im Ergebnis wurde eine Studie zur Beurteilung der Altschulden an die FAL in Braunschweig und an die Humboldt-Universität in Berlin in Auftrag gegeben.
In dieser Wirkungsstudie wurde festgestellt, dass nur ca. 5 % der Betriebe in der Lage sind, ihre Altschulden in den nächsten zehn Jahren zurückzuzahlen, sich die Höhe der Altschulden auch immer wieder erhöhen wird, trotz eines Verzichts auf den Zinseszins, und die Unternehmen durch die bestehende Regelung einen ungenügenden Anreiz zur Tilgung ihrer Verbindlichkeit haben, ja eigentlich sogar zur Gewinnvermeidung neigen.
Ausgehend von dieser Vorgeschichte hat das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit den Landwirtschaftsministerien den heute zur Debatte stehenden Gesetzentwurf erarbeitet. Das Ziel des Gesetzentwurfs ist die beschleunigte Ablösung der Altschulden durch die LPGNachfolgeunternehmen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dabei sollen die bestehenden Regelungen zur Bedienung der Altschulden angepasst und ein einheitliches Ablöseverfahren festgelegt werden. Die Anpassung der Rückzahlungsbedingungen besteht in einer Erhöhung des Abführungssatzes von 20 % auf 65 % der Bemessungsgrundlage.
Zugleich eröffnet der Gesetzentwurf den landwirtschaftlichen Unternehmen die Möglichkeit, durch einen individuellen Ablösebetrag entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Altschulden abzulösen. Die Bundesregierung wird parallel zu den parlamentarischen Beratungen die notwendigen Einzelheiten zur Durchführung des Ablöseverfahrens erarbeiten.
Nun zu den Anträgen. Der Antrag der PDS-Fraktion beinhaltet letztlich, den Gesetzentwurf auf Eis zu legen. Es gibt ohne Zweifel einen Interessenkonflikt zwischen den betreffenden Agrarunternehmen und den zu erwartenden Einnahmen im Bundeshaushalt. Eine alle Seiten zufrieden stellende Lösung wird es mit Sicherheit nicht geben. Das ist auch nicht zu erwarten.
Die Frage ist letztlich, welche Regelungen gegenüber den Agrarunternehmen angemessen sind. Dazu haben wir uns in der Vergangenheit bereits eindeutig positioniert. Maßgeblich für die zu veranschlagende Höhe der Altschulden müssen die aus den Altschulden resultierenden verwertbaren Vermögensgegenstände sein. Insofern ist es auch sinnvoll, wenn diese im Rahmen der vorzeitigen Ablösung noch einmal erhoben werden. Wir hoffen, dass dieser Aspekt im Rahmen der parlamentarischen Beratung - dort geht der Gesetzentwurf zuerst hin - Eingang finden wird.
Wichtig dürfte auch der im Gesetzentwurf angekündigte Risikoabschlag sein; denn durch ihn könnte verhindert werden, dass Unternehmen durch zu hohe Verbindlichkeiten aufgrund des Ablösebetrages in Existenzschwierigkeiten geraten.
Ganz anders sieht es die CDU-Fraktion in ihrem Alternativantrag. Offensichtlich wird die Grundintention der Neuregelung der LPG-Altschulden nicht verstanden oder den mit Altschulden belasteten Agrargenossenschaften wird bewusst der Garaus gemacht.
Die Neuregelung erfolgt nicht, um den LPG-Nachfolgeunternehmen einen Gefallen zu tun. Sie sind schlichtweg überwiegend nicht dazu in der Lage, die Schulden abzutragen. Mir zeigt der Antrag, dass die CDU-Fraktion die Forderungen des Landvolkverbands nur einseitig übernimmt.
Da beide Anträge letztlich so konträr sind, denke ich, dass unser Änderungsantrag ein Kompromiss ist; denn hierin sind die Auffassungen der angehörten Agrarressorts mit verwertet worden, also auch die Meinung von Frau Wernicke, die im Großen und Ganzen sagte, der Gesetzentwurf sei bis auf ein paar Korrekturwünsche gut. Das ist üblich in der parlamentarischen Debatte.
