Für eine 1:1-Umsetzung von EU-Recht in bundesdeutsches Recht - - Um mehr geht es eigentlich nicht; denn auf EU-Ebene wackelt alles. Das heißt, die strengen Beschränkungen bei Freilandversuchen, bei dem In-Verkehr-Bringen und bei der Genehmigung von transgenen Organismen kippen. Erst vorgestern wurde die Kennzeichnungspflicht eingeführt. Das heißt, zum Jahresende wird, wenn sie kommt, das Zulassungsverbot für transgene Organismen aufgehoben.
Im Anbauprogramm - das ist der Schwerpunkt dieses Antrages - geht es um Folgendes: Die Pflanze muss vom Labor über das Gewächshaus ins Freiland. Bevor der kommerzielle Anbau beginnen kann, gibt es erst Freilandversuche, Freisetzungsversuche - das funktioniert; das wird über das Robert-Koch-Institut genehmigt. Bevor man aber vom Freisetzungsversuch in den kommerziellen Anbau kommt, braucht man ein Versuchsprogramm auf größeren Flächen, um Erfahrungen zu sammeln, versehen mit einer Begleitforschung.
Nichts anderes sieht das beantragte Anbauprogramm auf größeren Flächen vor. Ein solches Anbauprogramm war vor zwei Jahren von der Bundesregierung geplant, stand kurz vor der Eröffnung, ist aber aufgrund der BSEKrise erst einmal zurückgestellt worden. Wir würden ein tolles Signal an Wirtschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft senden, wenn wir bei uns im Lande ein solches Anbauprogramm für genehmigte transgene Pflanzen initiieren würden.
Im vierten Absatz - darauf möchte ich nicht weiter eingehen - geht es um das Thema rote Biotechnologie. Insbesondere bei der Neuzulassung und der Nachzulassung von Pharmawirkstoffen gibt es enorme Schwierigkeiten, die kleine und mittelständische Unternehmen in unserem Land vor Probleme stellen. Wir bitten die Landesregierung, diesbezüglich entsprechend aktiv zu werden.
Meine Damen und Herren! Abschließend noch einmal der Vorschlag, diesen Antrag und auch den Änderungsantrag in die Ausschüsse zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Ernährung, Landschaft und Forsten, für Umwelt, für Bundes- und Europaangelegenheiten, für Kultur und Medien sowie für Bildung und Wissenschaft
Vielen Dank, Herr Schrader. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Rehberger um das Wort gebeten. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen des Kollegen Dr. Schrader uneingeschränkt anschließen und möchte das, was er ausgeführt, nicht wiederholen.
Dass die Biotechnologie weltweit eine überragende Bedeutung hat oder bekommen wird, ist unstrittig. Die OECD schätzt ein, dass die Biotechnologie eine ähnliche Bedeutung erlangen wird wie heute die Informationstechnik. Davon werden neben dem Pharmabereich und der Medizin vor allem die Landwirtschaft und der Umweltsektor profitieren. Aber auch in Branchen wie der Materialforschung oder der Energie- und Informationstechnik werden biotechnologische Methoden gravierende wirtschaftliche Entwicklungen auslösen.
Auch die EU-Kommission weist in ihrem im Januar 2002 vorgelegten Strategiepapier und Aktionsplan auf die positive Rolle der Biowissenschaften und der Biotechnologie für die wirtschaftliche Entwicklung Europas hin.
Dass Sachsen-Anhalt innerhalb Europas und insbesondere der Bundesrepublik optimale Voraussetzungen für eine gute Entwicklung der Biotechnologie bietet, ist unstrittig, wobei ich persönlich dem, was Herr Dr. Schrader vorgetragen hat, hinzufügen will, dass die Akzeptanz durch die Bevölkerung in unserem Lande auch ein Standortvorteil ist. Es hat in bestimmten Teilen der Bun
- Herr Kollege Hauser, es war aber keine Spitze gegen Sie. Wir freuen uns, dass es vernünftige Bayern gibt. Sie gehören zweifellos dazu.
Meine Damen und Herren! Die Biotechnologieoffensive der Landesregierung umfasst eine Vielzahl von Einzelaktionen. Es ist unheimlich wichtig, dass der rechtliche Rahmen, der gerade in diesen Tagen durch das Europäische Parlament festgelegt worden ist, jetzt auch in der Bundesrepublik entsprechend geschaffen wird. Die beiden Verordnungen über die Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln, die das Parlament beschlossen hat, müssen unverzüglich in nationales Recht überführt werden. Das Land Sachsen-Anhalt hat, wie Sie wissen, bereits einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht.
