Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Budde, gestatten Sie vorab zwei eher persönliche Bemerkungen. Sie haben vorhin, als es um die Chemikalienpolitik ging, gerügt, dass die Umweltministerin und nicht der Wirtschaftsminister für die Landesregierung dazu gesprochen habe. Nun gebe ich zu: Es kann Konstellationen geben, in denen das ungewöhnlich problematisch wäre. Wenn zum Beispiel auf Bundesebene Herr Trittin anstelle des Herrn Clement zu diesem Thema sprechen müsste, dann wäre das eine Katastrophe.
Sehen Sie, das ist bei uns anders. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, der Kollegin Wernicke ein ausgesprochen herzliches Wort des Dankes dafür zu sagen, dass die Chemikalienpolitik vom Umweltministerium nicht anders gesehen wird als vom Wirtschaftsministerium.
Deswegen können wir es uns leisten, dass für die Landesregierung die Umweltministerin spricht. Wir sind uns wirklich in allen wesentlichen Punkten einig. Wie gut wäre es für die Bundesregierung, wenn das auch in Berlin gelten würde.
Noch eine zweite Bemerkung. Frau Budde, wer seit dem Jahr 1998 den Bundeskanzler und die Bundesregierung und den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stellt, der sollte sich bei der Debatte um die wirtschaftliche Situation auch im Land Sachsen-Anhalt ein bisschen zurückhaltender äußern, als Sie das getan haben.
Wenn die Landesregierung Fehler macht, dann mögen Sie diese hier vortragen. Aber ich lasse mir die Arbeitslosen des Herrn Schröder und des Herrn Clement hier nicht vor die Tür kehren, meine Damen und Herren.
Wir haben vorhin in aller Sachlichkeit, wenn auch mit Temperament, über die Finanzpolitik, über die Steuerpolitik diskutiert. Bei dieser Gelegenheit ist deutlich geworden - auch aus dem, was die Bundesregierung zu dieser Debatte neuerdings beiträgt -, dass hierzu bisher eine falsche Politik gemacht worden ist.
Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen hat der Bundeskanzler öffentlich erklärt - ich ziehe den Hut, dass er das getan hat -, dass er und die SPD die Dimension des Problems verkannt hätten. Dazu gilt in der Tat das, was in der „Wirtschaftswoche“ stand: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. - Frau Budde, darin sind wir jetzt wieder einer Meinung.
Herr Rehberger, wir wären Ihnen unendlich dankbar, wenn Sie über die Landesprobleme reden könnten. Die Bundesprobleme sind allseits bekannt, aber die Anfrage hatte das Ziel der Landesprobleme.
Sie können doch nicht immer nur Landesprobleme damit beantworten, dass Sie mit dem Finger auf den Bund zeigen. Einige Dinge gehen auf Sie selber zurück.
Aber verehrter Herr Tögel, wenn jemand denkt, das eine ließe sich sauber vom anderen trennen, dann zeigt er, dass er von Wirtschaftspolitik überhaupt keine Ahnung hat.
Wir haben bundesweit seit Jahren eine verheerende wirtschaftliche Stagnation. Wir haben bundesweit höhere Steuern und Abgaben. Wir haben bundesweit einen Pleitenrekord, wie es ihn noch nie gegeben hat; im Jahr 2002 waren es 40 000 Unternehmen, die Pleite gemacht haben, im ersten Halbjahr 2003 gibt es bundesweit einen Zuwachs von 4,6 %.
Meine Damen und Herren! Wenn die SPD in der Wirtschafts- und in der Steuerpolitik eine so dramatische Veränderung vollzieht, wie sich das jetzt andeutet, dann wird auch deutlich, dass sie damit zugibt, dass das Bisherige falsch war, das die Richtung nicht stimmte.
Nein. Sie können mir nachher Fragen stellen, so viel Sie wollen. Ich werde auch so viel Fragen wie möglich gern beantworten. - Aber verstehen Sie: Die Schieflage, die wir bundesweit haben, können Sie regional nicht kompensieren. Das ist doch sonnenklar.
Meine Damen und Herren! Wie ist der aktuelle Stand in Sachsen-Anhalt? - Dazu hat Frau Budde sehr Treffliches vorgetragen. Sie hat mit Recht erwähnt, dass wir im Jahre 2002, ganz bescheiden, aber immerhin, ein Wirtschaftswachstum aufgewiesen haben, im Gegensatz zu Gesamtostdeutschland, das einen Schwund aufgewiesen hat.
Verehrte Frau Budde, wenn in den acht Jahren, die zwischen 1994 und 2002 liegen, die Zahlen von SachsenAnhalt immer ein bisschen über dem ostdeutschen Schnitt gelegen hätten, wären wir wirtschaftlich viel weiter, als wir es heute sind. Auch das wird man bei einer solchen Gelegenheit wohl einmal sagen dürfen.
Die Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe lag im vergangenen Jahr mit einem Plus von 6,5 % bundesweit an allererster Stelle. Ich finde, das ist ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind;
denn nur wenn sich das verarbeitende Gewerbe gut entwickelt, werden wir in der Lage sein, die anderen Probleme zu lösen.
Wir hatten zum Beispiel - Herr Püchel, das ist für jemanden, der als Minister federführend für die kommunale Ebene zuständig war, besonders wichtig - unter allen Bundesländern im Jahr 2002 bei der Gewerbesteuer als einziges Bundesland einen zweistelligen Zuwachs, wäh
rend die meisten Länder ein Minus verzeichnen mussten. Das ist eine Rückwirkung der Tatsache, dass sich das verarbeitende Gewerbe bei uns sehr gut entwickelt.