Die Anhörung am 20. Mai dieses Jahres hat das bewiesen. Ich habe das noch einmal im Protokoll nachgelesen. Darin begrüßten die Agrarressorts der neuen Länder die Absicht der Bundesregierung - so heißt es wörtlich -, mit dem Gesetzentwurf eine abschließende Regelung für die landwirtschaftlichen Altschulden zu schaffen.
In diesem Sinne gibt es noch eine große Anzahl von Fragen. Es ist wichtig, im Ausschuss darüber zu diskutieren. Sollte der PDS-Antrag keine Mehrheit finden, wäre unser Änderungsantrag ebenfalls hinfällig. Dennoch, so denke ich, sollte er als ein Alternativantrag betrachtet werden und im Ausschuss Gehör finden. In diesem Sinne werbe ich dafür. - Danke.
Vielen Dank Frau Hajek. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Daldrup das Wort. Bitte sehr, Herr Daldrup.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS-Fraktion ist in gewisser Weise überholt, weil die Bundesregierung, das Bundeskabinett, am 2. Juli dieses Jahres einen Gesetzentwurf beraten und verabschiedet hat, in dem gewisse Teile
- ja, Entwurf, das habe ich gesagt - ihrer Forderungen Berücksichtigung gefunden haben, insbesondere das, was aus den Anhörungen hervorgegangen ist. Die Stellungnahme der Bundesländer solle darin ebenfalls berücksichtigt worden sein. Wir kennen den Gesetzentwurf im Detail noch nicht.
Um zu verstehen, warum es in diesem Bereich eigentlich Handlungsbedarf gibt, muss man etwas ausholen. Insofern sind Ihre Ausführungen etwas nebulös geblieben.
Im Jahr 1990 bestanden etwa 3,9 Milliarden € Altschulden in den Unternehmen. Weshalb die zu DDR-Zeiten entstanden sind - teilweise aus Aufgaben und Kreditzuweisungen -, weiß ich nicht so genau. Sie sind jedenfalls aus Aufgaben entstanden, die nicht direkt mit der landwirtschaftlichen Produktion, sondern mit gesellschaftlichen Verpflichtungen zusammenhingen. Das ist unstrittig.
Aber es ist nicht so, dass nichts passiert wäre. Im Einigungsvertrag steht, dass die Treuhand Schulden in Höhe von etwa 0,7 Milliarden € - Sie haben es gesagt - übernommen hat. Aufgrund der bilanziellen Entlastung durch die Rangrücktrittsvereinbarung sind noch einmal ca. 2 Milliarden € für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Betriebe zur Verfügung gestellt worden. Insofern hat die Ministerin Recht, dass durch die Rangrücktrittsvereinbarungen die Existenz der Betriebe überhaupt erst ermöglicht wurde; denn sonst wäre für die Masse der Unternehmen wahrscheinlich schon 1990/91 die Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eingetreten. Das ist ganz klar.
Die Regelungen, die für die Zurückzahlungen getroffen worden sind, waren für die Unternehmen eigentlich äußerst günstig. Dabei sollte man einmal berücksichtigen, dass man aus dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss 20 % hätte abführen müssen. Bei Jahresabschlussverlusten wurde keine Rückzahlung, keine Bedienung fällig. Des Weiteren konnten Zins und Tilgung steuerlich abgesetzt werden. Die Zinsen waren moderat, nicht handelsüblich. Sie wurden, wie Sie gesagt haben, nicht zu den bei Banken üblichen Zinssätzen abgewickelt. Wenn man diese Bedingungen betrachtet, war es ein vernünftiges Angebot des Staates, die alten Kredite über 13 Jahre hinweg abzubauen.
Leider haben das viele Unternehmen - aus welchen Gründen auch immer - nicht getan. Wenn die Studien belegen, dass es einen subventionserheblichen Tatbestand bzw. eine Überkompensation gegeben hat, dann wird deutlich, warum die Unternehmen das nicht getan haben. Sicherlich ist es für die Unternehmen aus der jeweiligen Liquiditätssicht und der betriebseigenen Strategie viel lukrativer gewesen, die Altschulden auflaufen zu lassen und nicht zu bedienen.
Aber mittlerweile beläuft sich der Gesamtbetrag der Altschulden auf ca. 2,2 Milliarden €. 40 % davon sind Zinsen. Ein Staat oder die Gesellschaft kann doch nicht einfach zusehen, wie der Berg an Schulden immer weiter aufwächst, ohne dass getilgt wird und ohne dass absehbar ist, dass getilgt wird. Die Studie hat auch gezeigt, dass wahrscheinlich nur 5 % der Unternehmen in der Lage sind, die Altschulden in den nächsten zehn Jahren abzubauen. Es ist also völlig unstrittig, dass Handlungsbedarf besteht.