Neben den vielen Einzelpunkten, die zu der Biotechnologieoffensive gehören und die ich nicht im Einzelnen aufführen will, wird sicherlich ein Anbauprogramm, wie es der Antrag vorschlägt, für bereits genehmigte gentechnisch veränderte Pflanzen ein wichtiger Beitrag sein. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass auch über das Parlament ein solches Thema angesprochen wird.
Auch die Vorschläge der PDS, nämlich eine adäquate Begleitforschung in jedem Fall sicherzustellen - eigentlich gehört ein solche nach meinem Verständnis ohnehin dazu; aber das kann man sehr deutlich noch einmal sagen - und eine Öffentlichkeitsoffensive als weiteres Element einer solchen Biotechnologieoffensive, sind Punkte, die ich sehr gern aufgreife; denn natürlich ist die Biotechnologie nicht unumstritten. Es gibt in der polemischen Diskussion über dieses Thema Schlagworte wie „Genverseuchung“ und Ähnliches mehr. Ich glaube, dass insofern eine Information und eine gute Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung sind, wenn wir die Bevölkerung weiterhin auf unsere Seite haben wollen.
Von den Ausschussberatungen erhoffe ich mir, dass alle Fraktionen dieses Hauses zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen werden. Ein einmütiges Bekenntnis des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Biotechnologie wäre ein erster hilfreicher Beitrag zur Öffentlichkeitsoffensive, die von der PDS angeregt wird. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind gerade einmal 50 Jahre vergangen seit dem Erscheinen der bahnbrechenden Arbeit über die universelle Struktur der DNA von Watson und Crick. Mittlerweile gehört es zur Laborroutine, funktionstüchtige Gene selbst über Artgrenzen hinweg in ein anderes Genom zu übertragen.
Mit dem grundsätzlich möglich gewordenen Zugriff auch auf das menschliche Erbgut erhält die auf der Menschheit lastende Verantwortung für ihre eigene Fortexistenz eine völlig neue Qualität. Wer von den Chancen der Biotechnologie spricht, darf seine Augen nicht vor den Risiken verschließen. Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich hinzufügen: Jegliche Wissenschaft und Technikanwendung ist ohne bewusste Risikoentscheidung heute nicht mehr denkbar.
Die mit Fragen der Risikobewertung und -verteilung, Kosten-Nutzen- und Wahrscheinlichkeitsrechnungen befasste Technikfolgenabschätzung sieht sich im Fall der Gentechnik bis jetzt noch nicht in der Lage, die Grenzen der verantwortbaren Risiken, insbesondere für die zukünftigen Generationen, näher zu bestimmen.
Der Zynismus in dem Vorwurf von US-Präsident Bush, das Anbaumoratorium für genveränderte Kulturpflanzen in Europa würde den Hunger in Afrika verschärfen, zeigt, wo die eigentlichen Risiken der Gentechnik liegen. Es sind weniger die Gefahren, die von einem sich eventuell der menschlichen Kontrolle entziehenden gentechnisch veränderten Organismus ausgehen, als vielmehr die immer größer werdende Abhängigkeit von einer Hand voll immer mächtiger werdender Konzerne.
Hinter den Äußerungen des Präsidenten der USA stehen milliardenschwere Interessen der großen Gentech- und Food-Konzerne, denen der Zugang zum europäischen Markt durch das Anbaumoratorium seit Jahren verwehrt ist. Sie geraten zunehmend unter Druck, weil außer bei transgener Baumwolle die versprochenen Ertragszuwächse nicht erreicht wurden.
Neben den Forschungseinrichtungen des Landes sind seit 1996 mit Aventis und Monsanto übrigens zwei aus dem Kreis dieser Giganten mit Freisetzungsversuchen in Sachsen-Anhalt präsent. Dabei ging es bisher ausschließlich um die Toleranz der Kulturart gegenüber Totalherbiziden.
Die Auseinandersetzungen um die Kennzeichnungspflicht und die Klage der USA vor der WTO, um dieser nicht nachkommen zu müssen, sowie die Skandale um BSE, Dioxinverseuchung, Hormonfleisch und -futtermittel haben zu einer großen Vertrauenslücke beim Verbraucher geführt. 70 % der Deutschen stehen deshalb einer aktuellen Umfrage zufolge gentechnisch veränderten Nahrungsbestandteilen skeptisch gegenüber.
Angesichts des Überflusses des Nahrungsmittelangebots in den Industrieländern, dem Gerede von Butter- und Fleischbergen, stillgelegten Äckern bei gleichzeitiger Alimentierung der landwirtschaftlichen Urproduktion ist es für den Verbraucher nicht plausibel, worin für ihn der Nutzen gentechnisch erzeugter insektizid- oder herbizidresistenter Kulturpflanzen bestehen soll.