Die Werte, die jetzt vorliegen, zeigen, dass die Entwicklung ganz offensichtlich in die richtige Richtung geht. Ich habe nie gesagt, dass diese Dinge erst am 17. Mai 2002 begonnen hätten. Wenn Sie, was ich gar nicht bestreiten will, den einen oder anderen Beitrag in den letzten acht Jahren dazu geleistet haben, dann bedanke ich mich ausdrücklich bei Ihnen. Das habe ich bei anderer Gelegenheit auch getan.
Ich will die positive Entwicklung gar nicht für eine Partei oder eine Regierung in Anspruch nehmen. Lassen Sie uns doch über das, was positiv ist, auch gemeinsam positiv reden. Auch das ist ein Beitrag, unser Land voranzubringen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in den wesentlichen Branchen unseres Landes - deswegen haben wir beim Wirtschaftswachstum zugelegt - eine positive Entwicklung, das gilt etwa für das Ernährungsgewerbe, die Chemie, die heute schon in bestimmten Teilaspekten abgehandelt worden ist, den Maschinenbau oder den Fahrzeugbau.
Die Tatsache, dass wir im ersten Quartal 2003, verglichen mit dem ersten Quartal 2002, in Sachsen-Anhalt im verarbeitenden Gewerbe ein Plus von 2 600 Arbeitsplätzen hatten, während im gleichen Zeitraum bundesweit die Zahl der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe um 155 000 zurückgegangen ist, macht deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, dass die Probleme gelöst wären.
Wir haben bei den Investitionen im Bereich des verarbeitenden Gewerbes einen sprunghaften Anstieg. Die Zahlen sind bekannt. Die über Förderbescheide angestoßenen Investitionen lagen im Jahr 2001 bei 1,75 Milliarden €, ein Jahr später, im ersten Jahr der neuen Regierung, bei 2,75 Milliarden €. Dieses Jahr werden wir über 3 Milliarden € erreichen, und das, meine Damen und Herren, im Widerspruch zum Bundestrend, wo die investive Tätigkeit des produzierenden Gewerbes rückläufig ist. Ich finde, das macht deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das sollte man anerkennen.
Im Übrigen hat das Land Sachsen-Anhalt, verehrte Frau Budde, im Jahr 2002 die GA-Mittel ähnlich wie Sachsen, aber im Gegensatz zu allen anderen ostdeutschen Ländern bis auf den letzten Euro und Cent abgerufen und eingesetzt, während in der Zeit - das kann man bei der Gelegenheit ruhig einmal erwähnen -, in der die Sozialdemokraten den Wirtschaftsminister gestellt haben, über 600 Millionen DM nicht abgerufen wurden und damit unserer Wirtschaft verloren gegangen sind.
Noch eines, verehrte Frau Budde - ich habe mir kürzlich einmal erlaubt anzuregen, dass Sie sich so kurz nach dem Regierungswechsel ein bisschen zurückhalten sollten; ein bis zwei Jahre sind in der Wirtschaftspolitik nicht sehr viel -: Sie haben die nicht abgeflossenen Mittel angesprochen; das ist in der Tat ein Problem. Aber wissen Sie, worauf das zurückzuführen ist? - Das sind die Förderbescheide, die in Ihrer Zeit ergangen sind und die die Wirtschaft aus Gründen, die ich jetzt gar nicht kritisieren
Ich sage Ihnen aber voraus, wir werden dieses Jahr die Mittel komplett umsetzen. Das ist Ihnen in den zurückliegenden Jahren bedauerlicherweise nicht gelungen. Ihre Bescheide lasse ich mir als Versäumnis nicht vor die Tür kehren. Auch das muss bei der Gelegenheit gesagt werden dürfen.
Meine Damen und Herren! Es gibt natürlich wichtige Bereiche, in denen wir mit der Entwicklung überhaupt nicht zufrieden sein können. Das große Defizit an selbständigen Existenzen ist etwas, das uns unheimlich bedrückt und das wir korrigieren müssen, wenn wir die Zahl der Arbeitsplätze erhöhen wollen. Wenn man von 260 000 oder 280 000 Arbeitslosen im Land spricht, muss man zugleich davon sprechen, dass wir 30 000 bis 40 000 selbständige Existenzen zu wenig haben. Das eine Problem lässt sich nicht lösen, wenn wir das andere Problem im Bereich der selbständigen Existenzen nicht lösen.
Wenn wir über die Arbeitslosenzahlen sprechen, muss an dieser Stelle im Übrigen erwähnt werden dürfen, dass der Zuwachs an Arbeitslosen, den wir im Jahr 2003 verzeichnen müssen und der uns bundesweit sehr weh tut, im Land Sachsen-Anhalt zu 95 % auf Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zurückzuführen ist, die bestimmte Programme drastisch gekürzt hat. - Ich habe an dieser Stelle schon einmal darauf hingewiesen, dass ich das gar nicht prinzipiell rügen will; aber ich habe auch gesagt, wenn wir über die Arbeitslosigkeit reden, müssen wir auch über die Ursachen fair miteinander diskutieren.
Was sind die Aufgaben im Bereich der Wirtschaftspolitik, die wir in den vor uns liegenden Jahren lösen wollen? - Erstens. Wir müssen die Verkehrsinfrastruktur weiter voranbringen. Ich bin dem Kollegen Dr. Daehre sehr dankbar, weil er mit großem Engagement das Land auch in den Gesprächen mit dem Bund vertritt. Wer nicht erreichbar ist, der hat auch keine nennenswerten Chancen im Wettbewerb der Regionen. Deswegen glaube ich, dass wir gerade in diesem wichtigen wirtschaftspolitischen Punkt auf dem richtigen Weg sind.