Was bedeutet das für das neue Verfahren? - Eigentlich heißt es, dass die Bemessungsgrundlage verändert wird.
Bemessungsgrundlage ist nicht mehr der handelsrechtliche Jahresüberschuss, sondern der steuerliche Gewinn. Ob das grundsätzlich ein Nachteil sein muss, weiß ich nicht. Das müssen wir abwarten.
Es ist allerdings richtig, dass die Abführungsrate von 20 % auf 65 % erhöht wird. Das ist notwendig, um einen Anreiz zu schaffen, überhaupt Schulden abzutragen, damit man beginnen kann, die Gesamtschuldenlast zurückzuführen. Man kann die Altschulden auf Antrag auch durch Einmalzahlungen ablösen und bekommt dadurch sozusagen einen Sonderrabatt, nämlich einen Teil der Schulden erlassen.
An dieser Stelle hat Herr Hauser völlig Recht. Auch ich habe damit ein Problem, dass wirtschaftlich gute Betriebe 100 % ihrer Schulden zurückzahlen müssen, während die Unternehmen, die in 13 Jahren die erforderliche Leistungsfähigkeit offensichtlich nicht erreicht haben, obwohl sie in der Regel über eine gute Struktur verfügen, von der Flächenauslastung und vom Viehbesatz her durchaus konkurrenzfähig sind und eigentlich gut wirtschaften müssten und könnten, eine höhere Subvention, eine höhere Entschuldung bekommen. Vor dem Hintergrund, dass sie es mittlerweile geschafft haben müssten, ihre Schulden zu reduzieren, ist das nicht einzusehen.
Nach dem neuen Gesetz könnte es durchaus möglich sein, dass fast 100 % der Altschulden nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit getilgt oder erlassen werden. Damit habe ich durchaus ein Problem, zumal ein Teil der Altkredite unter Umständen durch die Werthaltigkeit von Wirtschaftgütern abgedeckt ist. Das müsste zumindest ein Sockelbetrag sein.
- Ich komme zum Ende. - Wir wollen, dass die Altschulden in einer angemessenen Zeit abgetragen werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass für die seit 1990 mit Altschulden belasteten Unternehmen eine einigermaßen gleichmäßige Behandlung gewährleistet wird. Das hat auch Herr Hauser gesagt. Es gibt Betriebe, die haben getilgt. Andere haben das nicht getan. Insofern muss Gerechtigkeit und Gleichheit geschaffen werden.
Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der PDS-Fraktion und den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abzulehnen und dem Alternativantrag der CDU-Fraktion zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich außerordentlich - auch bei meinem Kollegen -, dass ich als einziger Betroffener in die
Ich bedanke mich außerordentlich bei dem Kollegen Hauser. Anhand seiner Ausführungen konnte ich feststellen, dass er sich in das Thema tief eingelesen und sich intensiv damit befasst hat.
Herr Kollege Daldrup, Sie hätte ich im Jahre 1990 erleben wollen, wenn Ihre Flächen, die Sie bekommen haben, so mit Altschulden belastet gewesen wären, wie wir sie übernehmen mussten.
Ich habe als Vorstandsvorsitzender mit 1 147 ha angefangen. Jetzt ist die Genossenschaft nur noch 850 ha groß. Ich habe aber immer noch 100 % der Altschulden. Das empfinde ich als ungerecht.
Ich gebe der Frau Ministerin selbstverständlich Recht: Unsere Unternehmen würde heute nicht mehr existieren, hätte es diese Möglichkeit nicht gegeben. Aber im Kreise der Berufskollegen sind wir einig: Hätten wir beim Abschluss der Rangrücktrittsvereinbarung gewusst, was die Bundesregierung jetzt einseitig vorhat, dann hätten wir die Rangrücktrittsvereinbarungen nicht abgeschlossen. Wir hätten eine Vielzahl der Betriebe „gegen die Wand fahren“ lassen. Dann hätte nämlich die Bundesrepublik Deutschland mit den so genannten Altschulden dagestanden.