Der massenhafte Einsatz genmanipulierter Kulturpflanzen ist vor allen Dingen der Schlüssel für die Globalisierung im Bereich der Agrarproduktion. Es droht eine Monopolisierung auf dem Saatgutmarkt durch wenige Chemie- und Saatgutkonzerne und eine weltweite völlige Abhängigkeit der Bauernschaft. Es droht die völlige Zerschlagung der für die Ernährung lebenswichtigen traditionellen subsidiären Landwirtschaft im Süden unserer Hemisphäre.
Die Sicherung von Verwertungsrechten an lebenden Organismen, zum Beispiel durch Patentierung, führt heute schon so weit, dass der einheimischen Bevölkerung dadurch der Zugriff auf die Naturressourcen vor der eigenen Haustür verwehrt wird.
Die Gentechnik ist hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und Ergebnisse außerordentlich ambivalent. Doch weder dumpfe Aversionen noch Technologiefeindlichkeit oder gar moderne Maschinenstürmerei sind geeignete Mittel, um offene Fragen zu beantworten. Sie können die Antworten eher verzögern.
Politische Entscheidungen über die Steuerung von Forschungsprozessen und die Verwertung ihrer Resultate - der vorliegende Antrag will steuernd eingreifen - müssen, wenn sie sachgemäß erfolgen sollen, auch eventuelle Risiken angemessen in Betracht ziehen. Das ist bei der Gentechnik besonders wichtig, weil Wissenschaft und Forschung einem wachsenden ökonomischen Verwertungsdruck ihrer Ergebnisse unterliegen. Sie sehen sich laufend der Gefahr ausgesetzt, die naturwissenschaftliche Forschungsethik zu ignorieren.
Es wäre aber verhängnisvoll, eine mit den Risiken der Gentechnik begründete Einschränkung der Freiheit der Forschung zu fordern. Allerdings wird diese Freiheit de facto über die Vergabe von Haushalts- und Forschungsfördermitteln kanalisiert. Mit zunehmendem Anteil der direkt aus der Wirtschaft fließenden Drittmittel werden die Freiheitsgrade entsprechend eingeengt.
Trotz zahlreicher Start-ups bestimmen auch in unseren Gefilden die großen Branchenkonzerne den Kurs. - Bei mir wird „Ende der Redezeit“ angezeigt. Vielleicht können wir uns einigen. Ich mache es nachher bei den Windkraftanlagen kurz, damit ich lieber hier - -
Eine Förderung gerade der jungen Firmen und der mittelständischen Biotech-Unternehmen, die traditionell in Sachsen-Anhalt wurzeln, findet nicht zuletzt unter diesem Aspekt die Zustimmung der PDS. Dabei übersehen wir nicht den Trend zur Kapitalkonzentration in dieser Branche.
Eine umfassende öffentliche Debatte zur Nutzung der Gentechnik findet gegenwärtig in Sachsen-Anhalt nicht statt. Die wenigen Bürgerproteste gegen Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Kulturpflanzen dürfen nicht dazu verleiten, auf Öffentlichkeit verzichten zu wollen. Die besondere Verantwortung von Politik und Wissenschaft besteht gerade bei risikoreichen Sachverhalten darin, einen Meinungsbildungsprozess in der Gesellschaft zu befördern, um das Maß jenes Risikos bestimmen zu können, das die Gesellschaft zu tragen bereit ist.
Die PDS bekennt sich zu den großen Wissenschaftstraditionen und -potenzialen der Biotechnologie in Sachsen-Anhalt. Sie werden auch keinerlei Äußerungen von
uns finden, die oberflächlich mit dem Thema Gentechnik umgehen. Vertrauend auf die Vorgespräche, sind wir natürlich erfreut, wenn beide Anträge in die Ausschüsse überwiesen werden, und freuen uns auf interessante Diskussionen nach der Sommerpause. - Recht herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag „Chancen der Biotechnologie für Sachsen-Anhalt nutzen“ greifen wir im Landtag eine Thematik auf, die enorm viele Potenziale für dieses Land bietet. Heute kann aus dem Landtag ein sehr wichtiges Signal nach draußen dringen, nach draußen in die Wirtschaft, in die Landwirtschaft, in die Wissenschaft, aber auch an die Bürger unseres Landes, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt als Parlament - anders als an anderen Orten in Deutschland - willens ist, sachlich und konstruktiv mit dem Thema Biotechnologie umzugehen, also nicht emotional, was ja nicht verboten ist, sondern vor allem sachlich und konstruktiv.